Plekos 12,2010,115–128 –http://www.plekos.uni-muenchen.de/2010/f-konstantin.pdf
115
Konstantin und seine Zeit
Mit der nachstehenden Sammelrezension werden Arbeiten angezeigt, die der Plekos-
Redaktion zur Besprechung zugesandt wurden, aber nicht in einer ausf¨
uhrlicheren
Einzelrezension vorgestellt werden konnten.
Eusebius von Caesarea: De vita Constantini – ¨
Uber das Leben Kon-
stantins. Eingeleitet von Bruno Bleckmann, ¨
ubersetzt und kommen-
tiert von Horst Schneider. Turnhout: Brepols 2007 (Fontes Christia-
ni 83). 548 S. EUR 46.64.
Die Lebensbeschreibung Konstantins, die Eusebius, Bischof von Caesarea, nach
dessen Tode verfaßte, ist mit Sicherheit die wichtigste literarische Quelle f¨
ur das
Leben des Kaisers und die Geschichte seiner Zeit.
1
Bruno Bleckmann, durch ei-
ne stattliche Reihe von Einzeluntersuchungen zu Konstantin und seiner Zeit be-
kannt geworden,
2
behandelt in der ausf¨
uhrlichen Einleitung (S. 7–106) zun¨
achst
unter dem Thema
”
Die Konstantinische Wende und die Bedeutung der Vita
Constantini“ in der erzwungenen K¨
urze die grunds¨
atzliche Problematik der
tendenziellen Darstellung des Eusebius und ihre kontroverse Beurteilung in der
j¨
ungsten Forschung sowie die Editions-Situation der Vita.
3
Mit w¨
unschenswer-
ter Klarheit konstatiert Bleckmann, daß trotz der intensiven althistorischen
und religionsgeschichtlichen Forschung zur sog.
”
Konstantinischen Wende“ die
Urteile dar¨
uber wie auch ¨
uber den Autor Eusebius sich in einer
”
extremen
Bandbreite“ (S. 9) bewegen. Der n¨
achste Abschnitt geht kurz auf die in der
fr¨
uheren Forschung teilweise angezweifelte Verfasserschaft des Eusebius ein und
zeigt, daß diese ¨
Uberlegungen heute als erledigt gelten k¨
onnen. Leben und Werk
des hochgebildeten und produktiven Bischofs von Caesarea, insbesondere sei-
ne Beziehungen zu Konstantin, werden knapp dargestellt. Relativ ausf¨
uhrlich
(S. 14–26) wird der Inhalt der Vita wiedergegeben. Wie bei einer Vielzahl kai-
serzeitlicher Texte stellt sich auch hier die Frage nach der Gattung, ist doch
die Mischung und Transformation der klassischen Literaturgattungen ein Cha-
rakteristikum der sp¨
atantiken Literatur (betont S. 33). In der Vita vereini-
gen sich jedoch nicht nur
”
Biographie, Geschichtserz¨
ahlung und Panegyricus“
(S. 28), sondern ebenso Elemente des Hymnus, gipfelnd im letzten Kapitel.
Auch als F¨
urstenspiegel kann die Vita auf weite Strecken gelesen werden.
W¨
ahrend jedoch Bleckmann die Darstellung des Lebens Konstantins
”
als Mo-
dell eines idealen Christen und eines idealen christlichen Herrschers“ in der
1 Vgl. auch die Rezension von Stefan Rebenich, HZ 291, 2010, 487–488.
2 Einen Abschnitt aus seiner Konstantin-Monographie enth¨
alt der unten bespro-
chene Sammelband von H. Schlange-Sch¨
oningen.
3 Zu der kurz zuvor im gleichen Jahr erschienenen ¨
Ubersetzung von Paul Dr¨
ager
vgl. die Besprechung von J. N. Dillon, Bryn Mawr Classical Review 2007.07.57.
