Die Konzeption von Freiheit in Schillers „Don Karlos“ und „Maria Stuart“



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Frage, ob man angesichts solch eines emotionalen Handelns der Königinnen von einem freien 



Willen sprechen kann. Daher werde ich im dritten Kapitel versuchen, diese Frage aus Sicht von 

Schillers Konzeption des freien Willens zu beantworten. 

 

2.3  Elisabeth in der Verantwortung 

Elisabeth kommt weiterhin die Verantwortung zu, über die Vollstreckung des Urteils gegen 

Maria zu entscheiden; da aber niemand es unternimmt, das von Elisabeth erhoffte Attentat auf 

Maria auszuführen, gewinnt die geschilderte Entscheidungsnot Elisabeths zunehmend an 

Schärfe. Nachdem Sauvage versucht hat, Elisabeth zu ermorden, kulminiert die Situation im 

Aufruhr des Volkes, das nicht eher weichen will, bis das Urteil unterzeichnet ist (V.3064f.). 

Indem Elisabeth von Maria als der „Furie meines Lebens“ (V.3230) spricht, verweist sie 

mit diesem Bild auf die Königinnen-Begegnung zurück („Furien“ V.2318). Elisabeth erinnert 

sich an den Ausgang der Begegnung mit Maria: 

Mit welchem Hohn sie auf mich nieder sah, 

Als sollte mich der Blick zu Boden blitzen! 

Ohnmächtige! Ich führe bessre Waffen, 

Sie treffen tödlich, und du bist nicht mehr! (IV/10, V.3239-42) 

 

Den höhnischen Blick empfindet Elisabeth als persönliche Demütigung. Dies führt dazu, dass 



Elisabeth die Feder ergreift und „mit einem raschen, festen Federzug“ unterschreibt (nach 

V.3248). Mit Ausgang der Königinnen-Begegnung hatte, wie oben konstatiert wurde, der 

Konflikt eine persönliche Dimension erhalten. Erst die mit der persönlichen Demütigung 

zusammenhängende politische Herabsetzung, nämlich der Vorwurf, ein Bastard zu sein, stellt 

für Elisabeth ausreichende Motivation dar, das Todesurteil zu unterzeichnen: 

Ein Bastard bin ich dir? – Unglückliche! 

Ich bin es nur, so lang du lebst und atmest. 

Der Zweifel meiner fürstlichen Geburt 

Er ist getilgt, sobald ich dich vertilge. 

Sobald dem Briten keine Wahl mehr bleibt

Bin ich im echten Ehebett geboren! (IV/10, V.3243-48) 

 

Auf diese Weise missbraucht Elisabeth ihr öffentliches Amt, um ihre höchst private Rache 



durchzusetzen. Hier macht sie sich schuldig am Tod Maria Stuarts. Elisabeths Unterschrift ist 

also das Ergebnis von politischer und persönlicher Rivalität zwischen den Königinnen. 

Elisabeths politisches Handeln wird aber auch von ihrer Furcht vor den katholischen Mächten, 

namentlich vor dem Papst, Frankreich und Spanien, beeinflusst (V.3214-19). 

Elisabeth fühlt sich in ihren Entscheidungen als „Sklav[in] des Volksdienstes“ (V.3190). 

Sie distanziert sich von ihrer Unterschrift und behauptet, sich allein dem Volkswillen gebeugt 

zu haben, was im Widerspruch zu ihren Worten bei der Unterzeichnung steht: 



 

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Das Volk bestürmte mich, zu unterzeichnen, 



Ich musst ihm seinen Willen tun, ich tat’s, 

Gezwungen tat ich’s (V/14, V.3963-65) 

 

Es ist jedoch zweifelhaft, ob der Volkswille den freien Willen Elisabeths wirklich in der von 



Elisabeth behaupteten Weise begrenzt. Es geht Elisabeth zweifellos auch um den 

Friedenserhalt in England und damit um die innenpolitische Stabilität des Landes. Doch vor 

allem geht es Elisabeth darum, stets den positiven „Schein“ (V.1598) ihrer Handlungen zu 

wahren.


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 Zwar gibt Elisabeth vor, einzig für ihr Volk zu regieren und zu leben (V.3151f.), 

doch ist es vielmehr „das Lob / der Menge“ (V.3194f.), an dem ihr gelegen ist. Ihre 

Herrschaftsgewalt reduziert sie daher auf politische Abhängigkeit, so dass ihr das Regieren zur 

„Sklaverei“, zum „Volksdienst“, zur „Knechtschaft“ (V.3190f.) wird. Da diese von ihr so 

wahrgenommene Fremdbestimmung Elisabeth in Zwangslagen führt, verachtet sie das Volk in 

ihrem „Innerste[n]“ (V.3192). Diese Zwangslagen entstehen immer dann, wenn sich das 

öffentliche Interesse, das sie als Königin vertritt, gegen Elisabeths Willen wendet. Zweimal ist 

ihre Position derart bedroht: einmal als das Volk ihre Vermählung mit dem Duc von Anjou 

fordert und das zweite Mal als es die Unterzeichnung von Marias Todesurteil fordert. 

Obwohl Elisabeth selbst von der „Sklaverei des Volksdiensts“ (V.3190) spricht, ist sie 

nicht schon deshalb konstitutionelle Herrscherin, nur weil sie als eine „an diesen Volkswillen 

gebundene Herrscherin“ agiert.

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 Denn anhand des Textes lässt sich nicht belegen, dass das 



Volk als eigenständiges Organ an der englischen Regierung in irgendeiner Form beteiligt wäre. 

Von daher ist es Elisabeth auch prinzipiell möglich, sich aus freiem Willen gegen den 

Volkswillen zu entscheiden. Ähnlich wie beim Ausgang der Königinnen-Begegnung lässt sich 

aber auf Grundlage des Textes nicht sagen, ob man angesichts von Emotionalität und 

politischen Absichten im Moment der Unterschrift bei Elisabeth von einer freien Handlung 

sprechen kann. Auch hier sei deshalb auf die Deutung im Kontext von Schillers 

Freiheitskonzeption im dritten Kapitel verwiesen. 

Kurz nach Unterzeichnung des Todesurteils, beginnt Elisabeth sich von der Verantwortung 

und den Folgen dieser Unterschrift zu distanzieren. Sie „lässt […] die Feder fallen, und tritt mit 

einem Ausdruck des Schreckens zurück.“ (nach V.3248). Ihrem Sekretär Davison überlässt sie 

die Entscheidung, ob und wann es vollstreckt wird:

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DAVISON. Dein Name, Königin, unter dieser Schrift 



Entscheidet alles, tötet, ist ein Strahl 

Des Donners, der geflügelt trifft […] 

                                                 

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 S.o. 2.1.2 „böser Schein” (V.1600) 



50

 Guthke 1998, 425. 

51

 Vgl. Ueding 1987, 236. 




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