einzelne, kombinierte oder komplexe Elemente des
Gesamtprozesses indizieren.
3. Affektmanagement, Mood Management
Mood Management wird eine ebenso schlichte wie
effektive These genannt, die Zillmann (1988) formu-
liert hat. Zillmann spricht nicht von emotionalen Be-
wegungen im Kleinen, sondern von allgemeiner
Stimmungslage und ihren Interaktionen mit Texten.
Medientexte vermitteln danach nicht nur Informatio-
nen, sondern modifizieren auch Gefühle dazu dienen
sie und dazu werden sie aufgesucht. Die Beeinflus-
sung von Gefühlen oder Gefühlslagen ist nicht nur
kontingent und unbeabsichtigstes Begleitprodukt der
Geschichten und ihrer Gestaltungen, sondern sie ist
intentionales Produkt - und sie wird zuschauerseitig
bewußt und gezielt aufgesucht.
Dabei geschieht ein - zum Teil wohl bewußtes, zum
Teil unbewußtes - Lerngeschehen, das den Zuschau-
er und sein Projekt der Gefühlsbeeinflussung an die
Formen und Genres des Kinos bindet. Zillman be-
schreibt die Austauschprozesse in Kategorien der be-
havioristischen Lerntheorie. Die Modulation der all-
gemeinen Gefühlslage (des „Mood“) geschieht da-
nach nicht zufällig, sondern beruht auf den Mecha-
nismen der operanten Konditionierung: (1) Zuschau-
er suchen ein bestimmtes Genre, ein Programm oder
Sendeformate des Fernsehens wiederholt auf, wenn
sie bereits positive Erfahrungen damit gemacht ha-
ben; (2) zu positiven Erfahrungen kommt es durch
die mediale Verbesserung einer schlechten Gefühl-
slage (negative Verstärkung) oder durch die Verstär-
kung einer positiven Gefühlslage (positive Konditio-
nierung); (3) je öfter eine Person diese Erfahrungen
macht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür,
erneut dieses Programm zu wählen.
So einfach dieses Beschreibungsmodell erscheint,
läßt es doch die Frage offen, wie durch die Rezepti-
on von Medieninhalten die genannte Gefühlsbeein-
flussung stattfinden kann. Die Frage verschärft sich
noch dadaurch, daß Zillmann dem zuischauenden
Subjekt eine höchst aktive Rolle zuschreibt - immer-
hin handelt es sich um ein „Management“ der Ge-
fühle unter Leitung des Subjekts. (Man möchte die-
ses unmittelbar an Programmentscheidungen oder an
Zuwendungen allgemein festmachen: Ich gehe ins
Kino, um meine Stimmung zu verändern; ich möch-
te gespannt werden, amüsiert werden, mit Angstsze-
narien konfrontiert werden etc.)
Die Assimilation von Mood des Textes und Mood
des Zuschauers geschieht weitgehend unkontrolliert
und automatisiert, ist vorbewußt. Zillmann (1988)
postuliert hierzu den Mechanismus der autonomen
Homöostase (
autonomic homoestasis), einer weitge-
hend automatisierten Aus- und Angleichungsbewe-
gung: Im Verlauf der Rezeption gleicht sich die
Stimmung des Rezipienten an die vom Medium ver-
mittelte Stimmung an. Werden fröhliche Inhalte ver-
mittelt, geht der Konsum mit einer Stimmungsauf-
hellung einher. Bei traurigen Inhalten würde sich
auch die Stimmung des Rezipienten verdüstern.
Es genügt nicht, wenn ein Text eine gewisse Stim-
mung für sich nur reklamiert; das tatsächliche Zu-
standekommen der homöostatischen Ausgleichsbe-
wegung hängt an einer ganzen Reihe von Faktoren,
die zum Teil dem Text, zum Teil dem Zuschauer zu-
geordnet sind: Textabhängig ist die dramaturgische
Qualität entscheidend, ob ein Film also Spannung,
Erregung, Entspannung oder andere Global-Stim-
mungen tatsächlich aufbauen kann. Für eine empiri-
sche Untersuchung der Management-Anteile in der
Kinorezeption bedeutsamer sind aber andere Fakto-
ren, die auf die tatsächliche Rezeption einwirken: (1)
die Dauer des Konsums, (2) die bei Zillmann „Inten-
sität des Mediums“ genannte dramaturgische Dichte
des Textes, (3) die Erfahrungen, die der Zuschauer
vorher mit dem Medium gesammelt hat, (4) der
„amount of invested mental effort“, also die Intensi-
tät der Zuwendung und die Größe der Ablenkungen,
(5) von der „Affinität“ von Text und Zuschauer (wie
sehr ähnelt der Inhalt des Films der Situation des Re-
zipienten).
Diese Überlegungen sind wichtig, weil Affekt tat-
sächlich im „Zwischen“ von Text und Adressat an-
gesiedelt ist. Affektmanagement ist entsprechend als
zweiseitige Beziehung aufzufassen, und der aktive
Eingriff kann von beiden Seiten aus erfolgen: Der
Textverlauf versucht, den affektuellen Prozeß der
Rezeption zu steuern und zu kontrollieren; und auch
der Adressat kann in diesen Prozeß eingreifen - in-
dem er ihn abbricht oder seine Position zum Objekt
verändert. Der Übergang von einer „mitvollziehen-
den“ zu einer „kritischen“ Haltung etwa verändert
mindest die Intensität des Prozesses.
