Historischer Verein für Ermland
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(Fortsetzung auf Seite VII - Randspalte)
ges Haus mit Wirtschaftsgebäuden
an der Ecke Oberstraße und Karl-
straße. Dort richtete er eine Buch-
handlung, einen Papierladen und ei-
nen Leseraum ein. Im Jahre 1890 er-
weiterte er das Haus durch Aufstok-
kung einer weiteren Etage. Die Bau-
arbeiten wurden von der Bau-Firma
Hosmann aus Allenstein ausgeführt.
Die Finanzierung des Ausbaus über-
nahmen die Eltern von Buchholz. An
der Oberstraße befanden sich die
Buchhandlung und Buchbinderei. In
der ersten Etage waren die Redakti-
onsräume untergebracht, und in der
zweiten die Wohnung des Herausge-
bers. Im Parterre an der Karlstraße
befand sich die Druckerei. Aus der
Setzerei kam man über eine Wendel-
treppe in den Maschinenraum. Dort
stand eine Druckmaschine des Fabri-
kats
Würzburger Schnellpresse mit
einem Motor von einem PS. Diese
Maschine funktionierte noch im Jah-
re 1920. Mit Sicherheit ist sie seit 1907
elektrisch angetrieben worden. In
der Buchhandlung verkaufte er die
von ihm selbst herausgegebenen Bü-
cher, unter anderem das Werk
Dzie-
sięć usług do Najświętszego Serca
Jezusowego podług błogosławionej
Małgorzaty Maryi Alakok [Zehn Ge-
bete zum Allerheiligsten Herzen Jesu
nach der seligen Margarethe Maria
Alakok]. Die meisten Publikationen
waren Bücher mit religiösem Inhalt
von Pfarrer Barczewski, sowie Wer-
ke, die aus Großpolen und West-
preußen geliefert wurden, und - ähn-
lich wie in Wartenburg – Kalender.
Hier erschien am 3. Oktober 1890 die
erste Nummer der
Nowiny Warmiń-
skie, einer Publikation mit einer Aus-
richtung ähnlich wie die der
Gazeta
Olsztyńska, in der jedoch stärker die
ermländische Eigenart und die Bin-
dung an die Heimat hervorgehoben
sowie Zurückhaltung mit Kritik Geist-
lichen geübt wurde, die nicht immer
das Wort Gottes in polnischer Spra-
che verkündeten: somit alles, was
Buchholz früher in seinen Beiträgen
für polnische Zeitungen zum Aus-
druck gebracht hatte. Häufig stellte
er fest, dass es besser sei, statt die
Priester wegen der Germanisierung
durch die Zeitung zu ermahnen, Ge-
spräche über dieses Thema mit der
Bischöflichen Kurie aufzunehmen.
Seiner Meinung nach untergräbt Kri-
tik an Priestern in der Zeitung deren
Autorität als Geistliche.
Eine genaue inhaltliche Analyse
der
Gazeta Olsztyńska jener Jahre
und der
Nowiny Warmińskie führt
nicht zu dem Ergebnis, dass es
grundsätzliche Differenzen gab. Das
hat mehrfach Prof. Janusz Jasiński in
seinen Publikationen festgestellt. Als
zutreffende Meinung ist anzuneh-
men, dass die beiden Organe ganz
gewöhnlich um Abonnenten rivali-
sierten. Bei der Herausgabe einer
polnischen Zeitschrift ließ Eugen
Buchholz sich von seinen journalisti-
schen Neigungen und seiner Sympa-
thie für das Polentum leiten. Für Li-
szewski und Seweryn Pieniężny war
es unbegreiflich, dass sich ein Deut-
scher auf so ideelle und uneigennüt-
zige Weise gegenüber dem Polen-
tum, der polnischen Kultur verhal-
ten kann. Und dennoch: die
Nowiny
griffen die
Gazeta Olsztyńska nie we-
gen ihrer Ausrichtung an. Buchholz
empfand es jedoch als Angriff auf
Nowiny, wenn in der Gazeta Olsz-
ihn auch später annehmen und wei-
ter empfehlen werden.“ Leider hat
der Herausgeber sein Versprechen
nicht gehalten. Er stellte die Heraus-
gabe nach dem ersten Jahrgang ein.
Wir können vermuten, dass diese In-
itiative auf kein größeres Leserinte-
resse gestoßen ist.
Der Aufbau des Buchholz-Kalen-
ders von 1892 ist mit anderen Peri-
odika dieser Art vergleichbar. Außer
dem Kalendarium befanden sich
darin die Termine der Kirchweihfe-
ste in den Pfarreien der Diözese Erm-
land, aber auch Verzeichnisse der
Jahrmärkte nicht nur in Ostpreußen,
sondern auch in den westlichen Re-
gierungsbezirken Marienwerder und
Danzig, im Großherzogtum Posen so-
wie in Schlesien (Regierungsbezirk
Oppeln). Damit beschrieb der Her-
ausgeber die Gebiete, in denen der
Kalender vertrieben wurde.
