Die Konzeption von Freiheit in Schillers „Don Karlos“ und „Maria Stuart“



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7

Elisabeths Untertan und zudem ist sie das Staatsoberhaupt Schottlands.



23

 Das Gesetz zum 

Schutz von Elisabeths Leben, die sog. „Akte“, ist zwar nicht von Elisabeth erlassen worden, 

aber stellt ein unzulässiges Einzelfallgesetz dar.

24

Eine Hinrichtung entspräche jedoch dem Volkswillen, dem sich Elisabeth nicht 



widersetzen möchte.

25

 Sie sieht ihren Willen durch den Volkswillen eingeschränkt; ihre innere 



Zerrissenheit diesbezüglich drückt sich in folgendem Zitat aus: 

Es [i.e. das Urteil] muss vollzogen werden, Mortimer! 

Und ich muss die Vollziehung anbefehlen. 

Mich immer trifft der Hass der Tat. Ich muss 

Sie eingestehn, und kann den Schein nicht retten. 

Das ist das Schlimmste! (II/5,V.1595-99) 

 

Elisabeth sorgt sich hier um den Schein der Gerechtigkeit, die sie als vom Amt aufgezwungen 



sieht und die nicht ihrem freien Willen entspringe.

26

 Ihr Konflikt entsteht hier daraus, dass 



einerseits das englische Volk auf die Vollstreckung von Marias Todesurteil drängt, dass 

Elisabeth sich aber andererseits nicht den Schein einer Schuld geben will, wenn es um ihre 

Unterzeichnung des Todesurteils geht.

27

 Laut Burleigh ergibt sich ein solcher Schein aber 



zwangsläufig, denn: „Die Welt / Glaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes, / Sobald ein 

Weib das Opfer wird“ (V.1019-1021). Damit spielt Burleigh auf die Rechtmäßigkeit des 

Urteils an, dessen Vollstreckung zwar nach geltendem Gesetz ebenfalls rechtmäßig wäre, 

dessen Vollstreckung jedoch zugleich den „böse[n] Schein“ (V.1600) der Unrechtmäßigkeit 

hätte. Auch Elisabeth erkennt das an: „Was man scheint, / Hat jedermann zum Richter, was 

man  ist, hat keinen“ (V.1601f.).

28

 Demnach birgt aus ihrer Sicht die Hinrichtung auch die 



Gefahr die Volksgunst zu verlieren.

29

Eine Hinrichtung erscheint ihr aber auch selbst unmenschlich, denn der Brief Marias rührt 



Elisabeth sichtbar; sie trocknet ihre Tränen, nachdem sie ihn gelesen hat:

30

– Verzeiht, Mylords, es schneidet mir ins Herz, 



Wehmut ergreift mich und die Seele blutet

Dass Irdisches nicht fester steht, das Schicksal 

                                                 

23

 Vgl. Shrewsbury gegenüber Elisabeth in V.1316-19. Dasselbe Argument wird schon in I/1, V.90 von Hanna 



Kennedy im Zusammenhang mit Marias Inhaftierung vorgebracht.  

24

 Es ist zu beachten, dass Elisabeth nicht zum Recht sprechenden Gericht zu zählen ist, denn dieses Gericht 



bestand aus den Lords; die Ungerechtigkeit des Vorgehens müsste ihr jedoch bewusst sein. 

25

 Vgl. V.1254 f. Zum Einfluss des Volkswillens auf Elisabeths freien Willen siehe ausführlich 2.3 Elisabeth in 



der Verantwortung

26

 Vgl. hierzu Elisabeths Aussage in IV/10, V. 3208-3211, V. 1155 „Könige“ als „Sklaven ihres Standes“. 



27

 Siehe Maria in V.972-974: „Sie geb es auf, mit des Verbrechens Früchten / Den heil’gen Schein der Tugend 

zu vereinen, / Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!“ 

28

 Auch die zukünftige Vermählung mit dem Duc von Anjou (dem franz. Königssohn) sei dem Volk geschuldet 



und schränke ihren Willen ein (V.1161-68). 

