Die deutsche Gelehrtenrepublik. Ihre Einrichtung. Ihre Geseze. Geschichte des lezten Landtags. Auf Befehl der Aldermänner durch Salogast und Wlemar. Herausgegeben von Klopstock. Erster Theil



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Vierter Morgen.

Die gemischte Zunft sucht es dahin zu bringen, daß das vorgeschlagne neue Gesez nicht durchgehe; es wird aber dieser Bemühungen ungeachtet eingeführt.


Einige Sachen thaten die Aldermänner nach den Aufträgen, welche sie von den Zünften und dem Volke dazu hatten, kurz ab. Heute solte wieder ein Lehrgebäude verbrant werden; aber selbst der Nachtwächter, den die Reihe des Anzündens traf, war so aufmerksam auf das, was sonst vorging, daß er mit ofnem Maule, und verloschner Fackel, bey dem Lehrgebäude stehn blieb. Der Anwald der gemischten Zunft war in den halben Kreis gekommen. Er hatte folgendes vorzutragen: Ich habe, sagte er, von meiner Zunft Befehl, auf nähere Bestimmung der eigentlichen Beschaffenheit solcher Bücher zu dringen, die, wie es meiner Zunft vorkomt, in dem vorgeschlagnen Geseze nur so obenhin angedeutet sind. Denn sehr ungerechter Weise würde man bey dieser Dunkelheit des neuen Gesezes in die Strafe der Lache, oder wol gar der Landesverweisung verfallen. Die Zunft schlägt auch, obwol ohne Maasgebung, vor, daß die Dichter angehalten werden, einige schon vorhandne Bücher von der Art, wie sie in Sinne haben, anzuzeigen. Ist es denn, sagte der wortführende Aldermann, so schwer zu wissen, was mittelmässig sey? Wenn ich schlimm seyn wolte, könte ich die Zunft in Verdacht haben, daß es vielleicht Leute unter ihr gäbe, die den Schleichhandel mit den Bilderchen auch trieben. Solt es seyn, Anwald, so laß sie in Zeiten aus der Zunft stossen. In diesem Falle soll das Gesez, das wider sie ist, noch schweigen. Du weist, daß wir einen gemesnen, und gewiß nicht glimpflichen Auftrag die Bilder betreffend von den Zünften haben. Und wenn es auch einigen gelänge (denn wir hören, daß so was vorseyn soll) uns den Auftrag wieder nehmen zu lassen; so würd es ihnen, und ihres gleichen doch zu nichts helfen. Denn es ist, denke ich, doch bekant genung, daß die Republik, wegen dieser so hartnäckigen, und wie es scheint, auch so ausgebreiteten Anhänglichkeit an das Mittelmässige, nicht wenig aufgebracht sey. Der Anwald kam zurük, und sagte, daß seine Zunft schlechterdings darauf bestünde, die verlangte nähere Erklärung zu haben. Erfolgte keine; so würde sie den Herold bey der Stimmensamlung abweisen. Der Aldermann antwortete: Dank allen, die auf dem vorigen Landtage das Gesez von der bleyernen Mittelmässigkeit eingeführt haben! Lies es deiner Zunft vor, und wenn sie dann noch nicht ergründen können, wovon die Rede ist; so haben wir ihnen weiter nichts zu sagen. Auch wehren wir es ihnen nicht, ihre Stimme fehlen zu lassen. Bring mir Nachricht, ob sie dabey beharren ihre Stimme der Republik zu versagen. Thun sie's; so verbiet ich dem Herolde bey der Samlung zu ihnen zu gehn.

Der Anwald der Dichter war vom Anfang an gegenwärtig gewesen. Ich will, sagte er zu dem andern Anwalde, deiner Zunft Genüge thun. Wir meinen in dem vorgeschlagnen Geseze fürs erste, und vor allen Dingen mittelmässige Gedichte; und diese kent ihr denn doch wol gewiß: aber sie nicht allein, denn wir meinen auch diejenigen prosaischen Schriften, welche nichts oder fast nichts anders thun, als bekanten Inhalt wiederholen. Denn bey den Untersuchungen, womit man sich in diesen Schriften beschäftigt, komt ja das wenige, was etwa von neuer Darstellung darinn angetroffen wird, nicht in Betracht, weil ihnen überhaupt die Darstellung nur Nebenwerk seyn darf. Und wenn man nun vollends dieß Nebenwerk entweder nachlässig, oder auf eine gezwungne Art, oder auf eine solche, die ganz aus dem Tone des Inhalts heraus komt, gethan hat; was hat man alsdann gethan ? Doch bleibt hierbey nicht stehen. Denn auch auf Schriften, welche das Nebenwerk besser thun; aber keinen neuen Inhalt haben, und immer nur altes bis zum eisgrauen hinauf wiederkäuen, auch auf solche Schriften, sag ich, kann und wird die Nation niemals stolz seyn. Diejenigen, die wir von dieser Art haben, zu nennen, wäre sehr überfliessig. Denn den wenigen, die sie etwa jezo noch nicht kennen, werden sie durch das sieche Leben, das sie in kurzem führen werden, schon genung in die Augen fallen. Überhaupt wäre zu wünschen, daß Leute, die hier noch mehr Deutlichkeit brauchen, lieber unter den Altfranken leben, und sich dort wol gehaben möchten. Wir sind, schloß er, viel zu nachsehend gewesen, daß wir nur die des Hochverraths schuldig erklärt haben, die, nach vorhergegangner Bestrafung andrer, eine solche Demut von der Nation verlangen würden.

