ERMLANDBRIEFE
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Sommer 2005
Polen müsse eigentlich aufgrund seines
Dienstes an Europa (Beendigung des
osmanischen Vordringens 1683 vor
Wien) und aufgrund seines Leidens
durch die Nachbarn auf besonderes
Verständnis, auf besondere Anteilnah-
me und Hilfe seiner Nachbarn rechnen
können. Ist hier nicht doch noch eini-
ges gemeinsam aufzuarbeiten?
Nach der neuerlichen Katastrophe
des schrecklichen Vernichtungskrieges
vor 60 Jahren und nach der anschlie-
ßenden unglücklichen Vertreibung der
Deutschen aus Polen haben die Polni-
schen Bischöfe am Ende des II. Vatika-
nischen Konzils, also vor genau 40 Jah-
ren, in einem bewegenden Brief an ihre
deutschen Mitbrüder erklärt: „Wir ver-
geben und bitten um Vergebung“, was
die Deutschen Bischöfe entsprechend
beantwortet haben. Und vorausgegan-
gen war 15 Jahre vorher die „Charta der
deutschen Heimatvertriebenen“, die
maßgeblich den Weg zur Versöhnung
geebnet hat. Gibt es aber nicht dennoch
immer noch Ängste und Irritationen auf
beiden Seiten, so dass dieser Versöh-
nungsprozess noch vieler Anstrengun-
gen beider Seiten bedarf? Das neue
Europa, die EU, für die sich gerade die
Ermländer so einsetzen, ist gleichsam
ein Testfall für das Gelingen der Versöh-
nung und darauf gründender wirklicher
Solidarität. Und wir alle wissen: Hier ist
wahrlich noch einiges zu tun!
Uns auf diese Versöhnung einzulas-
sen, verlangt wirkliches Einlassen auf-
einander, auch auf die Verletzungen
und Verwundungen in der gemeinsa-
men Geschichte. Versöhnung könnte ja
nicht gelingen, wo verdrängt würde,
was versöhnungsbedürftig ist, wenn
nicht wahrgenommen würde, was so
nicht bleiben darf. Versöhnung meint ja
mehr als „Entschuldigung", Versöhnung
meint ja viel mehr: nämlich, die Bezie-
hung soll wieder aufgenommen, geheilt
werden, um miteinander die gemeinsa-
me Zukunft zu gestalten. Darum meine
inständige Bitte, ganz sicher im Sinne
von Bischof Kaller: Liebe Ermländerin-
nen, liebe Ermländer, gehen Sie bitte Ih-
ren Weg der Versöhnung weiter!
Verehrte, liebe Brüder und Schwe-
stern: wir haben dem Wort aus dem
heutigen Evangelium, aus dem Ab-
schiedsworten Jesu nachzuspüren ver-
sucht: „Ich habe Deinen Namen den
Menschen offenbart“. Es ist ja so viel,
was wir Christen in der Spur Jesu von
unserem Gott noch zu erzählen haben.
Am besten ist, wir halten es wie die
Generationen vor uns: „Singt dem
Herrn ein neues Lied!“ Von Deutschen
und Polen gemeinsam gesungen!
Amen!
Fortsetzung Predigt Bischof Homeyer
Erzbischof Piszcz würdigt Prälat Schwalke
Im Zeichen der Freundschaft
Der emeritierte
Apostolische Visita-
tor Prälat Johannes
Schwalke ist zum
E h r e n d o m h e r r n
von Frauenburg
(Frombork) ernannt
worden. Der 82-Jäh-
rige ist damit insbe-
sondere für seine
Verdienste um die
deutsch-polnische
Versöhnung geehrt
worden. Die Ernen-
nungsurkunde wur-
de Schwalke im Auf-
trag des Erzbischofs
Dr. Edmund Piszcz
durch eine hoch-
rangige Vertretung
der polnischen Kurie - Prälat
Bronisław Magdziarz und Dr. Julian
Żołnierkiewicz - bei der 58. Wallfahrt
der Ermländer nach Werl überreicht.
Prälat Schwalke war 1975 vom Papst
Paul VI. zum Apostolischen Visitator
für Klerus und Gläubige aus der Diöze-
se Ermland ernannt worden und ge-
hörte seitdem der Deutschen Bischofs-
konferenz an. 1998 ging er in den Ruhe-
stand und wohnt nun im Senioren-
wohnheim der Katha-
rinenschwestern in
Daun. Von Daun aus
blieb Prälat Schwalke
während der Vakanz
bis zum 31. März 2000
kommissarischer Lei-
ter der Visitatur Erm-
land in Münster.
