Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Eusebius von Cesarea


Kap. Liebesdienst der gottgeliebten Märtyrer an während der Verfolgung Abgefallenen



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2. Kap. Liebesdienst der gottgeliebten Märtyrer an während der Verfolgung Abgefallenen.


. Solche Drangsale hatten die christlichen Kirchen unter dem erwähnten Kaiser zu bestehen. Daraus kann man auf ihr Schicksal in den übrigen Provinzen ohne Mühe schließen. Es lohnt sich, aus dem gleichen Schreiben noch weitere Sätze wörtlich anzuführen, in welchen die Würde und Güte der erwähnten Märtyrer also geschildert wird:

„So eifrig haben sie Christus, ‚welcher, da er in Gottesgestalt war, es nicht als Raub ansah, Gott gleich zu sein’,566 nachgeahmt, daß sie, trotzdem sie in so hohen Ehren standen und nicht nur ein- oder zweimal, sondern wiederholt offen Bekenntnis abgelegt hatten und von den Tieren weg wieder ins Gefängnis geworfen worden waren und Brandmale, Striemen und Wunden am ganzen Körper trugen, sich selbst gar nicht als Märtyrer bezeichneten und es uns durchaus nicht gestatteten, sie also zu benennen. Wenn einer von uns sie in einem Briefe oder in einer Anrede als Märtyrer ansprach, wurde er von ihnen scharf zurechtgewiesen. Gerne überließen sie den Titel eines Märtyrers Christus, dem treuen und wahren Märtyrer,567 dem Erstgeborenen aus den Toten,568 dem Ur-[[@Page:222]]heber des göttlichen Lebens. Sie verwiesen auf die Märtyrer, welche schon heimgegangen waren, und sagten: „Diese sind wirklich Märtyrer, da Christus sie infolge ihres Bekenntnisses für würdig erachtete, aufgenommen zu werden, und ihr Martyrium kraft ihres Todes besiegelte; wir dagegen sind unbedeutende, minderwertige Bekenner.’ Unter Tränen baten sie inständig ihre Brüder, sie möchten flehentlich um ihre Vollendung beten. Wenngleich sie in ihren Taten die Kraft der Märtyrer offenbarten, da sie mit vollem Freimut zu den Heiden sprachen und sich durch ihre Standhaftigkeit, Furchtlosigkeit und Unerschrockenheit als Helden erwiesen, verbaten sie es sich, von der Furcht Gottes erfüllt, doch, daß sie von den Brüdern Märtyrer genannt wurden.“

Bald darauf heißt es:

„Sie hatten sich unter die gewaltige Hand Gottes gedemütigt, von der sie jetzt so sehr erhöht worden sind.569 Für alle wußten sie damals Entschuldigungen und niemanden klagten sie an. Alle lösten sie, niemanden banden sie. Für die Peiniger beteten sie wie der vollkommene Märtyrer Stephanus die Worte:570 ‚Rechne ihnen diese Sünde nicht an!’ Wenn dieser für die gebetet hatte, welche ihn steinigten, um wieviel mehr hatte er es für seine Brüder getan!“

Nach einigen Worten fährt der Bericht also fort:

„Aus reinster Liebe kämpften sie den schwersten Kampf gegen den Widersacher, damit das Tier erwürgt würde und diejenigen, welche es früher verschlungen zu haben glaubte, lebendig wieder ausspeie. Denn nicht waren sie gegenüber den Gefallenen von Stolz erfüllt. Vielmehr teilten sie von ihrem Überflusse den Bedürftigen in mütterlichem Erbarmen mit. Vor dem Vater vergossen sie ihretwegen reichliche Tränen und baten um Leben, und er gab es ihnen.571 Und auch dieses Leben teilten sie mit dem Nächsten, als sie, in allem siegreich, zu Gott heimgingen. Da sie den Frieden stets geliebt und [[@Page:223]] uns zum Frieden ermahnt hatten, sind sie im Frieden zu Gott gegangen, der Mutter nicht Trauer, den Brüdern nicht Aufregung und Kampf, sondern Freude, Friede, Eintracht und Liebe hinterlassend.“

Dieser Bericht über die Liebe der seligen Märtyrer zu den gefallenen Brüdern mag von Nutzen sein wegen des unmenschlichen, unbarmherzigen Verhaltens derer, die später schonungslos gegen die Glieder Christi vorgegangen sind.

3. Kap. Die Traumvision des Märtyrers Attalus.


. Die gleiche Schrift über die erwähnten Märtyrer enthält noch eine andere erwähnenswerte Geschichte. Und es wird gestattet sein, sie zur Kenntnis der Leser zu bringen. Sie verhält sich also. Da Alcibiades, einer der Bekenner, ein äußerst strenges Leben führte, schon früher außer Brot und Wasser gar nichts zu sich nahm und diese Lebensweise auch im Gefängnis beibehielt, empfing Attalus nach seinem ersten Kampfe, den er im Amphitheater bestanden hatte, die Offenbarung, es sei von Alcibiades nicht recht, daß er auf die Gaben Gottes verzichte und den anderen Anstoß gebe. Alcibiades gehorchte, aß ohne Bedenken von allem und dankte Gott. Die Gnade Gottes hatte nämlich die Bekenner nicht unbeachtet gelassen; der Heilige Geist war ihr Ratgeber. Hierüber so viel.

Da sich damals die Anhänger des Montanus, Alcibiades und Theodotus in Phrygien bei vielen als Propheten auszugeben begannen und noch sehr viele andere wunderbare, in verschiedenen Kirchen damals zutage tretende Taten der göttlichen Gnade in vielen den Glauben an die prophetische Begabung jener Männer bestärkten und da die Meinungen über diese Männer geteilt waren, hatten die Brüder in Gallien auch noch ihr eigenes, von religiösem Verständnis zeugendes und für den wahren Glauben entschieden eintretendes Urteil über sie beigefügt. Auch übermittelten sie von den Märtyrern, welche bei ihnen gestorben waren, verschiedene [[@Page:224]] Briefe, welche diese, da sie noch in Ketten waren, an die Brüder in Asien und Phrygien und auch an Eleutherus, den damaligen römischen Bischof, im Interesse des kirchlichen Friedens geschrieben hatten.


4. Kap. Brieflicher Bericht der Märtyrer über Irenäus.


. Dieselben Märtyrer empfahlen dem erwähnten römischen Bischof auch Irenäus, der damals bereits Priester der Kirche von Lugdunum war. Sie stellten dem Manne ein sehr rühmliches Zeugnis aus, wie die folgenden Worte bekunden: „Wir beten für dich, Vater Eleutherus, um Freude in Gott jetzt und immer. Unseren Bruder und Genossen Irenäus haben wir beauftragt, dieses Schreiben zu überbringen, und bitten dich, daß du dich seiner annehmest wegen seines Eifers für den Bund Christi. Denn wenn wir wüßten, daß der Stand einem Manne Gerechtigkeit gebe, dann würden wir ihn vor allem als Priester, was er tatsächlich ist, empfehlen.“ Wozu soll ich das in dem erwähnten Schreiben enthaltene Verzeichnis der Märtyrer, welche teils enthauptet, teils wilden Tieren vorgeworfen wurden, teils im Gefängnis entschliefen, wiedergeben und die Zahl der damals noch lebenden Bekenner anführen? Wer dafür Interesse hat, der kann sich darüber leicht genaue Kenntnis verschaffen, wenn er den Bericht zur Hand nimmt, welchen wir, wie erwähnt,572 unserer Aktensammlung über die Märtyrer einverleibt haben. Dies geschah unter Antoninus.

5. Kap. Gott schickt dem Kaiser Mark Aurel auf unsere Gebete hin Regen.


. Von seinem Bruder,573 Kaiser Mark Aurel, wird erzählt, daß er im Kampfe mit den Germanen und Sarmaten in große Not geriet, weil sein Heer von Durst [[@Page:225]] gequält wurde. Da knieten sich die Soldaten der sog. melitenischen Legion,574 welche infolge ihres Glaubens von jener Zeit an noch bis auf den heutigen Tag besteht als sie schon dem Feinde gegenüber Stellung genommen auf den Boden, wie es bei uns während des Betens Brauch ist, und flehten zu Gott. Dieser Anblick schon erschien den Feinden wunderbar. Aber es sollte sogleich, wie die Erzählung weiß, noch etwas viel Wunderbareres folgen: ein Unwetter, das die Feinde in Flucht und Verderben trieb, und ein Regen, der über die Truppe mit den Betern sich ergoß und der gesamten Mannschaft, nahe daran, an Durst zu sterben, Erquickung brachte. Diese Geschichte wird sowohl von nichtchristlichen Schriftstellern, welche über die damalige Zeit geschrieben haben, berichtet,575 als auch von unseren eigenen Geschichtschreibern mitgeteilt. Aber die heidnischen Schriftsteller erwähnen zwar das Wunder, geben indes, weil dem Glauben fremd, nicht zu, daß es auf unsere Bitten hin erfolgt ist. Die Unsrigen jedoch überliefern als Freunde der Wahrheit in einfacher und ehrlicher Weise die Tatsache. Zu den letzteren dürfte auch Apollinarius gehören, der erzählt, daß von der Zeit an die Legion, durch deren Gebet das Wunder gewirkt worden war, vom Kaiser ein an das Ereignis erinnerndes Prä-[[@Page:226]]dikat erhalten habe, d. h. mit dem lateinischen Worte „Blitzschleuderer“ bezeichnet worden sei.576 Ein glaubwürdiger Zeuge dürfte weiter Tertullian sein, der an den Senat zugunsten unseres Glaubens eine schon früher von uns erwähnte577 lateinische Apologie geschrieben hat und darin die geschichtliche Tatsache mit stärkerem, kräftigerem Beweise bestätigt. Er schreibt,578 noch zu seiner Zeit seien Briefe des erleuchtetsten Kaisers Markus vorhanden gewesen, worin dieser bezeugt, daß sein Heer, als es in Germanien daran war, infolge Wassermangels zusammenzubrechen, durch das Gebet der Christen gerettet worden sei. Er erzählt von ihm auch noch, er habe diejenigen mit dem Tode bedroht, welche gegen uns Klage führen wollten. Tertullian fährt nach dieser Erzählung also fort: „Was sind das für Gesetze, gottlos, ungerecht, grausam, die nur gegen uns zur Anwendung kommen? Vespasian, der Sieger über die Juden, hat sie nicht beobachtet, und Trajan hat sie durch sein Verbot, nach den Christen zu fahnden, zum Teil außer Kraft gesetzt. Weder Hadrian, der doch den kleinsten Dingen übertriebene Sorgfalt schenkte, noch der sogenannte Pius haben sie bestätigt.“ Doch über jene Geschichte mag jeder urteilen, wie er will.

Wir wollen den Verlauf der Ereignisse weiter verfolgen! Nachdem Pothinus in einem Alter von vollen 90 Jahren mit den gallischen Märtyrern zur Vollendung gelangt war, wurde Irenäus Nachfolger in dem bischöflichen Amte der Kirche von Lugdunum, wo Pothinus Hirte gewesen. Irenäus aber war, wie wir erfahren haben, in seiner Jugend Hörer Polykarps. Im dritten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ gibt er die Reihenfolge der römischen Bischöfe an und stellt einen Katalog [[@Page:227]] auf bis Eleutherus, dessen Zeitgeschichte wir eben behandeln; unter ihm hatte er seine Schrift ausgearbeitet.


6. Kap. Verzeichnis der Bischöfe Roms.


. Irenäus schreibt:579 „Nachdem die seligen Apostel die Kirche gegründet und eingerichtet hatten, übertrugen sie dem Linus das bischöfliche Amt. Dieses Linus gedenkt Paulus in den Briefen an Timotheus.580 Auf Linus folgt Anenkletus. Nach diesem — an dritter Stelle von den Aposteln an gerechnet — erhält Klemens den Episkopat. Er sah noch die seligen Apostel und verkehrte mit ihnen und vernahm mit eigenen Ohren die Predigt der Apostel und schaute noch mit Augen, was überliefert war. Doch nicht er allein, denn es lebten damals noch viele, welche von den Aposteln den Unterricht empfangen hatten. Als unter diesem Klemens unter den Brüdern in Korinth ein nicht unbedeutender Streit ausgebrochen war, sandte die römische Kirche an die Korinther ein ganz nachdrückliches Schreiben, rief sie zum Frieden und frischte ihren Glauben und die Überlieferung auf, die sie vor kurzem von den Aposteln erhalten hatte.“ Bald darauf fährt Irenäus also fort: „Auf diesen Klemens folgt Evaristus, auf Evaristus Alexander. Als sechster Bischof nach den Aposteln wird sodann Xystus aufgestellt, nach diesem Telesphorus, der glorreiche Märtyrer, sodann Hyginus, Pius, Anicet. Nachdem auf Anicet Soter gefolgt, hat jetzt Eleutherus als zwölfter Nachfolger der Apostel die bischöfliche Würde inne. In dieser Ordnung und Reihenfolge ist die kirchliche apostolische Überlieferung und die Predigt der Wahrheit auf uns gekommen.“

7. Kap. Wunder, welche bis zu jener Zeit durch die Gläubigen gewirkt wurden.


. Übereinstimmend mit der Darstellung, die wir oben581 gegeben, hat Irenäus in seiner aus fünf Büchern bestehenden Schrift „Entlarvung und Widerlegung der fälschlich sog. Wissenschaft“582 diese Dinge berichtet. Im zwei-[[@Page:228]]ten Buche der gleichen Schrift teilt er mit, daß es bis zu seiner Zeit noch in manchen Kirchen göttliche Wunder gegeben habe. Er sagt:583 „Nicht haben (die Häretiker) die Kraft, in gleicher Weise einen Toten zu erwecken, wie der Herr sie erweckt hat oder wie es die Apostel getan haben durch ihr Gebet oder wie es oftmals in der Gemeinde der Brüder geschah, wo dann, wenn aus wichtigen Gründen die ganze Kirche einer Gegend unter vielen Fasten und Opfern darum gefleht hatte, der Geist des Verstorbenen zurückkehrte und der Mensch den Gebeten der Heiligen geschenkt wurde.“ Sodann erklärt Irenäus:584 „Wenn (die Häretiker) aber einwenden sollten, daß auch die Taten des Herrn nur Gaukelei gewesen, dann wollen wir sie auf die Worte der Propheten verweisen und aus ihnen zeigen, daß über ihn alles so vorausgesagt wurde, wie es tatsächlich geschehen ist, und daß er allein der Sohn Gottes ist. Daher wirken auch seine wahren Jünger, die von ihm die Gnade empfangen haben, in seinem Namen zum Wohle der übrigen Menschen, entsprechend der Gabe, die der Einzelne von ihm erhalten hat. Die einen von ihnen treiben wirklich und wahrhaft Teufel aus, so daß oftmals diejenigen, welche von den bösen Geistern gereinigt wurden, den Glauben annahmen und nun zur Kirche gehören. Andere wiederum erkennen die Zukunft und besitzen die Gaben des prophetischen Schauens und Redens, wieder andere heilen die Kranken durch Handauflegung und machen sie gesund. Selbst Tote sind, wie wir erwähnten, bereits erweckt worden, um noch mehrere Jahre unter uns zu weilen. Wer vermöchte die Gnadengaben aufzuzählen, welche die Kirche auf der ganzen Erde von Gott empfangen hat und im Namen Jesu Christi, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist, tagtäglich zum Segen der Völker wirkt und durch welche sie niemanden betrügt und sich selbst nicht bereichert? Wie sie dieselben unentgeltlich von Gott empfangen hat, verwaltet sie die-[[@Page:229]]selben auch unentgeltlich.“ An anderer Stelle schreibt Irenäus:585 „Wie wir hören, besitzen viele Brüder der Kirche prophetische Gaben, sprechen durch den Geist in vielen Sprachen, offenbaren das Verborgene zum Nutzen der Menschen und verkünden die Geheimnisse Gottes.“ So viel über die Tatsache, daß sich noch bis zu den erwähnten Zeiten bei denen, die würdig waren, die Auszeichnung, Wunder zu wirken, erhalten hat.

8. Kap. Bericht des Irenäus über die Heilige Schrift.


. Da wir zu Beginn unseres Werkes versprochen haben,586 bei Gelegenheit die Berichte der alten Priester und Schriftsteller der Kirche anzuführen, worin sie die bezüglich der heiligen Schriften auf sie gekommenen Überlieferungen niederlegten, und da Irenäus zu diesen Schriftstellern gehörte, so wollen wir seine Worte wiedergeben, und zwar zunächst diejenigen, welche sich auf die heiligen Evangelien beziehen. Sie lauten so:587 „Matthäus hat bei den Hebräern in deren Muttersprache ein Evangelium geschrieben, während Petrus und Paulus in Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche begründeten. Nach dem Tode dieser beiden Apostel hat uns Markus, der Schüler und Dolmetscher des Petrus, das, was Petrus predigte, ebenfalls schriftlich überliefert. Lukas, der Begleiter des Paulus, hat das von Paulus verkündete Evangelium niedergeschrieben. Endlich hat Johannes, der Schüler des Herrn, der auch an dessen Brust geruht, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien sein Evangelium herausgegeben.“ So berichtet Irenäus in dem erwähnten dritten Buche seines genannten Werkes. Im fünften Buche äußert er sich über die Offenbarung des Johannes und über die Zahl, welche dem Antichrist beigelegt wird,588 also:589 „Die Sache verhält sich so, und in allen bewährten und alten Handschriften findet sich diese Zahl. Und auch jene, welche Johannes von Angesicht gesehen haben, bezeugen es, und die Rech-[[@Page:230]]nung lehrt uns, daß sich die Namenszahl des Tieres nach griechischer Zählung aus den Buchstaben des Namens ergibt.“ Bald darauf sagt er über denselben Johannes:590 „Wir wagen es nun nicht, über den Namen des Antichrist etwas mit Sicherheit zu behaupten. Wenn sein Name in der jetzigen Zeit hätte bekannt werden sollen, dann wäre er durch den mitgeteilt worden, der auch die Offenbarung geschaut hat. Denn nicht vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe in unseren Tagen, nämlich gegen das Ende der Regierung des Domitian.“591 So berichtet Irenäus über die Offenbarung. Er erwähnt aber auch den ersten Brief des Johannes und führt sehr viele Zeugnisse daraus an.592 Ebenso gedenkt er des ersten Briefes des Petrus.593 Den „Hirten“ kennt er nicht bloß, er beruft sich auch auf ihn, wenn er sagt:594 „Mit Recht sagt die Schrift: ‚Vor allem glaube, daß es nur einen einzigen Gott gibt; er hat das All erschaffen und geordnet…’595 Auch benützte er Worte aus der Weisheit Salomons, da er etwa sagt:596 „Das Schauen Gottes wirkt Unsterblichkeit, Unsterblichkeit aber bringt Gott näher.“597 Ferner erwähnt er Denkwürdigkeiten eines apostolischen Presbyters, dessen Namen er aber verschweigt, und zitiert von ihm Erklärungen zur Heiligen Schrift.598 Weiter gedenkt er Justins des Märtyrers und des Ignatius und benützt auch Zeugnisse aus deren Schriften.599 Er verspricht, in einer eigenen Arbeit Marcion aus dessen Schriften zu widerlegen.600 Vernimm auch seine Worte über die Übersetzung der göttlichen Schriften durch die [[@Page:231]] Siebzig! Er schreibt:601 „Gott ist also Mensch geworden, und der Herr selbst hat uns erlöst, indem er uns das Zeichen der Jungfrau gegeben hat, aber nicht, wie einige von denen sagen, die das Schriftwort jetzt also zu übersetzen wagen: ‚Siehe, das junge Weib wird empfangen und einen Sohn gebären!’602 So haben nämlich Theodotion aus Ephesus und Aquila aus Pontus, beide jüdische Proselyten, übersetzt, und ihnen folgten die Ebionäer, soferne sie behaupteten, er sei von Joseph erzeugt worden.“ Bald darauf fährt Irenäus also fort:603 „Bevor nämlich die Römer ihre Herrschaft aufgerichtet und die Mazedonier noch die Herren von Asien waren, ließ Ptolemäus, der Sohn des Lagus,604 in dem ehrgeizigen Bestreben, die von ihm eingerichtete Bibliothek in Alexandrien mit den klassischen Schriften aller Menschen auszustatten, an die Bewohner von Jerusalem den Wunsch übermitteln, ihre Schriften, ins Griechische übertragen, zu besitzen. Diese, damals noch unter mazedonischer Herrschaft, schickten siebzig Älteste an Ptolemäus, die in den heiligen Schriften wie in beiden Sprachen unter ihnen am besten bewandert waren. Tatsächlich war es Gott, der hier tun hieß, was er wollte. Da Ptolemäus jeden einzeln zu erproben wünschte und zudem befürchtete, sie möchten etwa auf Grund gemeinsamer Verabredung die in den Schriften liegende Wahrheit in ihrer Übersetzung verschleiern, trennte er sie voneinander und gab den Befehl, daß alle eine und dieselbe Übersetzung fertigen sollten. Und so verfuhr er bei allen Büchern. Da sie nun vor Ptolemäus zusammenkamen und ihre Übersetzungen verglichen, da wurde Gott verherrlicht, und die Schriften erwiesen sich als [[@Page:232]] wahrhaft göttlich. Denn alle Siebzig hatten dieselben Texte mit denselben Ausdrücken und denselben Worten von Anfang bis zum Schlüsse wiedergegeben, so daß selbst die anwesenden Heiden erkannten, daß die Bücher unter göttlicher Eingebung übersetzt worden seien. Daß Gott solches gewirkt, ist nicht auffallend. Denn als während der Gefangenschaft des (jüdischen) Volkes unter Nabuchodonosor die Bibel vernichtet worden war und die Juden nach siebzig Jahren in ihre Heimat zurückkehrten, schrieb der Priester Esdras aus dem Stamme Levi in der Zeit des Perserkönigs Artaxerxes unter göttlicher Inspiration alle Worte der früheren Propheten von neuem nieder und stellte so dem Volke das mosaische Gesetz wieder her.“ Soweit Irenäus.

9. Kap. Die Bischöfe unter Kommodus.


. Nachdem Antoninus die Herrschaft neunzehn Jahre innegehabt hatte, übernahm Kommodus die Regierung. In seinem ersten Jahre erhielt Julian die bischöfliche Würde über die Kirchen in Alexandrien, nachdem Agrippinus dieses Amt zwölf Jahre geführt hatte.

10. Kap. Der Philosoph Pantänus.


. Damals leitete ein wegen seiner Gelehrsamkeit sehr berühmter Mann, namens Pantänus, die Schule der Gläubigen in Alexandrien. Alter Sitte gemäß sollte dort eine Anstalt für den Unterricht in den heiligen Wissenschaften bestehen, die bis in unsere Tage sich erhalten und, wie wir wissen, mit guten philosophischen und theologischen Kräften besetzt war. Unter diesen soll sich damals Pantänus ganz besonders hervorgetan haben. Er war aus der Philosophenschule der sog. Stoiker hervorgegangen. Wie man erzählt, zeigte er solchen Feuereifer für die göttliche Lehre, daß er als Verkünder des Evangeliums Christi unter den Völkern des Ostens auftrat und sogar bis Indien zog. Es gab nämlich tatsächlich damals noch Wortverkündiger die Menge, die das Verlangen hatten, ihren göttlichen Eifer, die Apostel nach-[[@Page:233]]zuahmen, in Ausbreitung und Vermehrung des göttlichen Wortes zu betätigen. Zu ihnen gehörte Pantänus, der nach Indien gekommen sein soll, wo er, wie berichtet wird, bei einigen dortigen Bewohnern, die von Christus Kenntnis hatten, das schon vor seiner Ankunft dorthin gelangte Matthäusevangelium vorgefunden habe. Bartholomäus, einer der Apostel, soll diesen gepredigt und ihnen die Schrift des Matthäus in hebräischer Sprache hinterlassen haben, die denn damals noch erhalten gewesen sei. Auf Grund zahlreicher Verdienste wurde Pantänus schließlich Vorsteher der Katechetenschule in Alexandrien,605 wo er mündlich und schriftlich606 die Schätze der göttlichen Lehren auslegte.

11. Kap. Klemens von Alexandrien.


. Zu jener Zeit war in Alexandrien durch sein Studium der göttlichen Schriften wohl bekannt Klemens, ein Namensvetter jenes Apostelschülers, der ehedem die römische Kirche regiert hatte. In seinen Hypotyposen erwähnt er Pantänus mit Namen und bezeichnet ihn als seinen Lehrer. Auch im ersten Buche seiner „Teppiche“ scheint er mir auf ihn anzuspielen, wenn er nach Nennung der bedeutenderen, ihm bekannten Nachfolger der Apostel also erklärt:607 „Diese Schrift soll nicht etwa ein Kunstwerk sein, das man zur Schau stellen kann, sondern eine Sammlung von Aufzeichnungen für das Alter, ein Schutzmittel gegen die Vergeßlichkeit, ein schmuckloses Bild und Gemälde jener klaren und lebendigen Lehren und jener heiligen und wahrhaft verehrungswürdigen Männer, die zu hören ich gewürdigt ward. Von ihnen war einer — der Jonier — in Griechenland, ein anderer in Großgriechenland; der eine stammte aus Cölesyrien, der andere aus Ägypten. Wieder andere [[@Page:234]] lebten im Orient, von welchen einer ein Assyrer, ein anderer ein Hebräer aus Palästina war. Zur Ruhe kam ich bei dem, den ich zuletzt getroffen, der aber an Bedeutung der erste war; in seiner Verborgenheit in Ägypten hatte ich ihn aufgespürt. Diese Männer hielten an der wahren Überlieferung der heiligen Lehre fest, welche sie in gerader Linie von den heiligen Aposteln Petrus und Jakobus, Johannes und Paulus wie ein Kind vom Vater empfangen hatten, obwohl allerdings Kinder den Vätern selten ähnlich sind. Und sie reichten durch Gottes Gnade bis in unsere Zeit herein, um den von den Vorfahren und den Aposteln ererbten Samen in uns zu säen.“

12. Kap. Die Bischöfe Jerusalems.


. Damals war Bischof der Kirche in Jerusalem der noch jetzt von vielen gefeierte Narcissus. Er war der 15. Bischof seit dem jüdischen Kriege unter Hadrian. Daß die Kirche in Jerusalem erst von diesem Kriege an aus Heidenchristen sich zusammensetzte, nachdem sie zuvor aus Leuten der Beschneidung bestanden, und daß ihr erster heidenchristlicher Bischof Markus war, haben wir bereits mitgeteilt.608 Nach den dortigen Bischofslisten folgten auf Markus als Bischöfe Kassian, auf diesen Publius, dann Maximus, Julian, Gaius, Symmachus, Gaius II., Julian II., Capito, Valens, Dolichianus und schließlich Narcissus,609 welcher in der mit den Aposteln beginnenden Reihenfolge der 30. Bischof ist. [[@Page:235]]

13. Kap. Rhodon und die von ihm erwähnte Spaltung der Marcioniten.


. Um diese Zeit verfaßte Rhodon, der aus Asien stammte und, wie er selbst erzählt, in Rom Schüler des oben erwähnten610 Tatian war, verschiedene Schriften und wandte sich mit anderen auch gegen die Häresie des Marcion. Er berichtet, daß sich dieselbe damals in verschiedene Richtungen gespalten habe, zählt diejenigen auf, welche die Spaltungen herbeigeführt, und widerlegt gründlich die von jedem derselben ersonnenen falschen Lehren. Vernimm seine eigenen Worte! „Da sie nun an einer unhaltbaren Meinung festhalten, sind sie unter sich uneins. Denn während Apelles, einer aus ihrer Schar, ein Mann, der sich seines Wandels und seines Alters rühmt, den Sprüchen einer besessenen Jungfrau namens Philumena611 folgend, nur ein einziges Prinzip annimmt, obwohl er die prophetischen Schriften aus einem diesem feindlichen Geiste erstehen läßt, sprechen andere, wie der Schiffer Marcion, von zwei Prinzipien; zu ihnen gehören Potitus und Basilikus. Diese folgten dem pontischen Wolfe.612 Da sie sich so wenig wie dieser die Gegensätze in den Erscheinungen erklären konnten, machten sie sich die Sache leicht und nahmen einfach, ohne nach Beweisen zu fragen, zwei Prinzipien an. Wieder andere unter ihnen gerieten auf noch schlimmere Bahnen und behaupten nicht nur zwei, sondern drei Urwesen. Begründer und Führer dieser Richtung ist, wie ihre Anhänger lehren, Syneros.“ Derselbe Rhodon schreibt, daß er auch mit Apelles eine Unterredung gehabt habe. Seine Worte sind: „Als der greise Apelles sich mit uns in eine Diskussion [[@Page:236]] einließ, zeigte es sich, wie unrecht er in vielen Dingen hatte. Daraufhin sagte er, es gehe durchaus nicht an, den Glauben zu untersuchen, es müsse vielmehr jeder bei seinem Glauben bleiben. Wer seine Hoffnung auf den Gekreuzigten setze — so erklärte er —, werde das Heil finden, wenn er nur in guten Werken erfunden werde. Als das allerdunkelste Problem bezeichnete er, wie gesagt, die Lehre von Gott. Er nahm allerdings nur ein einziges Prinzip an, wie auch wir lehren.“ Nachdem sodann Rhodon die ganze Lehre des Apelles dargelegt, fährt er fort: „Auf meine Worte: ‚Woher hast du den Beweis für deine Lehre, oder wie kommst du dazu, nur ein einziges Prinzip zu behaupten? Antworte uns!’ entgegnete er: ‚Die prophetischen Schriften widerlegen sich selbst, da sie keineswegs die Wahrheit gesagt haben; denn sie stimmen miteinander nicht überein, sind falsch und widersprechen sich selbst.’ Warum es nur ein einziges Prinzip gäbe, behauptete er nicht zu wissen; er fühle sich nur angetrieben, so zu glauben. Als ich ihn sodann beschwor, die Wahrheit zu sagen, schwur er, es entspräche der Wahrheit, wenn er sage, er wisse nicht, warum nur ein einziger unerzeugter Gott sei, und daß er das nur glaube. Ich lachte ihn aus und tadelte ihn, weil er sich als Lehrer ausgab, aber es nicht verstand, seine Lehre zu beweisen.“ In der gleichen Schrift, die er an Kallistion richtet, bekennt Rhodon, daß er in Rom Schüler Tatians gewesen sei. Er berichtet auch, daß Tatian ein Buch der Probleme verfaßt habe. Da Tatian es unternahm, darin die schwierigen und dunklen Stellen in den göttlichen Büchern vorzuführen, kündete Rhodon an, in einer eigenen Schrift Lösungen zu den Problemen Tatians zu geben.613 Auch ist ein Kommentar Rhodons zu dem Sechstagewerk vorhanden. Der erwähnte Apelles hatte sich näm-[[@Page:237]]lich tausendfach gegen das Gesetz des Moses versündigt, in mehreren Schriften die göttlichen Bücher verlästert und sich nicht geringe Mühe gegeben, dieselben, wie er wenigstens meinte, zu entlarven und zu widerlegen.614 Soviel hierüber.

14. Kap. Die falschen Propheten der Phrygier.


. Wiederum erregte der Feind der Kirche Gottes, welcher das Gute tödlich haßt und das Böse liebt und welcher keine Gelegenheit, den Menschen nachzustellen, je vorübergehen läßt, seltsame Häresien gegen die Kirche. Die einen schlichen gleich giftigen Schlangen in Asien und Phrygien umher und priesen Montanus als Paraklet und seine Anhängerinnen Priscilla und Maximilla als die Prophetinnen des Montanus.

15. Kap. Die durch Blastus veranlaßte Spaltung in Rom.


. Die anderen erhoben sich zu Rom. An ihrer Spitze standen Florinus, der das kirchliche Priesteramt niedergelegt hatte, und neben ihm Blastus, der in gleicher Weise abgefallen war. Diese hatten noch mehrere von der Kirche abwendig gemacht und zu sich hinübergezogen. Bezüglich der Wahrheit suchte jeder eigene, neue Wege zu gehen.

16. Kap. Berichte über Montanus und seine falschen Propheten.


. Gegen die sog. kataphrygische Sekte hat jene Macht, welche für die Wahrheit kämpft, zu Hierapolis in Apollinarius, der schon früher erwähnt wurde,615 und außer ihm in noch mehreren anderen begabten Männern jener Zeit eine starke, unbezwingbare Schützwehr aufgestellt.616 Dieselben haben auch uns reichlichen Stoff für unsere Geschichte hinterlassen. Einer der genannten Männer berichtet zu Beginn seiner Schrift gegen die Häretiker zunächst, daß er sich auch mündlich gegen sie gewandt habe. Er schreibt nämlich in der Einleitung [[@Page:238]] also: „Obwohl du mich, teurer Avircius Marcellus, schon vor langer und geraumer Zeit angegangen hast, gegen die Häresie jener Leute zu schreiben, die sich nach Miltiades nennen, habe ich doch bis jetzt zurückgehalten, nicht aus Unvermögen, die Lüge zu widerlegen und für die Wahrheit einzutreten, sondern aus Furcht und Besorgnis, ich möchte vielleicht da und dort den Schein erwecken, als wollte ich dem Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft etwas ergänzend beifügen, da doch keiner, der entschlossen ist, nach diesem Evangelium zu leben, etwas beifügen noch abstreichen darf. Da ich aber bei meinem kürzlichen Aufenthalt zu Ancyra in Galatien wahrnehmen mußte, daß sich die dortige Kirche von dieser neuen, nicht, wie sie sagen, Prophetie, sondern, wie sich zeigen wird, Pseudoprophetie betören ließ, so haben wir uns, so gut es ging und soweit es der Herr fügte, in der Gemeinde mehrere Tage über jene Männer und ihre Lehre im einzelnen ausgesprochen. Die Folge war, daß diese Kirche sich freute und in der Wahrheit befestigt, die Gegenpartei aber für jetzt zurückgeschlagen und die Widersacher in Trauer versetzt wurden. Als uns die Priester der dortigen Gemeinde in Gegenwart unseres Mitpriesters Zoticus aus Otrus baten, wir möchten eine Aufzeichnung dessen, was wir gegen die Feinde der wahren Lehre vorgebracht, hinterlassen, willfahrten wir zwar nicht, gaben aber das Versprechen, hier, wenn der Herr es fügt, die Schrift zu verfassen und sie ihnen baldigst zuzusenden.“ Nach diesen und noch weiteren einleitenden Worten geht er auf den Urheber der erwähnten Häresie über und berichtet also: „Ihr Auftreten und ihre vor kurzem erfolgte häretische Lostrennung von der Kirche hatten folgenden Anlaß. Im phrygischen Mysien soll ein Dorf namens Ardabau liegen. Daselbst soll ein Mann namens Montanus, einer von denen, die erst zum Glauben übergetreten waren, zur Zeit, da Gratus Prokonsul in Asien [[@Page:239]] war, in dem unbändigen Verlangen, Führer zu sein dem Widersacher Zutritt gestattet haben und, von Geistern beeinflußt, plötzlich in Verzückung und Ekstase geraten sein, so daß er anfing, Laute auszustoßen und seltsame Dinge zu reden und in einer Weise zu prophezeien, die offenkundig der alten kirchlichen Überlieferung und Erblehre widersprach. Von denen, welche damals seine verkehrten Worte hörten, wiesen ihn die einen als verrückten, vom Teufel besessenen, im Geiste des Irrtums befangenen und aufrührerischen Menschen voll Erbitterung zurecht und suchten ihn am Reden zu hindern, eingedenk der eindringlichen Mahnung des Herrn,617 sich sorgfältig vor falschen Propheten in acht zu nehmen. Die anderen seiner Zuhörer aber, voll stolzen Vertrauens auf die Heiligkeit seines Geistes und auf seine prophetische Begabung, aufgeblasen und der Mahnung des Herrn vergessend, bezaubert und irregemacht, drangen in den blöden, schmeichlerischen, aufwiegelnden Geist, daß er sich nicht zum Schweigen zwingen lasse. Durch List also oder vielmehr durch diese Art von Trug arbeitete der Teufel am Verderben der Treulosen und erregte und entflammte, wider Gebühr von ihnen geehrt, ihren Sinn, der sich eingeschläfert vom wahren Glauben abgekehrt. Er erweckte dazu noch zwei Weiber und erfüllte sie mit dem falschen Geiste, so daß sie gleich dem erwähnten Montanus Unsinniges, Wirres und Fremdartiges sprachen. Da der Geist (des Montanus) die, welche sich an ihm freuten und auf ihn stolz waren, selig pries und sie durch die Größe seiner Verheißungen aufgeblasen machte, da und dort allerdings auch in geschickter und täuschender618 Weise unverhohlen verurteilte, um den Schein eines Richters zu erwecken (obwohl die Zahl der Phrygier, welche sich täuschen [[@Page:240]] ließen, nur gering war), da anderseits der freche Geist die ganze, überall unter dem Himmel verbreitete Kirche zu lästern lehrte, weil der Lügenprophet weder Ehre noch Zutritt bei ihr erhielt, so kamen die Gläubigen Asiens wiederholt an verschiedenen Orten zusammen, prüften die neue Lehre, erkannten ihre Gemeinheit und verurteilten die Sekte, worauf diese Leute aus der Kirche hinausgeworfen und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden.“ So berichtet der Schriftsteller619 zu Beginn und widerlegt durch das ganze Buch den Irrtum der Montanisten. Im zweiten Buche äußert er sich sodann über das Lebensende der erwähnten Personen also: „Da sie uns auch als Prophetenmörder verschrien, weil wir ihre maßlos geschwätzigen Propheten, welche nach ihrer Lehre der Herr dem Volke zu senden verheißen hat, nicht aufnahmen, so mögen sie uns doch bei Gott die Frage beantworten: ‚Teuerste, ist unter der Schar, die mit Montanus und seinen Weibern zu schwätzen begonnen, ein einziger, der von den Juden verfolgt oder von den Sündern getötet worden wäre?’ Nein! Auch ist keiner von ihnen um seines Namens willen ergriffen und gekreuzigt worden. Keineswegs! Wahrlich, keine von den Frauen ist in jüdischen Synagogen je gegeißelt oder gesteinigt worden. Nie und nirgends! Wohl aber sollen Montanus und Maximilla eines ganz anderen Todes gestorben sein. Nach einem weit verbreiteten Gerüchte haben sich beide unter dem Einfluß eines törichten Geistes erhängt, nicht zu gleicher Zeit, sondern zu der Zeit, die einem jeden zum Sterben bestimmt war. So wären sie gleich dem Verräter Judas gestorben und aus dem Leben geschieden. Auch wird vielfach erzählt, daß Theodot, der seltsame erste Verwalter ihrer sog. Prophetie, einst durch Entrückung und Erhebung in den Himmel verzückt worden sei und sich [[@Page:241]] dem Geiste des Irrtums anvertraut habe, dann aber, zur Erde hinabgeschleudert, elend zugrundegegangen sei. So wird wenigstens berichtet. Jedoch, Teurer, da wir das Erzählte nicht gesehen haben, sollen wir nicht glauben, etwas Bestimmtes darüber zu wissen. Es kann sein, daß Montanus, Theodot und das erwähnte Weib in dieser Weise geendet, es kann aber auch sein, daß sie eines anderen Todes gestorben.“ Ferner berichtet der Schriftsteller in dem gleichen Buche, daß die damaligen heiligen Bischöfe den Versuch gemacht hätten, den Geist in Maximilla zu widerlegen, daß sie aber daran durch solche, die offenbar mit dem Geiste in Verbindung standen, verhindert worden seien. Er schreibt: „Der in Maximilla wirkende Geist möge in dem gleichen Buche nach Asterius Urbanus doch nicht sagen: ‚Ich werde wie ein Wolf von den Schafen weggetrieben. Ich bin kein Wolf. Ich bin das Wort, der Geist, die Kraft.’ Möge sie doch die Kraft des Geistes klar offenbaren und beweisen, und möge sie durch ihren Geist die bewährten Bischöfe Zoticus aus dem Dorfe Kumane und Julianus aus Apamea, welche damals erschienen waren, um die Sache zu untersuchen und mit dem geschwätzigen Geiste zu disputieren, zur Zustimmung zwingen! Die Anhänger des Themison620 allerdings hatten diesen Männern den Mund verschlossen und ihnen nicht gestattet, den falschen, verführerischen Geist zu widerlegen.“ Nachdem der Schriftsteller in dem gleichen Buche noch andere Bemerkungen zur Widerlegung der falschen Weissagungen der Maximilla eingefügt, deutet er die Zeit an, da er schrieb, und erwähnt zugleich von ihr die Prophezeiungen, in welchen sie Kriege und Aufstände voraussagte, um deren Unwahrheit aufzudecken. Er sagt: „Ist denn nicht bereits auch diese Lüge offenbar geworden? Denn seit dem Tode jenes Weibes sind bis auf den heutigen Tag schon mehr als dreizehn Jahre verstrichen, ohne daß ein lokaler oder ein Welt-Krieg entstanden wäre; [[@Page:242]] ja selbst die Christen genießen durch Gottes Erbarmen dauernden Frieden.“ Soviel aus dem zweiten Buche. Auch aus dem dritten Buche will ich noch ein paar Worte anführen. Gegenüber denen, welche sich rühmen, daß es auch in ihren Reihen mehrere Blutzeugen gebe, äußert er sich hier also: „Wenn sie sich nun in allen erwähnten Punkten geschlagen sehen und in Verlegenheit sind, dann suchen sie Zuflucht bei ihren Märtyrern und behaupten, die vielen Märtyrer, die sie hätten, wären ein deutlicher Beweis für die Kraft ihres sog. prophetischen Geistes. Doch dieser Schluß ist, wie mir dünkt, durchaus unrichtig. Denn auch einige andere Häresien haben sehr zahlreiche Märtyrer, und dennoch werden wir sie nicht anerkennen und nicht zugeben, daß sie die Wahrheit haben. Wenn so, um diese zuerst zu nennen, die nach der Häresie des Marcion benannten Marcioniten vorgeben, sehr viele Märtyrer Christi zu haben, so bekennen sie doch Christus nicht in Wahrheit.“ Bald darauf heißt es weiter: „Wenn daher Glieder der Kirche, welche zum Martyrium für den wahren Glauben berufen sind, zufällig mit sog. Märtyrern der phrygischen Sekte zusammentreffen, halten sie sich von diesen ferne und gehen, ohne mit ihnen Gemeinschaft gepflogen zu haben, in den Tod; denn nicht wollen sie den Geist anerkennen, der durch Montanus und seine Frauen spricht. Daß dem so ist, hat sich in unseren Tagen zu Apamea am Mäander an den Märtyrern bestätigt, welche mit Gaius und Alexander aus Eumenea den Zeugentod erlitten.“

17. Kap. Miltiades und seine Schriften.


. In diesem Buche wird auch erwähnt, daß der Schriftsteller Miltiades gegen die genannte Häresie geschrieben habe. Nachdem der Verfasser einige Worte derselben621 angeführt, fährt er also fort: „Da ich diese Worte in einer ihrer Schriften fand, welche sich gegen das Buch unseres Bruders Miltiades richten, worin dieser dartut, daß ein Prophet nicht in Ekstase reden dürfe, habe ich sie in Kürze wiedergegeben.“ Etwas weiter [[@Page:243]] unten zählt er in dem gleichen Buche diejenigen auf, welche unter dem Neuen Bunde geweissagt haben; zu ihnen rechnet er eine gewisse Ammia und Quadratus. Ersagt: „…der falsche Prophet aber in einer Ekstase, der Ausgelassenheit und Verwegenheit zur Seite gehen. Er fängt mit freiwilliger Unwissenheit an und geht sodann, wie oben gesagt, in unfreiwillige Raserei über. Doch wird man weder aus dem Alten noch aus dem Neuen Bunde einen Propheten nennen können, der auf solche Weise vom Geiste ergriffen worden wäre. Sie werden sich nicht auf Agabus oder Judas oder Silas oder die Töchter des Philippus oder Ammia in Philadelphia oder Quadratus oder auf sonst jemanden berufen können; denn mit diesen haben sie nichts zu tun.“ Bald darauf heißt es weiter: „Wenn nach Quadratus und nach Ammia in Philadelphia, wie sie behaupten, die dem Montanus sich anschließenden Weiber die prophetische Gabe erhalten haben, dann möge man uns die nennen, welche bei ihnen als Nachfolger des Montanus und seiner Weiber die Prophetie überkommen haben. Denn die prophetische Gabe muß sich nach der Lehre der Apostel622 in der ganzen Kirche bis zur letzten Wiederkunft erhalten. Doch es dürfte ihnen nicht möglich sein, jemanden zu nennen, obwohl bereits vierzehn Jahre seit dem Tode der Maximilla verstrichen.“ Soweit jener Schriftsteller. Der von ihm erwähnte Miltiades hat uns auch noch andere Denkmäler seiner eigenen theologischen Studien hinterlassen. Er schrieb sowohl gegen die Heiden als auch gegen die Juden, und zwar trat er jeder der beiden Fragen in je zwei Büchern näher. Gegen die weltlichen Machthaber verfaßte er ferner eine Verteidigungsschrift zugunsten seiner Philosophie.623

18. Kap. Apollonius widerlegt die Irrlehre der Phrygier und erwähnt einige ihrer Führer.


. Die sog. kataphrygische Häresie, welche damals noch [[@Page:244]] in Phrygien blühte, widerlegte der Kirchenschriftsteller Apollonius. Er verfaßte gegen sie eine eigene Schrift, worin er ihre vorgeblichen Weissagungen Wort für Wort als falsch erklärte und das Leben der häretischen Führer wahrheitsgemäß schilderte. Vernimm seine eigenen Worte über Montanus! „Doch wer dieser neue Lehrer ist, zeigen seine Taten und seine Lehre. Er ist es, der die Trennung der Ehen lehrte, Fastengesetze erließ, Pepuza und Tymion, kleine Städte Phrygiens, als Jerusalem bezeichnete, in der Absicht, daselbst Leute aller Gegenden zu vereinen. Er ist es, der Steuereinnehmer aufstellte, unter dem Titel Opfer Geschenke anzunehmen verstand und den Verkündigern seiner Lehre Lohn auszahlte, auf daß die Predigt seiner Lehre durch Schlemmerei an Kraft gewänne.“ Dies ist sein Urteil über Montanus. Über seine Prophetinnen schreibt er später also: „Wir beweisen nun, daß eben diese Prophetinnen die ersten gewesen sind, die ihre Männer verlassen haben, nachdem sie vom Geiste erfüllt worden waren. Wie sehr haben sie also gelogen, wenn sie Priscilla als Jungfrau bezeichneten!“ Sodann fährt der Schriftsteller fort: „Glaubst du nicht, daß die ganze Schrift es einem Propheten verbietet, Geschenke und Geld anzunehmen? Wenn ich nun sehe, daß die Prophetin Gold, Silber und kostbare Gewänder angenommen hat, soll ich sie da nicht verachten?“ Im weiteren Verlaufe seines Berichtes erzählt er von einem ihrer Bekenner folgendes: „Ferner hat Themison, mit täuschender624 Habsucht angetan, das Zeichen des Bekenntnisses625 nicht ertragen, sich vielmehr mit einer großen Geldsumme vom Kerker losgekauft. Während er doch deswegen hätte Buße tun sollen, wagte er es, sich als Märtyrer zu rühmen, in Nachahmung des Apostels einen katholischen Brief zu verfassen, diejenigen, welche mehr als er selbst den Namen von Gläubigen verdienten, zu belehren, mit nichtssagenden Worten zu fechten und den [[@Page:245]] Herrn, die Apostel und die heilige Kirche zu schmähen.“ Über einen anderen Mann wieder, den sie unter die Zahl der von ihnen verehrten Märtyrer rechnen, schreibt er: „Um nicht von mehreren zu sprechen, gebe uns die Prophetin Auskunft über Alexander, der sich als Märtyrer bezeichnet und mit dem sie Schmausereien sich hingibt und den noch viele verehren! Über seine Räubereien und anderen Verbrechen, derentwegen er bestraft worden ist, brauchen wir nicht zu reden; im Archiv sind sie aufbewahrt. Wer nun vergibt dem andern die Sünden? Vergibt der Prophet dem Märtyrer seine Räubereien oder der Märtyrer dem Propheten seine Habsucht? Denn obwohl der Herr gesagt hat626 ‚Ihr sollt weder Gold noch Silber noch zwei Röcke besitzen’, haben sich diese Leute ganz im Gegensatz dazu durch den Erwerb dieser verbotenen Dinge versündigt. Wie wir zeigen werden, haben ihre sog. Propheten und Märtyrer nicht nur von den Reichen, sondern sogar von den Armen, den Waisen und Witwen Schätze gesammelt. Und wenn sie ein gutes Gewissen haben, dann mögen sie vortreten und Rede und Antwort stehen, damit sie, im Falle sie überführt werden, wenigstens für die Zukunft von ihren Sünden ablassen. Es ist notwendig, die Früchte des Propheten zu prüfen; denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Damit jedoch die Wißbegierigen die Geschichte Alexanders kennen lernen, so bemerke ich: er wurde von dem Prokonsul Ämilius Frontinus in Ephesus nicht wegen seines Glaubens verurteilt, sondern wegen der Räubereien, die er als bereits Abtrünniger verübt hatte. Die Lüge, er sei um des Namens des Herrn willen verurteilt worden, täuschte die dortigen Gläubigen und erwirkte seine Loskaufung. Doch die eigene Heimatgemeinde nahm ihn nicht auf, weil er Räuber war. Wer über ihn Genaueres erfahren will, dem steht das öffentliche Archiv Asiens zur Verfügung. Auch der Prophet, mit dem er doch viele Jahre verbunden war, will ihn nicht [[@Page:246]] mehr kennen. Dadurch daß wir Alexander entlarven, enthüllen wir auch das Wesen des Propheten. Ähnliches könnten wir an vielen zeigen, und wenn sie Mut haben, mögen sie sich der Prüfung unterziehen!“ An einer anderen Stelle seiner Schrift sagt er über die Propheten, auf welche sie stolz sind, noch folgendes: „Wenn sie die Tatsache leugnen, daß ihre Propheten Geschenke angenommen haben, so mögen sie doch wenigstens so viel zugeben, daß, wenn ihnen die Annahme von Geschenken nachgewiesen ist, sie keine Propheten sind! Und hierfür könnten wir tausend Beweise erbringen. Es ist übrigens notwendig, alle Früchte eines Propheten zu prüfen. Sage mir: Färbt sich ein Prophet? Schminkt sich ein Prophet? Liebt ein Prophet den Schmuck? Spielt ein Prophet Brett und Würfel? Leiht ein Prophet auf Zinsen aus? Sie mögen klar es aussprechen, ob so etwas erlaubt ist oder nicht! Ich aber will zeigen, daß es bei ihnen vorgekommen ist.“ Der gleiche Apollonius erzählt in derselben Schrift, daß es zur Zeit der Abfassung seines Werkes gerade vierzig Jahre waren, daß Montanus seine angebliche Prophezeiung begonnen hat. Ferner berichtet er, daß Zoticus, dessen auch der vorerwähnte Schriftsteller gedachte,627 gegen Maximilla sich erhob, die sich in Pepuza als Prophetin ausgab, und den in ihr wirkenden Geist zu widerlegen versuchte, woran er jedoch von ihren Gesinnungsgenossen verhindert wurde. Auch gedenkt Apollonius unter den damaligen Märtyrern eines gewissen Thraseas. Ferner teilt er als Überlieferung mit, der Heiland habe seinen Aposteln befohlen, sie sollten zwölf Jahre Jerusalem nicht verlassen. Er benützt auch Zeugnisse aus der Offenbarung des Johannes und erzählt, derselbe Johannes habe in Ephesus einen Toten in göttlicher Kraft zum Leben erweckt. Noch manches andere erwähnt er, um die Unwahrheit der genannten Sekte treffend und vollständig darzutun. Soweit Apollonius.628 [[@Page:247]]