116
Joachim Gruber
Nachfolge von Schwarz als Vorbild f¨
ur dessen S¨
ohne versteht, sieht Hadot (RAC
VIII 615) den Text so umgeformt,
”
daß nunmehr Christus das konkrete Vorbild
des K¨
onigs ist u. daß das christliche Kaisertum als Verwirklichung der Herr-
schaft Christi ¨
uber die Erde erscheint.“
4
Eusebius f¨
uhrt damit die in seiner
Tricennalien-Rede dargelegten Grundgedanken weiter (dazu Hadot, RAC VIII
614 f.). Beide Aspekte des christlichen F¨
urstenspiegels sollten f¨
ur das Selbst-
verst¨
andnis des Kaisertums von nicht zu ¨
ubersch¨
atzender Bedeutung werden,
5
auch wenn die Rezeption der Vita Constantini eher schmal ist (S. 96) und
Eusebius nicht als Begr¨
under
”
byzantinisch-caesaropapistischer Hoftheologie“
(S. 106) verstanden wird. Das Kapitel ¨
uber die Quellen der Vita besch¨
aftigt
sich besonders mit deren Echtheit, die im wesentlichen außer Frage steht. Dabei
wird auch die vermutete Abh¨
angigkeit der Vita von Praxagoras und Libanios
diskutiert (S. 38–47).
Die zweite H¨
alfte der Einleitung,
”
das Bild Konstantins in der Vita Con-
stantini“ bespricht zun¨
achst die Geschichte von der Tetrarchie bis zur Herr-
schafts¨
ubernahme Konstantins. Die besch¨
onigende Darstellung der Usurpation
Konstantins nach dem Tod des Constantius Chlorus ist, wie die Beurteilung
des Constantius selbst, ein Musterbeispiel f¨
ur die tendenzi¨
ose und verf¨
alschen-
de Bewertung der Ereignisse durch Eusebius. Ein eigener Abschnitt ist der viel
behandelten Vision Konstantins und dem Einsatz des labarum gewidmet. Als
offizi¨
oser Bericht, der
”
urspr¨
unglich religi¨
os neutralen oder solaren Charakter
gehabt haben muß“ (S. 58), d¨
urfte er der sp¨
atkonstantinischen Zeit angeh¨
oren.
Die Kriege gegen Maxentius und Licinius sind als Religionskriege stilisiert. Die
Widerspr¨
uche in der Darstellung der Kriege gegen Licinius zwischen der Vi-
ta und anderen Quellen werden detailliert er¨
ortert. Die neue Religionspolitik,
die Konstantin nach der ¨
Uberwindung des Licinius verfolgte, wird besonders
unter dem Gesichtspunkt eines Opferverbots diskutiert. Eher knapp ist der Ab-
schnitt ¨
uber die Kirchenbaupolitik Konstantins ausgefallen, was an der durch
Eusebius vorgegebenen Gewichtung liegt, der sich vor allem mit den Kirchen
Pal¨
astinas besch¨
aftigt. Daran schließt sich ein kurzes Kapitel ¨
uber die inner-
kirchlichen Maßnahmen, insbesondere das Konzil von Nicaea, an. Es folgt
”
Tod
und Bestattung“. Das letzte Kapitel ist der
”
politischen Theologie“ des Euse-
bius gewidmet.
Der Text folgt der Ausgabe von Friedhelm Winkelmann, Berlin
2
1991 (Grie-
chische Christliche Schriftsteller), dem eine
”
zeitgem¨
aßere deutsche ¨
Uberset-
zung“
(sc. als die von Pf¨
attisch 1913
6
)
beigegeben ist.
Weitere
Aussagen
4 Der typologische Bezug zur Gestalt des Moses ist dabei von besonderer Bedeu-
tung (S. 101–104).
5 Bespielshalber sei verwiesen auf Ernst H. Kantorowicz: The King’s Two Bodies. A
Study in Mediaeval Political Theory. Princeton
2
1966, deutsch: Die zwei K¨
orper
des K¨
onigs. M¨
unchen 1990.
6 Sie wird S. 10 als
”
stellenweise unangemessen frei und schw¨
ulstig“ charakterisiert.
Konstantin und seine Zeit
117
des ¨
Ubersetzers ¨
uber die Prinzipien seiner ¨
Ubersetzung sucht man vergeblich.
Und dennoch w¨
aren einige Bemerkungen angemessen gewesen. Ist doch der
panegyrische Stil des Eusebius mit seinen langen Perioden, seiner gesuchten
und pointierten Wortstellung, seiner Bildlichkeit und seiner geradezu barock
anmutenden F¨
ulle des Ausdrucks eine Herausforderung f¨
ur jeden modernen
¨
Ubersetzer.