Der Anwald der gemischten Zunft war zu beklagen. Denn er dachte völlig eben so; und gleichwol muste er die Sache seiner Zunft führen. Dieser war ihre Absicht mislungen. Denn sie hatte durch die Abschickung ihres Anwaldes nur Untersuchungen veranlassen, und auf diese Weise Zeit gewinnen wollen, etliche der andern Zünfte auf ihre Seite zu bringen.

Als jezo der Herold zu der Stimmensamlung herauf gerufen wurde, zeigte sich fast überall eine solche Heiterkeit, daß es nicht mehr zweifelhaft blieb, welchen Ausgang die Sache haben würde. Nur einige Ausländer sahen etwas ernsthaft aus. Sie schienen die immer zunehmende Grösse unsrer Republik zu fürchten. Wir wollen diesesmal eine so genaue Nachricht von der Stimmensamlung geben, als sie in den Jahrbüchern aufgezeichnet wurde. Für das neue Gesez waren: Die Aldermänner mit allen Stimmen; die Zunft der Redner mit drey Stimmen Mehrheit; der Geschichtschreiber auch mit dreyen; der Rechtsgelehrten durch den Ausschlag des Anwalds; der Astronomen mit allen Stimmen; der Naturforscher mit allen Stimmen; der Gottesgelehrten mit Einer Stimme Mehrheit; der Mathematiker mit fünfen; der Weltweisen mit zweyen; der Wisser mit allen Stimmen; der Kundigen mit neun Stimmen Mehrheit, und die Zünfte der Kenner, und der Drittler jede mit Einer Stimme Mehrheit. Das Volk gab (weiter hatte es der Rathfrager nicht bringen können) nur seine zwey Stimmen. Die gemischte Zunft war mit vierzehn Stimmen Mehrheit wider das neue Gesez. Die Überstimten haben beschlossen, sich, so bald sie nur dazu im Stande seyn würden, in andre Zünfte aufnehmen zu lassen. Der Anwald hat sein Amt niedergelegt.

Am dritten Morgen nach der Anname wurde das neue Gesez in die grosse Halle gebracht. Diejenigen, welche mit Schale und Blatt, Hügel und Eichel belohnt werden, gingen voran. Man bemerkte an den Jünglingen, die aus dem Volke zum Nachfolgen waren gelost worden, daß sie das Laub zu ihren Eichenkränzen dießmal mit vorzüglicher Sorgfalt gewählt hatten. Die Tafel wurde zwischen Leibnizen und Keplern aufgestelt. Wir wiederholen das Gesez. Der Schluß, den unsre Geseze zu haben pflegen, möchte einigen noch nicht bekant seyn.

»Den Ausrufern und Ankündigern wird, bey dreyjähriger Landesverweisung, und denen, die selbst schreiben, bey der lauten Lache, oder noch schärferer Rüge, verboten: Bücher, wie sie die Ausländer lange gehabt, und lange vergessen haben, so zu empfehlen, als ob die Nation stolz darauf sey sie zu besizen. Ist ein Ausrufer oder Ankündiger, oder gar ein Scribent, wegen einer solchen Anpreisung eines solchen Buches, verdientermaassen heimgesucht worden; und trit dann ein gleicher Anpreiser eben dieses Buches auf: so wird er des Verfahrens halben angesehn als einer, welcher der Nation mit Wissen und Willen, freventlich und öffentlich Hohn gesprochen hat. Und ein solcher dünkelhafter, und unvaterländischer Mensch hat Hochverrath begangen.

Also urtheilte, nach reifer Erwägung, und kalter Berathschlagung, die Zunft der Dichter auf dem Landtage zwey und siebzig achtzehntes Jahrhundert.

Auf dem Landtage angezeigtes Jahrs angenommen, in der Halle aufgestelt, und mit vollgeltender Obergewalt versehn von der versammelten Landgemeine; verworfen von der gemischten Zunft, und manchem andern Zünfter, mit welchen samt und sonders der Schuzgeist deutscher Nation dergestalt schalten und walten wolle, daß es ihnen nimmer, wie nicht an Helle des Kopfs, also auch nicht an Wärme des Herzens, gebrechen möge.«




Der Abend.

Unterredung mit einigen Altfranken.