Es erscheint evident, verschiedene
emotionale oder
affektuelle Stile im Umgang mit einem jeweiligen
Text anzunehmen. Neben der illusionierenden Lek-
türe, die sich auf den Text und die durch den Text in-
duzierten Emotionen einläßt, sie akzeptiert und aus-
spielt, steht eine distanzierende Lektüre, die den Text
und die durch ihn induzierten Emotionen ablehnt. Zu
ihr gehört oft ein metadiskursiver Prozeß, der den
Text (im ästhetischen Urteil, aber auch in ideologi-
scher Kritik etc.) evaluiert und ihn qualifiziert. Die-
ser Prozeß dient zur Entlastung des Individuums und
trägt oft selbst Züge der Emotionalität. Darum er-
scheint es ebenso sinnvoll, diegetische Emotionen -
solche, die vom Text angesteuert werden - von meta-
und extradiegetischen Emotionen zu trennen, die
sich auf den emotionalen Prozeß des Films richten
und selbst wieder skaliert sind, zwischen zustim-
menden und ablehnenden Positionen changieren.
Emotionale Stile sind nicht personal gebunden, son-
dern situativ. Ähnlich, wie Präferenzen nicht allein
als individuelle Vorzugsmuster ausgelegt werden
sollten, sondern auch als Zuwendungsentscheidun-
gen im Moment, sollten auch emotionale Stile rezep-
tionsabhängig unterschieden werden. Der Zuschauer
kann zwischen verschiedeen rezeptiven Registern
hin- und herschalten. Ein tatsächlicher emotionaler
Verlauf findet in einem jeweils besonderen emotio-
nalen Setting statt, resultiert aus kurzfristiger (und
nicht lebensgeschichtlicher!) Disposition, kann un-
terscheidlich ausgepegelt werden.
Affektmanagement muß sich beschäftigen mit den
Notausgängen - solchen Strategien, die eine Emoti-
on, die nicht gewünscht ist oder die nicht zugelassen
werden soll, abhalten, sie durch eine entlastende an-
dere Emotion entlasten, sie durch Ironisierung oder
Ablehnung entmachten.
Affekte im Verhältnis zu Texten, Genres von Texten,
ritualisierten oder habitualisierten Formen der Re-
zeption oder Konsumption von Texten müssen er-
lernt werden. Dabei scheint gesichert zu sein, daß es
einen Zusammenhang zwischen der Intensität der er-
lebten Emotion und der Stärke des Kontrollerlebnis-
ses gibt: Für die „Novizen“ sind Rezeptionen wag-
nisreicher und widerständiger als für Eingeweihte
(vgl. z.B. Andringa 1996).
4. Spezifikation und Operationalisierung
Intuitiv scheint es sinnvoll, eine Medienpräferenz in
verschiedenen Kriterien zu bestimmen:
Präferenzen für Inhalte,
Genreauswahl,
Typen der Kommunikation und Haltungen zu
Gegenständen.
Gesetzt, ein Programm der Wahl soll ein Kriminal-
film sein vom Typus Tatort. Natürlich benennt der
Serientitel nur einen Prototypen, der gleichermaßen
eine inhaltliche wie eine formale Tendenz verkörpert
- gemeint ist ein realistischer Kriminalstoff (und
kein phantastischer Agentenfilm), eine Kommissars-
geschichte (und kein Psychopathen-Thriller), ein re-
lativ ruhig und unspektakulär erzählter Stoff (und
kein action-dominierter Typus). Die Überlegung bis
hier würde dafür sprechen, daß eine differenzierte
Genretheorie jene Schematisierungen darstellen
müßte, die Zuwendungsmotiven korrespondieren.
Genres wären dann jene typifizierten Formen des Er-
zählens und der Erzählung, die in Wahlen und Zu-
wendung von Zuschauern praktische Relevanz hät-
ten. Sie wären dann Teil eines kommunikativen
Kontraktes zwischen Medien und Adressaten (Wulff
2001). Tatsächlich ist das Verhältnis aber wohl kom-
plizierter. Bleiben wir beim gesetzten Fall: Es wird
deutlich, daß das Thema des Films Kinderhandel
und Päderastie ist (wie in Tatort: Manila, BRD
1998, Martin Block/Peter Meinrad). Die Zuwendung
wird faktisch abgebrochen. Nun ist das Thema stoff-
lich mit dem Krimi-Genre kompatibel; und es ist
auch nicht überraschend eingeführt, sondern greift
die großen kriminellen Themen der Zeit auf, wie sie
auch in den Zeitungen diskutiert werden. Auch diese
Nähe zu den „populären Formen der Kriminalität“
gehört zum Genre. Ist die Abwendung also aus-
schließlich stofflich-inhaltlich begründet? Ist das
Thema zu realistisch, dem Zuschauer zu nahe? Ist
eine Schamgrenze verletzt? Oder spielt eine eher
rhetorische Erwartung eine Rolle - daß über Kin-
derpornographie nur anklagend, mit erhobenem Zei-
gefinger erzählt werden kann? Letzteres würde besa-
gen, daß der Beitrag einen moralischen Appell um-
faßt, eine Sensationalität verbunden mit moralischer
Entrüstung, die in dieser Mischung abgelehnt wird,
so daß die Rezeption abgebrochen wird.