Die verkannte Tamar (Genesis 38) Eine Bibelarbeit zu Ehren des Mit-Entdeckers der Evolutionstheorie



Yüklə 1,4 Mb.
Pdf görüntüsü
səhifə2/9
tarix06.10.2018
ölçüsü1,4 Mb.
#72619
1   2   3   4   5   6   7   8   9

 

und Erster unter seinen Brüdern, verlässt er Elternhaus und Sippe und begibt sich in 



die  Fremde.  Statt  auf  ihm  ergebene  Blutsverwandte  stützt  er  sich  nur  noch  auf  die 

Freundschaft  eines  Fremden.  Und  er  heiratet  eine  Kanaaniterin,  auch  seine  Kinder 

werden,  wie  der  fünfte  Vers  noch  einmal  hervorhebt,  ausdrücklich  fern  von  seiner 

Familie geboren. 

 

Die  jüdische  Tradition  setzt  diesen  Weg  mit  der  vorhergehenden  Geschichte  vom 



Verrat  am  Bruder  Josef  und  seinem  Verkauf  in  die  Sklaverei  in  Beziehung  -  Juda 

habe  die  Trauer  seines  Vaters  und  die  Vorwürfe  seiner  Bruder,  die  ihn  als  den 

Ältesten verantwortlich machten, nicht mehr ertragen. 

 

Wir  aber  sind  hier  schon  mitten  in  der  ersten  Frage,  die  sich  bei  einem  Vergleich 



Darwin - Wallace stellt. Wie verläuft die natürliche Selektion, der Wettbewerb in der 

Evolution des Menschen? Siegt wirklich nur „der Stärkere“ - und wer ist das? 

 

Wallace - Darwin

 

 



Für  Darwin  war  die  Antwort,  dem  Demografen  Malthus  folgend,  klar:  wie  bei  den 

Tieren  tendiere  auch  der  Mensch  dazu,  sich  nach  Kräften  zu  vermehren  -  und  die 

Evolution bestünde darin, dass nur die stärksten Menschen bzw. Menschengruppen 

den  unbarmherzigen  Überlebenskampf  bestünden.  Natürlich  war  Darwin  nicht 

verborgen geblieben, dass bereits zu seiner Zeit die Geburtenraten vielerorts sanken 

und  dass  gerade  auch  Wildbeutervölker  sowohl  Geburtenkontrolle  betrieben,  wie 

auch keinesfalls jeden Quadratmeter besiedelten. Entsprechende Zweifel reflektierte 

er sogar und schrieb in „Die Abstammung des Menschen“: 

 

„Wenn  wir  in  vielen  Theilen  der  Erde  enorme  Strecken  des  fruchtbarsten  Landes, 



Strecken,  welche  im  Stande  sind,  zahlreiche  glückliche  Heimstätten  zu  tragen,  nur 

von einigen herumwandernden Wilden bewohnt sehen, so möchte  man wohl zu der 

Folgerung  veranlaßt  werden,  daß  der  Kampf  um’s  Dasein  nicht  hinreichend  heftig 

gewesen sei, um den Menschen aufwärts auf seine höchste Stufe zu treiben.“

2

  

 



Doch  am  Ende  entschied  sich  Darwin  für  eine  friedensfeindliche  Lesart  der 

menschlichen  Evolution:  Überbevölkerung  und  Krieg  erschienen  ihm  nicht  nur  als 

Übel, sondern sogar als notwendiges Mittel menschlicher Evolution! So schrieb er: 

 



 

„Wie jedes andere Thier ist auch der Mensch ohne Zweifel auf seinen gegenwärtigen 



hohen  Zustand  durch  einen  Kampf  um  die  Existenz  in  Folge  seiner  rapiden 

Vervielfältigung gelangt, und wenn er noch höher fortschreiten soll, so muß er einem 

heftigen  Kampf  ausgesetzt  bleiben.  Im  andern  Fall  würde  er  in  Indolenz  versinken 

und  die  höher  begabten  Menschen  würden  im  Kampf  um  das  Leben  nicht 

erfolgreicher  sein  als  die  weniger  begabten.  Es  darf  daher  unser  natürliches 

Zunahmeverhältnis,  obschon  es  zu  vielen  und  offenbaren  Übeln  führt,  nicht  durch 

irgend welche Mittel bedeutend verringert werden.“

3

 



 

Ich  nehme  an,  dass  diese  Entscheidung  Darwins  zu  den  verhängnisvollsten 

Fehlurteilen der Wissenschaftsgeschichte zu zählen ist - denn von nun an, und zum 

Teil  bis  heute,  wurde  der  „Darwinismus“  als  vermeintlich  wissenschaftliche 

Rechtfertigung  für  das  Verbot  von  Familienplanung  in  der  Eigengruppe  und 

gleichzeitig  als  Rechtfertigung  von  Krieg,  Unbarmherzigkeit,  Gewalt  und 

Fremdenfeindlichkeit gegen andere missbraucht. 

 

Dagegen stemmte sich Wallace. Auch er war lange von Malthus angeregt, fasziniert 



und  geprägt  gewesen,  wandte  sich  jedoch  später im Bezug  auf  den  Menschen  von 

dessen  demografischer  Theorie  ab.  Dabei  bezog  er  sich  sowohl  auf  bereits 

verfügbare Daten, die ein Absinken der Geburtenraten in fast ganz Europa belegten, 

wie auch auf Beobachtungen der Biologie. 

