Johann Heinrich Bisterfeld



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Nachwort



Die Bibliothek des Johann Heinrich Bisterfeld und seiner Nachfahren
In seinem Buch über die frühneuzeitliche ungarische Buchkultur merkt István Monok in Bezug auf die Gelehrtenbibliotheken des 16. Jahrhunderts an, dass nur diejenige Bibliotheken dargestellt werden können, deren Besitzer entweder aus Ungarn stammten, aber den Großteil ihres Lebens im Ausland verbrachten und dort zu einer größeren Buchsammlung gelangen konnten (wie Zsámboky oder Dudith), oder Ausländer waren, die eine längere Zeit in Ungarn lebten und dementsprechend ihre Bibliotheken hier errichteten (wie Dernschwam und Bruto). Monok fährt fort: „In Hinsicht auf die Geschichte der eruditiven Bildungsentwicklung in Ungarn kann der Fakt als symptomatisch bezeichnet werden, dass die Geschichte der Gelehrtensammlungen in europäischem Sinne an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts als abgeschlossen gelten kann, und bloß Mitte des 18. Jahrhunderts wieder ansetzt, diesmal aber in korporativer Form.” Nun, mit der Ausdehnung der zeitlichen Grenzen, wie sie in dieser gewissermaßen summarischen Bemerkung angedeutet sind, wird im folgenden ein bedeutendes Bücherverzeichnis analysiert, dessen Erst- oder Anteilbesitzer 1605 in Siegen geboren wurde, an westeuropäischen Universitäten studierte, und mit 25 Jahren nach Siebenbürgen kam, wo er 25 Jahre lang im Dienste der Herrscherfamilie Rákóczi, und zugleich der ungarischen Kultur stand. Es handelt sich um Johann Heinrich Bisterfeld.

Quellen


Zur Erforschung der Bibliothek von Bisterfeld stehen mehrere Quellen zur Verfügung: einerseits ein Buchkatalog von 247+18 Titeln, der im Nachlass von Bisterfeld in Hermannstadt [Nagyszeben] zu finden ist, andererseits die Briefe und Aufzeichnungen von Bisterfeld, in denen der Gelehrte über seine Erwerbungen Rechenschaft abgibt. Aufgrund letzterer lässt sich ein anderer Bibliotheksteil rekonstruieren, der den erwähnten Katalog entweder ergänzt oder eben überschneidet.

Der Katalog besteht aus zwei Teilen, dessen zweiter Teil die Aufschrift Consignatio exemplarium A(nno) 1655. die 3. M. (März oder Mai) trägt. Auf diesem Blatt wurden in 18 Titeln Lehrbücher von den Registratoren (Pál Csernátoni und Michael, dessen Nachname wegen der Beschädigung des Blattes unleserlich ist) aufgezählt, aus denen eine gewisse Menge von Exemplaren am gegebenen Tag zugänglich waren. Da die Registrierung kurz nach dem Tode von Bisterfeld (den 16. Februar) geschah - vielleicht gerade in Bezug mit seinem Tod -, kann die Annahme formuliert werden, dass Bisterfelds Hochschulstudenten diejenigen Lehrbücher zusammenschrieben, um die Bisterfeld sich kümmerte. Diesem Teil folgt ein Katalog einer Bibliothek, zu der keine Anmerkung hinzugefügt ist. Die beiden Kataloge stammen nicht von derselben Person. Die Liste mit den 247 Titel ist äußerst oberflächlich, hat keine Kopfleiste, die Autorennamen und Titel sind oft abgekürzt und ohne Sorgfalt angegeben. Das Inventar wird beim 247. Item, am Ende des Blattes abgebrochen oder beendet. Das Buchformat, der Name des Druckers und der Verlagsort werden überhaupt nicht angeführt. Das Erscheinungsjahr wird bloß neben Item Nr. 136 (an[no] 65), bzw. neben Item Nr. 196 (1661) angegeben. Da beide Daten einen späteren Zeitpunkt als der des Todes von Bisterfeld bezeichnen, bzw. es sich auch aufgrund der Analyse des Kataloges feststellen lässt, dass zahlreiche Werke im Katalog erst nach dem Tode des Gelehrten zum ersten Mal auf dem Büchermarkt erschienen, kann die Frage aufgeworfen werden, ob es sich hier überhaupt um das Inventar von Bisterfelds Bücher handelt oder von jemandem anderen. Im folgenden gehe ich diesem Problem nach, wobei ich nicht nur die Sammlungen von Bisterfeld, sondern auch die von seinen Gelehrtenkollegen erwähne.