29

 Vgl. Shrewsburys Beschreibung des Volkswillens als “unstet schwanke[s] Rohr” (V.1341) und auch 



Elisabeths Beschreibung des Volkes als „Rohr” im Wind (V.3260-62). 

30

 Siehe Anweisung vor V.1528. 




 

8

Der Menschheit, das entsetzliche, so nahe 



An meinem eignen Haupt vorüberzieht. (II/4,V. 1538-42) 

 

Zudem handelt es sich bei Maria ebenfalls um eine Königin und Blutsverwandte.



31

 Somit stellt 

sich ihr eine Hinrichtung auch als unbefriedigend dar: „Doch diese Weisheit, welche Blut 

befiehlt,/ Ich hasse sie in meiner tiefsten Seele.“ (V.1298f.). 

Elisabeths Dilemma besteht also darin, dass ihr sowohl die Hinrichtung als auch Marias 

Begnadigung nachteilig erscheinen. Diesem Dilemma weicht sie aus, indem sie sich selber 

ihren freien Willen abspricht und Marias Ermordung in Gefangenschaft betreibt.

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 Burleigh 



bringt Elisabeths „Dilemma der Wahl“ bereits am Ende des ersten Aktes trefflich zum 

Ausdruck: 

[…] – Ich lese

 

In ihren Augen ihrer Seele Kampf, 



Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen, 

Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick: 

Ist unter allen meinen Dienern keiner, 

Der die verhasste Wahl mir spart, in ew’ger Furcht 

Auf meinem Thron zu zittern, oder grausam 

Die Königin, die eigne Blutsverwandte 

Dem Beil zu unterwerfen? (I/8, V. 1029-1037)

 

 



Gegen Elisabeths Verleugnung ihres freien Willens stehen Shrewsburys Worte, der die 

Geltung von Elisabeths freiem Willen betont: „Sobald du willst, in jedem Augenblick/ Kannst 

du erproben, dass dein Wille frei ist.“ (V.1332f.). Elisabeths Mordpläne sind jedoch stark von 

Angst bestimmt: 

Ihr habt die Feinde Englands kennen lernen. 

Ihr Hass ist unversöhnlich gegen mich, 

Und unerschöpflich ihre Blutentwürfe. 

Bis diesen Tag zwar schützte mich die Allmacht, 

Doch ewig wankt die Kron’ auf meinem Haupt

Solang sie lebt, die ihrem Schwärmereifer 

Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung nährt. (II/5, V.1582-88) 

 

Es handelt sich um Angst betreffend ihren dynastischen Herrschaftsanspruch, Sorge um die 



Souveränität Englands, Angst um ihr eigenes Leben sowie – und das ist entscheidend für die 

Mordpläne - Angst vor der Wahl zwischen Begnadigung und Hinrichtung. Dagegen verspricht 

ihr nur Marias Ermordung Sicherheit. Der Volkswille deckt sich also insoweit mit Elisabeths 

Willen, als er auch Marias Tod zum Ziel hat, nur die Mittel, wie dies zu erreichen ist 

unterscheiden sich. 

                                                 

31

 Maria argumentiert bei dem persönlichen Treffen mit Elisabeth u.a. mit dieser Blutsverwandtschaft der Tudors 



(V2267f.). Shrewsbury gegenüber Elisabeth für eine Begnadigung aus Menschlichkeit (V.1545-49). 

32

 Mordpläne: Burleigh versucht Marias persönlichen Bewacher, Paulet, zum Mord zu überreden, indem er sie 



versterben lassen solle (V.1059f.); dieser weigert sich jedoch mit der Berufung auf sein Gewissen (V.1062). 

Elisabeths Mordauftrag an Mortimer V.1622-24. Verleugnung ihres freien Willens: z.B. V.1155 f.; 1245f.; 

1254. 



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