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Daniela Molzbichler
SWS-Rundschau (
.Jg.) Heft /: –
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4. Phase: Missverständnisse
Konflikte werden als Missverständnisse, als Ergebnis der kulturellen Unterschiede
wahrgenommen.
5. Phase: Verständigung
Die unterschiedlichen kulturellen Spielregeln werden verstanden, geduldet,
erlernt und geschätzt. Der Kulturschock ist überwunden.
Wie erkennt man nun einen Kulturschock? Was kann man dagegen tun bzw. wie kann
man einen Kulturschock mindern oder sogar verhindern? Im Folgenden werden Symp-
tome vorgestellt (Dodd
, –), die auf einen Kulturschock hinweisen. Darüber
hinaus entwickelte Dodd Strategien, die zur Überwindung eines Kulturschocks ver-
wendet werden können. Beide Bereiche sollen hier kurz vorgestellt werden:
Symptome eines Kulturschocks:
1. exzessive Sorge um die eigene Gesundheit;
2. Gefühle von Hilflosigkeit und Zurückweisung durch andere;
3. Irritationen;
4. Angst, betrogen oder verletzt zu werden;
5. starkes Verlangen nach Hause und nach den Freunden zu Hause;
6. körperliche Stressreaktionen (Schweißausbrüche, Herzklopfen ...);
7. Ängstlichkeit und Frustrationen;
8. Einsamkeit;
9. defensive Kommunikation.
Überwindung des Kulturschocks:
1. Geduld haben und nicht frustriert sein;
2. neue Bekanntschaften schließen;
3. neue Dinge (Essen, Kleidung usw.) ausprobieren;
4. sich selbst Phasen der Ruhe und des Nachdenkens geben;
5. Arbeit am Selbstkonzept, d. h. positive Gedanken fördern und negative Gedanken
verdrängen;
6. Druck und Frustration abbauen – z. B. durch das Führen eines Tagebuches;
7. die Körpersprache der anderen Kultur beobachten – Enttäuschungen und Frustra-
tionen ergeben sich oft, weil die von zu Hause gewohnten Gesten der Freundlich-
keit und des Wohlwollens fehlen;
8. die fremde Sprache lernen.
Der Kulturschock gilt als äußerst gut erforschtes Phänomen auf dem Gebiet der Inter-
kulturalität. Dabei wird meist davon ausgegangen, dass jede Person, die sich (für einen
längeren Aufenthalt) nicht in der eigenen Kultur aufhält, Symptome eines Kultur-
schocks erlebt. Genau zu diesem Thema führt das renommierte deutsche Institut für
Interkulturelles Management (IFIM) seit mehr als zehn Jahren regelmäßige Nacheva-
luierungen durch. Dabei werden Expatriates
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befragt, die ein Jahr vor ihrem Auslands-
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Personen, die sich z. B. aufgrund ihrer Arbeit für einen längeren Zeitraum im Ausland aufhalten.
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Kulturen in Konflikt? Vom Umgang mit Konflikten in interkulturellen Beziehungen
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aufenthalt ein interkulturelles Training bei IFIM absolviert haben. Die IFIM-Befra-
gungsergebnisse sind äußerst interessant:
Demnach erlebt nur eine Mehrheit der in Indonesien und Indien befragten Ex-
patriates das für den Kulturschock als so typisch geltende »Stimmungstief«, während
die Mehrheit der Befragten in den anderen Ländern ein solches nach eigener Einschät-
zung im ersten Jahr des Auslandsaufenthalts »eher nicht« erlebt hat. Mit ausgereiste
Frauen scheinen dabei Kulturschock-Phänomene wie Stimmungstief, Heimweh, Ein-
gewöhnungsprobleme, etc. eher zu erleben (oder zuzugeben) als (ihre) Männer (IFIM
, ).
Das IFIM-Team präsentierte aufgrund der Evaluierung von
Befragten im Zeit-
raum
– folgende Analyse: Ging man bis dato noch davon aus, dass auch eine
exzellente Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt zwar die Symptome eines Kultur-
schocks mildern, sie jedoch nicht aufheben kann, müssen aufgrund dieser Ergebnisse
neue Schlussfolgerungen gezogen werden. So hat es den Anschein, dass ehemalige
IFIM–TeilnehmerInnen mehrheitlich nicht oder nur in geringem Ausmaß an Kultur-
schock-Symptomen leiden. Dafür bietet IFIM folgende Interpretationsmöglichkeiten
an:
1. »In der bisherigen Forschung wird der Kulturschock übertrieben dargestellt. In der Praxis
ist das alles halb so schlimm.«
2. »Durch die intensive Auslandsvorbereitung wird anschließend von sehr vielen ein
Kulturschock erlebt.«
3. »Die Erhebungsdaten führen irre – auch ehemalige IFIM-TeilnehmerInnen erleiden
im ersten Jahr einen spürbaren Kulturschock« (IFIM 2001, 1).
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kulturschocks selten zugegeben werden. Ich den-
ke aber, dass jede Person, die für beispielsweise einen längeren Auslandsaufenthalt in
einer anderen Kultur mit anderen Wertvorstellungen, anderen Ritualen, Symbolen oder
Helden lebt, eine Form des Kulturschocks erlebt. Mittlerweile gibt es jedoch eine Fülle
an Möglichkeiten, sich vor einem längeren Auslandsaufenthalt über die kulturellen
Wertvorstellungen in dieser Region usw. zu informieren – sehr wichtig dabei ist vor al-
lem das grundlegende Wissen darüber, was erwünscht und was verpönt ist, wie etwa
begrüßt wird und anderes mehr (Rupprecht-Stroell
). Auf jeden Fall kann festge-
halten werden, dass man Handwerkszeug benötigt, um andere Kulturen (besser) verste-
hen zu können. Dodds Vorschläge für die Überwindung eines Kulturschocks können
gut dazu beitragen und werden in der Praxis häufig angewendet.
3.2.5 Interkulturelle Kompetenz
Wenn wir uns mit dem Thema »Kulturschock« auseinander setzen, stoßen wir früher
oder später auf den Begriff »interkulturelle Kompetenz«. Unter »interkultureller Kom-
petenz« versteht man die Fähigkeit,
»… sich in kulturellen Überschneidungssituationen orientieren und aufgrund von kontextab-
hängigem Wissen angemessen verhalten zu können. Eine Person ist interkulturell kompetent,
wenn sie die fremde Kultur soweit verstanden hat, dass sie die Erwartungen und Reaktionen
ihrer Mitglieder ähnlich gut vorhersehen kann wie die Erwartungen und Reaktionen der