19. Kap. Serapion über die Irrlehre der Phrygier.


. Die Schriften des Apollinarius, die gegen die genannte Sekte gerichtet sind, werden von Serapion erwähnt, der nach der Überlieferung zu jener Zeit nach Maximinus Bischof der Kirche von Antiochien war. Er gedenkt dessen in seinem Briefe an Karikus und Pontius, worin auch er dieselbe Sekte behandelt und dabei also spricht: „Damit ihr aber wißt, daß das Treiben dieser lügenhaften Genossenschaft, welche sich als neue Prophetie bezeichnet, von allen Brüdern der Erde verachtet wird, übersende ich euch Briefe des Klaudius Apollinarius, des heiligen Bischofs von Hierapolis in Asien.“ In diesem Briefe des Serapion finden sich auch Unterschriften verschiedener Bischöfe. Einer derselben unterzeichnet sich also: „Ich, Aurelius Quirinius, Märtyrer, bete, daß es euch gut gehe.“ Eine andere Unterschrift lautet: „Älius Publius Julius aus der Kolonie Debeltus in Thrazien, Bischof: so wahr Gott im Himmel lebt, hat der selige Sotas in Anchialos629 den Dämon der Priscilla austreiben wollen, aber die Heuchler haben es nicht zugelassen.“ Auch noch von mehreren anderen Bischöfen, welche mit diesen Männern übereinstimmten, finden sich eigenhändige Unterschriften in dem erwähnten Briefe.630 Soviel über die Frage des Montanismus.

20. Kap. Schreiben des Irenäus an die Schismatiker in Rom.


. Gegen die, welche in Rom die gesunde Ordnung der Kirche störten, verfaßte Irenäus verschiedene Briefe. Einen betitelte er „An Blastus über das Schisma“, einen anderen „An Florinus über die Monarchie oder daß Gott nicht der Urheber des Bösen sei“. Diese Meinung schien nämlich Florinus zu verfechten. Wegen dieses Mannes, der sich zum Irrtum des Valentinus hinüberziehen ließ, verfaßte Irenäus auch noch die Studie „Über die Achtzahl“.631 Darin gibt er auch zu erkennen, daß er der ersten nachapostolischen Generation nahegestanden. [[@Page:248]] Ebendort haben wir gegen Ende des Buches eine sehr beachtenswerte Bemerkung gefunden, die wir unserer Schrift einfügen zu müssen glauben. Sie lautet: „Wenn du dieses Buch abschreiben willst, dann beschwöre ich dich bei unserem Herrn Jesus Christus und bei seiner glorreichen Wiederkunft, wann er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, daß du deine Abschrift sorgfältig vergleichest und nach dieser Urschrift berichtigest, von der du sie abgeschrieben hast. Auch diese Beschwörung sollst du in gleicher Weise abschreiben und deinem Exemplare beigeben!“632 Diese heilsame Bemerkung des Irenäus geben wir wieder, auf daß wir jene alten, wahrhaft heiligen Männer als schönstes Beispiel einer äußerst gewissenhaften Sorgfalt vor Augen haben. In dem vorhin erwähnten Briefe an Florinus gedenkt Irenäus auch seines Verkehrs mit Polykarp, wenn er sagt: „Diese deine Lehren, Florinus,633 sind — um mich schonend auszudrücken — nicht gesunder Anschauung entsprungen. Diese Lehren widersprechen der Kirche; sie stürzen ihre Bekenner in die größte Gottlosigkeit. Selbst die außerhalb der Kirche stehenden Häretiker haben niemals solche Lehren aufzustellen gewagt. Auch die vor uns lebenden Presbyter, die noch mit den Aposteln verkehrten, haben dir diese Lehren nicht überliefert. Denn als ich noch ein Knabe war, sah ich dich im unteren Asien bei Polykarp; du hattest eine glänzende Stellung am kaiserlichen Hofe und suchtest die Gunst Polykarps zu erwerben. Ich kann mich nämlich viel besser an die damalige Zeit erinnern als an das, was erst vor kurzem geschah; denn was man in der Jugend erfährt, wächst mit der Seele und bleibt mit ihr ver-[[@Page:249]]eint. Daher kann ich auch noch den Ort angeben, wo der selige Polykarp saß, wenn er sprach, auch die Plätze, wo er aus- und einging, auch seine Lebensweise, seine körperliche Gestalt, seine Reden vor dem Volke, seine Erzählung über den Verkehr mit Johannes und den anderen Personen, welche den Herrn noch gesehen, seinen Bericht über ihre Lehren, ferner das, was er von diesen über den Herrn, seine Wunder und seine Lehre gehört hatte. Alles, was Polykarp erfahren von denen, die Augenzeugen waren des Wortes des Lebens, erzählte er im Einklang mit der Schrift. Seine Worte habe ich durch die mir gewordene Gnade Gottes damals mit Eifer aufgenommen; nicht auf Papier, sondern in mein Herz habe ich sie eingetragen. Ich erinnere mich auch immer wieder durch die Gnade Gottes genau daran. Vor Gott kann ich bezeugen, daß, wenn jener selige, apostolische Presbyter solche Irrlehren gehört hätte, er laut aufgeschrien, sich die Ohren verstopft und seiner Gewohnheit gemäß ausgerufen hätte: ‚O guter Gott, für welche Zeiten hast du mich aufbewahrt, daß ich solches erleben muß!’ Er wäre fortgeeilt von dem Orte, an dem er sitzend oder stehend solche Lehre vernommen hätte. Diese Wahrheiten werden bestätigt durch die Briefe, welche Polykarp634 teils an benachbarte Gemeinden, die er zu befestigen suchte, teils an einzelne Brüder, die er mahnte und ermunterte, geschrieben hat.“635 So berichtet Irenäus.

21. Kap. Martyrium des Apollonius in Rom.


. Um dieselbe Zeit, unter der Regierung des Kommodus, wurden unsere Verhältnisse ruhiger, und durch die Gnade Gottes erhielten die Kirchen des ganzen Erdkreises Frieden. Und so führte das Wort des Heiles Seele um Seele aus allen Geschlechtern zur frommen [[@Page:250]] Verehrung des Gottes des Alls, so daß selbst mehrere von denen, welche in Rom infolge von Reichtum und Abstammung höchstes Ansehen genossen, mit ihrem ganzen Hause und ihrer ganzen Verwandtschaft den Weg des Heiles beschritten. Dies konnte aber der Dämon, der das Gute haßt und von Natur neidisch ist, nicht ertragen, weshalb er sich von neuem zum Kampfe rüstete und mannigfache Anschläge wider uns ersann. Er brachte in der Stadt Rom Apollonius, einen Mann, der unter den Gläubigen jener Zeit wegen seiner Bildung und Gelehrsamkeit in hohem Ansehen stand, vor den Richter. Er hatte nämlich einen seiner für solche Zwecke ihm treu ergebenen Diener dazu veranlaßt, als Ankläger gegen den Mann aufzutreten. Allein dem Schurken war die Zeit für die Anstrengung des Prozesses nicht günstig. Da nach kaiserlichem Befehle die Ankläger der Christen der Todesstrafe verfielen,636 wurden ihm gemäß dem Urteile durch den Richter Perennius sofort die Beine zerschlagen. Obwohl sodann der gottgeliebte Märtyrer auf wiederholtes ungestümes Drängen des Richters hin und nach dessen Forderung, sich vor dem Senate zu rechtfertigen, in Gegenwart aller eine sehr geistreiche Verteidigungsrede für den von ihm bekannten Glauben gehalten hatte, wurde er durch Senatsbeschluß enthauptet. Denn nach einem alten Gesetze durften die Christen, welche einmal vor Gericht gestanden, nicht freigegeben werden, sie hätten denn ihre Meinung geändert. Wer nun des Apollonius Worte vor dem Richter, seine Antworten auf die Fragen des Perennius und seine ganze Verteidigungsrede vor dem Senate kennen lernen will, kann sie aus unserer Sammlung der alten Märtyrerakten erfahren.637 [[@Page:251]]

22. Kap. Damalige Bischöfe.


. Im zehnten Jahre der Regierung des Kommodus folgte Viktor auf Eleutherus, welcher das bischöfliche Amt dreizehn Jahre innegehabt hatte. In dem gleichen Jahre übernahm Demetrius die Leitung der Gemeinden in Alexandrien, nachdem Julian volle zehn Jahre regiert hatte. Damals lebte auch noch der bereits oben erwähnte Serapion, welcher — von den Aposteln an gerechnet — achter Bischof der Kirche von Antiochien war, Cäsarea in Palästina stand Theophilus vor, und in der Kirche in Jerusalem waltete damals noch Narcissus, dessen oben gedacht wurde, des Amtes. Zu gleicher Zeit war Bacchyllus Bischof von Korinth in Griechenland und Polykrates in Ephesus. Außer diesen lebten damals noch, wie es sich versteht, unzählige andere ausgezeichnete Männer. Mit Namen haben wir aber füglich nur jene aufgezählt, welche uns den unverfälschten Glauben in Schriften hinterlassen haben.

