ERMLANDBRIEFE
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Ostern 2010
Der Geist Gottes macht den Menschen groß!
Der Herr hat mich gesalbt
Domkapitular Msgr. Dr. Schlegel, Visitator Ermland, hielt Erwachsenentaufe
und Firmung im niederländischen Oldenzaal
Von Martin Grote
Am Sonntag, 24. Januar 2010, stand
für unseren Visitator Domkapitular
Msgr. Dr. Lothar Schlegel eine beson-
dere Reise im Terminkalender: nur 80
km weit, aber trotzdem außergewöhn-
lich, denn erstens hatte unser Visita-
tor die Aufgabe, zwei Erwachsene in
die katholische Kirche aufzunehmen,
und zweitens geschah dieses Ereignis
auch noch in den Niederlanden!
Zu seinen holländischen Mitbrü-
dern Bernard Reerink und Michiel
Zeinstra unterhält Dr. Schlegel gute,
freundschaftliche Kontakte, die sich
bereits vor zwei Jahren während der
Amtseinführung von pastoraal werker
Martin Grote in Rossum ergaben.
Nachdem das Oldenzaaler Pastoren-
team am 23. März 2009 die Visitatur
Ermland in Münster besucht hatte,
lud Pfarrer Reerink den Visitator Erm-
land erneut ein: „Jetzt sind Sie wieder
an der Reihe, zu uns zu kommen, und
es wäre schön, wenn Sie dann auch in
unserer Plechelmusbasilika zelebrie-
ren könnten!“
Bereits im Frühjahr 2009 hatten
sich bei Martin Grote, der in neun
Kirchengemeinden für die Katechese
zuständig ist, zwei erwachsene Frau-
en gemeldet, die gerne in die katholi-
sche Kirche aufgenommen werden
wollten. Saskia (39), mit einem Katho-
liken verheiratet und Mutter von
Zwillingen, meinte: „Unsere Söhne
Tom und Max haben nun alle beide
die Erstkommunion gefeiert, aber
wenn ihre Mutter nicht getauft ist,
dann fehlt doch etwas!“
Kurz danach äußerte Claudia (31)
den gleichen Wunsch. Sie war bereits
protestantischen getauft. Sie hatte ei-
nen katholischen Partner geheiratet
und verspürte den Wunsch, spätere
Kinder im katholischen Glauben er-
ziehen zu wollen. Pastoraal werker
Martin Grote nahm sich der Angele-
genheit an und begleitete die beiden
Damen auf dem Weg zur Katholischen
Kirche in einem Glaubenskurs. Gegen
Ende des Jahres 2009 konnte der Kurs
abgeschlossen werden.
Der Gottesdienst mit Taufe, Fir-
mung und Erstkommunion hätte
durchaus an einem beliebigen Sams-
tag-Nachmittag stattfinden können.
Aber wenn zwei Erwachsene in die
Kirche aufgenommen werden, „...
dann integrieren wir sie auch in die
Gemeinschaft der Glaubenden, und
das kann man am besten während ei-
nes sonntäglichen Hochamtes sicht-
bar machen.“, entschied Pastor Ree-
rink, und „Wie wäre es, wenn wir den
Herrn Visitator fragen, ob er dazu be-
reit sei?“ Msgr. Dr. Lothar Schlegel er-
klärte sich schnell einverstanden,
und der Generalvikar des Erzbistums
Utrecht erteilte die Erlaubnis, die ge-
nerell einzuholen ist, wenn man einen
Firmspender aus einer anderen Di-
özese einladen möchte.
So reiste der Visitator Ermland am
24. Januar 2010 in die holländische
Hansestadt Oldenzaal, um einem fei-
erlichen Gottesdienst vorzustehen.
Gemeinsam mit den Pfarrern Reerink
und Zeinstra, mit pastoraal werker
Grote, Lektorin Ans Quinten, fünf Mi-
nistranten und Basilikaschweizer
Hennie Schepers zog Dr. Schlegel in
die jahrhundertealte Plechelmusbasi-
lika ein. Der Chorraum war im heimat-
lichen Geist geschmückt: neben dem
Altar stand die Ermlandfahne mit dem
Osterlamm, und auf dem Altar brann-
te eine von Dorothea Ehlert verzierte
Gedächtniskerze für Bischof Maximili-
an Kaller. Der Plechelmus-Antoniu-
schor sang die Orgelsolomesse von
Mozart, und die Predigt, die der Visi-
tator in deutscher Sprache hielt, wur-
de von Martin Grote abschnittsweise
ins Niederländische übersetzt.
Dr. Lothar Schlegel erzählte die fol-
gende Geschichte: „Ein bekannter Di-
rigent war eines Abends auf der Su-
che nach einer Unterkunft für die
Nacht. In einem Hotel fragte er die
Frau an der Rezeption nach einem
Zimmer und erhielt eine unfreundli-
che Antwort: Alles besetzt! Ein junges
Mädchen stand dabei und flüsterte
der Frau etwas zu, und plötzlich war
die Rezeptionistin wie ausgewechselt:
Entschuldigen Sie, mein Herr, ich
wusste nicht, dass Sie ‚JEMAND‘ sind.
Natürlich habe ich für Sie ein Zimmer.
