Die deutsche Gelehrtenrepublik. Ihre Einrichtung. Ihre Geseze. Geschichte des lezten Landtags. Auf Befehl der Aldermänner durch Salogast und Wlemar. Herausgegeben von Klopstock. Erster Theil



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In dem grossen beynah gränzlosen Bezirke der Wissenschaften, oder dessen, was von dem Denkenden und Tiefsinnigen gekant, und von dem Guten und Edlen empfunden zu werden verdient, liegen Gegenden, Landschaften, auch wol Reiche, die von uns und den Ausländern gemeinschaftlich oder allein, halb oder ganz besessen werden, schlechter oder besser sind angebaut worden; liegen andre unentdekte Länder, die man theils glaubt von fern gesehn zu haben, und theils nicht einmal mutmasset. Wenn die Republik auf dem jezigen Landtage den grossen Entschluß fasset, den wir euch gleich anzeigen wollen, wenn er mit deutscher Beständigkeit, mit diesem unüberwindlichen Ausdauren, ins Werk gerichtet wird; so werden die, welche ein Jahrhundert nach uns Landtag halten, unsre Male mit Blumen bestreun, daß wir ihn gefast, daß wir es zum bleibenden unveränderlichen Grundsaze der Republik gemacht haben, von dem nur der Feige, und der Geistlose abweichen dürfen, den der Greis dem Jünglinge, der Freund dem Freunde, aber auch der Jüngling dem Greise, und der Feind dem Feinde zurufen soll:

»Hinzugehn, und in jenem grossen Umkreise der Wissenschaften, die Länder, welche nur halb besessen werden, ganz einzunehmen; die Mitbesizer der andern Hälften nicht nur dadurch zu schwächen, daß wir in diesen Hälften besser als sie anbaun, sondern auch dadurch, daß wir es da thun, wo wir uns allein niedergelassen haben; nirgends der falschen Cultur zu schonen, über alle Gärten, wo nur Blumen wachsen, den Pflug gehn zu lassen, jedes Gebäude, das in den Sand gebaut ist, niederzureissen, und selten ganze Städte auf solchem Grund und Boden liegen, und war es dann auch mitten in den besten gemeinschaftlichen Besizen, oder auf Landwinkeln der französischen Gelehrtenrepublik, der englischen, wo wir sie anträfen, und würden sie auch von Chimären bewacht, die Feuer und Flammen spien, diese Städte an allen Ecken anzuzünden, und nicht eher von dannen zu ziehn, als bis der Dampf überall aufstiege: uns aufzumachen, und neue Länder zu suchen, auf der kühnen Fahrt selbst nicht die kleinste Insel, kein Pünktchen in dem Oceane liegen zu lassen, sondern überall zu landen, alles zu umgehen, auszuspähn, zu untersuchen; in den anbaulichen Entdeckungen gleich die Erde auf zureissen, und Saat zu streun; und treibt die unüberwindliche Unruh des Aufsuchens so gewaltig fort, daß nur in dem nächsten dem besten Felsen gegraben wird: Hier sind Deutsche gewesen! damit wenn Sturm oder Nadel Ausländer auch dahin bringen, sie unser früheres Recht sehn; dennoch gleich einen der edlen Abentheurer nach der Heimath zu schicken, damit er deutsche Anbauer herüber führe, und diesen solche Eile und Ämsigkeit gebieten zu lassen, daß die Ausländer (denn verwerflich ist unsre alte Sitte, daß wir nur immer entdekt, und dann Andre haben anbaun lassen!) von der Entdeckung, und von der blühenden Einrichtung zugleich Nachricht bekommen.«



