Privatpraxis Huhnsgasse 34
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Endoflora- Merkblatt
Die Wichtigkeit einer gut etablierten Darm- und
Rachenflora ist in den letzten Jahren immer
deutlicher geworden. Wir haben wieder und wie-
der gehört, dass – nicht zuletzt in Krankenhäu-
sern, und da vor allem auf den Intensiv-Statio-
nen – multiresistente Keime auftreten, die bei
schwer Kranken manchmal zu tödlichen Verläu-
fen führen können. Nicht selten werden diese
Keime auch durch industriell erzeugtes Fleisch
verbreitet.
Regelmäßig kommt es dann zu den üblichen
Pressekonferenzen, bei denen die Verantwortli-
chen Besserung geloben, mehr Kontrolle an-
mahnen und so tun, als ob das Ganze neu wäre
und nicht schon x-mal durchexerziert.
Wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein Groß-
teil der Antibiotika in der Massen- Tierhaltung
verbraucht werden (Schätzungen zwischen 70-
80%), kann man schon darüber nachdenken, ob
vegetarische Ernährung nicht eine Option wäre...
Aber auch schon viel näher an uns dran wird es
interessant: Bei jeder Infektion, wo wir uns über-
legen, ob Antibiotika sinnvoll&nötig sind, sollte
man genau nachdenken, ob ihr Einsatz wirklich
unabdingbar ist.
Jede Antibiotika- Gabe schwächt das innere
Gleichgewicht und macht empfindlicher für die
nächste Infektion. Das ist unvermeidlich und
sollte gerade bei Kindern berücksichtigt werden;
dieser Effekt hält noch Wochen und Monate spä-
ter an und ist bei Heranwachsenden besonders
ausgeprägt.
Gerade bei Neugeborenen und Kleinkindern ist
noch kein etabliertes Mikrobiom vorhanden. Mit
diesem Begriff umschreiben wir all die 'Unter-
mieter' die wir in den diversen Körperregionen
beherbergen. Dies baut sich in den ersten Le-
bensmonaten schrittweise auf. Unmittelbar
nach der Geburt ist die Immunabwehr im Darm
während der ersten Lebenswochen 'abgeschal-
tet' – nach ca. 3-4 Wochen schaut der Organis-
mus dann sozusagen nach, was sich da im Darm
etabliert hat und arrangiert sich mit 'seinen'
Darmkeimen.
Bei Kindern, die durch Kaiserschnitt zur Welt
kommen oder während der ersten Lebenswo-
chen Antibiotika erhielten ist diese Abstimmung
erschwert. Wir wissen heute aus epidemiologi-
schen Untersuchungen, dass solche Kinder häu-
figer an allergischen Erkrankungen leiden und
auch mehr zu Übergewicht neigen.
Was hilft?
Zum Einen sollte man einem gewissen Grund-
Dreck gegenüber gelassen sein. Jungen Müttern
zu erzählen, sie müßten alles mit Sagrotan
®
oder Ähnlichem desinfizieren ist Unsinn. Zum
anderen tauscht ein Kind sein Mikrobiom mit
anderen Kindern aus – das heißt, Kindergarten,
Kontakte bei der Tagesmutter oder die älteren
Geschwister helfen. Auch ein Besuch auf dem
Bauernhof kann günstig sein, wenn man nicht
gerade in einen Kuh- oder Schweinestall gerät,
wo reichlich Antibiotika verteilt werden.
Bei uns in der Praxis ist Symbioflor
®
eines der
meistverordneten Mittel. Das Prinzip ist schon
über 50 Jahre alt und x-fach bewährt. Mit den
beiden Präparaten, die unsere gängigsten Darm-
keime enthalten (Eschericha coli und Strepto-
coccus faecalis) kann man keine Wunder bewir-
ken, aber es ist für mich immer wieder erstaun-
lich, wie diese vergleichsweise simple Therapie
einschlägt. Wir haben bei vielen Kindern beob-
achtet, dass chronische Verstopfung, stinkende
Stühle, aber auch lang-anhaltende Nebenhöh-
lenentzündungen abklangen – und das oft schon
nach wenigen Tagen bis Wochen. Bis auf eine
gewissen Diarrhoe- Neigung kenne ich keine Ne-
benwirkungen.