Das Schicksal der Bibliothek Bisterfelds

Über das Schicksal von Bisterfelds Bibliothek verfügen wir über eine relativ geringe Zahl von Zeugnissen, trotzdem lässt sich aufgrund dieser zumindest skizzieren, was wohl mit der Bibliothek geschah. In seinem Testament erklärte Bisterfeld, dass die Bibliothek von seiner Tochter geerbt werden solle, bzw. mit dem Tode der Tochter solle sie vom Kollegium in Karlsburg [Gyulafehérvár] übernommen werden:

Meine Bibliotheca bleibe beysahmen, wo meine Tochter stirbt, sei dieselbe dem Collegio, gleichwoll stehe es Petro frey davon zu nehmen, wellche ihm belieben, so woll für sich, als zur Ausdruckung meiner Bücher.

Da die Tochter im selben Jahr verstorben ist, wurde die Bibliothek vom Kollegium in Karlsburg [Gyulafehérvár] geerbt, mit der Bedingung, dass ein gewisser Peter diejenigen Bücher für sich auswählen kann, die ihm belieben, und sogar über die Publikationsrechte von Bisterfelds Werken verfügen darf. Wie es aus den zeitgenössischen Quellen hervorgeht, war Peter Wiederstein (ein aus Nassau nach Siebenbürgen übersiedelter Neffe) ein Vertrauter des Professoren Bisterfeld, ein zuverlässiger und gebildeter junger Mann, dessen Ausbildung Bisterfeld besondere Aufmerksamkeit schenkte, und den er wohl in seinen privaten Angelegenheiten mehrere Male in den Westen schickte. Es ist auch anzunehmen, dass Peter Wiederstein die interessantesten, seltenen und hochwertigen Exemplare für sich benaspruchte. Ein anderer Teil der Sammlung gelangte in die Bibliothek der Hochschule zu Karlsburg [Gyulafehérvár], deren Bestand, der nach dem Tartareneinfall 1658 erhalten blieb, vom Kollegium in Enyed geerbt wurde. Die Plausibilität dieser Behauptungen wird auch dadurch unterstützt, dass in der heutigen Bibliothek des Kollegiums in Enyed sogar zwei von Bisterfelds Bücher - mit Possessoreintragungen - von Zsigmond Vita aufgefunden wurden:



1. Patricius Franciscus Discussionum peripateticarum libri …, Venetiis, 1572, in 2 (Kolligat)

2. Oliver Seress: Le Theatre d’Agriculture et Mesnage Des Champs, Genevae, 1629, in 8

Über die Bibliothek des Michael Halicius

Es ist anzunehmen, dass der dritte Teil der Sammlung andere Gelehrte bereichert haben mag, und zwar durch Ankauf oder Entwendung. Wie anders hätte wohl ein Student aus Enyed, der spätere Schulrektor von Broos [Szászváros] Michael Halicius zu den Manuskripten von Bisterfeld, Johann Heinrich Alsted und Ludwig Philipp Piscator kommen können? Es sind nämlich die folgenden interessanten Titel in seinem Buchkatalog zu finden:

152. Explicatio Logicae Bisterfeldii, manuscripta 8°

190. Corpus Theologiae, manuscriptum Bisterfeldii et Alstedii 4°

375. Viviradix Theologiae

Mysterium Pietatis Ostensum, et

Janua Lucis ac Salutis, simul, in 4to scriptum

378. Quaedam Institutiones Logicae,

Logica Bisterfeldii, et

Ortoria Sacra, simul, in 4to scriptae

394. Alphabetum Philosophiae Bisterfeldii, in 4to

Die oben erwähnten Item müssen alle Manuskripte gewesen sein, wobei die Handschrift mit dem Titel Mysterium Pietatis Ostensum von besonderer Wichtigkeit ist, denn dies muss die von Bisterfeld angedeutete Fortsetzung von De uno Deo… Mysterium Pietatis (Leiden, 1639) sein, die nie im Druck erschienen ist. Es ist wohl auszuschließen, dass von diesen Schriften gerade Halicius in Bisterfelds Vorlesungen Notizen hätte machen können, da er zur Zeit von Bisterfelds Tode erst 12 Jahre alt war. Es ist eher anzunehmen, dass der vielseitige und gebildete Halicius die Manuskripte von Bisterfeld (bzw. von Johann Heinrich Alsted und Philipp Ludwig Piscator) später erlang. Neben diesen tauchen auch weitere „verdächtige“ Werke bei Halicius auf. Wie konnte wohl das als Rarität geltende Werk von Comenius Pansophiae prodromus (Nr. 48), oder das in den Bücherverzeichnissen vom Karpatenbecken bloß stellenweise vorkommende Utopia von Thomas Morus (Nr. 362.) und die chiliastische Schrift Clavis Apocalyptica von Joseph Mede (Nr. 205.) in den Besitz von Halicius gelangen? Sehr imposant erscheint die Lehrbuchreihe, besonders die Werke von Comenius, wie auch die große Anzahl der theologischen Schriften. Noch bemerkenswerter sind Raritäten, die unter die Klasse Libri medici, physici eingereiht wurden. Für außerordentlich kann die Alsted-Sammlung gelten, aufgrund derer darauf geschlossen werden kann, dass Halicius die Bücher aus einer gut aufgebauten und reichen Bibliothek ausgewählt hat: es sind im Verzeichnis etwa 40 Werke von Alsted zu finden. Keine der öffentlichen und privaten Bibliotheken im Karpatenbecken verfügte zu der Zeit über so eine Alsted-Sammlung. Halicius konnte kaum so eine große Bibliothek von seiner Familie geerbt haben, bis 1674 verließ er Siebenbürgen überhaupt nicht, und Tatsache ist auch, dass die größtenteils in den 1610er und 20er Jahren veröffentlichten Werke von Alsted äußerst schwierig in Siebenbürgen der 1660er Jahre anzuschaffen waren. Daraus lässt sich folgern, dass Halicius die Bücher und die Manuskripte aus dem Nachlass eines der deutschen Professoren angekauft oder erworben hat.

Die Bibliothek des Johann Heinrich Alsted

Es wäre natürlich von Vorteil, wenn wir wissen könnten, was mit der Bibliothek von Alsted, der im November 1638 in Siebenbürgen starb, geschah. In seinem Testament, das vor kurzem gefunden worden ist, verordnete er nämlich, dass seine Bücher und Manuskripte verbrannt werden sollten. Die Frage ist, ob dies tatsächlich geschah. Aus der Beschreibung des Gegenzeichners des Testamentes und Augenzeugen des Todes von Alsted, István Geleji Katona geht hervor, dass Alsted in einem seiner letzten Anfälle alle seine Schriften vernichten wollte. Die Schriften wurden vor der Vernichtung, im Abtritt gerettet. Man wartete auf Bisterfeld, damit sie „bloß nicht in den vielen Anfällen des Kerzenzündens und der Unruhe so schmählich untergehen“, und damit Bisterfeld entscheidet, ob einige aus den Schriften noch nützlich werden könnten. Es kann also beinahe als sicher gelten, dass die Bücher und Manuskripte doch nicht verbrannt, sondern bei Alsteds Frau oder Bisterfeld aufbewahrt wurden. Was danach mit ihnen passierte, ob sie vielleicht die Witwe Ende 1647 nach Herborn mitnahm oder eben der Sohn bei sich in Siebenbürgen behielt, muss dahingestellt bleiben.

Von der Größe und Qualität der Bibliothek zeugen auch die Werke von Alsted, die Zitate und Kompilationen aus den Schriften verschiedenster Autoren in einer unglaublichen Anzahl beinhalten. Alsted muss natürlich auch die Bibliothek der Herborner Hochschule benutzt haben, es ist jedoch anzunehmen, dass er eine bedeutende Privatsammlung besaß. Im Oktober 1620, nach dem Tod von Alsteds Schwiegervater, dem namhaften Herborner Drucker Christoph Corvinus, wurde das Erbe unter den Familienmitgliedern aufgeteilt, so kam auch ein Teil davon zu den Alsteds. Die in Herborn errichteten Bibliotheken wurden sowohl von Alsted, wie auch von Bisterfeld nach Siebenbürgen gebracht. Es kam zwar zu einem unangenehmen Zwischenfall, denn während der Übersiedlung nach Siebenbürgen wurden die Passagiere überfallen und ausgeraubt, wobei auch Bücher gestohlen wurden. Heute jedenfalls befindet sich in der Wiener Universitätsbibliothek ein Kolligat mit der Possessoreintragung von Alsted. Diese Frage ist auch deshalb von Wichtigkeit, weil die siebenbürger Bibliothek von Alsted (und natürlich von Piscator) für Bisterfeld genauso zugänglich war, wie die Sammlung von Bisterfeld für seinen Schwiegervater. Die gemeinsame Nutzung, oder sogar Vereinigung der Bibliotheken erscheint in der Hinsicht besonders logisch, da die Professoren in Siebenbürgen sowohl auf die Gesellschaft der anderen, wie auch auf die Bibliotheken der Kollegen gegenseitig angewiesen waren. Die Bibliothek von Alsted, wenn sie mit den zeitgenössischen Gelehrtenbibliotheken verglichen wird, kann sogar mehrere Tausend Bände besessen haben. Nach seinem Tode wurden sowohl die Immobilien als auch die Mobilien unter den Erben, d.h. den drei Kindern aufgeteilt - dieses Schicksal muss wohl auch der Büchersammlung zuteil geworden sein. Es ist jedoch auch vorstellbar, dass die Bibliothek als Ganzes bei der Witwe Alsteds erhalten geblieben ist, zu der die Kollegen und Verwandten weiterhin Zugang finden konnten. In Angesicht dieser gegenseitigen Benutzung von Bibliotheken, erscheint es als natürlich, dass die Kollegiumsbibliothek, wie auch die Fürstliche Bibliothek für Bisterfeld offen stand. Auch Alsted schickte merkwürdige Bände an György Rákóczi, womit er auch an der Bereicherung der Fürstlichen Bibliothek in Karlsburg [Gyulafehérvár] teilnahm. Davon legt auch István Tolnai - der Pfarrer des Fürstes - in einem seiner Briefe an György Rákóczi Zeugnis ab:

Das Bild der Kirche in Jerusalem sah ich nirgendwo in den Bücher des gnädigen Herren, aber in denjenigen, die in die Bibliothek von Karlsburg [Gyulafehérvár] von Herrn Alstedius geschickt worden.

Nach einer anderen Aufzeichnung lieh Bisterfeld einem seiner Studenten ein Buch gerade aus der Fürstlichen Bibliothek („Dedi Czernatfalvi studioso Biblia Junii in folio ex Bibliothecam Principis“), was als Beweis dafür gelten kann, dass der Fürst auch hinsichtlich dieser Bibliothek Bisterfeld Vertrauen schenkte.

Die Bucherwerbungen Bisterfelds

Die Bereicherung von Bibliotheken konnte auf mehreren Wegen erfolgen: neben Vererbung und Ankauf - da Bisterfeld als Gelehrter tätig war - spielten auch die Geschenke von Gelehrten und Kollegen eine große Rolle.

Bisterfelds Eltern stammten aus bekannten Gelehrten- und Theologenfamilien: seine Mutter war eine Schickhard-Tochter, sein Vater Johannes Bisterfeld ein bedeutender Theologe und Lehrer in Herborn. Ihre Nachfahren müssen wohl eine kleinere Bibliothek geerbt haben. Weitere Bände wurden auf den Auslandsreisen von Bisterfeld selber gekauft: in Hinsicht auf die Bewerbungen lässt sich bereits zu dieser Zeit, bzw. direkt nach den Universitätsjahren Bisterfelds enge Zusammenarbeit mit Alsted verfolgen. Von seinen Aufenthaltsorten in Universitätsstädten schrieb er gern seinem Gönner über seine Erfahrungen und Lektüren. Aus Grave z.B. - und das, wahrscheinlich auf den ausdrücklichen Wunsch von Alsted, eine besonders auserlesene Bibliothek zusammenzustellen - schickte Bisterfeld den Titel einer seiner neueren Anschaffungen. Es handelt sich um ein Werk eines Anhängers von Lull, den 1613 in Tarassona und später 1619 herausgegebenen Kommentar von Padro Jeronimo Sánchez de Lizarazu Generalis et admirabilis methodus ad omnes scientias facilius et citius addiscendas, in quo explicatur Ars brevis Raymundi Lulli (Lauayen, in 8°).