In seiner Grußbot-
schaft würdigt der Erz-
bischofs von Ermland,
Dr. Edmund Piszcz, die
guten Beziehungen
zwischen den Heimat-
vertriebenen und den
heutigen Bewohnern.
„Unsere Freundschaft,
die Freundschaft zwi-
schen deutschen und
polnischen Ermländern, soll beispielge-
bend sein - gerade an diesem 60. Jahres-
tag des Kriegsendes.“ Nicht zuletzt der
gemeinsame Glaube habe viele Brük-
ken zwischen West und Ost möglich ge-
macht. „Lasst uns gemeinsam diesen
Weg fortsetzen“, betonte Piszcz, der im
vergangenen Jahr für seine Verdienste
um die deutsch-polnische Freundschaft
mit dem Bundesverdienstkreuz ausge-
zeichnet wurde.
NB/ np
Prälat Bronisław Magdzairz (li)
überreichte Prälat Johannes
Schwalke, A.V.E. em. (re), die Er-
nennungsurkunde zum Ehrendom-
herrn von Frauenburg
Miłujmy czynem i prawdą
(Lieben wir in Tat und Wahrheit)
Olsztyn, den 27. April 2005
Liebe Ermländerinnen, liebe Ermländer!
Vor 12 Jahren habe ich hier in Werl zum ersten Mal mit Euch gemeinsam ge-
betet und die Gottesmutter um Hilfe in aller Not angerufen. Vor zwei Jahren
habt Ihr hier gemeinsam mit mir den Seligsprechungsprozess für Euren, ich sa-
ge, für unseren unvergessenen Bischof Maximilian Kaller eingeleitet, an den
seine Büsten in Frauenburg und Allenstein im Ermland erinnern. Diesmal kann
ich nicht persönlich bei Euch sein. In Erinnerung an den großen Bischof Maxi-
milian will ich Euch durch Prälat Bronisław Magdziarz und den Apostolischen
Protonotar Julian Żołnierkiewicz Grüße aus der Heimat überbringen. Viele von
Euch habe ich auch an ermländischen Marienwallfahrtsorten wieder gesehen,
vor allem in Dietrichswalde.
Die Ermländer in Deutschland und in Polen denken in diesem Jahr an das
Ende des Zweiten Weltkriegs vor 60 Jahren. Ihr musstet Eure Heimat verlassen,
viele haben dabei ihr Leben und ihre Gesundheit verloren. In die von Euch
verlassenen Häuser - sofern sie nicht in Flammen aufgegangen waren - zogen
andere ein, die ebenfalls aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden.
Ihr wisst das und habt bei vielen Treffen von deutschen und polnischen Erm-
ländern Frieden, oftmals sogar Freundschaft geschlossen.
Wir Bischöfe sind Euch dabei vorangegangen. Im November sind vierzig Jah-
re seit dem Versöhnungsbriefwechsel zwischen den deutschen und polnischen
Bischöfen vergangen. Am Rande des zu Ende gehenden Konzils haben wir pol-
nischen Bischöfe unseren deutschen Amtsbrüdern einen Brief überreicht. Die
Botschaft lautete: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Eure Bischöfe ha-
ben darauf im gleichen Sinne geantwortet. Der Apostolische Visitator em. Prälat
Johannes Schwalke, der jetzige Visitator Msgr. Dr. Lothar Schlegel und ich sind
mit unseren Priestern und Ordensfrauen sowie mit Euch allen diesen Weg der
Versöhnung weitergegangen. Gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass es seit
1991 auch wieder regelmäßig deutschsprachige Gottesdienste im Ermland gibt.
Mit Eurem Visitator Dr. Lothar Schlegel und auch mit dem emeritierten Aposto-
lischen Visitator Johannes Schwalke gibt es wieder deutsche Domherren in
Frauenburg. Über sein Büro in der Allensteiner Kurie wirkt der Visitator an der
Seelsorge für die deutsche Minderheit in meinem Erzbistum mit. Unsere
Freundschaft, die Freundschaft zwischen deutschen und polnischen Ermlän-
dern, soll Beispiel gebend sein - gerade an diesem 60. Jahrestag des Kriegsen-
des. Nicht zuletzt der gemeinsame Glaube hat viele Brücken zwischen West und
Ost möglich gemacht. Lasst uns gemeinsam diesen Weg fortsetzen.
