Biographien und biographische Skizzen



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hatten. Bunt durcheinander schwirrten diese Vorschläge: Preußischer Erbkaiser, Direktorium, Wahlkaiser, republikanische Verfassung. Aus all dem, was damals gesprochen wurde, konnte Uhland wenig Mut zum Eingreifen in die Verhandlungen schöpfen. Eine Persönlichkeit, die sich in aussichtslosem Radikalismus gefiel, war er nicht. In ihm lebte neben einem entschiedenen Unabhängigkeitssinn und einer edlen Begeisterung für die Freiheit doch auch der entschiedene Wille, nur das anzustreben, was nach der Lage der Dinge möglich war. Innerhalb dieses Möglichen trat er allerdings immer für das ein, was seinem Freiheitssinne am meisten entsprach. So gab er am 29. Juni 1848 seine Stimme nicht dem Erzherzog Johann, sondern dem Freiherrn von Gagern für die Würde des Reichsverwesers. Nur selten fühlte er sich gedrängt, als Redner aufzutreten. Wenn er es tat, dann sprach er gewichtige Worte. Sein ganzes Fühlen und Denken prägt sich in den Worten aus, die er am 22. Januar 1849 im Verlauf einer Rede gegen einen Erbkaiser gehalten hat: «Es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem Tropfen demokratischen Öles gesalbt ist.» Nach der Zurückweisung der deutschen Kaiserwürde durch den König von Preußen traten die Mitglieder aus der Volksvertretung aus, die an dieser Idee hingen. Der Rest der Volksvertreter siedelte nach Stuttgart über. Uhland harrte im Rumpfparlament aus, trotzdem er gegen dessen Verlegung nach Stuttgart war. Er hielt es doch für seine Pflicht, in der Reihe der Männer zu bleiben, die auch weiter für ihre Ideale kämpfen wollten. In Stuttgart war die Lage von Anfang an die denkbar schwierigste. Die Majorität des Rumpfparlamentes war für die Wahl einer Regentschaft aus fünf Personen zur Leitung des Reiches. Uhland war der Führer

der Gegner dieses Beschlusses. Er hatte dabei nur fünf Gesinnungsgenossen. Er versprach sich von einer solchen Form der Regierung nichts. In den folgenden Tagen versuchte die württembergische Regierung, die Sitzungen der Volksvertreter mit militärischer Gewalt zu verhindern, weil diese fünf Millionen als Umlage für die Bildung eines Volksheeres auszuschreiben beschlossen hatten. Uhland wollte sich mit seinen Freunden dennoch zur Sitzung am 18. Juni begeben. Das Militär hinderte sie daran. Sie mußten weichen. Uhland war also einer derjenigen, die den parlamentarischen Kampf in den denkwürdigen Tagen bis zuletzt geführt haben, und die sich sagen konnten, daß sie nur der Gewalt gewichen sind. - Nur noch einmal wurde Uhland, für ganz kurze Zeit, auf den politischen Schauplatz gerufen. Er mußte 1850 an dem Staatsgerichtshof teilnehmen, der über die Regierungshandlungen der Revolutionszeit zu urteilen hatte. Vergeblich ist er auch hier noch einmal für die Rechte des Volkes eingetreten, indem er für die Verurteilung des Ministers des Auswärtigen, Freiherrn von Wächter, eintrat, der wichtige politische Beschlüsse nicht verfassungsgemäß den Ständen vorgelegt hatte.

Von jetzt an lebte Uhland nur mehr seinen wissenschaftlichen und schriftstellerischen Arbeiten. Er gab sich seinen Forschungen über die Sagengeschichte hin und sammelte neuerdings Volkslieder. Dazu kam ein neues Gebiet. Er wollte die Sagen seines eigenen Heimatlandes durcharbeiten. Nur weniges ist ihm gelungen, von diesem Plane auszuführen.

