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Daniela Molzbichler
SWS-Rundschau (
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res Denkens, Fühlens, Wollens – auf der Ebene ihrer Zufriedenheit, ihrer Identität, ih-
rer Beziehungen oder ihres Verhaltens – beeinträchtigt empfindet (siehe auch Glasls
Konfliktdefinition: Glasl
, –).
Während viele alltägliche interkulturelle Konflikte häufig auf Vorurteilen oder
Missverständnissen basieren, wie wir sie jeden Tag erleben, existieren auch interkultu-
relle Konflikte, die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lang gewachsen sind und auf
abgrundtiefem Hass beruhen können. Somit eröffnet sich für das interkulturelle Kon-
fliktmanagement ein breites Feld, das jedoch noch weit gehend brach liegt. Schwierig
und kontrovers sind auch die Positionen und Ansätze, wie ein interkultureller Konflikt
zu behandeln sei.
Für welche Theorie und Herangehensweise man sich auch immer entscheidet – zu
beachten ist dabei stets, dass die Beteiligten aus verschiedenen kulturellen Gemein-
schaften kommen. Sie bringen unterschiedliche Werte, Hoffnungen und Erwartungen,
Annahmen, Unterscheidungsmerkmale in der verbalen wie non-verbalen Kommuni-
kation und in ihren Interaktionen in den Konflikt ein, die selbstverständlich auch den
Konfliktprozess beeinflussen.
3.1 Konfliktdiagnose und Konfliktbehandlung
Für das Feld des Konfliktmanagements möchte ich hier vor allem auf Friedrich Glasl
hinweisen, der die Verbindung zwischen Konfliktdiagnose und Konfliktbehandlung
sowohl für die Theorie als auch für die Praxis handhabbar gemacht hat. Zudem lässt
sich seine Einteilung der Stufen einer Konflikteskalation und der darauf aufbauenden
Konfliktbehandlungsoptionen sowohl in Beiträgen zur internationalen Konfliktfor-
schung (Makroebene) als auch auf der gesellschaftlichen Mikroebene (z. B. Schulkon-
flikte) wieder finden.
Seine Vorschläge, wie man einen Konflikt diagnostizieren und behandeln kann,
sind auch für den interkulturellen Bereich gut anwendbar. Glasl entwickelte das »Pha-
senmodell der Eskalation«. Demnach eskalieren viele Konflikte ungewollt und entfalten
eine zerstörerische Eigendynamik, wenn sie nicht bewusst kontrolliert und gesteuert
werden. Er unterteilt diese Eskalationsdynamik in neun Stufen (Glasl
, –):
Stufe 1: Verhärtung
Hier bemüht man sich um Kooperation. Die Beteiligten bemühen sich – trotz gele-
gentlicher Reibungen und Spannungen –, Konflikte beizulegen. Das gemeinsame
Agieren wird nicht infrage gestellt.
Stufe 2: Debatte und Polemik
Wird auf Stufe 1 der Konflikt nicht gelöst, kann es zu Polarisierung(en) kommen.
Die Beteiligten werden reizbarer. Mithilfe der Benennung kooperativer und kon-
kurrierender Verhaltensweisen und vor allem einer gemeinsamen neuen Zielvorga-
be kann einer weiteren Eskalation des Konflikts vorgebeugt werden.
Stufe 3: Taten
Auf dieser Stufe wird die Gegenpartei mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, blo-
ckiert und daran gehindert, ihr Ziel zu erreichen. Hier ist eine Intervention von
außen unabdingbar.
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Kulturen in Konflikt? Vom Umgang mit Konflikten in interkulturellen Beziehungen
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Stufe 4: Images und Koalitionen
Hier sorgen sich die Parteien um ihre Reputation und sind auf der Suche nach Un-
terstützung(en) von anderen – nicht direkt Beteiligten. In diesem Bereich ist an kei-
ne einvernehmliche Lösung zu denken. Eine »win-win-Situation« erscheint den
Beteiligten demnach nicht mehr möglich. Unbeteiligte werden nun in den Konflikt
mit einbezogen, um die eigene Position und Sichtweise zu stärken. Bei der Konflikt-
lösung können Mediatons-Maßnahmen zwar helfen, jedoch ist eine Einigung über
das Sachproblem schwierig.
Stufe 5: Gesichtsverlust
Auf dieser Stufe sind vor allem Rache, Ärger und Angriffe unterhalb der Gürtellinie
anzutreffen. Es werden so genannte Nebenkriegsschauplätze eröffnet. Hier muss
bei einem Konfliktlösungsprozess jedes Wort auf die Waage gelegt werden, um nie-
manden zu verletzen.
Stufe 6: Drohstrategien
Hier spielt das Sachproblem keine Rolle mehr – es verschwindet zunehmend. Der
weiteren Konflikteskalation kann nur mehr mit einer Trennung vorgebeugt werden.
Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge
Kommt es auf Stufe 6 zu keiner Trennung, steht die systematische Schädigung des
Gegenübers im Vordergrund, um es zum Einlenken zu zwingen.
Stufe 8: Zersplitterung
Diese Zerstörung kann in einen wahren Nervenkrieg ausarten. Es kommt zu geziel-
ten Angriffen, die Gegenpartei soll zerfallen.
Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Hier gibt es keinen Weg mehr zurück. Die totale Vernichtung, selbst um den Preis
der eigenen Selbstvernichtung, steht im Mittelpunkt.
Für Glasl stellt der »…Übergang von Stufe zu Stufe … auch das Abgleiten von einem
Regressionsniveau zu einem noch niedrigeren Regressionsniveau« (Glasl
, ) dar.
Er weist darauf hin, dass es zwischen den Stufen
und sowie zwischen und so ge-
nannte Regressionsschwellen gibt, das heißt, ab hier ändern sich u. a. Einstellungen und
Verhalten der Konfliktparteien. So streben die Konfliktparteien auf den Stufen
bis
eine »win-win-Situation« an, während bei den Stufen
bis aus Sicht der Beteiligten
bereits von einer »win-lose-Situation« gesprochen werden kann. Ab Stufe
geht es um
eine »lose-lose-Situation«, das heißt, den Konfliktparteien geht es im Endeffekt um die
Schädigung der jeweils anderen Konfliktpartei, egal ob dies auch eine Selbstschädigung
mit sich bringen würde. Für jede Eskalationsstufe gibt es auch eine bestimmte vorge-
schlagene Behandlungsmöglichkeit. Diese Optionen beinhalten etwa einfache Modera-
tionen, Vermittlungen durch eine dritte Partei (Mediation), aber auch Schiedsverfah-
ren oder Machteingriffe von außen. Glasls Ansatz wird bei interkulturellen Konflikten
auf verschiedenen Ebenen angewendet, wie etwa von Keashly und Fisher (
) oder
Ropers (
). Verbindet man nun die Eskalationsgrade Glasls mit Kulturerfassungsan-
sätzen, etwa den Hofstedeschen Dimensionen, so entsteht ein neues Bild interkulturel-
len Konfliktmanagements, das es möglich macht, auf vielen Ebenen anzusetzen und zu
arbeiten.