 

Natürliche Reproduktion / 

Selektion

r – Strategie (reproduktive Masse)

K – Strategie (wettbewerbsstarke Klasse)

C – Strategie (adaptive Entscheidung)

 

 



Biologen sprechen heute von den r- und K-Strategien, um Reproduktionsstrategien 

verschiedener Tierarten zu unterscheiden. Vor allem einfachere und kleinere Tiere 

bringen eine große Zahl von Nachkommen hervor, ohne in das einzelne besonders 

viel zu investieren. Die Strategie geht dann auf, wenn wenigstens einige der oft 

vielen Hundert Nachkommen lange genug überleben, um ihrerseits erfolgreich zu 

zeugen. 


 

Komplexere Tiere, darunter alle größeren Säugetiere, tendieren stärker zur so 

genannten K-Strategie: es werden nur wenige Nachkommen geboren, in diese aber 

besonders aufwändig investiert, auch mit hohem Energieaufwand und teilweise 

jahrelanger Begleitung. Entsprechend kann ein komplexeres und flexibleres 

Sozialverhalten entstehen, das die Überlebens- und Fortpflanzungschance der 

wenigen Geborenen erhöht. 



 

Auch die vor- und frühmenschliche Entwicklung spielte sich im K-Strategierahmen 



ab, bis die Entwicklung des menschlichen Gehirns und hier vor allem des Neocortex 

eine neue Qualität einläutete, die ich mit dem Demografen Massimo Livi-Bacci (2006) 

als Strategie des „Choice“, der Entscheidung, aber auch der „Culture“ beschreiben 

möchte. Kein ernsthafter Demograf bestreitet heute mehr, dass sich Menschen 

entlang gänzlich anderer Strategien als Tiere vermehren - und dass, wie von Wallace 

richtig beobachtet, tendenziell die menschliche Geburtenrate mit zunehmendem 

Wohlstand, Frieden und Bildung schnell abnimmt. Heute schrumpfen Europas 

Populationen, die deutsche Gesellschaft implodiert sogar – ohne dass dies durch 

äußere Feinde verursacht würde. Und auch beispielsweise in den sich entwickelnden 

asiatischen, afrikanischen und islamischen Gesellschaften hat der Geburtenrückgang 

längst flächendeckend eingesetzt - wenn das Bevölkerungswachstum auch noch 

einige Jahrzehnte anhalten wird. 

 

Wallace hatte aber genau dies bereits vor einhundert Jahren vermutet - und also 



dazu aufgerufen, eben nicht wie die Darwinisten auf Stammeskrieg und 

Fremdenangst zu setzen, sondern auf Frieden, Entwicklung und eine gerechte 

Wirtschafts- und Bildungspolitik, um die Bevölkerungsexplosionen einzudämmen. Er 

erkannte: Die menschliche Evolution benötigt keine Gewalt! Noch 1912, kurz vor 

Beginn des ersten Weltkrieges, kritisierte Wallace die Malthusianische Demografie 

als „größte aller Täuschungen“ und rief die Völker Europas zum Frieden auf.

4

 Wir 


können heute nur beklagen, dass den Darwinisten, nicht aber Wallace Gehör 

geschenkt wurde… 

 

Lesen wir vor diesem Hintergrund die Eröffnung der Juda-Tamar-Geschichte, so 



wirkt sie keinesfalls mehr langweilig. Denn Juda wählt eine entschieden nicht-

darwinistische, eine „wallacianische Strategie“: er setzt nicht auf Stamm, Gewalt und 

Eroberung, sondern (auch aus Schuld- und Verantwortungsgefühlen) auf Migration

Freundschaft und friedliches Vermischen. Und er kommt genau so zu ausreichend 

Nachkommen. Unter Menschen auch unterschiedlicher Herkunft ist Frieden möglich! 

 

Genesis 38, 6 



Und Juda gab seinem ersten Sohn Er eine Frau, die hieß Tamar.  

 

Diskussion: Wirkt auch beim Menschen die sexuelle Selektion? 

In diesem Satz wird die Heldin der Geschichte eingeführt – und wie. Während wir von 

Judas  Frau nur  den Namen ihres  Vaters erfahren  haben, tritt Tamar von Anfang  an 

mit  eigenem  Namen  und  eigenem  Recht  in  die  Geschichte.  Auch  die  Übersetzung 

ihres Namens, Palme,

5

 signalisiert Anmut und Selbstbewusstsein. 



 

Modernen Bibelauslegern ist die Tamargeschichte oft peinlich. Aber König David wird 

eine  Tochter  nach  ihr  benennen  (siehe  2.  Samuel).  Und  das  Matthäus-Evangelium 

wird  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  Tamar  als  die  erste  von  nur  vier  Frauen  im 

Stammbaum Jesu namentlich zu nennen (Matthäus 1,3). 

 

Dabei  spielt  uns  die  Bibel  keine  Gleichberechtigung  vor,  die  es  nicht  gab.  Auch  in 



diesem  Vers  ist  Juda  der  aktive  Part,  der  hier  für  seinen  Erstgebornen  auftritt. 

Allerdings dürfen wir aus ihrem selbstbewussten Entree mindestens schließen, dass 

auch Tamar selbst Teil der Familie werden wollte und selbst zur Verhandlung in der 

Lage  war  -  wie  sie  später  beweist.  Sie  erscheint  uns  als  starke  Frau  ihrer  Zeit  und 

damit nicht als ein willenloses Kauf- oder Beutestück. 



Yüklə 1,4 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   2   3   4   5   6   7   8   9




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə