Die Konzeption von Freiheit in Schillers „Don Karlos“ und „Maria Stuart“



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Eifersucht zu liegen, wie Elisabeths persönliche Angriffe auf Maria zeigen.



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 Insofern scheint 

Elisabeth hier inneren Neigungen nachzugeben. 

Die Begegnung zeigt zwei qualitative Wendepunkte im Verlauf des Dialogs: 1. Elisabeth 

geht von ursprünglich politischen Argumenten zu persönlichen Angriffen auf Maria als Frau 

über (2373-78; „listige Armida“ als Verführerin); das führt nach Elisabeths weiteren 

persönlichen Provokationen zu 2. Marias „Das ist zu viel!“ (V.2419), die sich jetzt auf 

Elisabeths Niveau begibt und ihrerseits Elisabeth provoziert, indem sie sie ebenfalls als Frau 

angreift (V.2430-32). In letzterem Punkt zeigt sich nunmehr auch eine persönliche Feindschaft, 

die in diesem Konflikt erschwerend hinzukommt. 

Hinsichtlich Marias Anspruch auf den englischen Thron sind drei Phasen erkennbar: 1. von 

Marias Wunsch als Erbin nach Elisabeth eingesetzt zu werden (V.2366-69) über 2. Marias 

gänzlichen Verzicht auf ihren Anspruch (V.2378f.) bis 3. – nach Elisabeths Provokationen und 

Unversöhnlichkeit – Marias vehementes Einfordern ihres Anspruchs (V.2447-51). Die Art, wie 

Maria den Thron für sich einfordert beleidigt Elisabeth schwer und führt später dazu, dass 

Elisabeth in Erinnerung an diese Demütigung das Todesurteil mit dem Gefühl der Rache 

unterzeichnet (V.3239-48). Marias verletzende Schlussworte, mit denen sie sich wieder zurück 

auf die politische Ebene der Auseinandersetzung begibt, lauten: 

Der Thron von England ist durch einen Bastard 

Entweiht, der Briten edelherzig Volk 

Durch eine list’ge Gauklerin betrogen. 

- Regierte Recht, so läget Ihr vor mir 

Im Staube jetzt, denn ich bin Euer König. (III/4, V. 2447-51) 

 

Mit den Worten „denn ich bin Euer König“ erklärt Maria ihren ungebrochenen Anspruch auf 



den englischen Thron. „Nie hätten wir uns sehen sollen, niemals! / Daraus kann nimmer, 

nimmer Gutes kommen!“ (V. 2200f.). So hat sich nun der prophetische Gehalt von Marias vor 

der Begegnung getroffenen Äußerung bewahrheitet. 

Elisabeths Handeln muss angesichts Marias politischen und menschlichen Kniefalls als 

unmenschlich erscheinen, zumal Elisabeth im Gegensatz zu Maria nach dem Prinzip ‚Auge um 

Auge, Zahn um Zahn‘ verfährt: 

Meinem Haupte war 

Der Streich gedrohet, und das Eure fällt! 

[…] 

Wer soll mich hindern? Euer Oheim gab 



Das Beispiel allen Königen der Welt

Wie man mit seinen Feinden Frieden macht, 

Die Sankt Barthelemi sei meine Schule! (III/4, 2345-52)

42

                                                 



41

 

Furcht vor den Mordplänen Marias und ihrer Verbündeten: vgl. V.2332-43; 2286f.; 2404-06. 



Vergeltungsdrang: V. 2349-52. Eifersucht: siehe Elisabeths persönliche Angriffe auf Marias Weiblichkeit 

(V.2373-76, 2404-11, vgl. auch II/9, V.1995-99: Elisabeths Neugier auf Marias viel besagte Schönheit) 




 

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Erst als Maria erkennen muss, dass sie vergebens auf Elisabeths freien Willen gehofft hat, 

brechen die unterdrückten Gefühle aus ihr heraus: „Das ist zuviel!“.

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 Letzter Auslöser dafür 



waren die persönlichen Angriffe Elisabeths, die Maria als Frau verletzten. 

Maria macht ihr Ziel der Begnadigung durch den „triebhaften Ausbruch ihrer Seele“ 

zunichte.

44

 Die befreiende Kraft, die von dem Umschwung von Selbstbeherrschung zu 



Aggression ausgeht, tröstet Maria aber über das Scheitern ihrer Absicht hinweg, wie sich 

wenig später zeigt:

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Nach Jahren der Erniedrigung, der Leiden, 



Ein Augenblick der Rache, des Triumphs! 

Wie Bergeslasten fällt’s von meinem Herzen, 

Das Messer stieß ich in der Feindin Brust. (III/5, V.2456-59)

 

 



Der gefühlsmäßige Umschwung Marias hat für sie eine befreiende Kraft, indem Maria sich 

endlich zu ihren eigenen Aggressionen bekennt.

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Elisabeths Ablehnung der Begnadigung zu diesem Zeitpunkt stellt sich nicht nur als Akt 



der Unmenschlichkeit dar, sondern auch als Rechtsverletzung gegen eine Rechtspraxis gemäß 

der ein Verurteilter, wenn er den Monarchen gesehen hat, zu begnadigen ist.

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 Da Elisabeth 



auch aus einer Position der Stärke in diese Begegnung ging, hat ihr Verhalten auch zumindest 

den Schimmer eines Machtmissbrauchs. 

Auch ohne Wissen um den weiteren Handlungsverlauf, scheint eine Begnadigung nach 

dieser Eskalation in noch weitere Ferne gerückt, um nicht zu sagen unmöglich.

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 Der Konflikt 



hat nunmehr zu der politischen auch eine persönliche Dimension erhalten. Wichtig hinsichtlich 

der Problemstellung ist die Frage, wie Elisabeth nun von ihrem freien Willen Gebrauch 

machen wird und ob sie sich dabei ihrer persönlichen Verantwortung stellt. 

Sicher ist nach dieser Begegnung, dass Marias Hoffnung auf Elisabeths freien Willen sich 

nicht erfüllt hat. Zum einen war Elisabeths Handeln von Beginn an stark emotional bestimmt 

und zum anderen brachen Marias unterdrückte Gefühle aus ihr heraus, nachdem sie wiederholt 

von Elisabeth provoziert worden war. Unklar und mittels des Textes nicht zu erhellen ist die 

                                                                                                                                                         

42

 In der Bartholomäusnacht am 24.8. 1572 wurde in Paris u.a. auf Betreiben der Guisen bei einem Massaker anlässlich 



der Hochzeit Heinrichs von Navarra mit Margarete von Valois annähernd der gesamte protestantische Adel 

Frankreichs hingerichtet.Vgl. Grawe 1999, 36 Anm. zu 2353. 

43

 Siehe V.2419. 



44

 Vgl. Sautermeister 1992, 310. 

45

 Ebd., 313. 



46

 Ebd. 


47

 Elisabeth entlarvt sich selber in ihrem Rechtsbruch, indem sie ihrem persönlichen Zusammentreffen mit der 

Verurteilten nicht die übliche Rechtswirkung der Begnadigung zukommen lässt; denn sie gibt ihrem 

Zusammentreffen nur den Sinn des Trostspendens („meines Anblicks Trost“, V.2283). 

48

 Gemäß Sautermeister 1992, 284 sind Maria und Elisabeth nach dieser Begegnung unwiderruflich auseinander 



gebracht. 


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