Das Ermland, so hat der Heilige Vater bei seinem Besuch bei uns gesagt, ist
ein Land des Leidens. Lasst uns gemeinsam zur heiligen Gottesmutter flehen,
dass Not und Tod der Vergangenheit zum Segen für alle Ermländer werden und
wir in Europa in eine friedliche Zukunft gehen.
Allen hier zur Wallfahrt in Werl versammelten Ermländern und ihren Fami-
lien erteile ich von Herzen meinen bischöflichen Segen
ARCYBISKUP METROPOLITA WARMIŃSKI
PL 10-006 OLSZTYN, ul. Pieniężnego 22 a,
tel. 0.048.89. 527 22 91
+ Edmund Piszcz
ERZBISCHOF
METROPOLIT v. WARMIA / ERMLAND
Vertriebene, ihr Glaube und die deutsche Kirche
Einfluss der Vertriebenen
in der Nachkriegszeit
60 Jahre nach dem Beginn von
Flucht und Vertreibung der Deut-
schen aus dem Osten Mitteleuropas
geht der Blick in diesem Jahr er-
neut zurück auf die Geschehnisse
von damals, insbesondere auch auf
die Aufnahme und Integration im
Westen.
Diese Studienwoche möchte den
Blick auf die Situation der katholi-
schen Vertriebenen in den westli-
chen Besatzungszonen bzw. in der
jungen Bundesrepublik richten.
• Welche Impulse brachten sie in
das kirchliche Leben in den Pfar-
reien und katholischen Verbände
ein?
• Welche Konzepte wurden ange-
sichts des Vertriebenenzustroms
in den westdeutschen Diözesen
entwickelt?
• Brachten Flucht und Vertreibung
für die Entwurzelten nicht auch
Resignation und Abkehr von der
Kirche mit sich?
• Inwieweit bewirkte der Verlust
der Heimat gleichzeitig ebenso ei-
nen Aufbruch aus dem Glauben
heraus?
• Wurde die Kirchlichkeit der Ver-
triebenen im bundesdeutschen
Katholizismus sichtbar oder
blieb sie im Ghetto eines Vertrie-
benenkatholizismus mit eigenen
Strukturen stecken?
Im Zentrum der Veranstaltung
steht also die Suche nach Erfolgen
und Misserfolgen in den Konzepten
und Ideen zur Vertriebenenpastoral
seitens der Aufnahmediözesen,
aber auch seitens der gleichfalls
vertriebenen Heimatbischöfe und -
priester aus dem ehemaligen deut-
schen Osten.
Es sollen Handlungsfelder aus
bundesdeutschem Katholizismus,
Gesellschaft und Politik in den
Blick genommen werden, in denen
die katholischen Vertriebenen eine
breitere Öffentlichkeit erreichen
konnten. Inwieweit wurden hier
Chancen zur Mitwirkung überhaupt
eröffnet und inwieweit haben katho-
lische Vertriebene diese Hand-
lungsfelder effektiv besetzen kön-
nen? Welche Bilanz lässt sich
schließlich nach 60 Jahren hinsicht-
lich der Mitgestaltung des deut-
schen Nachkriegskatholizismus
durch Schlesier, Ermländer, Sude-
tendeutsche u.a. ziehen.
Referent: Dr. Michael Hirschfeld,
Historiker am Institut für Geschich-
te und historische Landesforschung
der Hochschule Vechta
Termin: 6. September ab 14.30
Uhr bis 9. September bis 13 Uhr
Teilnahmegebühr incl. Über-
nachtungen und Vollpension mit
vier Mahlzeiten/Tag: 150 €, Einzel-
zimmerzuschlag: 30 €
Anmeldung: Kolping-Bildungs-
stätte Soest, Gesellschaftspolitische
Akademie,Wiesenstr. 9, 59494
Soest, Tel.: 0 29 21 / 36 23-0, Fax: 0 29
21 / 1 66 39, E-Mail: kolping-bil-
dungsstaette-soest@t-online.de
Auf der Suche nach dem Einfluss der Vertriebenen auf die Entwick-
lung der Kirche in der Nachkriegszeit - Eine Zeitgeschichtliche Studi-
enwoche 6. - 9. September 2005 in der Kolping-Bildungsstätte in Soest