Auch in Siebenbürgen hielt die Vermehrung der Bibliotheken nicht an. Das nächste Zitat zeugt davon, dass Bisterfeld ganz genaue Kenntnisse davon hatte, wenn ein wertvolles Buchmaterial nach Siebenbürgen kam, und er bemühte sich, die Sammlung zu erlangen, oder zumindest daraus einige Exemplare auszuwählen. So ist es auch geschehen, als er in Patak erfuhr, dass die Bücher des verstorbenen ungarischen Arztes Máté Csanaki aus Danzig nach Hause gebracht werden. Wahrscheinlich sagte er an den Pataker Pfarrer, István Tolnai, dass er sich einige Bücher aus der Sammlung erwerben möchte, denn der Pfarrer schickte folgende Notiz an den Fürsten:

Der Herr Pisterfeldius soll sich nicht wegen der Bücher des Herren Csanaki grämen, denn ich ließ sie nach Patak bringen.

Bisterfeld konnte zwar keine Bücher aus der Sammlung von Csanaki erhalten, denn György Rákóczi ließ sie in seine Pataker Privatbibliothek, bzw. nach Siebenbürgen bringen, aber es ist möglich, dass er aus der Sammlung von anderen einige Exemplare bekommen konnte.

Bisterfeld kaufte zahlreiche Bücher während seiner Reise in Westeuropa in den Jahren 1638 und 1639, als er neben seiner Tätigkeit als Diplomat auch für seine Pläne als Gelehrter Zeit zu finden versuchte. In der zweiten Hälfte des Jahres 1638 führte er Verhandlungen mit den Elzeviers aus Leiden über die Veröffentlichung des De uno Deo dies lässt die Annahme zu, dass ihm die Materialien des Verlags bekannt waren. Konnte er von der Sensation des Jahres bescheid wissen, nämlich von dem aus Italien insgeheim ins Ausland gebrachten Manuskript von Galilei, dem Discorsi, das Anfang 1638 bei den Elzeviers veröffentlicht wurde? Es konnte kaum der Aufmerksamkeit von Bisterfeld, dem großen Kenner und Lehrer der Physik entgangen sein. Unser Verdacht könnte sich dadurch bestätigen, dass Bisterfeld, der sonst äußerst wenige Autoren in seinen Werken erwähnt, in einer seiner Schriften gerade Galilei zitiert. Auch Marin Mersenne, der gerade zu dieser Zeit an der Übersetzung der Discorsi arbeitete, einer von Bisterfelds Briefpartner war.

Der Brief an Samuel Hartlib, den Bisterfeld im Herbst 1638 schrieb, zeugt von zwei besonders wichtigen Tatsachen: einerseits von der Vertrautheit Bisterfelds mit den Angelegenheiten des englischen Hartlib-Kreises, andererseits von seinen guten persönlichen Kontakten und dem intensiven Interesse für die Vorgänge an niederländischen Universitäten und in Gelehrtengesellschaften. Diejenigen Denker, die sich um Samuel Hartlib (1600-1662) versammelten, formulierten solche Pläne, die darauf abzielten, die wissenschaftlichen Errungenschaften in den Dienst des Staates und des Gemeinwohls zu stellen. Diese lose, vor allem auf Briefwechsel basierende Gesellschaft war über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen am besten informiert. Die Mitglieder lenkten - miteinander wetteifernd - die Aufmerksamkeit der anderen auf seltene Manuskripte oder auf die zunächst erschienenen Neuigkeiten. Damit ist auch die Tatsache zu erklären, warum so viele Namen, Informationen und Buchtitel im Bisterfelds Brief an Hartlib auftauchen, der im Rahmen der vorliegenden Studie nicht analysiert werden kann, sehr wohl aber einen äußerst wertvollen Beitrag in Hinsicht auf die Lektüre Bisterfelds liefert. Die Hauptthemen des Briefes beziehen sich auf Bacon, Comenius, den Lullismus, auf die Mathematik und auf einzelne theologische Fragen. Francis Bacon übte auf Bisterfeld zweifellos einen mächtigen Einfluss aus. Er war mit ihm hinsichtlich der Abrechnung mit den Götzen - d.h. mit den alten Philosophen - völlig einverstanden, jedoch hatte er seine Zweifel in Bezug auf Bacons Methoden, denn im Falle von philosophischen Fachwörtern konnte man durch tabula rasa keinen Neuanfang sichern. Er lies Bacons Werke bereits seit seiner Reise nach England mit großem Eifer und er empfahl sie den Kollegen. Er lieh Comenius’ Werk Praeludia Conatuum noch in Siebenbürgen von Alsted aus, und er wusste auch, dass Comenius gerade an seiner Pansophie, d.h. am selben Thema wie Bisterfeld, mit Hartlibs Unterstützung arbeitete. Der katalonische Philosoph Lull kam vor allem in Folge von seiner Kombinatorik und der kabbalistischen Lehre in den Gesichtskreis Bisterfelds. Auf der Reise nach Paris schaffte er sich für zwei Florenus das Werk Arbor Scientiae von Lull an, das er auch Hartlib empfahl, bzw. ein anderes Büchlein von Pierre Morostel, einem unbedeutenden Lull-Plagiator, das Regina omnium Scientiarum. Der Grund, warum Bisterfeld die Forschungen in der Mathematik mit großem Interesse verfolgte, war, dass er bestimmte mathematische Methoden in allen anderen Wissenschafts­disziplinen für anwendbar hielt. Unter den englischen Mathematikern erwähnte er John Pell (1611-1685) und ein Werk von Wilhelm Oughtred (1575-1660): Oughtred veröffentliche 1631 in London seine Arithmetik, die 1633 um einen neuen Teil ergänzt wurde. Im Jahre 1636 legte er sie in einer detaillierteren Fassung vor.

Ein anderer im Brief vorkommender Name ist der von Isaac Beeckman (1588-1637) - Hartlib fragte, ob Bisterfeld seinen Werken bereits begegnet war. Der aus einer Hugenottenfamilie stammende Beeckman war eine außergewöhnliche Persönlichkeit: er hatte in einer holländischen Kleinstadt am Meeresufer eine Werkstatt für den Bau von Wasserleitungen, aber er verzichtete auf seinen Beruf, um sich mathematischen und physischen Forschungen widmen zu können. Im Jahre 1626 gründete er das Collegium mechanicum, um dort mit gebildeten Freunden über Fragen der Wissenschaft und der Physik zu diskutieren. Er genoss beim Stadtrat in Dordrecht ein so hohes Ansehen, dass 1628 in einem der Türme der Schule ein kleineres Observatorium für ihn errichtet wurde. Keine seiner Arbeiten erschien zu seinen Lebzeiten, aber 1644 veröffentlichte sein Bruder das Tagebuch, das Beeckman zwischen 1610 und 1634 führte. Aus diesem Tagebuch geht hervor, dass es Beeckman war, der den jungen Descartes 1618 in verschiedene mathematische und naturphilosophische Themen einführte, und dass ihre Beziehung auch später aufrechterhalten blieb. Beeckman wurde 1629-1630 auch von Gassendi und Mersenne aufgesucht, die sich für seine wissenschaftlichen Forschungen interessierten. Aus diesen Umständen folgt, dass Bisterfeld die Bücher von ihm nie sehen konnte, aber - wie er schreibt - war ihm die Person Beeckman umso mehr bekannt. Auf diese Bekanntschaft geht er im weiteren nicht detailliert ein, aber wir wissen, dass auch Gassendi und Mersenne durch denjenigen Andreas Rivetus in den Bekanntenkreis von Beeckman gelangten, der Bisterfelds wichtigste Gönner im Westen war.