Bis in seine letzten Lebenstage hinein hat sich Uhland die volle Rüstigkeit erhalten, die ihm immer eigen war. Sein häusliches Glück war stets ein ungetrübtes; viele Freude

machte ihm die Erziehung zweier Pflegesöhne. Der eine war Wilhelm Steudel, den er als fünfzehnjährigen Knaben in sein Haus aufnahm. Der Vater des früh verwaisten Kindes war Uhlands Freund, der Dekan Steudel in Tübingen. Im Jahre 1848 verlor der Sohn von Uhlands Schwester, die schon 1836 verstorben war, den Vater. Auch der Erziehung dieses Knaben widmete sich Uhland. - Tief schmerzlich war dem Dichter der im Februar 1862 erfolgte Tod seines alten treuen Freundes Justinus Kerner. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er beim Begräbnisse den Grund zu seiner tödlichen Krankheit durch eine Erkältung gelegt hat. Er konnte sich nach derselben nicht mehr recht erholen und starb am 13 .November 18 62. - Die in vielen Orten begangenen Trauer feiern bewiesen, daß man Uhlands Wirken allmählich voll schät-zen gelernt hatte. Der Dichter war in den weitesten Kreisen des Volkes geliebt, der Sagen- und Mythenforscher bei den Fachgenossen hochgeschätzt, der Politiker mit dem echt männlichen Unabhängigkeitssinn als ein Vorbild verehrt. Er hatte noch in der letzten Zeit seines Lebens diesen Sinn in seltener Weise bewährt. Im Dezember 1853 wurde er zum Ritter des Ordens pour le merke ernannt. Er wies die Würde mit den bedeutsamen Worten zurück: «Ich würde mit literarischen und politischen Grundsätzen, die ich nicht zur Schau trage, aber auch niemals verleugnet habe, in unlösbaren Widerspruch geraten, wenn ich die mir zugedachte, zugleich mit einer Standeserhöhung verbundene Ehrenstelle annehmen wollte. Dieser Widerspruch wäre um so schneidender, als nach dem Schiffbruch nationaler Hoffnungen, auf dessen Planken ich geschwommen bin, es mir nicht gut anstände, mit Ehrenzeichen geschmückt zu sein, während solche, mit denen ich in vielem und wichtigem zusammen-

gegangen bin, weil sie in der letzten Zerrüttung weiterschritten, dem Verluste der Heimat, Freiheit und bürgerlichen Ehre, selbst dem Todesurteil verfallen sind.» Diese stolzen Worte richtete er an Alexander von Humboldt, der ihm die Mitteilung von der Auszeichnung machte. Humboldt wandte alles an, um den Dichter doch zur Annahme zu bewegen. Dieser blieb unbeugsam. Auch den vom bayrischen Könige ihm zugedachten Orden für Wissenschaft und Kunst wies er zurück.

CHRISTOPH MARTIN WIELAND



Wielands Bedeutung

Es gibt geschichtliche Persönlichkeiten, denen die Nachwelt nicht ganz gerecht werden kann. Sie scheinen vom Schicksale dazu ausersehen zu sein, andern die Wege zu bereiten. Diese andern werden die Führer der Menschheit. Ihre Namen werden mit goldenen Lettern in die Bücher der Geschichte eingetragen. Was sie hervorgebracht haben, wird in dankbarer Erinnerung bewahrt und lebt von Geschlecht zu Geschlecht fort. Aber diese Führer der Menschheit haben Lehrer. Und die Namen der Lehrer werden häufig von den Schülern verdunkelt. Und das ist schließlich nur naturgemäß. Denn die Lehrer großer Schüler brauchen nicht groß zu sein. Aber auch wenn sie selbst Größe haben, so verfallen sie leicht dem allgemeinen Schicksal. - In der großen Zeit der deutschen Dichtung vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts ist es drei Persönlichkeiten so gegangen: Klopstock, Herder und Wieland. Durch das große Dreigestirn: Lessing, Schiller, Goethe wurden sie völlig in den Schatten gestellt. Und ihnen verdankt nicht nur ihr Zeitalter, sondern verdanken auch Schiller und Goethe selbst unermeßlich viel. Herder war im besten Sinne des Wortes Goethes Lehrer. Und wie Klopstock zum deutschen Volke und seiner Bildung steht, hat Goethe selbst schön ausgesprochen: «Unsere Literatur wäre ohne diese gewaltigen Vorgänger nicht das geworden, was sie jetzt ist. Mit ihrem Auftreten waren sie der Zeit voran und haben sie gleichsam nach sich gerissen» (Gespräche mit Ecker-

mann: 9. November 1824). Und auch über Wielands Bedeutung hat Goethe die richtigen Worte gefunden. «Wielanden verdankt das ganze obere Deutschland seinen Stil. Es hat viel von ihm gelernt, und die Fähigkeit, sich gehörig auszudrücken, ist nicht das geringste» (Gespräche mit Eckermann: 18. Januar 1825). Dies wird noch ergänzt durch Goethes Worte in «Dichtung und Wahrheit». Da spricht er auch von dem Einfluß, den er selbst durch Wieland erfahren hat. «Wie manche seiner glänzenden Produktionen fallen in die Zeit meiner akademischen Jahre. Musarion wirkte am meisten auf mich, und ich kann mich noch des Ortes und der Stelle erinnern, wo ich den ersten Aushängebogen zu Gesicht bekam, welchen mir Oeser mitteilte. Hier war es, wo ich das Antike lebendig und neu wiederzusehen glaubte. Alles, was in Wielands Genie plastisch ist, zeigte sich hier aufs vollkommenste.» - Durch solche Worte wird Wielands Stellung im deutschen Geistesleben klar bezeichnet. Und niemand kann ein Urteil haben über das, was in diesem Geistesleben während der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts vorging, der sich nicht wenigstens mit den wichtigsten Schöpfungen Wielands bekannt macht. Geht man näher auf sie ein, so findet man, wie wunderbar sie zu denen Klopstocks, Lessings und Herders die Ergänzung bilden. Zu Klopstocks gemütstiefer Religiosität, Lessings kritischer Strenge und Herders philosophischer Höhe tritt durch Wieland die Anmut und Grazie. Und dadurch war der letztere den unmittelbaren Menschenbedürfnissen noch näher als die andern. Er holte in einer gewissen Beziehung die Ideen, welche jene auf der Menschheit Höhen vertraten, herunter in das bürgerliche Denken und Empfinden. Was jene im Feiertagskleide zeigten, dem zog er den Alltagsrock an. Es wäre un-

gerecht, über dem leichteren Kleide bei ihm den Wesenskern zu vergessen. Eine unbefangene Betrachtung seines Lebens und seiner Schöpfungen kann das lehren.



Knabenzeit

Herausgewachsen ist Wieland aus einer in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in protestantischen Gegenden weit verbreiteten Geistesrichtung. Diese drückte sich aus in einer gewissen anspruchslosen Frömmigkeit, die weniger auf die Erfassung hoher religiöser Wahrheiten als vielmehr auf die Pflege des Gemütes und der herzlichen Innigkeit ging. Ein «guter Mensch» muß in seinem Herzen den Weg zur redlichen, aufrichtigen Frömmigkeit finden, so sagte sich diese Richtung. Nicht hohe Lehren, sondern die reine Seele suchte sie. Man nennt diese Strömung Pietismus. Man darf sich weder vor ihren Licht- noch vor ihren Schattenseiten verschließen, wenn man das Hervorgehen eines Geistes, wie Wieland aus ihr, begreifen will. Sie fördert in Kreisen, die nicht bis zu besonderen geistigen Höhen aufsteigen können, eine wahre und gesunde Idealität und ein unmittelbares Urteil in den Fragen, welche über das Alltägliche hinausgehen. Aber sie hat auch eine gewisse Engherzigkeit im Gefolge. Der Pietist ringt sich zwar zu einem ehrlichen Urteil durch; aber er betrachtet auch leicht dieses, sein Urteil, als das allein maßgebliche, und wird — ohne es eigentlich zu wollen — unduldsam gegen andere. - Und damit ist auch das pietistische Haus gekennzeichnet, aus dem Christoph Martin Wieland herausgewachsen ist. - Er ist am j. September 1733 als zweiter Sohn des protestantischen Predigers von Oberholzheim in Oberschwaben, Thomas Adam Wieland geboren. Sowohl