23. Kap. Der damalige Streit um das Osterfest.


. Damals war ein nicht unbedeutender Streit entstanden. Während nämlich die Gemeinden von ganz Asien auf Grund sehr alter Überlieferung glaubten, man müsse den 14. Tag des Mondes, an welchem den Juden die Opferung des Lammes befohlen war, als Fest des Erlösungspascha feiern und auf jeden Fall an diesem Tage, gleichviel welcher Wochentag es gerade sein mochte, die Fasten beenden, war es bei den Kirchen auf dem ganzen übrigen Erdkreise nicht üblich, es auf diese Weise zu halten; man beobachtete vielmehr gemäß apostolischer Überlieferung den noch heute giltigen Brauch, daß an keinem anderen Tage als dem der Auferstehung unseres Erlösers die Fasten beendet werden dürfen. Es fanden daher Konferenzen und gemeinsame Beratungen von Bischöfen statt, und alle gaben einstimmig durch [[@Page:252]] Rundschreiben die kirchliche Verordnung hinaus, daß das Geheimnis der Auferstehung des Herrn an keinem anderen Tage als am Sonntage gefeiert werden dürfe und daß wir erst an diesem Tage das österliche Fasten beenden dürfen. Noch jetzt sind vorhanden ein Schreiben der damals in Palästina zusammengetretenen Bischöfe, von welchen Bischof Theophilus von Cäsarea und Bischof Narcissus von Jerusalem den Vorsitz führten, ein Schreiben der in Rom versammelten Bischöfe, welches die gleiche Streitfrage behandelt und den Namen des Bischofs Viktor trägt, ein Schreiben der Bischöfe des Pontus, deren Vorsitzender Palmas als der Älteste war, ein Schreiben der Gemeinden in Gallien, deren Bischof Irenäus war, ferner ein Schreiben der Bischöfe in Osroëne und in den dortigen Städten, ein Privatschreiben des Bischofs Bacchyllus von Korinth und noch Schreiben von sehr vielen anderen Bischöfen. Sie bekunden eine und dieselbe Meinung und Ansicht und geben das gleiche Urteil ab. Ihr einstimmiger Beschluß ist erwähnt.

24. Kap. Der Widerspruch in Asien.


. An der Spitze der Bischöfe Asiens, welche behaupteten, man müsse an dem ihnen von alters her überlieferten Brauche festhalten, stand Polykrates. In dem Briefe, welchen er an Viktor und die römische Kirche schrieb, äußerte er sich über die Überlieferung, die auf ihn gekommen, also: „Unverfälscht begehen wir den Tag; wir tun nichts dazu und nichts hinweg. Denn auch in Asien haben große Sterne ihre Ruhestätte gefunden, welche am Tage der Wiederkunft des Herrn auferstehen werden. An diesem Tage wird der Herr mit Herrlichkeit vom Himmel kommen und alle Heiligen aufsuchen, nämlich: Philippus, einen der zwölf Apostel, der in Hierapolis entschlafen ist, mit seinen beiden bejahrten, im jungfräulichen Stande verbliebenen Töchtern, während eine andere Tochter, die im Heiligen Geiste wandelte, in Ephesus ruht, und Johannes, der an der Brust des Herrn lag, den Stirnschild trug, Priester, Glaubenszeuge und [[@Page:253]] Lehrer war und in Ephesus zur Ruhe eingegangen ist,638 ferner den Bischof und Märtyrer Polykarp von Smyrna und den Bischof und Märtyrer Thraseas aus Eumenea, der in Smyrna entschlafen. Soll ich noch den Bischof und Märtyrer Sagaris, der in Laodicea entschlafen, und den seligen Papirius und Melito, den Eunuchen, anführen, welcher stets im Heiligen Geiste wandelte und nun in Sardes ruht, wartend auf die Heimsuchung vom Himmel, da er von den Toten erstehen soll? Diese alle haben gemäß dem Evangelium das Pascha am 14. Tage gefeiert; sie sind keine eigenen Wege gegangen, sondern der vom Glauben gewiesenen Richtung gefolgt. Auch ich, Polykrates, der geringste unter euch allen, halte mich an die Überlieferung meiner Verwandten, von denen einige auch meine Vorgänger waren. Sieben meiner Verwandten waren nämlich Bischöfe, und ich bin der achte. Und stets haben meine Verwandten den Tag gefeiert, an welchem das Volk den Sauerteig entfernte. Ich nun, Brüder, der 65 Jahre im Herrn zählt und mit den Brüdern der ganzen Welt verkehrt hat und die ganze Heilige Schrift gelesen hat, ich lasse mich durch Drohungen nicht in Schrecken setzen. Denn Größere als ich haben gesagt:639 ‚Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.’“ Dem fügt er über die Bischöfe, die bei ihm waren, als er das Schreiben abfaßte, und die seine Meinung teilten, folgendes bei: „Ich könnte die Bischöfe erwähnen, die bei mir waren und die ich eurem Wunsche gemäß einberufen mußte und auch einberufen habe. Wollte ich ihre Namen niederschreiben: ihre Zahl wäre groß. Obwohl diese wissen, daß ich ein unbedeutender Mensch bin, so stimmen sie doch meinem Briefe zu. Und sie wissen, daß ich nicht vergebens meine grauen Haare getragen, daß ich vielmehr stets in Christus Jesus gewandelt bin:“ Daraufhin versuchte Viktor, der Bischof der römischen Kirche, die Gemeinden von ganz Asien sowie die angrenzenden Kirchen insgesamt als ketzerisch von [[@Page:254]] der Gemeinschaft und Einheit auszuschließen, und rügte sie öffentlich in einem Schreiben, worin er alle dortigen Brüder als außerhalb der Kirchengemeinschaft stehend erklärte. Doch nicht allen Bischöfen gefiel dies Vorgehen Viktors. Sie stellten an ihn geradezu die Gegenforderung, für Friede, Einigung und Liebe einzutreten. Noch sind ihre Briefe erhalten, in denen sie Viktor ziemlich scharf angreifen. Unter anderen richtete auch Irenäus im Namen der ihm untergebenen gallischen Brüder ein Schreiben an ihn. Darin tritt er zwar dafür ein, daß man nur am Sonntage das Geheimnis der Auferstehung des Herrn feiern dürfe, aber er mahnt auch Viktor würdig und eindringlich, er solle nicht ganze Kirchen Gottes, die an alten, überlieferten Bräuchen festhalten, ausschließen, und fährt wörtlich also fort: „Es handelt sich nämlich in dem Streite nicht bloß um den Tag, sondern auch um die Art des Fastens. Die einen glauben nämlich, nur einen einzigen Tag, andere zwei, andere noch mehr fasten zu sollen; wieder andere dehnen die Zeit ihres Fastens auf vierzig Stunden, Tag und Nacht, aus. Diese verschiedene Praxis im Fasten ist nicht erst jetzt in unserer Zeit aufgekommen, sondern schon viel früher, zur Zeit unserer Vorfahren, welche wohl nicht umsichtig genug waren und darum eine aus Naivität und Ungeschicklichkeit entstandene Gewohnheit auf die Folgezeit vererbten. Aber trotz dieser Verschiedenheit lebten all diese Christen in Frieden, und leben auch wir in Frieden. Die Verschiedenheit im Fasten erweist die Einheit im Glauben.“ An diese Worte schließt Irenäus noch Bemerkungen, die ich als hierher gehörig anführen möchte. Sie lauten: „Auch die vor Soter lebenden Presbyter, welche der Kirche vorstanden, an deren Spitze du nunmehr stehst, nämlich Anicet, Pius, Hyginus, Telesphorus, Xystus, haben weder selbst diese Praxis beobachtet, noch sie ihren Gemeinden gestattet. Doch, trotzdem sie dieselbe nicht beobachteten, hatten sie nichtsdestoweniger Friede mit denjenigen, welche [[@Page:255]] aus Gemeinden kamen, in denen die Praxis eingehalten wurde. Und doch hätte die Ausübung des Brauches denen, die ihn nicht hatten, den Gegensatz erst recht zu Bewußtsein bringen sollen. Niemals wurden aus solchem Grunde Leute ausgeschlossen, vielmehr schickten die, welche vor dir Presbyter waren, obwohl sie die Praxis nicht hatten, an die, welche sie hatten und aus solchen Gemeinden kamen, die Eucharistie. Als der selige Polykarp unter Anicet in Rom weilte und zwischen ihnen wegen einiger anderer Fragen kleine Differenzen entstanden waren, schlössen sie sogleich Frieden. Denn in dieser wichtigsten Frage640 kannten sie unter sich keinen Streit. Weder vermochte Anicet den Polykarp zu überreden, jenen Brauch nicht mehr festzuhalten, den dieser mit Johannes, dem Jünger unseres Herrn, und mit den übrigen Aposteln, mit denen er verkehrte, ständig beobachtet hatte; noch überredete Polykarp den Anicet, ihn zu beobachten, da dieser erklärte, er müsse an der Gewohnheit der ihm vorangegangenen Presbyter festhalten. Trotz dieser Differenzen blieben beide in Gemeinschaft. Und Anicet gestattete aus Ehrfurcht dem Polykarp in seiner Kirche die Feier der Eucharistie. Und im Frieden schieden sie voneinander. Und es hatten Frieden mit der ganzen Kirche sowohl die, welche es so hielten, als jene, welche es nicht so hielten.“641 In solcher Weise mahnte Irenäus, der seinen Namen verdiente642 und tatsächlich ein Friedensmann war, zum Frieden der Kirchen und trat für ihn ein. Nicht nur mit Viktor, sondern auch mit sehr vielen anderen Kirchenfürsten643 verhandelte Irenäus brieflich in ähnlicher Weise über die entstandene Streitfrage. [[@Page:256]]

25. Kap. Die allgemeine Einigung bezüglich des Osterfestes.


. Die vor kurzem erwähnten644 Bischöfe von Palästina, nämlich Narcissus und Theophilus, sowie Kassius, Bischof von Tyrus, Klarus, Bischof von Ptolemais, und die mit ihnen versammelten Bischöfe, behandelten ausführlich die durch apostolische Überlieferung auf sie gekommene Erblehre bezüglich des Osterfestes und schlössen ihr Schreiben mit den Worten: „Sorget dafür, daß von unserem Briefe an jede Gemeinde Abschriften geschickt werden, damit wir keine Schuld denen gegenüber haben, welche leichtsinnig in die Irre gehen. Wir tun euch kund, daß man in Alexandrien das Fest am gleichen Tage begeht wie bei uns. Wir stehen nämlich miteinander im brieflichen Verkehr, so daß wir den heiligen Tag übereinstimmend und zugleich feiern.“

26. Kap. Überlieferte klassische Schriften des Irenäus.


. Außer den angeführten Schriften und Briefen des Irenäus ist von ihm noch vorhanden eine sehr kurze, überaus schlagende Schrift gegen die Hellenen mit dem Titel „Über die Wissenschaft“,645 und eine Schrift „Zum Erweise der apostolischen Verkündigung“,646 welche er einem Bruder namens Marcian widmete, und ein „Buch verschiedener Reden“,647 in welchem er den Brief an die Hebräer und die sog. Weisheit Salomons erwähnt und daraus einige Worte zitiert. Dies sind die Schriften des Irenäus, welche zu unserer Kenntnis gekommen sind.