Die Aldermänner wurden benachrichtigt, daß einige Jünglinge unter den Altf ranken diesen Morgen während der Stimmensamlung sehr hoch, und mit allerhand Einfällen, von den Vorzügen ihrer Geschäfte vor den Geschäften der Republik, gesprochen hätten. Überdieß war es schon das zweytemal, daß sie hätten für gut gefunden, sich so zu betragen. Es wären so gar beydemal einige ältliche Herren unter ihnen gewesen, die das Ding mitgemacht, und die Jünglinge, anstatt sie zurük zu halten, nur noch mehr angefeuert hätten. So wol die Jünglinge, als die ältlichen Herren waren adlicher Abkunft. Nach einigen Fragen sahen die Aldermänner, daß diese Altfranken Verstand genung besässen, Unterricht anzunehmen, aber nicht genung, keines Unterrichts zu bedürfen. Sie wurden daher zu einer Unterredung mit einem Aldermanne in die grosse Halle eingeladen. Als sie dort allein waren (die ältlichen Herren waren nicht mit gekommen) sagte der Aldermann zu ihnen: Wir haben erfahren, was, und wie Sie von uns geurtheilt haben. Erlauben Sie mir etliche wenige Fragen an Sie? So viel wissen Sie vermutlich von Cäsarn, daß Sie einsehn, keiner von Ihnen werde (ich denke mir ihn jezt, wie er auf dem Schauplaze, auf dem Sie sind, handeln würde) ihm jemals nur einigermaassen gleich kommen. Aber kennen Sie ihn? Wer bewundert ihn nicht? Und wem ist diese Bewundrung unbekant, zu der man nun so durchs Hörensagen komt? Ich bin gewiß, daß Sie Cäsarn nicht kennen. Ich will Sie gleich überzeugen. Dieser bewunderte Cäsar hat auch von der Sprachähnlichkeit geschrieben, und in dieser Schrift sehr genaue, und sehr feine Anmerkungen gemacht, die zur Grammatik gehören. Sie scherzen. Ob ich scherze, sogleich. Nur noch Ein Wort vorher. Das, womit sich die Republik bisher beschäftigt hat, ging, wie mich deucht, und wie Sie, denk ich, auch deuchten wird, denn doch über die Grammatik hinaus. Was wollen Sie damit sagen? Nur dieses, daß, wenn bey uns grammatische Untersuchungen vorgekommen wären, Sie den Kopf noch höher würden gehalten haben; und daß Sie ihn also, in Absicht auf Cäsarn, sogehaltenhaben. Aber gewiß, Sie scherzen, was Cäsars grammatische Untersuchungen anbetrift. Sie wissen doch wol noch ein wenig Latein? Einige von uns wissen so gar viel Latein. Denn damit haben sie ihre Kindheit, und ihre Jugend hinbringen müssen. Desto besser. So kann ich mich Ihnen ohne viel Umschweife deutlich machen. Aber reden Sie denn wirklich in Ernste? So in Ernste, daß ich Ihnen hiermit noch anvertraue: Karl der Grosse, und Alfred der Grosse haben sich, durch ähnliche Untersuchungen, beynah eben so lächerlich gemacht, wie Cäsar; ich sage: beynah, weil er darinn viel weiter gegangen ist, als sie. Ich sehe wol, ich komme Ihnen immer scherzhafter vor. Und das ist denn auch recht so, wie es seyn muß. Denn Sie scheinen gar nichts davon zu wissen, daß einer Nation viel mehr an ihrer Sprache gelegen seyn kann, als an hundert Sachen, die Sie nicht wenig bewundern. Doch nun zu dem, was ich Ihnen deutlich zu machen versprochen habe. Cäsar hält sich unter andern bey folgenden Untersuchungen auf: Man dürfe von arena nicht arenä in der Mehrheit sagen, so wie man im Gegentheile quadrigä, und nicht quadriga sagen müsse. Turbo müsse, auch wenn das Wort vom Ungewitter verstanden würde, turbonis, und nicht turbinis umgeendet werden. Idem heisse in der Mehrheit iidem. Man müsse partum nicht partium von pars sagen. Wenn drey i auf einander folgten, so würde das lezte zum Mitlaute. Ens wäre von esse abzuleiten. Man sage besser maximus als maxumus. Einige von diesen, und ähnlichen grammatischen Anmerkungen wurden zur Regel; einige nicht. Denn selbst Cäsar, der grosse Sieger, und der grosse Sprachkenner zugleich konte da, wo es über die Gränzen des Zwanges hinausgeht, nichts mehr, als ein anderer thun, der gleiche Sprachkentnis gehabt hätte. Schon ein Alter hat angemerkt, daß Cäsars Schlachten, der Bücher von der Sprachähnlichkeit ungeachtet, Cäsars Schlachten geblieben wären. Allein ich sehe, daß Sie sich entfernen wollen; und dieß ist auch die beste Parthey, die Sie zu nehmen haben. Denn Sie würden doch nichts, als Ausflüchte wider mich vorbringen können; und bloß das zu thun, dazu haben Sie zu viel Verstand. Nur noch ein einziges Wort zum Abschiede: Dieser bewunderte Cäsar, dessen Schlachten, und Unterjochung Roms, dessen noch auszuführende Entwürfe Sie auch nicht kennen, (Ihre nahe Entfernung verbietet mir, mich auch über diesen Punkt gegen Sie deutlich zu machen) dieser grosse Krieger, der gröste vielleicht, der jemals gelebt hat, sagt von Ciceronen, dessen Freund er in Grunde nicht war: Sein Lorber wäre schöner, als die Lorbern aller Triumphe. Denn es wäre grösser, die Gränzen des römischen Geistes eben so sehr erweitert zu haben, als die Triumphirenden die Gränzen des Reichs erweitert hätten.

Die Unterredung endigte sich hiermit. Denn die Altfranken begaben sich weg.




Fünfter Morgen.

Die Zunft der Kundigen dringt auf die Anklage der straffälligen Ankündiger und Ausrufer. Diese geht vor sich. Die Zünfte erklären, daß die Landgemeine die Urtheile nicht sprechen müsse. Die Aldermänner wollen sich auch nicht darauf einlassen. Es wird gelost, welche Zunft es thun solle. Nach gesprochnen und vollzognen Urtheilen, wird der Denkstein auf dem Plaze der eingegangnen Scholiastenzunft errichtet.