der Vater wie die Mutter, Regina Katharina, waren vortreffliche Menschen. Als Christoph Martin drei Jahre alt war, wurde der Vater nach dem nahen Biberach versetzt. Dort verlebte der Knabe die erste Kinderzeit bis zum vierzehnten Jahre. Ein sinniger, frühreifer Knabe wächst in einem kleinen Bürgerhause, dessen Haupt vorzüglich mit dem Seelenleben der Mitmenschen beschäftigt ist, unter Bedingungen heran, die man vielleicht damit gut bezeichnen kann, daß man sagt: er lernt die Größe der Menschheit aus einem kleinen Spiegel, weniger in der Wirklichkeit kennen. Der kleine Spiegel sind die Bücher. Und ein kleiner Bücherwurm war der Knabe Wieland. Er sog in sich die Schriften des Cornelius Nepos und des Horaz und war schon im zwölften Jahre damit beschäftigt, lange lateinische Gedichte und auch deutsche Verse zu drechseln. Unter seinen Arbeiten befand sich auch ein Heldengedicht über die Zerstörung Jerusalems.

Mit vierzehn Jahren konnte Wieland die pietistische Luft des Vaterhauses mit der gleichgearteten in der Schule zu Kloster-Bergen (bei Magdeburg) vertauschen. Der fromme Abt Steinmetz leitete diese Schule. Es lag bei dem bisherigen Erziehungsgange des Knaben wohl in der Natur der Sache, daß er hier die reichlichere Gelegenheit benutzte, durch Lektüre die Welt kennen zu lernen. Horaz, Xenophon, Cicero, Lucrez, der materialistische Schriftsteller des Altertums, Bayle, der einflußreiche Zweifler der damaligen Zeit, auch Wolff, der tonangebende Philosoph, und der gewaltige Aufklärer Voltaire beschäftigten sein reges Gedankenleben. Unter solchen Einflüssen konnte es nicht ausbleiben, daß manche Vorstellung, die er im frommen Vaterhause empfangen oder die ihm in der Schule entgegentrat, ins Wanken kam.

Zweifel über das Christentum, wie er es bisher hatte kennen gelernt, senkten sich in seine Seele. Und es bedurfte der ganzen inbrünstigen Kraft von Klopstocks «Messias», um seinem Gemüte den damals notwendigen Halt zu geben. Von dieser Dichtung waren ja in dieser Zeit gerade die ersten drei Gesänge erschienen. Wieland las sie, wie so viele, mit Entzücken. Die Kraft des frommen Empfindens, die aus ihnen strömte, war stärker als alle Vorstellungen, die von Zweiflern und Aufklärern erregt werden konnten. - Aber es stürmte viel ein auf den Jüngling, der doch nicht in der Lage war, den aufgenommenen Bücherstoff durch irgendwelche Lebenserfahrung zu einem sicheren eigenen Urteile umzubilden. Er wurde bald auch bekannt mit den Gedichten Hallers, der auf der Grundlage der damaligen Naturanschauung baute, und mit Breitingers kritischen Studien, durch welche ganz neue Maßstäbe in der Beurteilung künstlerischer Werke geltend gemacht wurden. Dazu kam, daß er 1749 vorübergehend sich bei seinem Verwandten in Erfurt, Wilhelm Baumer, aufhalten durfte, der Arzt und Philosophieprofessor war. Dieser machte ihn mit den wichtigsten philosophischen Lehrsystemen und mit dem «Don Quijote» von Cervantes bekannt. So wurde der junge Wieland zugleich eingeführt in die Gedankengebäude, durch welche die Menschheit ihre großen Rätselfragen zu lösen suchte, und in die humoristische Behandlung eines schwärmerischen Idealismus im «Don Quijote».

Studentenzeit

Durch diese Verhältnisse war die Geistesverfassung bestimmt, in welcher Wieland 1750 wieder ins Vaterhaus zu-

rückkam und in der er bald darauf zur Universität nach Tübingen ging. Es hieße Wielands Innenleben ganz verkennen, wenn man einem Liebesverhältnis, das damals in sein Leben eintrat, eine zu große Bedeutung beilegen wollte. Es war das zu Sophie von Gutermann aus Augsburg, die um diese Zeit zum Verwandtenbesuch sich in Biberach aufhielt. Zwar war die Neigung eine innige; aber eine wesentliche Rolle im Entwicklungsgänge Wielands hat sie ebenso wenig gespielt, wie einige spatere. Übrigens löste sie sich dann von selbst auf, als Sophie sich 1753 mit la Roche, dem kurmain-zischen Hofrat verheiratete. Wenn er auch eine Zeitlang durch diese «Untreue» in eine trübselige Stimmung kam, so war diese doch nicht von einer tieferen Wirkung auf seinen Entwickelungsgang. Besonders darf es nicht dieser Stimmung zugeschrieben werden, daß er in den nächsten Jahren in eine frömmelnde, moralisierende Richtung hineinkam.