Wenn wir auf diese Weise ein halbes Jahrhundert das werden vereinigt gethan haben, was vor uns nur einzelne kühne Männer thaten, und eben dadurch den Grund legten, daß wir uns, ihre Unternehmungen fortzusezen, vereinigen konten; dann werden wir rings um uns vernehmen, daß man uns für Eroberer hält, deren weitaussehenden Absichten man sich widersezen müsse. Glüklicher Zeitpunkt! Ihr könt ihn erleben, Jünglinge, deren Herz jezo laut vor Unruh schlägt, ob die Republik den grossen Entschluß, sich zu diesem Zwecke zu vereinigen, fassen werde. Ist er gefast; so macht euch nichts mehr Unruh. Denn ihr wisset, daß der Deutsche gewiß ausführt, wenn er einmal beschlossen hat auszuführen! Die Zeit, in welcher die Eroberer am mutigsten und kräftigsten handeln, ist die, wenn sie schon vieles gethan haben, Schrecken und Bündnisse verursachen, und in ihrem Laufe noch können aufgehalten werden. Nie sind sie furchtbarer und unwiderstehlicher, und nie geschehn grössere einzelne Thaten. Das alles könt ihr erleben, Jünglinge, und daran könt ihr Theil haben! Ich will euch sagen, wie es zu dieser Zeit seyn wird. Der Anblik unsrer neuen, von uns selbst angebauten, und fruchtreichen Besize wird uns alsdann beynah eben so sehr zur Fortsezung der Entdeckungen reizen, als es die Schwierigkeit sie zu machen nur immer thun kann; und dieser doppelte Reiz wird uns, gleich einem unaufhaltbaren Strome, mit sich fortreissen. Wer diese Zeit erlebt, eine Seele hat, und gleichwol stillsizt, und zusieht, den wird man, auch bey der grösten Neigung zur Nachsicht, aus der Republik verbannen. Hat diese dann, nach dem Verflusse nur noch einiger Jahre, ihre Besize nun so sehr erweitert, daß fast keine Wissenschaft ist, in welcher die ausländischen Republiken nicht von ihr, mehr oder weniger, aber lernen müssen; so ist sie bis dahin gekommen, wo die Eroberer anfangen mit Gelindigkeit zu herschen. Die Herschaft einer Gelehrtenrepublik über eine andre ist an sich selbst schon gelinderer Art, als die Herschaft derer ist, die durch Blutvergiessen erobern: wie sehr muß sie also vollends alsdann seyn, wenn es nicht mehr nötig ist, jedes Recht der Vorzüge, die man erlangt hat, gelten zu machen. Wenn ich gelten machen sage; so nehme ich es so, wie es von Deutschen genommen werden darf, nämlich, ohne Herablassung bis zur Eitelkeit, und durch Darzeigung solcher Dinge, deren Werth von selber redet. Der Charakter der blutigen römischen Eroberung war: Derer, welche sich unterworfen hatten, zu schonen ; und die Stolzen bis zur Vertilgung zu bekriegen. Der Charakter unsrer Eroberung muß, und wird seyn: Die, welche sich unterwerfen, zu Bundesgenossen aufzunehmen; und die Stolzen, welche unsre Unterstüzung von sich stossen, ihrem Mangel, und dem Bewustseyn zu überlassen, daß wir über sie erhaben sind. Bleiben wir uns alsdann gleich; so werden sie sich nicht gleich bleiben. Der Mangel wird sie drücken, ihr Bewustseyn wird zu sehr bemerkt werden, als daß sie es länger verbergen könten. Sie werden sich unterwerfen, und wir werden sie in unsern Bund aufnehmen. Denn wir hatten edler gedacht; wir hatten erobert, glüklich zu machen.

Ich fodre Niemanden auf, sich auf diesem grossen Schauplaze der Eroberung für die Republik aufzuopfern. Wer zur Aufopferung Kraft in der Seele hat, der thut's ohne Auffoderung zu erwarten, ohne sie nur einmal zu dulden! Wie Männer sich betragen, die solche Auffoderungen so gar beleidigen würden? Meint ihr, daß sie ihre Gesundheit, ihre Ruhe, ihr Leben nicht wie andre lieben ? So gar mehr; denn sie sind lebhafter, als andre. Aber komt die Zeit, daß die Gegner keine Siege mehr erdulden wollen, daß sie auch fechten, daß der Kampf um grosse Besize hart und heiß wird, so heiß, daß der Sieg schwankt: dann sind es jene Männer, die nicht hinter sich sehen, wer flieht, oder wer steht, sich nicht etwa nur die Vergnügungen, sich so gar die Erholungen des Lebens versagen, mit Kälte, und mit Feuer wider die, welche sich gelüsten lassen, überwinden zu wollen, heranstreben; mit Kälte, die die Wendungen, die Stärke, die Schwäche der Gegner scharfes Bliks entdekt, mit Feuer, das die ganze Kraft da schnell anwendet, wo die Kälte hingeführt hatte, so lange, und so unüberwindlich heranstreben, bis, wer sich wandte, umkehren, und siegen helfen kann.



Der Aldermann trat nicht, wie das sonst nach gehaltnen Anreden zu geschehen pflegt, auf dem Plaze zurük; sondern blieb stehen, und sahe, mit dem heitern Ernste der Entschlossenheit, rings umher. Er war bald mit ungewönlich tiefem Stillschweigen, und bald mit lauten Ausbrüchen der Freude gehört worden. Unsre ältesten Mitbürger haben bezeugt, daß sie noch niemals eine solche Bewegung auf einem Landtage gesehn hätten. Nachdem die ersten und wärmsten Berathschlagungen vorüber waren, breitete sich die Erwartung, welche Zunft sich zuerst erklären würde, fast überall aus. Wider alles Vermuten that es die Zunft der Drittler. Ihr Anwald sahe die Sache, in einer langen Erörterung, von vielen falschen Seiten an, und schloß endlich, daß sich also hiermit die Zunft wider die Aldermänner erkläre! Diese antworteten dem Anwalde nicht, sondern liessen durch den Herold ausrufen: Daß es jezo zu seiner vollsten Reife gekommen wäre, was die Republik schon lange wider die Drittler beschlossen hätte; und daß also die Zunft, und zwar nun gleich, müste aufgehoben werden. Diesem zufolge bäten sie die Zünfte, den Herold nicht abzuwarten, sondern dadurch, daß sie die Anwalde auf den Pläzen vortreten, und die Stimmen geben liessen, die Sache kurz abzuthun. Dieß geschah; und die Zunft der Drittler sahe sich, mit einer Verwunderung, welche die andern Zünfte nicht recht begriffen, auf Einmal unter dem Volke. Man hat nachher erzählt, daß die gemischte Zunft die Drittler hätte in Schuz nehmen wollen, aber durch die Befürchtung eines gleichen Schiksals davon wäre abgehalten worden; allein wir müssen zur Steuer der Wahrheit, die uns über alles geht, sagen, daß wir, nach langer und sorgfältiger Nachforschung, das Gerücht falsch befunden haben. Die eingegangne Zunft breitete sich schnell unter dem Volke aus, und bekam, ob man gleich sehr wol hätte einsehn können, aus welchen Ursachen diese neuen Mitglieder handelten, eben so schnell Einflüsse unter demselben. Geschrekt durch die vielleicht ganz nahe Gefahr, daß das Volk nun gar die drey Stimmen wider die Aldermänner geben könte, sprangen zwölf edle und vaterländische Jünglinge, die einander zugewinkt hatten, auf Einmal auf, sonderten sich von dem Volke, zwangen ihrer einen zum Anführer, und gingen bleich und zitternd, aber dennoch sehr mutig, nach dem halben Kreise zu. Die Aldermänner winkten, und riefen ihnen Rükkehr entgegen; allein die Jünglinge sahen und hörten nichts mehr, gingen hinauf, sagten: Es wäre jezt eben eine weitansteckende Seuche unter das Volk gekommen! baten, beschworen die Aldermänner (sie hätten sich beynah vor ihnen niedergeworfen; der Anführer konte nicht reden, also redeten alle) beschworen sie bey der Ehre der Nation, beym Vaterlande, nicht hart zu seyn, ihnen es nicht zu versagen, nicht abzuschlagen, heute, an diesem festlichsten ihrer Tage, eine Stimme haben zu dürfen! Ekharden stürzten dabey die Thränen der Freude so heiß herunter, daß er sich wegwenden muste. Auch den übrigen Aldermännern wurd es schwer zur Rede zu kommen; und nicht wenig nahm ihre Freude zu, da sie beynah aus allen Zünften die Anwalde laut rufen hörten, daß den Jünglingen ihre Bitte nicht verweigert werden müste! Die Aldermänner gestanden sie zu, Die Jünglinge gingen nicht wieder zum Volke hinunter. Sie traten seitwärts neben die Bildsäulen, blieben dort stehen, und schlugen, mit jeder Anmut der Bescheidenheit, und mit der schönen Röthe des zurükgehaltnen Feuers, die Augen nieder.