27. Kap. Die Werke der anderen damals blühenden Schriftsteller.


. Nachdem Kommodus die Herrschaft dreizehn Jahre innegehabt und Pertinax nach dessen Tode nicht ganz sechs Monate regiert hatte, wurde Severus648 Kaiser. Von den alten Kirchenschriftstellern der damaligen Zeit sind noch heute vielerorts zahlreiche Denkmale ihrer [[@Page:257]] Tüchtigkeit und ihres Fleißes erhalten. Die Schriften, die wir in Erfahrung gebracht haben, sind etwa: die Schrift Heraklits auf den Apostel, die Schrift des Maximus über die bei den Häretikern viel besprochene Frage nach dem Ursprung des Bösen und über das Gewordensein des Stoffes, die Schrift des Kandidus über das Sechstagewerk, die des Apion über das gleiche Thema, die des Sextus über die Auferstehung, die des Arabianus über ein anderes Thema und die Schriften von unzähligen anderen, von denen wir, da uns jeder Anhaltspunkt fehlt, weder die Zeit festzulegen noch eine geschichtliche Erinnerung zu bieten vermögen. Und weiter sind von sehr vielen, von denen wir auch die Namen nicht kennen, Schriften auf uns gekommen. Es sind rechtgläubige, kirchlich gesinnte Männer, wie ihre Auslegung der göttlichen Schrift bekundet, aber wir kennen sie nicht, da die Schriften die Namen der Verfasser nicht anführen.

28. Kap. Die ersten Anhänger der Irrlehre des Artemon, ihr Charakter und ihre Fälschung der heiligen Schriften.


. Einer dieser Männer verfaßte gegen die Häresie des Artemon, welche in unserer Zeit Paulus von Samosata zu erneuern suchte, eine Schrift,649 in der eine Erzählung überliefert wird, die für unser Thema von Bedeutung ist. Die Schrift weist nach, daß die erwähnte Häresie, welche lehrt, der Erlöser sei ein bloßer Mensch gewesen, erst vor kurzem entstanden ist, während ihre Stifter ihr ein hohes Alter nachrühmen wollten. Nachdem sie zur Widerlegung ihrer infamen Lüge verschiedenes andere vorgebracht, erzählt sie wörtlich: „Sie behaupten nämlich, daß alle früheren Christen und auch die Apostel das empfangen und gelehrt hätten, was (die Häretiker) nun lehren, und daß bis zur Zeit Viktors, der nach Petrus der 13. Bischof in Rom war, die wahre [[@Page:258]] Lehre sich unverfälscht erhalten habe. Erst von dessen Nachfolger Zephyrin an sei die Wahrheit verfälscht worden. Diese Behauptung könnte man vielleicht noch glauben, wenn nicht schon die göttlichen Schriften ihr entgegenstünden. Es existieren aber auch noch Schriften von Brüdern, welche über die Zeit Viktors hinaufreichen und die diese sowohl gegen die Heiden als auch gegen die damaligen Häresien zugunsten der Wahrheit geschrieben haben. Ich meine die Schriften von Justin, Miltiades, Tatian, Klemens und vielen anderen, worin überall die Gottheit Christi gelehrt wird. Wer kennt nicht die Schriften des Irenäus, Melito und der übrigen, welche verkünden, daß Christus Gott und Mensch ist? Wie viele Psalmen und Lieder, die von Anfang an von gläubigen Brüdern geschrieben wurden, besingen Christus als das Wort Gottes und verkünden seine Gottheit! Da nun seit so vielen Jahren die kirchliche Lehre verkündet wurde, wie kann man da annehmen, daß man bis Viktor im Sinne der Häretiker gelehrt habe? Schämen sie sich denn nicht, solche Lügen gegen Viktor auszusagen, der doch, wie sie genau wissen, den Schuster Theodot, den Urheber und Vater dieser abtrünnigen, Gott leugnenden Bewegung, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen hatte, weil er als erster Christus einen bloßen Menschen nannte? Hatte Viktor, wie sie vorgeben, ihrer gotteslästerlichen Lehre entsprechend gedacht, wie hätte er Theodot, den Urheber dieser Häresie, exkommunizieren können?“ Soviel über Viktor. Nachdem dieser zehn Jahre regiert hatte, wurde Zephyrin etwa im zehnten Jahre der Regierung des Severus sein Nachfolger. Der Verfasser des erwähnten Buches über den Urheber der genannten Häresie gibt auch noch einen Bericht über ein Ereignis unter Zephyrin. Er schreibt wörtlich: „Ich will nun viele meiner Brüder an ein bei uns vorgefallenes Ereignis erinnern, von welchem ich glaube, daß es, wenn es in Sodoma geschehen wäre, selbst dessen Bewohner verwarnt hätte. Es lebte, nicht [[@Page:259]] vor langer Zeit, sondern in unseren Tagen ein Bekenner Natalius.650 Dieser hatte sich einst von Asklepiodot und einem anderen Manne namens Theodot, einem Geldwechsler, verführen lassen. Diese beiden aber waren Schüler des Schusters Theodot, welcher von Viktor, der, wie gesagt, damals Bischof war, dieser Meinung oder vielmehr dieser Torheit wegen als erster von der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Sie überredeten Natalius, daß er sich gegen Besoldung von monatlich 170 Denaren zum Bischof dieser Häresie ernennen lasse. Nachdem er sich so ihnen angeschlossen hatte, wurde er wiederholt vom Herrn in Gesichten gewarnt. Denn unser gütiger Gott und Herr Jesus Christus wollte nicht, daß ein Zeuge seiner eigenen Leiden außerhalb der Kirche lebe und zugrunde gehe. Da Natalius, durch die Würde des Vorsitzenden und durch die die meisten verderbende Gewinnsucht berückt, jene Gesichte wenig beachtete, wurde er schließlich von heiligen Engeln die ganze Nacht hindurch gegeißelt und heftig gepeinigt, so daß er sich, als er am Morgen aufgestanden war, mit einem Sacke bekleidet und mit Asche bestreut, eiligst unter Tränen dem Bischof Zephyrin zu Füßen warf. Nicht nur vor dem Klerus, sondern auch vor den Laien fiel er nieder und erweichte durch seine Tränen die gütige Kirche des barmherzigen Christus. Nach vielen Bitten und nach Vorzeigung der Striemen, welche ihm die Geißelung verursacht hatte, wurde er unter sorgfältiger Prüfung in die Gemeinschaft aufgenommen.“ Diesen Worten wollen wir noch andere Bemerkungen des gleichen Schriftstellers über dieselben Häretiker beifügen. Sie lauten: „Sie haben die göttlichen Schriften ohne Scheu verfälscht, die Richtschnur des alten Glaubens aufgehoben und Christus verleugnet. Sie fragen nicht, was die heiligen [[@Page:260]] Schriften sagen, sondern mühen sich eifrig ab, logische Schlüsse zu finden, um ihre Gottlosigkeit zu begründen. Wenn ihnen jemand ein Wort der göttlichen Schrift vorhält, dann forschen sie darüber, ob dasselbe gestatte, den konjunktiven oder den disjunktiven Schluß anzuwenden. Unter Verachtung der heiligen Schriften Gottes beschäftigen sie sich mit Geometrie; denn sie sind Erdenmenschen, sie reden irdisch und kennen den nicht, der von oben kommt. Eifrig studieren sie die Geometrie Euklids. Sie bewundern Aristoteles und Theophrast. Galen gar wird von einigen billig angebetet. Soll ich es noch eigens vermerken, daß die, welche die Wissenschaften der Ungläubigen brauchen, um ihre Häresie zu beweisen, und den kindlichen Glauben der göttlichen Schriften mit der Schlauheit der Gottlosen fälschen, mit dem Glauben nichts zu tun haben? Und so legten sie an die göttlichen Schriften keck ihre Hände und gaben vor, sie hätten dieselben verbessert. Daß ich hiermit nicht falsch über sie berichte, davon kann sich jeder, der will, überzeugen. Wenn nämlich jemand die Abschriften eines jeden von ihnen sammeln und miteinander vergleichen wollte, würde er finden, daß sie vielfach nicht übereinstimmen. So stehen die Abschriften des Asklepiades nicht im Einklang mit denen des Theodot. Zahlreich sind die Beispiele, die sich aufweisen lassen; denn ihre Schüler haben mit großem Fleiß das aufgeschrieben, was jeder von ihnen, wie sie selbst sagen, verbessert, in der Tat aber verfälscht hatte. Mit diesen Abschriften stimmen wiederum nicht überein die des Hermophilus. Ja die Abschriften des Apolloniades stimmen nicht einmal unter sich selbst überein. Man darf nur die früher hergestellten mit denen vergleichen, welche sie später umgemodelt haben, und man wird finden, daß sie stark voneinander abweichen. Wie vermessen ein solches Vergehen ist, müssen sie wohl auch selbst erkennen. Entweder glauben sie nicht, daß die göttlichen Schriften vom Heiligen Geiste diktiert sind, entweder sind sie also [[@Page:261]] ungläubig oder sie halten sich selbst für weiser als den Heiligem Geist. Und was bedeutet dies anders denn Verrücktheit? Sie können nämlich nicht leugnen, daß diese Verwegenheit ihre eigene Tat ist, da ja die Abschriften von ihrer Hand gefertigt sind. Von ihren (christlichen) Lehrern haben sie solche Schriften nicht erhalten und sie können keine Abschriften vorweisen, die die Vorlage für ihre Texte bildeten. Einige von ihnen haben sich nicht einmal bemüht, die Schriften zu fälschen, sondern haben kurzweg das Gesetz und die Propheten geleugnet und sind unter dem Vorwand, für die Gnade einzutreten, durch ihre gesetzlose und gottlose Lehre in den tiefsten Abgrund des Verderbens gestürzt worden.“ Soviel hierüber. [[@Page:262]]

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