Diese hat vielmehr einen ganz anderen Ursprung. Als er in Tübingen war, interessierte ihn die gewählte Rechtswissenschaft wenig. Er vertiefte sich vielmehr neuerdings in Klopstocks «Messias» und fügte dazu das Studium des platonischen Idealismus. Auch mit Leibnizens philosophischen Schriften wurde er bekannt. Aus all dem schöpfte er für sich selbst eine idealistische Weltanschauung, die er in der Dichtung «Die Natur der Dinge» zum Ausdruck brachte. Sogleich enthüllte sich dabei sein wunderbares Formtalent, das er sich an Klopstock herangebildet hatte. Dem Hallenser Philosophen Meier, dem Wieland, ohne sich zu nennen, das Gedicht übersandte, gefiel es so, daß er es sogleich zum Druck beförderte. Sollte solche Anerkennung nicht den wenig gefestigten jungen Mann ganz in die Richtung hineinbringen, die sich damals an Klopstock angeschlossen

hatte? So kam es, daß die weiteren Diditungen «Lobgesang auf die Liebe» und «Hermann» ganz in Klopstockschen Bahnen liefen. — Und das war es, was für Wieland eine unmittelbare persönlidie Beziehung zu dem Kritiker der Klop-stockschen Schule, zu Bodmer knüpfte.

Eintritt in das Literatenleben. Wieland und Bodmer

Dadurdi wurde Wieland in eine Geistesriditung hineingeführt, die damals für das deutsche Bildungsleben besonders aussdilaggebend war. Sie knüpfte sich neben anderen Namen audi an den Bodmers. Und sie bedeutete eine Art geistigen Umschwunges in Deutschland. Bis in die Mitte des Jahrhunderts war der in Leipzig wirkende Gottsched der richtunggebende Geist in der Literatur gewesen. Sein Wirken war ein umfassendes. Was er über irgendeine Zeiterscheinung gesprochen hatte, galt als maßgebend. Erschüttert wurde seine Stellung durch zwei Ereignisse. Das eine war, daß er Klopstock nicht anerkennen wollte. Das zweite die Zurückweisung seiner Franzosenverehrung durch Lessing. In bezug auf Wieland kommt das erste Ereignis zunächst in Betracht. Bodmer hatte als Kritiker gegenüber Gottsched die Oberhand bekommen. Er trat für Klopstock ein; und diejenigen, die mit Klopstock als Dichter gingen, schlugen sich naturgemäß zu der neuen kritischen Richtung, die in Bodmer und seinen Anhängern für den Messiasdichter begeistert eintrat. - Es war daher eine große Förderung Wielands, als Bodmer über des ersteren «Hermann» in der günstigsten Weise urteilte. Er stellte den jungen Mann geradezu als einen Nebenbuhler Klopstocks hin und forderte dadurch Dankesgefühle in der denkbar stärksten Weise her-