Der Kalender enthielt gerade zwei
regionale Beiträge; der erste – eine
kurze Beschreibung von Heiligelinde
mit Angabe der Wallfahrtstermine,
zu denen die Gläubigen der einzel-
nen Pfarreien aus dem südlichen
Ermland und aus den Gebieten Po-
lens zu diesem Heiligtum pilgern
sollten. (Im 19. Jahrhundert wurde
für die Bewohner Allensteins der er-
ste Sonntag nach der Fronleichnams-
oktav bestimmt.) Der zweite Beitrag
war eine Biographie des Priesters Dr.
Felix Schreiber, der das Kopernikus-
Haus in Allenstein erbaut hat und
dem Buchholz vorher schon eine
Gelegenheitsschrift gewidmet hatte.
In der Publikation befanden sich
auch einige Erzählungen mit didakti-
schem Hintergrund, wie: „Pycha
zwyciężona“ [Der besiegte Hoch-
mut] über den Bauern Bartłomiej
Szafraniec aus Kallinowen, der hart-
näckig versuchte, die reichen und ar-
beitsamen Landwirte nachzuahmen,
obwohl ihm die Mittel dazu fehlten;
über die heilige Katharina von Siena,
die einige Sünder bekehrt hat. Auch
ein Ratgeberteil für die Bereiche
Landwirtschaft und Steuerwesen
war darin enthalten. Publiziert wur-
de ebenfalls ein Artikel über Adam
Mickiewicz einschließlich des Ge-
dichtes „Powrót taty“ [Rückkehr des
Vaters]. Am Ende dieses Beitrages
wurde daran erinnert, dass dieses
Gedicht von einem Mitglied der
Zgo-
da, des Polnisch-Katholischen Volks-
bundes unter dem Patronat des heili-
gen Kasimir, vor dem Auftritt des
Amateurtheaters in Allenstein rezi-
tiert wurde. In dem Bericht über die
Weihnachtsbräuche in Polen stellte
der Herausgeber den im Ermland
völlig unbekannten Brauch des Obla-
tenteilens vor, anstatt die ermländi-
sche Tradition aufzuzeigen. Und dar-
in ist wohl unter anderem der Grund
für die geringe Beliebtheit des Kalen-
ders zu suchen.
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Noch im fünften Monat des Er-
scheinens der
Nowiny Warmińskie,
am 1. März 1891, kam es in Allenstein
zur Gründung des Polnisch-Katholi-
schen Volksbundes
Zgoda [Ein-
tracht] unter dem Patronat des heili-
gen Kasimir. Sollte der Name ein Zei-
chen für die Verständigung der Par-
teien sein? Schriftlich grundgelegt
war, was der Bund anstrebte:
Gegen-
seitige Belehrung und Gespräche in
tyńska gesagt wurde, dass ihr die
Abonnenten weggenommen wür-
den. Deshalb legte der Redakteur
von
Nowiny in seinem Abschiedsar-
tikel nach einem Dreivierteljahr, als
er die Herausgabe der Zeitschrift ein-
stellte, seinen Lesern nahe, den
Pielgrzym zu abonnieren und nicht
die
Gazeta Olsztyńska. Noch bevor
die
Nowiny eingingen, hatte Buch-
holz eine Vereinigung mit der
Gazeta
vorgeschlagen. Pieniężny lehnte ab
mit der Begründung, dass er nicht
der Verlagseigentümer sei. Ich neh-
me an, dass außer den politischen
Gründen für die Absage des Redak-
teurs der
Gazeta auch finanzielle
Probleme eine Rolle spielten. Pie-
niężny konnte trotz allem immer mit
gelegentlichen Subventionen aus Po-
sen und später aus Petersburg rech-
nen, während eine so enge Verbin-
dung mit einem Deutschen dazu füh-
ren konnte, dass die Dotationen be-
grenzt oder ganz gestrichen wurden.
Die
Gazeta hatte ja ständig mit Fi-
nanzsorgen zu kämpfen, und die
Abonnentenzahl stieg trotz vieler Be-
mühungen nicht an.
Die erlittenen finanziellen Verluste
schreckten Buchholz nicht ab. Er
konnte mit der materiellen Unterstüt-
zung durch seine Eltern rechnen.
Noch Ende 1891 unternahm er zwei
weitere Versuche. Das war die deut-
sche Zeitschrift
Allensteiner Volks-
zeitung, für die deutschen Ermlän-
der und die Diaspora-Katholiken be-
stimmt. In der
Gazeta Olsztyńska
schrieb man dazu etwas ironisch,
der Sache damit jedoch nicht ge-
recht werdend:
Aus den polnischen
„Nowiny“ entstand die deutsche
„Volkszeitung“, und tatsächlich steht
ihr dieses deutsche Gewand besser,
denn es ist das ihre. Es ist keine ein-
zige Nummer der
Allensteiner Volks-
zeitung erhalten geblieben, deshalb
kennen wir ihre Ausrichtung nur aus
den Äußerungen der
Gazeta Olsz-
tyńska. Auf jeden Fall verband die
Zeitschrift die polnische Sache mit
dem Programm der katholischen
Zentrums-Partei, die in jener Zeit die
polnische Sprache im öffentlichen
Leben des südlichen Ermlands ein-
forderte. Die Zeitschrift erschien ein
Jahr lang. Sie wurde eingestellt, weil
es ihr an Lesern mangelte, obwohl
sie am Anfang 500 Abonnenten hatte.
