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Daniela Molzbichler

SWS-Rundschau (

.Jg.) Heft /: –

www.sws-rundschau.at

3.2.2 Interkulturelle Missverständnisse und Gegenstrategien

KonfliktforscherInnen  zählen  Missverständnisse  zu  »scheinbaren«  oder  zu  »Nicht-

Konflikten« (siehe etwa Hugo-Becker 

, ), wobei stets darauf hingewiesen wird,

dass ein Missverständnis – wenn es nicht geklärt/ repariert wird – ein hohes Potenzial

an Konflikteskalation beinhaltet. Denn Missverständnisse können, wie Lavric (

) in


Anlehnung an Öberg (

) beschreibt, zum einen die interpersonellen Beziehungen

schwer  belasten,  zum  anderen  aber  auch  (nationale)  Stereotype  weiter  verstärken.

Wenn diese Missverständnisse aber erkannt und zur Sprache gebracht werden, kann

dies zu einer besseren Verständigung zwischen den beteiligten Kulturen beitragen. Auch

Hinz-Rommel und Carroll sind davon überzeugt, dass interkulturelle Kommunikation

beinahe automatisch ein gewisses Maß an Missverstehen impliziert. Hinz-Rommel be-

schreibt Missverstehen als »Pseudo-Verstehen« (Hinz-Rommel 

, ), und dieses

Pseudo-Verstehen kann zu einem »richtigen« Konflikt führen, da verschiedene »natu-

ral ways of seeing the world« (Carroll 

, ) dafür verantwortlich sind.

Mit unterschiedlichen Kulturerfassungsansätzen gekoppelt und in die Praxis um-

gesetzt, bedeuten diese Feststellungen, dass es bei Missverständnissen im Rahmen einer

interkulturellen  Kommunikation  darauf  ankommt,  welche  Personen  mit  welchen

mentalen Programmierungen daran beteiligt sind. Es sei hier nochmals explizit darauf

hingewiesen, dass von keinem starren, beispielsweise an nationale Grenzen gebunde-

nen Verständnis von Kultur(en) ausgegangen wird: Selbstverständlich spielen daher die

individuellen Persönlichkeitsstrukturen und die jeweilige Situation bei jeder interkul-

turellen Kommunikation eine beachtliche Rolle. Es gibt genügend praktische Beispiele,

die zeigen, dass Missverständnisse – vor allem im interkulturellen Bereich – eher die

Regel als die Ausnahme darstellen, denn häufig werden die erlernten Gesten, Rituale

oder Wertvorstellungen gar nicht hinterfragt, sondern als allgemeingültig und selbst-

verständlich wahrgenommen. Dementsprechend gibt es dann Missverständnisse, wie

man sich etwa begrüßt oder bedankt, wann gelächelt wird, welcher Tonfall als Beleidi-

gung gilt, welche Kleidung oder Schuhe angemessen sind, welche Kopfbewegung »ja«

oder »nein« bedeutet, wann Körperkontakt in der Öffentlichkeit erwünscht oder ver-

pönt ist, was als unhöflich empfunden wird und anderes mehr.

Diese Missverständnisse sind großteils auf unterschiedliche Werte, Symbole oder

Rituale, verschiedene Denk- und Handlungsweisen sowie auf Gefühle zurückzuführen,

die wiederum situationsabhängig und mit den jeweiligen Persönlichkeitsstrukturen

gekoppelt sind. Und diese Persönlichkeitsstrukturen können, müssen aber nicht mit

der Kultur vereinbar sein, in der die Personen aufgewachsen sind. Die Analyse interkul-

tureller Missverständnisse gestaltet sich in der »Realität« weitaus schwieriger als zu-

nächst angenommen wird, da viele Ebenen berücksichtigt werden müssen.

Erwähnenswert scheint mir in diesem Kontext auch Gumperz zu sein, der meint,

dass die GesprächsteilnehmerInnen den Kontext gemeinsam konstruieren – und zwar

mit »contextualization cues« (Kontextualisierungssignalen). Diese Signale zeigen, wie

bestimmte Äußerungen und bestimmte Handlungen zu interpretieren sind, etwa ob

eine Umarmung erwartet wird oder verpönt ist, ob man miteinander leise oder laut




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Kulturen in Konflikt? Vom Umgang mit Konflikten in interkulturellen Beziehungen

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sprechen soll usw. (Gumperz 

, –). Die Fähigkeit, diese Signale richtig zu inter-

pretieren, also so zu deuten, wie dies auch der bzw. die Deutende meint, zählt zur kom-

munikativen Kompetenz. Missverständnisse entstehen dadurch, dass die Interpretatio-

nen dieser Signale unterschiedliche Bedeutungen haben. Ein Großteil der interkultu-

rellen Forschungsarbeiten basiert auf der Sammlung von so genannten »critical inci-

dents«: Damit sind solche interkulturellen Schlüsselerlebnisse und Konfliktsituationen

gemeint, in denen sich diese unterschiedlichen Interpretationen und Herangehenswei-

sen zeigen, wie etwa in Form von Höflichkeitsritualen.

Viele WissenschafterInnen, die sich mit Missverständnissen im interkulturellen

Bereich auseinander setzen, teilen das Missverstehen in Phasen ein. Hervorheben möchte

ich hier folgendes Phasenmodell (Humphreys-Jones 

, –):

1. Phase: Origin

Ein Missverständnis beginnt mit Äußerung a von Person A.



2. Phase: Manifestation

Es folgt Äußerung b von Person B, durch die das Missverständnis »auffliegt«,

also manifest wird.

3. Phase: State of realization

Person A oder (und) Person B erkennt (erkennen), dass es zu einem Miss-

verständnis gekommen ist.

4. Phase: Secondary components

Diese Phase umfasst alle Mittel, die für eine Behebung des Missverständnisses

eingesetzt werden.

Dieses Phasenmodell zeichnet ein ideales Bild eines Missverständnisses und für dessen

Bewältigung bzw. Aufhebung. Dabei beeinflusst aber auch die gewählte »Reparatur« die

darauf folgenden Schritte im Kommunikationsverlauf. So kann es durchaus passieren,

dass ein direkter Hinweis von Person A auf das Missverstehen von Person B für Person

B einem Gesichtsverlust gleicht und von ihr negativ bewertet wird. Darum müssen bei

der Bewältigung eines Missverständnisses vor allem folgende Fragen geklärt werden:

Gibt es ein Machtgefälle, eine soziale Distanz zwischen den Kommunikationspartne-

rInnen? Wie sehen der Gegenstand des Missverständnisses und der Verlauf des Diskur-

ses aus? Damit kann man ungefähr abschätzen, welche Reparaturstrategie zur Beseiti-

gung eines Missverständnisses angemessen ist.

Um jeglicher Eskalation vorzubeugen, sollten »Tadelungen« oder »Schuldzuwei-

sungen« auf jeden Fall vermieden werden. Schwierig gestalten sich derartige Reparatur-

mechanismen dann, wenn es darum geht, sowohl eine gute Kommunikation wieder

herzustellen als auch das Gesicht aller Beteiligten (»Image«) zu wahren. Tzanne weist

jedoch darauf hin, dass die Berücksichtigung dieser »Images« einerseits die Reparatur-

strategie beeinflusst, andererseits aber auch für das Missverständnis an sich verantwort-

lich sein kann. So geht sie davon aus, dass Missverständnisse auch mit der strategischen

Absicht  hervorgerufen  werden,  das  eigene  Image  zu  bewahren  oder  zu  verbessern

(Tzanne 


, –).

Missverständnisse können außerdem dazu beitragen, Stereotype zu fördern. Es

scheint mir plausibel, bei jedem Missverständnis – vor allem auf interkultureller Ebe-



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