aus. Das hatte zur Folge, daß Wieland nicht nur wacker in Klopstockscher Art weiter dichtete, sondern daß er auch, nach seiner 1752 erfolgten Rückkehr nach Biberach, eine Abhandlung schrieb über Bodmers epische Dichtung «Noah», in welcher er den verehrten Mann neben Milton und Klop-stock als ebenbürtig hinstellte. Wie viel Bodmers Dichtung wirklich wert ist, und wie sehr Wieland in Voreingenommenheit urteilte, das kann in einer Betrachtung von des letzteren Entwickelungsgang nicht interessieren. Worauf es ankommt, ist, daß durch diesen Vorgang der junge Wieland 1752, auf Bodmers Einladung hin, zu diesem nach Zürich übersiedelt, und daß dieser Aufenthalt für ihn unermeßlich wichtig geworden ist. Er hat ein volles Jahr bei Bodmer als Gast im Hause gewohnt. Das war doch für ihn die erste unmittelbare Berührung mit dem Leben. Wie man auch über Bodmer urteilen mag: er war in einem gewissen Sinne eine mächtige Persönlichkeit, ein ganzer Mann. Für jemand, der große Menschen bisher nur aus Büchern kennen gelernt hatte, bedeutete die Bekanntschaft mit einer solchen Persönlichkeit viel. Es ist etwas anderes, über wichtige Dinge zu lesen, oder sie unmittelbar aus einer Seele lebendig hervorquellen zu sehen. - Es kommt auf diese Lebendigkeit und Unmittelbarkeit viel mehr an, als darauf, ob der eine oder der andere findet, daß die betreffende Persönlichkeit doch im Grunde keine wahrhaft große war. — Bodmer war aber eine charakteristische Figur. Allmählich war er dazu gekommen, in der moralischen Weltanschauung die tiefere Grundlage der Kunst zu sehen. Die Formen der Dichtung sollen den Menschen zu seinen höchsten Ideen hinleiten. Die Schönheit soll ein Ausdruck der höchsten Wahrheit sein. Diese Anschauungen lebten sich in Wielands Seele ein. Und er kam

immer mehr dazu, sie auch selbst ganz energisch zu vertreten. Es mag nun manchem gefallen, über diese Obergangsstufe in Wielands Entwickelung gering zu denken. Man hat auch herausfinden wollen, daß die gerade damals erfolgte Heirat seiner geliebten Sophie ihn weltschmerzlich gemacht und in diese moralisierende Art hineingetrieben habe. Allein man mag selbst spotten darüber, daß er damals in bezug auf den Dichter Uz sagte, man «sollte auch die schlechtesten Kirchenlieder dem reizendsten Liede eines Uz unendliche Male vorziehen»; gerade bei der Richtung, welche Wielands Schöpfungen später genommen haben, war dieser Durchgangspunkt seiner Entwickelung unendlich wichtig. Er machte sich in der Folge ganz frei von jeglicher moralisierenden Richtung und wurde Meister in einem rein den schönen Formen gewidmeten Stil. Anmut und Grazie in der Schilderung des Sinnlichen wurde eines seiner Elemente. Daß er sich Hoheit und Festigkeit stets bewahrte, das rührt davon her, daß er aus dem eigenen Leben die moralisierende Beurteilung wirklich kennen gelernt hatte. Er hat sie dadurch in berechtigter Weise als Einseitigkeit kennen gelernt. Man muß gewisse Dinge selbst durchgemacht haben, wenn man zu ihnen ein richtiges Verhältnis gewinnen will.

1754 nimmt Wieland eine Hofmeisterstelle an. Er macht sich nun auch allmählich von Bodmer frei. Von besonderem Einflüsse wird auf ihn die Lektüre des Engländers Shaftes-bury, der in dem moralisch Guten einen Schwesterbegriff des Schönen sah. Schön ist, was dem Menschen gefällt; und das Gute ist das Schöne im Handeln. Daß Wieland von einer solchen Weltanschauung einen Eindruck empfangen konnte, zeigt, in welcher Richtung das Einleben in Bodmers Auffassung gegangen war. Fruchtbar hatte sich dieses Einleben

besonders für die Ausbildung sehr beachtenswerter pädagogischer Ideen bei Wieland erwiesen. Sein 1753 veröffentlichter «Plan von einer neuen Art von Privatunterweisung» hatte ihm die oben bezeichnete Hauslehrerstelle gebracht.

1758 kam dazu noch ein «Plan einer Akademie zur Bildung
des Verstandes und Herzens junger Leute».