Moderne DNA-Sequenzierungen haben ergeben,
dass wir ca. 1.000 verschiedene Darmkeime be-
herbergen und dass deren Zusammenstellung in
Qualität und Quantität sehr empfindlich auf Um-
weltreize reagiert. Über 90% dieser Einzeller
Biedermann
Darmflora- Merkblatt 1
03.06.15
kennen wir nur aus diesen DNA-Analysen, da sie
bisher noch nicht gezüchtet werden konnten.
Jede Therapie kann da nur ganz unbeholfen und
teilweise unterstützen.
Unser Immunsystem besteht eben nicht nur aus
'uns', sondern aus der Zusammenarbeit des indi-
viduellen Organismus mit seinen verbündeten
Keimen, die eine aktive Rolle in unserem Stoff-
wechsel spielen. Auf jede eigene Körperzelle
kommen 10 Mikrobiomzellen, keine Körperregi-
on ist völlig keimfrei, und schon im Uterus wer-
den die Ungeborenen mit Keimen besiedelt.
Dies Immunsystem lernt aus seinen Herausfor-
derungen, und lassen Sie mich hier ganz bewußt
anmerken, dass Impfungen (nicht alle, aber die
meisten) dazu gehören und eine der größten
medizinischen Errungenschaften sind. Impfun-
gen schulen die Abwehr und machen uns und
unsere Kinder stärker, gerade bei Infektionen,
für die es keine gezielten Medikamente gibt.
Doch auch das geduldige Ausheilen einer Kin-
derkrankheit gehört dazu, und bei weitem nicht
jede Infektion muß gleich Antibiotika auf den
Plan rufen.
Aber man muß dann dran bleiben, aufpassen
und gegebenenfalls schnell sein. Dann hat man
die Sicherheit einer letzten Verteidigungslinie
nicht aus der Hand gegeben und trotzdem dem
Organismus meist die Chance lassen können,
selber erfolgreich zu reagieren und so stärker zu
werden.
Es ist völlig verständlich (und richtig), dass El-
tern risikoscheu sind, wenn es um die Gesund-
heit ihrer Kinder geht. Aber man muß dann
eben auch sehen, dass zu schnelle Antibiotika-
Gabe eben solche Risiken beinhaltet und das Ab-
wägen zwischen kurzfristiger Beseitigung des In-
fekts und langfristig zunehmendem Häufigkeit
einer Abwehrschwäche oder einer Allergie eben
nicht ganz einfach sind.
Es zeichnet sich immer mehr ab, dass viele chro-
nische Erkrankungen zumindest eine Kompo-
nente haben, die mit unserer Mikroflora zu tun
hat. Die Forschung auf diesem Gebiet wird nicht
zuletzt dadurch erschwert, dass dabei wenig Pa-
tentierbares herauskommt und das Ganze billig
zu werden droht. Da engagiert sich kaum eine
Pharmafirma.
Was geht uns als orthopädisch- manualmedi-
zinisch Tätige nun das Ganze an?
Zum einen schauen wir uns halt den ganzen
Menschen an, nicht nur seine Schulter oder sei-
nen Nacken. Zum anderen gibt es eben ganz
enge Zusammenhänge zwischen z.B. einer Angi-
na und einem verspannten Nacken. Ein 'kranker'
Blähbauch zwingt einen ins Hohlkreuz und ein
chronischer Atemwegsinfekt macht Blockierun-
gen an den Brustwirbeln – genau wie ein geär-
gerter Magen übrigens (aber das ist ein anderes
Thema).
Wir empfehlen Ihnen nichts, was wir nicht bei
unseren Kindern und uns selber genauso ma-
chen würden. Uns ist aber wohl bewusst, dass
ein Teil dieser Ratschläge im Widerspruch zu
dem stehen, was Sie anderweitig gehört haben.
Nur in der offenen Diskussion und dem Aus-
tausch von Argumenten kommen wir vorwärts.
Dem soll dies Merkblatt dienen.
Alle hier erwähnten Fakten sind wissenschaftlich
belegbar. Was Sie nicht selber im Internet finden
können ergänzen wir da gerne durch die ent-
sprechenden Quellenhinweise. Sprechen Sie uns
ggf. bitte an.
Biedermann
Darmflora- Merkblatt 2
03.06.15