Die Zunft der Kundigen war heut früher, als die ändern Zünfte zusammen gekommen, sich zu berathschlagen, ob sie ihren Anwald, der Ausrufer und Ankündiger wegen, an die Aldermänner schicken, und Ausübung der Geseze wider jene fodern wolten. Einer aus der Zunft erklärte sich so über die Sache: Was bisher ist gesagt worden, thut mir kein Genüge. Ich bleibe dabey, es würde, wie das Sprichwort sagt, nicht das halbe Korn tragen, wenn man den Unfug, den die Ausrufer gestiftet haben, durch die Geseze rügen wolte. Ich habe dem Dinge, seitdem wir in unserm deutschen Vaterlande auch deutsch schreiben, zugesehn, und immer gar genau bemerken können, daß gute Schriften, was für Dünste die Ausrufer auch um sie zusammengezogen haben, immer ihren Weg fort, nach dem Sprichworte: Wer gehn kann, komt an; schlechte Büchlein hingegen, mit welchem Irwischglanze sie auch sind von jenen Leuten umleuchtet worden, den Weg alles Papiers, dessen Worte keine Lebenskraft in sich haben, gegangen sind. Mir hat's dabey allzeit im Herzen weh gethan, wenn rechtliche Schreiber die Mühwaltung über sich genommen haben, sich gegen die Angriffe solcher Leute zu vertheidigen. Im Anfange, als Geliert und Gleim noch neu waren, da fabelten, oder liedelten sie; (die meisten von denen, die in spätem Zeiten aufgekommen sind, hätten's in jenen früheren eben so gemacht) und da es mit dem Gesinge nicht fort wolte, da verliessen sie die Bank, und sezten sich auf den bekamen Schemel, den sie so gern für einen Richterstul gehalten sähen. Ob sie, wie abermal das Sprichwort lautet, sich von dem Pferde auf den Esel gesezt haben, laß ich deswegen keinesweges an den Ort gestelt seyn, an den so manches gestelt wird, weil es klar am Tage liegt, daß sie sich von einem Esel auf einen andern gesezt haben. Darüber, daß sie die Leute angreifen, ohne sich zu nennen, und also ihr Werk fein hinter dem Rücken treiben, mach ich ihnen keine Vorwürfe. Denn es würde doch bey der Sache nichts ändern, wenn sie solche unbekante Namen, als die ihrigen sind, auch nenten. Ich habe nichts geschrieben, und werde nichts schreiben; aber auch wenn ich schriebe, würd ich nicht anders urtheilen, und vornämlich mich nie wider einen Ausrufer zur Wehr stellen. Denn ich würde es meiner Obliegenheit halten, durch die That zu zeigen, auch das Sprichwort: Weise Leute sind starke Leute, sey ein wahres Wort.

Die Zunft beschloß gleichwol die Absendung des Anwaldes. Sein Vortrag an die Aldermänner (er las ihn ab) war dieser: Wir kennen die Geschichte der Gelehrten so gut, als Jemand, und wissen, daß gute Schriften durch Tadel der Kritiker nicht untergehn, und schlechte durch ihren Beyfall nicht bleiben; aber gleichwol wird keiner von uns (so ungern wir auch Mitzünfter verlieren, so sähen wir doch gern, daß einige Werke von Inhalt und Ausbildung, die wir auf unsrer Zunft haben, bekant würden) keiner von uns wird jemals etwas herausgeben, wenn die Geseze an den Ankündigern und Ausrufern nicht vollzogen, und sie dadurch nicht genötigt werden, ihrem Stolze Schranken zu sezen. Auf der Zunft der Wisser, die wir mit der ganzen Republik verehren, und aus der nicht selten Aldermänner gewählt werden, denkt man nicht anders, als auf der unsrigen. Ich habe Wisser ihre Handschriften verbrennen sehn, damit sie der Gefahr, sie doch wol noch heraus zu geben, nicht ferner ausgesezt wären. So unerträglich war ihnen der Gedanke, von den Ausrufern angegriffen zu werden. Und wie natürlich ist es auch, diesen Gedanken nicht aushaken zu können. Wer das für Schwachheit erklärt, wird die Schwachheit wenigstens sehr entschuldigen. Ein Mann, der denkt, und sehr wol weis, was er thut, wenn er so, und nicht anders schreibt, soll sich, vor den Augen seiner Mitbürger, seiner Verwandten, seiner Untergebnen, seiner Feinde, der Welt, auf die bekante Art, anfallen lassen, und noch dazu durch sein Stillschweigen den Schein haben, als wäre der Anfall gerecht? Die Verhältnisse zwischen diesen Kritikern, und den Scribenten sind zu ungleich. Jene dürfen alles thun; und diese nichts. Denn welcher Scribent, der auf eine gewisse Art denkt, wird sich jemals vertheidigen ? Darf er sagen, daß seine Schrift gut, oder schön sey? Denn darauf würde das, was er zu sagen hätte, doch hinaus laufen, welche Wendung er der Sache auch zu geben wüste. Kein halbes Wort darf er davon sagen. Und entschloß er sich auch dazu; würde nicht die Vertheidigung eben deswegen ein sehr wehrloses Ansehn haben, weil er nur ein schüchternes halbes Wort gesagt hätte? Und selbst bey Anlässen solcher noch so bescheidnen Vertheidigungen, pflegen die Ausrufer, sie, die zuerst, und so sehr beleidigen, zu sagen, das sey das Geschrey des beleidigten Scribenten! Aber roth ist auch dafür vor allen Gesichtern, die nicht mehr roth werden können, keins wie das ihrige, von den Brandmalen der Schamlosigkeit. Dawider wird denn doch wol auch nicht der schwächste Einwurf vorgebracht werden können, daß die, welche, bey solchen Verhältnissen, angreifen, sehr unedel handeln? Doch nur unedel zu handeln, das ist ihnen noch zu wenig. Sie verfahren auch auf eine Art, welche die guten Sitten gerade zu beleidigt. Wird der entschlossenste, ja selbst der hizigste Mann, wenn er nur noch einen Schatten deß, was den Sitten gemäß ist, übrig hat, irgend Jemanden, wer er auch sey, selbst in der kleinsten Geselschaft, jemals Dinge sagen, wie diese Kritiker, selbst guten Scribenten, und das in der grösten Geselschaft, in der man nur reden kann, so oft sagen ? Und so gar dieses ist ihnen noch zu wenig. Sie handeln auch hinter dem Rücken, indem sie ihre Namen verschweigen. Nur die sehr wenigen dürfen ihre Namen verschweigen, (eine ganz andre Frage ist es, ob sie es thun selten, und ob sie nicht manchmal misvergnügt mit sich gewesen sind, es gethan zu haben) die sehr wenigen, sag ich, welche den Verstand, die Kentnis, die Wissenschaft und den Willen haben, gerecht zu seyn. Diese werd ich auf Erfordern anzeigen *, damit sich nicht Leute ausnehmen, die der Ausname unwürdig sind.

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(*) Salogast und Wlemar hatten mir ihr Manuscript, mit der Erlaubnis, daran zu ändern, anvertraut. Ich habe mich dieser Erlaubnis nur in dem Einen Puncte bedient, daß ich die Beylagen weggelassen habe, und dieß aus keiner andern Ursach, als aus Neigung zum Schönen. Solten aber die Verfasser mit der Weglassung nicht zufrieden seyn; so werd ich die Beylagen, als einen Anhang des zweyten Theils, noch bekant machen. Ich habe die Stellen, wo sie hingehören, durch ein Sternchen bezeichnet.

Der Herausgeber.

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Denn wie viele würden sich, ohne meine Erklärung, unter jenem Schirme verkriechen wollen. Was die Namlosigkeit der übrigen, das heist bey weitem des grösten Haufens, anbetrift; so ist es, die Sache von einer andern Seite betrachtet, denn doch noch gut, daß man mindstens einige Scham, die nämlich, seinen Namen zu nennen, übrig behalten hat.

Gelehrte (um nur Einen Blik in die vorigen Zeiten zurük zu thun) haben sonst freylich auch andre Gelehrte, die sie gereizt, oder auch nicht gereizt hatten, angegriffen. Damals hatten denn nun die periodischen Blätter ihre Flüge noch nicht begonnen, und die Angriffe geschahen in den Büchern selbst; (die untergegangen sind, versteht sich, so wie die Blätter untergehn werden, wie sich auch versteht,) aber immer mit Anzeige des Namens, den man, wie klein etwan auch er seyn mochte, wenigstens denn doch, ohne eben bis dicht an die Ohren roth zu werden, nennen durfte. Selbst der kälteste unter euch, Aldermänner, wird mich nicht beschuldigen können, daß ich durch meine Vorstellung auch nur Einen Schritt über die wirkliche Beschaffenheit der Sache hinaus gethan hätte. Ich habe Worte, und Wahrheit mit einer Genauigkeit, die eben nicht gewönlich ist, gegen einander abgewogen. Daß dem so sey, sollen auch die, welche nach uns kommen, wissen; wenn sie anders in dem Geschriebenen dieser Leute blättern, und es mit dem, was ich gesagt habe, vergleichen mögen. Aber wie sie es auch mit der Sache halten wollen; so nimm gleichwol meine Erklärung, Herold, und laß sie von den Aufsehern in der grossen Halle beylegen. Du hast so recht, sagte der wortführende Aldermann, als man selten hat; aber Brodt und Schauspiele, Anwald, das ist der Punct, wo alles zusammentrift, die völlige Steurung des Unwesens zu hindern; nicht für den Pöbel, wie einst in Rom, nein, bey uns ist es ganz anders: das Brodt für die Ausrufer, und die Schauspiele für das Publicum, das altfränkische, und unsers. Dem Puncte, sagte der Anwald, fehlt noch ein Pünctchen: Nicht nur Leibes Nahrung für die Ausrufer, sondern auch Nahrung für ihren Stolz! Elendes Brodt, genieß es, wer's genissen mag. Aber vollends dieses unpatriotische Verfahren, unter den Altfranken aller Enden und Orten solche Schauspiele von uns selbst zu geben! Nie wird die Republik zu dem Ansehn kommen, das sie haben könte, und zu haben verdient, wo diesem Unfuge nicht Ziel und Maaß gesezt wird. Wenn die Grossen sich noch einigermaassen um uns bekümmern; so geschieht es dadurch, daß sie den Schauspielen, die wir von uns selbst geben, wol mit zusehn mögen. Ihr wolt zwar nicht, Aldermänner, daß wir uns viel um die Grossen bekümmern sollen; aber so weit müssen wir es wenigstens denn doch wol, daß wir endlich aufhören ihre Lustigmacher zu seyn. Wir, sagst du, Anwald? Die Ausrufer sind ja nur die Lustigmacher. Aber sind's denn nicht, antwortete der Anwald, oft sehr würdige Gelehrte, auf deren Unkosten jene belustigen? Und dehnen es nicht die Zuschauer auf die Gelehrten überhaupt aus, was die Lustigmacher von einigen vorbringen? Und wird nicht, nach diesem Vorbringen, von dem Zustande der Republik geurtheilt? Ich bin erst viel zu gelinde gewesen, daß ich es nur Unfug genent habe. Doch wenn dieß Verfahren auch keinen ärgern Namen verdient; so ist es doch eure Pflicht, Aldermänner, ihm Einhalt zu thun.

Der Wortführer der Aldermänner wendete sich zu dem Herolde .. (Nur noch Ein Wort, sagte Ekhard zu dem Anwalde, eh fortgeschikt wird. Es waren einmal eine Nachtigall, ein Jüngling, und eine Jungfrau; und es war auch eine Mücke. Die Nachtigall sang's Lied, der Jüngling, und die Jungfrau blieben stehn, und hörten dem Liede recht herzlich gerne zu. Indeß schwärmte die Mücke um die Nachtigall, und trompetete Glossen das Lied betreffend. Je herlicher das Lied klang, desto lauter wurde die Mücke auf dem Trompetlein. Aber Sängerin, und Zuhörer blieben ungestört.) Gleichwol beharte der Anwald so sehr bey seiner Forderung, daß der Aldermann dem Herolde befahl, den Ankläger herauf zu rufen, den sie neulich abgewiesen hätten. So bald dieser da ist, sezte er hinzu, so geh wieder, und suche die auf, welche die Bilderchen entdekt haben. Es währte nicht lange, so erschien der Ankläger. Aber eh er anfangen konte, war eine Bekantmachung nötig.

Der Herold stieß, der Gewonheit nach, dreymal in die Trompete, und machte hierauf folgendes bekant:

Alle, die, seit den beyden vorigen Landtagen bis jezt, in Zeitungen, oder Monathschriften, oder auch in sonstigen fliegenden Blättern und Zetteln diese mögen nun längere oder kürzere Zeit gedauert haben, zu Budenpapier geworden, oder in Bände gekommen seyn, alle, die sich seit angezeigter Zeit damit behelliget haben, in solchen Schriften und Blättern aufzutreten, und alldort auszurufen, oder anzukündigen, werden hiemit, durch mich, den Herold, vorgefodert, und befehliget, alsofort vor den Aldermännern zu erscheinen, und daselbst namentlich, vernehmlich, wie auch haarklein, ihre allerseitigen Ausrufe oder Ankündigungen anzuzeigen, und hierauf das Weitere zu gewärtigen. Solte einer derselben, wider alles Vermuten, so gesezlos seyn, und sich zu erscheinen widerstreblich weigern; so wird selbiger, so bald man durch die dicke Nacht seiner Namlosigkeit wird durchgedrungen seyn, von den Nachtwächtern herbeygeblasen werden. Wofern sich aber vollends einer erkecket, diesen, oder den, oder jenen seiner etwanigen Ausrufe nicht anzuzeigen; so empfanget er, im Falle daß er der verholnen Ausrufe halben straffällig ist, gleich nach der Ertappung, die Rüge dieser Straffälligkeit zwiefach: und ist er in diesem Betreffe nicht straffällig; so wird dennoch die Verheimlichung nicht unbeahndet gelassen.



Die Ankunft so Vieler von so vielen Seiten, (selbst aus den Zünften!) ihr Gang, ihre Gebehrdung, das alles war wirklich recht sehenswürdig. Besonders merkte man es den Ausländern an, daß sie bey ihrer Heimkunft ihren Freunden vieles von diesem Vorgange würden zu erzählen haben. Die Anzeige (bey welcher der Herold dem unordentlichen Rufen nicht selten Einhalt thun muste) wurde niedergeschrieben. Nachdem die Blätter dem Ankläger waren übergeben worden; so las er die Geseze ab, nach denen er anklagen wolte. Hierauf kam er, mit einigen Heften von ziemlicher Dicke zum Vorschein, welche solche Stellen aus den Schriften der Angeklagten enthielten, die diesen dadurch ungemein lästig fielen, daß sie den Gesezen immer schnurstraks entgegen waren. Da er also die Stellen so gut gewählt hatte, daß nichts als Ausflüchte dawider konte vorgebracht werden; so hatten die Aldermänner beynah nichts anders zu thun, als die Vertheidigungen abzuweisen. Denn sie pflegen die Plauderhaftigkeit nie lange zu dulden, wodurch man, eben deswegen, weil man nur Ausflüchte macht, bloß Mangel des Verstandes, und ausser dem noch den Stolz zeigt, zu glauben, solcherley gröbliche Sophisterey werde nicht, da es doch selbst feine so leicht wird, gleich beym ersten Anblicke entdekt. Sie thaten nur selten eine und die andre unerwartete Frage an die Angeklagten, wodurch sie diese und jene nicht dunkle Stelle zu den höchsten Graden der Deutlichkeit zu erheben wüsten. Diejenigen Hefte des Anklägers, durch welche viel Geschwäz bey wenig Inhalte erwiesen wurde, währte den Aldermännern manchmal zu lange. Man hörte nicht selten von ihnen: Abgebrochen! Genung! Völlig genung! Ein Ausrufer unterschied sich so durch seine Vertheidigung, daß sie aufbehalten zu werden verdient: Wir sehen, sagte er, nur allzu klar, wo es zulezt mit uns hinauslaufen werde! Wenn ich uns sage; so versteh ich meine meisten Mitbrüder, und nehme nur etliche wenige aus, die wol selbst nicht recht wissen mögen, wie sie unter uns gekommen sind; und an denen uns auch gar wenig gelegen ist. Denn schämen müssen wir uns ihrer, wegen ihrer Unpartheylichkeit, und Bescheidenheit, worinn sie bis zum Lächerlichen weit gehn. Man mag mir, wenn ich werde geredet haben, Schuld geben, was man will; aber den Mangel der Aufrichtigkeit soll man mir gewiß nicht Schuld geben. Nach den Gesezen, hat freylich jeder von uns nur Eine Stimme. Nach den Gesezen, ist unser Amt kein Richteramt. Recht gut das! Mag es doch in den Rollen so stehen! Aber, der Wirkung nach, haben wir viele Stimmen; sind wir Richter! Kurz, wir herschen innen und aussen, in der Republik, und draussen unter den Altfranken! Denn wenn diese einmal worinn blättern, so ist es in unsern Schriften. Freylich erstrecken wir unsre Herschaft nicht bis auf die Nachwelt; allein recht gut auch das! Denn was gehen wir, und die Nachwelt, einander an? Uns ist's völlig genung, wenn wir nur zu unsrer Zeit herschen. Und das thun wir denn ja auch, besonders jezt, recht nach Herzens Lust. Du fragst nach den Unterjochten, Aldermann, Zünfter, oder wer du sonst bist. Gleich! vorher nur noch Ein Wort von unsrer Herschbegierde. Wenn man denn nun einmal etwas von einer gewissen Art seyn muß; so ist's doch immer besser der Wolf, als das Schaf zu seyn. Wir sind also die Wölfe; treten wie Wölfe mit einander in Bündnisse, und wenn die Ränke, die sich unsre verschiednen Rotten zu spielen pflegen, in Kriege ausbrechen; so beissen wir uns auch wie Wölfe. Wer die Schafe, die Beherschten, die Unterjochten, oder wie ihr es sonst am liebsten hören mögt, wer diese sind? Fürs erste viele, viele Altfranken; fürs andre das grosse Volk (erlaubt uns immer diese Benennung) das grosse Volk samt und sonders; drittens die meisten des Volks; viertens keine geringe Anzahl Kenner, von der Zunft nämlich: aber wir gerathen ja fünftens auch wol manchmal unter diese oder jene andre Zunft; und soltens Oberzünfte seyn, so gerathen wir darunter! Ist dieß nicht eine Herschaft von einem Umfange, daß es sich gar sehr der Mühe verlohnt, sie zu haben? Wie wir sie führen diese Herschaft, das heisset, wie wir denen, welche Neigung bey sich verspüren, sich selbst zu Schafen zu machen, die Hülfe geben? Unter andern durch Gründe unsrer Beurtheilungen, die entweder an sich selbst, oder so angewendet, wie wir sie anwenden, keine Gründe sind. Aber wir wissen sie schon in genügsamen sophistischen Nebel einzuhüllen, daß sie wol, als Gründe, durchschleichen müssen. Es würde lächerlich seyn vorzugeben, daß die Beschaffenheit unsrer Gründe uns selbst nicht gar gut bekant wäre: allein führen Mittel nur zu Zwecken; was ist Herschern an der übrigen Beschaffenheit derselben gelegen? Wir solten selbst etwas hervorbringen? Dazu gehörte zweyerley: Erst müsten wir's können, und dann wollen. Bekantermaassen können wir es nicht! Doch gesezt, nicht zugestanden, wir könten's; ist dieß denn so süß, so hinreissend, als herschen? Selbst etwas hervorbringen? Nein, nein, komt uns nur nicht mehr damit. Viel lieber der erste in Querlequitsch, als der zweyte, wo denn nun gleich? in einer grossen, grossen Stadt! Die Aldermänner hätten ihn gewiß nicht ausreden lassen, wenn sie der Ablesungen des Anklägers, ob dieser es gleich, nach Beschaffenheit der Sache, sehr kurz machte, nicht wären müde gewesen. Hätten wir durch deine Aufrichtigkeit, sagte der Aldermann, auch nur das geringste uns unbekante von euren Eigenschaften, und eurer Denkungsart erfahren; so wolten wir es ungestraft hingehn lassen, was du nun da so gesagt hast. Weil das aber nicht ist; so must du denn doch etwas bestraft werden. Ich ernenne dich also hiermit auf drey Tage zum Schreyer.