Der Anwald der Weltweisen kam langsam auf dem Zunftplaze vorwärts gegangen, und sagte, indem er sich gegen den halben Kreis wandte: Die Aldermänner, und wer sonst wie sie dächte, würden seine Kälte nicht in einem falschen Gesichtspunkte ansehn. Sie hätte keine andre Ursache, als die Neigung, vor dem Entschlüsse, zu untersuchen. Die Aldermänner hätten diese allerdings wichtige Sache nicht der ganzen Republik vortragen sollen, sondern einige würdige, und zur Ausführung vorzüglich fähige Männer wählen, diesen ihre Absicht anvertraun, und durch sie den Versuch sollen machen lassen, ob die Unternehmung nicht zu kühn sey. Denn groß in den Wissenschaften wären die andern Gelehrtenrepubliken, und gefahrvoll das Bestreben, über sie hinaus zu steigen. Wenn wenige Ausgewählte, ohne zu erklären, was sie vorhätten, es versuchten, und also nicht die ganze Republik auf die schlüpfrige Laufbahn gewagt würde; so könte das unter ändern auch den Vortheil haben, daß die, wider welche es die Wenigen versuchten, gleichsam unvermutet überfallen würden, und noch auf ihren Lorbern schliefen, wenn die Sache vielleicht schon geschehen wäre. Versuche, sagte der Anwald der Naturforscher, sollen wir machen? und noch dazu ins geheim? Eine Verschwörung soll's? Du meinst wol gar, weil du so klug, und so furchtsam bist, tiefer zu sehen, als die Aldermänner, welche die Republik, und sie so zu den grossen Thaten aufgefodert haben, daß sie nun, was sie beschliest, nicht im Winkel beschliessen kann. Denn du kömst unter anderm auch viel zu spät mit deinen Behutsamkeiten! Du hättest es den Aldermännern anmerken sollen, was ihnen im Sinne läge, und ihnen dann deinen Rath von den Versuchen, und der Verschwörung, ertheilen sollen. Auch hast du von der Grösse der andern Republiken geredet. Kleinmütiger Mann! sollen wir denn etwa den edlen, den ehrenvollen, den vaterländischen Wettstreit mit solchen halten, die nicht werth sind überwunden zu werden? Da sieh dort die Jünglinge bey den Denkmalen an, und lerne von ihnen, Anwald! Euch, Aldermänner, hab ich nur zwey Worte zu sagen, das erste ist mein Dank, und das zweyte eine Bitte. Lasset heute die Stimmen nicht sammeln. Ich habe weit umhergesehen, als euer Wortführer redete. Doch ich hätte das nicht einmal gebraucht. Denn ich kant uns ohne dieß schon. Wir müssen Zeit zu unsern Entschlüssen haben. Es ist kein Vorwurf. Desto besser die Frucht, je länger es keimt!

Der Anwald der Dichter trat schnell hervor, und rief dem Anwalde der Naturforscher zu: Edler, rechtschafner Mann, du hast die Republik geirrt! »Sage, was du meinst.« Du hast die Republik geirrt! »Wenn du dich nicht erklärst; so hab ich dir weiter nichts zu sagen.« Ich aber habe dir noch etwas zu sagen. Die Verbündung der Ausgewählten, von welcher der Anwald der Weltweisen sprach, hat von einer andern Seite betrachtet, denn sie braucht ja nicht geheim zu seyn, und dadurch einer Verschwörung zu gleichen, sie hat, sag ich, etwas, das mit lauten Tönen zu meinem Herzen stimt. Du weist, was die Aldermänner von dem grossen bleibenden Grundsaze, was sie von der Eroberung gesagt haben. Die Republik, sie das Heer, (Fähnchen mögen nebenher wehn, und dieß und das Kleinere thun) das Heer rükt heran, und mit ihm eine heilige Cohorte. Was diese alsdann thut, wenn die Schalen schweben, wenn gar die gegen uns zu sinken anfängt? In das lezte Fähnchen mit dem, der dieß noch zu fragen hat! »Ich versöne mich mit dir! Aber wodurch hab ich die Republik geirrt?« Dadurch hast du sie geirrt, daß du Aufschub der Entschliessung vorgeschlagen, und sie also veranlast hast, an sich selbst zu zweifeln. Hier Aufschub, Anwald, hier? Welche Wolke umgab dich, als du das aussprachst? »Meine Versönung ist aus, Anwald! Aldermänner, Zünfte, und Volk, ich betheure euch bei meiner Wahrheitsliebe: Ich hab euch nicht irren wollen, am wenigsten so! und hab euch, wie ich gewiß bin, auch nicht geirrt. Ich kenn euch; und mein Kennen ist mit Verehrung verbunden. Ich bleibe fest dabey: Desto reifer, je länger's keimt!«

Die Aldermänner standen auf, und die Landgemeine ging aus einander.



Ende des ersten Theils.
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