Immer freier wird Wielands Denken und Lebensauffassung. 1759 erschien (als Fragment) sein Epos «Cyrus». Die damals immer mehr auftauchenden Aufklärungsideen hatten ihn in einer besonderen Form ergriffen. Er idealisiert den Perserkönig zu einem Helden der Freiheit. Es handelte sich für ihn weniger um eine Darstellung des historischen Cyrus, als vielmehr um die Idee, die sich ein aufgeklärter Mensch von einem Herrscher macht, der im Sinne eines nach Freiheit dürstenden Zeitalters regiert. Auch im Drama versuchte sich Wieland. Sein Trauerspiel «Lady Johanna Gray» wurde 1758 in Winterthur mit Beifall aufgeführt und fand sogar in den Augen des kritischen Lessing Gnade. - Wieland war in dieser Zeit bereits in weiteren Kreisen als Schriftsteller bekannt geworden. In seinem äußeren Leben trat

1759 dadurch eine Veränderung ein, daß er seine Züricher
Hauslehrerstelle mit einer solchen in Bern vertauschte. Doch
gab er diese nach kurzer Zeit auf und brachte sich eine Zeit
lang durch freien Unterricht in verschiedenen Fächern durch.

Wieland in der Schweiz

In Bern lernt er eine geistvolle Dame, Mademoiselle Bondeli, kennen. Sie ist auch als Rousseaus Freundin berühmt geworden. Daß sich Wieland mit ihr verlobt hat, ist von geringerer Bedeutung, denn das Leben löste dieses Verlöbnis wieder.

Wohl aber hat es für ihn Wichtigkeit gehabt, daß er in Bern die Möglichkeit hatte, sich mit einer geistvollen Persönlichkeit angeregt zu unterhalten, die in fast allen Gebieten des menschlichen Wissens zu Hause war, und welche die Welt von einem hohen Standpunkt aus zu beurteilen vermochte. Ihr Bild begleitete Wieland durchs Leben; mancher ihrer Züge findet sich in den Frauengestalten seiner Dichtungen, und als Greis gab er über sie das schöne Urteil ab, «daß sie der schönste, hellste, ausgebildetste und in jeder Rücksicht vollkommenste weibliche Geist sei, der mit einem so regelmäßigen, zugleich so zarten und starken, so liebevollen und dazu von aller Schwachheit so gänzlich freien Herzen verbunden war».

Die Zeit war gekommen, in der Wieland daran denken mußte, sich eine festere Lebensstellung zu gewinnen. Die Verwandten und Freunde in der Heimat kamen ihm darin entgegen. Sie haben es bewirkt, daß er am 30. April 1760 zum Senator in Biberach ernannt worden ist. Ein solcher hatte Anwartschaft auf gewisse Stellen im Gemeindeamt, die eine Brotversorgung bildeten. Wieland erhielt eine solche im Juli desselben Jahres als Kanzleidirektor. Allerdings blieb die Anstellung vier Jahre hindurch eine provisorische. Biberach war in religiöser Beziehung gespalten. Bei der Besetzung der Stellen stritten sich eine katholische und eine protestantische Partei, und Wieland wurde erst später definitiver Stadtschreiber. 1765 verheiratete er sich mit Dorothea von Hillenbrand aus Augsburg, die ihm durch die Bemühungen der Verwandten zugeführt worden war. Es war eine Eheschließung ohne Enthusiasmus, aber der Grund zu einem dauernden Lebensglück, zu stiller, zufriedener Gemeinschaft, welche bis zum Tode der Gattin, 1801, ungetrübt dauerte.

Den Grundton dieser Gemeinschaft mag man in den Worten finden, die Wieland über die Frau schrieb: «Meine Frau ist eines der vortrefflichsten Geschöpfe Gottes in der Welt, ein Muster jeder weiblichen und häuslichen Tugend, frei von jedem Fehler ihres Geschlechtes, mit einem Kopf ohne Vorurteile und mit einem moralischen Charakter, der einer Heiligen Ehre machen würde. Die zweiundzwanzig Jahre, die ich nun mit ihr lebe, sind vorbeigekommen, ohne daß ich nur ein einziges Mal gewünscht hätte, nicht verheiratet zu sein; im Gegenteil ist sie und ihre Existenz mit der meinigen so verwebt, daß ich nicht acht Tage von ihr entfernt sein kann, ohne etwas dem Schweizer Heimweh Ähnliches zu erfahren. Von dreizehn Kindern, die sie mir geboren hat, leben zehn liebenswürdige, gutartige, an Seele und Leib gesunde Geschöpfe, die nebst ihrer Mutter das Glück meines Lebens ausmachen.»


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