Aber das Urtheil konte nicht vollzogen werden. Denn der Pöbel wolt ihn schlechterdings nicht für sein Oberhaupt erkennen, weil er sie mit Schafen verglichen hatte. Darüber wischte er hernach auch seiner Ausrufe ohne Strafe durch. Denn der Hohnlacher dünkte sich zu vornehm dazu, sich einen Mann vorführen zu lassen, den der Pöbel nicht hätte zum Schreyer haben wollen. Von denen, die nicht erschienen waren, wurde besonders einer aufgesucht. Selbst die Nachtwächter waren bey der Aufsuchung beschäftigt, und freuten sich nicht wenig darauf, bey diesem Anlasse ihre Hörner hören zu lassen. Der Mann, den man suchte, hatte vor kurzem behauptet, daß er wenigstens hundert tausend Stimmen hätte *. Es war Vielen lieb, daß er nicht gefunden wurde. Denn seine Vorführung würde zu viel Lächerlichkeit für den Ernst der Versamlung gehabt haben.

Wir enthalten uns, mit gleicher Gesinnung, verschiedne Vorfälle, die sich bey dem Verhöre ereigneten, zu erzählen. Die Geschichte geht solche kleine Begebenheiten vorbey; allein unsre Jahrbücher zeichnen es mit grosser Sorgfalt auf, weil einmal festgesezt ist, daß man in denselben alles soll finden können, was sich während eines Landtages nur immer zugetragen hat. Die Anklage, die nicht kurze Zeit gedauert hatte, war nun zwar geschehn; aber die Aldermänner wolten, eh die Urtheile gesprochen würden, noch alles anwenden, die weggebliebnen dahin zu vermögen, daß sie vor ihnen erschienen. Sie liessen in dieser Absicht den Herold zu einer zweyten Bekantmachung hervortreten. Dieser rief: Alle Ausrufer und Ankündiger, die sich durch bisherigen Aufschub und Zögerung widerspenstig bezeigt haben, und nicht vor den Aldermännern erschienen sind, werden hiemit noch Einmal vorgefodert. Kommen mehr benante Ausrufer und Ankündiger straks; so darf's ohne Begleit der Nachtwächter geschehn: lassen sie aber ihrer strafbaren Widersezlichkeit dergestalt den Ziegel schiessen, daß man sie auskundschaften muß; so werden sie als Aufwiegler und Meutmacher angesehn, und dieserwegen, den Gesezen gemäß, mit der fünfzehnjährigen Landesverweisung heimgesucht.