Die zweite Initiative war der
Kalen-
darz Polsko-Warminski für das Jahr
1892. Es ist nahezu sicher, dass
Buchholz selbst 118 Seiten zum
Druck zusammengestellt hat. Bei der
Vorbereitung der Texte für den er-
sten Jahrgang ahmte Buchholz in ge-
wisser Weise Julius Pohl nach, der in
Braunsberg einen deutschen Kalen-
der für die Ermländer in hoher Aufla-
ge herausgab, sowie ähnliche Publi-
kationen aus verschiedenen Regio-
nen Polens. Übrigens schrieb er da-
zu im
Vorwort: „Das Großherzogtum
Posen sowie Westpreußen und Ober-
schlesien haben schon längst ihre ei-
genen Kalender. Sogar für die prote-
stantischen Masuren erscheinen
jährlich zwei Kalender. Deshalb
konnte auch unser geliebtes Erm-
land, das bisher keinen Kalender in
polnischer Sprache besaß, nicht hin-
ter den anderen Regionen zurückste-
hen. Zum ersten Mal erscheint also
der
Kalendarz Polsko-Warminski
und wir sind überzeugt davon, dass
es nicht das letzte Mal ist. Wir hoffen,
dass alle Landsleute, die in diesem
Jahr den Kalender gekauft haben,
Grußwort des Vorsitzenden des HVE
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,
Hochwürdigster Herr Erzbischof,
Meine Damen und Herren,
es freut mich sehr, diese Stunde er-
leben zu dürfen. Ich danke dafür den
Veranstaltern, den Schirmherren –
dem Hochwürdigsten Herrn Erzbi-
schof und dem Herrn Präsidenten der
Stadt Olsztyn - und nicht zuletzt Herrn
Prof. Jasiński, in dem ich den eigentli-
chen Initiator für die heutige Ehrung
von Eugen Buchholz sehe.
Eugen Buchholz war ein Deutscher,
mit einer „polnischen Seele“, wie er
einmal selbst von sich gesagt hat. Zeit
seines Lebens hat er konsequent dar-
an festgehalten, für die genuinen Rech-
te der polnischsprachigen Bewohner
seiner Heimat einzutreten. In dem im-
mer schärfer werdenden Nationalitä-
tenkampf scheiterte er schließlich mit
seinen gut gemeinten Initiativen. Von
seinen Landsleuten wurde er wegen
seiner polenfreundlichen Einstellung
nicht verstanden und von den Polen
wegen seiner deutschen Herkunft
nach und nach vergessen. Geprägt von
tiefer Religiosität und seit der Mitte sei-
nes Lebens durch sein Leiden zu grö-
ßerer Distanz vom politischen Tages-
kampf gezwungen, bewahrte Eugen
Buchholz eine erstaunliche Unabhän-
gigkeit vom nationalistischen Zeitgeist.
Ihn zu ändern und dem Lauf der Ereig-
nisse eine andere Richtung zu geben,
hat er freilich nicht vermocht.
Heute stehen wir an einem neuen
Anfang. Wir haben bei der Betrachtung
der Geschichte dieser Region damit
begonnen, uns von einer verengten na-
tionalen Wahrnehmung zu lösen. In ei-
nem neu entstehenden Europa der Re-
gionen könnte man von einer „Re-Eu-
ropäisierung“ der Regionalgeschichte
sprechen, die neue Perspektiven eröff-
net. Ich bin davon überzeugt: Eugen
Buchholz kann, obwohl er vor 100 Jah-
ren als Vermittler zwischen der deut-
schen und polnischen Kultur nur be-
grenzten Erfolg hatte, und trotz seiner
politischen Niederlagen und seiner
physischen Ohnmacht, die er aber in
christlicher Geduld ertrug, für unsere
heutigen Bemühungen Vorbild und Pa-
tron sein.
Fortsetzung von Seite V
Magisterstipendium
Zur Förderung einer internationalen,
konfessionsübergreifenden und inter-
disziplinären Ermlandforschung
schreibt der Historische Verein für
Ermland zum 1. November 2005 ein
Reise- und Forschungsstipendium für
eine Magisterarbeit (auch Staatsex-
amens-, Diplom- und Lizentiatsarbeit)
zu folgendem Thema aus:
Franz Hipler (1836-1899)
Historiker und Redakteur
des Pastoralblatts
für die Diözese Ermland.
Der Regens des Priesterseminars
und ordentliche Professor der Pasto-
raltheologie am Braunsberger Lyceum
Hosianum Franz Hipler, einer der be-
deutendsten Historiker des Ermlands,
wurde 1869 mit der Herausgabe des
Pastoralblatts betraut, das Bischof Phil-
ippus Krementz als Organ der von ihm
beabsichtigten Modernisierung der
Seelsorge nach rheinischem Muster
begründet hatte. Bis zu seinem Tode
prägte Hipler das Profil des Blattes
Fortsetzung auf Seite VII