Das Gesicht des Dirigenten verwan-
delte sich. Er verbeugte sich und sag-
te: ‚Madame, Jedermann ist Jemand. -
Auf Wiedersehen!‘“ Der Visitator gab
zu bedenken: „Jeder Mensch hat et-
was an sich von jener Frau. Und tat-
sächlich, man verhält sich ganz ver-
schieden zu Menschen, je nachdem
ob sie Ansehen genießen, vielleicht
einen großen Namen führen, oder ob
sie einem auf die Nerven gehen und
lästig fallen. Unser Leben und unsere
Reaktionen sind eingebunden in ein
Geflecht von Beziehungen und Wert-
schätzungen.“ Darauf schloss sich
dann die Frage an: „Was aber macht
die Größe eines Menschen aus? Wann
ist ein Mensch groß?“ Prälat Dr. Schle-
gel zitierte aus dem Evangeliumstext
die Perikope Lk 4, 17f: „Jesus schlug
das Buch auf und fand die Stelle, wo
es heißt: Der Geist des Herrn ruht auf
mir, der Herr hat mich gesalbt, und er
hat mich gesandt.“ Daraus zog der Vi-
sitator die Folgerung: „Heute, liebe
Firmbewerberinnen, ist der Tag, an
dem dieser Satz in besonderer Weise
Ihnen gilt. Der Geist des Herrn ruht
auf mir, der Herr hat mich gesalbt und
er hat mich gesandt. In der Firmung
werde ich Sie im Namen des Erzbi-
schofs mit Öl salben und dabei die
Worte sprechen: ‚Sei besiegelt durch
die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.‘
Der Geist Gottes, Gott selbst ist es, der
einen Menschen groß macht.“
Im Anschluss an die Predigt taufte
Dr. Schlegel zunächst Saskia, und da-
nach spendete er ihr sowie Claudia
das Sakrament der Firmung. Die bei-
den neuen Katholikinnen waren in
der Eucharistiefeier nach den Prie-
stern auch die ersten, die zum Tisch
des Herrn traten, und um die Beson-
derheit ihrer Erstkommunion zum
Ausdruck zu bringen, empfingen sie
die Kommunion in beiden Gestalten.
Nach der Festmesse schloss sich
noch ein kurzer Fototermin mit dem
Visitator an. Anschließend erklärte
sich Harry Morshuis bereit, für die
Münsteraner Gäste eine Kirchenfüh-
rung zu halten. Morshuis erläuterte
die Baugeschichte des mächtigen
Gotteshauses, das im 12., 13. und 15.
Jahrhundert entstanden ist. „Unsere
Pfarrei wurde im Jahre 954 gegrün-
det“, erzählte der pensionierte Olden-
zaaler Lehrer nicht ohne Stolz, „als
Bischof Balderik von Kleve hier eine
kleine Kirche bauen und diese dem
Hl. Plechelmus weihen ließ, einem
irischen Glaubensboten, der das Chri-
stentum nach Twente gebracht hat,
und der gegen Ende des 8. Jahrhun-
derts in St. Odilienberg bei Roermond
gestorben ist.“ Die in der Basilika be-
wahrte, um 1450 entstandene Büste
enthält den Schädel des Oldenzaaler
Pfarr- und Stadtpatrons. Visitator Dr.
Schlegel meinte begeistert: „Wenn Ihr
im Juni Eure große Plechelmuspro-
zession haltet, müsste ich ja eigent-
lich wiederkommen!“ Auch Georg
Marquitan vom Ermlandhaus staunte
über die Schönheit der Basilika und
über die wertvollen Kunstwerke in
der Schatzkammer, doch am meisten
hatte es ihm die barocke Eichenkan-
zel aus dem 17. Jahrhundert angetan:
„Was für ein Prachtstück! Ganz wun-
derbar!“
Der Visitator und sein Chauffeur
blieben noch bis zum Nachmittag in
Oldenzaal, denn Pastor Bernard Ree-
rink tischte in seinem Pfarrhaus so
manche Köstlichkeit auf: von hollän-
dischen Kirschbonbons über Mu-
scheln und Hasenbraten bis zu einem
Vanilleeis mit Eierlikör wurden die
deutschen Besucher auf´s Feinste
verwöhnt. Bevor sich Dr. Schlegel
verabschiedete, äußerte er noch ei-
nen Wunsch: „Kopiert mir aus dem
holländischen Messbuch doch mal
den Text des Zweiten Hochgebets!
Dann kann ich für meinen nächsten
Besuch in Oldenzaal schon ein klein
wenig üben ...!“
Während des Hochgebets am Altar der Plechelmusbasilika: v. l. Pastor Michiel
Zeinstra, Domkapitular Msgr. Dr. Lothar Schlegel, Visitator Ermland, Pfarrer Ber-
nard Reerink und pastoraal werker Martin Grote
Foto: Richard Hofsté, Oldenzaal
Visitator Domkapitular Msgr. Dr. Lo-
thar Schlegel firmt die beiden neuen
Mitglieder der Kirche Jesu Christi.
Foto: Richard Hofsté, Oldenzaal
Visitator Msgr. Dr. Lothar Schlegel bei der Taufe von Saskia Lucassen
Foto: Richard Hofsté, Oldenzaal