Der Erfolg der Bekantmachung war, daß noch eine ziemliche Anzahl vor den Aldermännern erschien. Nachdem auch dieser Sache vorgewesen war; so liessen die Aldermänner bey den Zünften und dem Volke anfragen: Ob die Republik die Urtheile fällen solte? Die Antwort war: Deß Belangs wäre die Sache nicht. Die Aldermänner möchten es daher thun. Diese lehnten es von sich ab. Weil sie aber, einiger wenigen würdigen Männer halben, die sich auch auf Ankündigungen eingelassen hatten, nicht wolten, daß die Sache vor das Polizeygericht käme; so suchten sie ihren Zwek dadurch zu erreichen, daß sie den Zünften und dem Volke vorschlugen, die zu übernehmende Entscheidung durch das Loos auszumachen. Dieß war bisher noch nie geschehn; und es wäre auch gewiß nicht angenommen worden, wenn die Aldermänner nicht hinzugesezt hätten, daß es auch gestattet würde, nicht mit zu losen. Einige Zünfte zögerten ein wenig, da der Herold mit den Losen zu ihnen kam; unterdeß liessen sich denn doch die Anwalde zulezt das Gefäß öfnen. Die gemischte Zunft aber schlug es rund ab. Und sie hatte gewiß auch ihre recht guten Ursachen dazu. Denn die Republik hätte ihre Entscheidung, im Falle, daß diese partheyisch gewesen wäre, gerade zu verworfen; und hier unpartheyisch seyn zu müssen, würde ein zu harter Stand für die Zunft gewesen seyn.

Das Loos traf die Zunft der Wisser. Sie liessen sich, mit der ihnen gewönlichen Kälte, dieß und jenes von der Anklage die sie gehört hatten, wiederholen, und sprachen hierauf die Urtheile.

Drey und dreyssig mehrentheils Ankündiger entgalten viel Geschwäz zu wenigem Inhalte durch die laute Lache. Wir wollen nur einige der berühmtesten Männer nennen, und die Namen unbekan-ter Leute ganz auslassen. Das viele Geschwäz entgalten also unter andern: Ehrhard Pfifferling, Peter Wabbel, Theobald Schwopp, der Ältere, Otto Schlauch, Dietrich Volkmar Seifenblase, und Erdmann Zernebock.

An sieben und siebzig gröstentheils Ausrufern wurden die vielen Stimmen durch den Hohnlacher gerügt. Unter diesen waren: Gorg Wisch, Fabian Brauseke, Lorenz Knirps, Seiffart Bimm, Siegfried Hahnekamm, die beyden Kickel, Alexander und Friedelin, Sebastian Zwerchfell, Eustachius Kickerick, und Gebhard von und zum Sparren. Die drey lezten hatten beyläufig auch die Runde gemacht.

Zwey Ausrufer dachten eine recht gute List ausgesonnen zu haben, um sich von der Strafe des Hohngelächters zu befreyn; aber sie verunglükte ihnen. Sie sagten zu dem Anwalde: Sie würden als für eine Milderung ihrer Strafe danken, wenn ihnen, anstatt sich dem Hohnlacher hinzustellen, erlaubt würde, sich unter den Pöbel zu begeben. Es solte ihnen eben die gewünschte Milderung zugestanden werden, als man erfuhr, daß die beyden Leute dem Pöbel schon angehörten. Dafür musten sie nun aber auch noch Einmal so lange, als es sonst zu geschehn pflegt, dem Hohnlacher stehen.

Neun und neunzig Ausrufer waren (nach der von dem Geseze erlaubten Entschuldigung) die Zeit über, da sie die vielen Stimmen gegeben hatten, krank gewesen. Etliche unter ihnen mochten wol die ungegründete Furcht haben, daß man ihnen nicht glauben würde. Denn sie schrien: Sehr krank! bettlägrig! immer von einer Ohnmacht in die andre! Zu den neun und neunzigen gehörten: Peter Kauder, Wilibald Dickepote, Hans Quytsch, Martin Cyriac Kaaf, ein Baccalaur, Gorg Veit Franz Hans Claas, ein Cicerone, Conrad Wisperling, Andrees Wiedehopf, Ulrich Sgrebbele, Tobias Anshelm Faustrechtius, Otto Haberstroh, genant Unke, Lampert Hinrich Mulmeke, und Ruprecht Potentian Allruun.

Dreyzehn, ein Ankündiger, und zwölf Ausrufer, wurden, weil sie ihr Amt für ein Richteramt ausgegeben hatten, als Hochverräther, ewig Landes verwiesen.

Einer ganz kleinen Anzahl (diese waren zwar zur Anzeige mit vorgerufen, aber nicht angeklagt worden) rieth der Anwald an, ihre Stücke besonders, und zwar bald heraus zu geben. Denn den Büchern, zu welchen sie gehörten, drohte der Untergang; und nur selten trüg es sich zu, daß die Altertumskenner bey ihren Nachsuchungen solcherley Schutt nicht vorbey gingen.

Die Namen gemeiner Hochverräther werden bey uns von dem Hohnlacher in Runstäbe gekerbt, und bündelweise in eine Seitenhalle geworfen. Da dieser zu abgemattet von seinen heutigen Amtsverrichtungen war, so wurde die Einkerbung dießmal von dem Rümpfer vorgenommen.

Es war beynah Mittag geworden, und die Sache die Bilder betreffend muste daher noch ausgesezt werden. Das einzige, was noch vorgenommen wurde, war, daß ein Aldermann auf dem Plaze der eingegangnen Scholiastenzunft den Denkstein errichten ließ. Es war kein kleiner Zulauf bey dieser Errichtung. Dieß ist die Aufschrift:

»Steh still, Ausländer, und lerne, wie die deutschen Gelehrten es rügen, wenn man sich Verdienst anmaast, weil man bekante Nebenkentnisse wiederholt. Hier war vordem die Stelle der Scholiastenzunft. Im zwey und siebzigsten Jahre des achtzehnten Jahrhunderts beschloß die versammelte Landgemeine, lieber eine Zunft weniger zu haben, als die Barbarey länger zu dulden, mit der sich diese Nachsager dem allgemeinen Gebrauche der Sprache, und der Erweiterung der Wissenschaften widersezten.«



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