Auch andere wichtige Bücher, die nach den neuesten Anschauungen verfasst waren, erreichten Bisterfeld. Nicht nur, dass er die 1637 herausgegebene Discours de la Méthode von Descartes bereits im Jahre 1638 lies, sondern sie auch mit einer scharfen Kritik bewertete: er hielt Descartes’ Methode nicht ausreichend dafür, dass jemand durch sie gebildet genug werde. In Hinsicht auf die Mathematik und Physik bezeichnete er das Werk als hervorragend. Bisterfeld sagt vom Utrechter Philosophieprofessoren Henri Reneri (1593-1639), er sei „wie für Descartes, so auch für mich ein Vertrauter“. Was die Naturwissenschaften betrifft, gehörte Reneri tatsächlich zu den Bewunderern von Descartes, aber im Bereich des Unterrichtes beabsichtigte er keineswegs, Descartes’ Lehren zu folgen. Wahrscheinlich kannte Bisterfeld auch den Leidener Professoren Jacob Golius (1596-1677), den er gleichfalls als den Freund von Descartes erwähnt.

Der Kalvinist Bisterfeld erweist sich in Sachen Theologie überraschend weit blickend. Mit Neugier und Diskussionsbereitschaft blättert er in den Werken des zeitgenössischen englischen Theologen William Twisse (1578?-1646), und versucht, durch Hartlib zu den Schriften des ebenfalls englischen Theologen Thomas Bradwardinus zu kommen. Mit Hartlib ist er in Hinsicht auf Nützlichkeit solcher Hauptwerke des deutschen Spiritualismus einverstanden wie z.B. die Schriften von Johann Tauler oder die Theologia Deutsch. Er kannte auch die Schriften des gerade in Danzig wirkenden Paul Felgenhauers, der sich für einen Propheten ausgab, und meistens als ein Irre abgetan wurde. Seine Schriften hielt Bisterfeld für diabolisch.

Eine andere - und zugleich die einfachste - Form der Buchanschaffungen war, dass Bisterfeld oft Adressat von verschiedenen Buchsendungen war. Die erhalten gebliebenen Briefe bezeugen, dass er grundsätzlich aus zwei großen Quellen Bücher erhielt: einerseits aus dem niederländischen Freundeskreis, aus der Richtung Leiden-Amsterdam-den Haag (Andreas Rivetus, Friedrich Spanheim), andererseits von der Hartlib-Gesellschaft (Johann Amos Comenius, Samuel Hartlib, Cyprian Kinner, John Pell). Charakteristisch ist die folgende Textstelle aus einem Brief an Comenius:

Varios tractatus a Domino Hartlibio accepi, literas nullas: sed vicem eius functus fuit Dominus Rulicius. Agam de eo cum Principe prima occasione, tumque biennii silentium rumpam. Addam quoque reriorum meorum librorum catalogum, eo fine, ut vestra benevolentia, meo aere, illum in posterum augeat.

Aber auch andere schickten ihm ihre eigenen Werke und andere Neuigkeiten - Paradebeispiel für diese Art der Bibliotheksbereicherung war Marin Mersenne, der Bisterfeld mit dem Manuskript seiner Untersuchungen zum Magnetismus zu erfreuen versuchte. Es sind auch Quellen vorhanden, laut derer sich auch ein mitteleuropäischer heterodoxer Kreis bemühte, mit Bisterfeld in Beziehung zu kommen, und dass der Kreis interessante Traktate und Flugschriften nach Siebenbürgen Alsted und Bisterfeld zukommen ließ.

Bisterfelds Einfluss auf den Bucherwerb von Zsigmond Rákóczi

Zwischen Bisterfeld und Zsigmond Rákóczi entwickelte sich in der ersten Hälfte der 1640er Jahre eine innerliche, ernste, freundschaftliche Beziehung. Sie pflegten eine rege Korrespondenz besonders nach dem Tod von György Rákóczi I. Bisterfeld teilte seine Meinung dem Prinzen in Fragen der Politik mehrmals mit, er unterstützte ihn in seinen Studien, so z.B. als Zsigmond Französisch zu lernen begann. Auch Bisterfelds Rolle in der Organisation der Hochzeit des Prinzen ist bekannt, und natürlich empfahl er ihm mehrmals Bücher, im Jahre 1649 z.B. Bacons Augmentis Scientiarium, Campanellas Arbores metaphysicas und verschiedene Werke von Comenius.


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