7
Will er nicht nur mehr oder weniger genau den Sinn des Origi-
nals wiedergeben, sondern auch etwas von dieser Sprachgewalt vermitteln, dann
muß er sich auf das Wagnis einlassen, einen deutschen Text zu erstellen, der
den originalen Sprachductus durchscheinen l¨
aßt. Aber offensichtlich hat sich der
¨
Ubersetzer daf¨
ur entschieden, dem modernen Leser mit einer glatten Eindeut-
schung
8
entgegenzukommen: Langen Perioden, von Eusebius in der Regel durch
Paralellismen und Antithesen sorgf¨
altig strukturiert, werden aufgeteilt
9
, wobei
auch Beziehungen ver¨
andert werden k¨
onnen
10
oder sich zumindest Unsch¨
arfe
einschleicht
11
und in sich stimmige Bildlichkeit gest¨
ort wird.
12
Sp¨
atere Zus¨
atze
zum Text sind in eckigen Klammern aufgenommen, aber nicht ¨
ubersetzt. Wo
sie geh¨
auft auftreten (z. B. 1, 4, 1; 1, 7 f.), h¨
atte man sich eine kurze Erkl¨
arung
gew¨
unscht. S. 179 u. ¨
o. erscheint ¨
uberraschend das Wort οἰκουμένη im deut-
schen Kontext, S. 249 curia (ohne Erkl¨
arung), S. 289 u. ¨
o. clementia (ohne
Erkl¨
arung).
Die erkl¨
arenden Fußnoten sind von unterschiedlichem Gewicht, ausf¨
uhrlich
z. B. S. 279 Anm. 138 zum Begriff
”
Dreifuß“, S. 434 Anm. 301 zu den paganen
Kulten, S. 438 Anm. 306 zum Begriff
”
Philosophie“. Nicht selten wird man
allerdings auf den Kommentar von Cameron/Hall, Oxford 1999 verwiesen oder
7 Gelegentlich wird explizit darauf verwiesen, z. B. S. 368 Anm. 232.
8 Aber selbst dann sind Formulierungen wie
”
in keinster Weise“ (2, 3, 1) unange-
bracht. Zweifelhaft auch, ob man Helenas urspr¨
unglichen Beruf als
”
Barfrau“
bezeichnen sollte (S. 366 Anm. 230). Sie war stabularia, d. h. Gastwirtin in einer
Poststation mit Pferdewechsel.
9 Beispiele: 1, 3, 2, Original 2 S¨
atze, ¨
Ubers. 6 S¨
atze. 1, 4, 2 wird die Periode durch
Seitenumbruch und Einr¨
uckung unterbrochen; 2, 4, 2 f. ¨
ahnlich.
10 Beispiel: 2, 1, 1
âxptwn bezieht sich auf Licinius, nicht auf seine Vorg¨anger;
11 Beispiel: 2, 1, 1
”
manche . . . manche “ (recte: die einen . . . die andern, teils
. . . teils; 2, 2, 3
ka`ı plin . . . ka`ı plin
”
und erneut“; 2, 3, 1
sterìc hart (nicht:
stark); 2, 52, 1 unverst¨
andlich: Gemeint ist, daß die Besonnenheit angesichts des
Blutrausches der B¨
urger keine Rolle mehr spielte; Elative ¨
ofters mit deutschen
Superlativen wiedergegeben.
12 Beispiel: 1, 3, 3 (Gott)
t prwtìleia t˜wn âpjlwn ânjènde proarrabwnÐzetai
”
Gott
gibt hier einen Vorgeschmack von den Erstlingsgaben der Siegespreise“ – n¨
aher
am Text: Gott gibt hier (bereits) einen Vorschuß, eine Anzahlung, auf die (zu
erwartenden) Siegespreise. Das seltene Verbum
proarrabwnÐzw bedeutet konkret
”
eine Anzahlung leisten“ und ist mit
prwtìleia,
”
vorhergehendes Opfer“ zu ver-
binden.
118
Joachim Gruber
einfach auf Nachschlagewerke. Ein Anhang mit Abk¨
urzungen, Bibliographie
und n¨
utzlichen Registern beschließt den typographisch ansprechenden Band,
der einen bequemen Zugang zu diesem wichtigen Text bietet, aber die Ausgabe
von Winkelmann nicht ersetzt.
Im einzelnen: S. 126 Anm. 29 ¨
uberzeugt wohl kaum die Formulierung, Constanti-
us werde nur
”
als frommer paganer Monotheist beschrieben“, in Hinblick auf die
Darstellung in 1, 17, 2, 1, 22, 2 Ende und 1, 27, 2 Ende u. ¨
o. Begriffe wie
”
Hypaspisten“
(2, 5, 1),
”
Akolythen“ (3, 8),
”
Somatophylaken“ (4, 18, 1, erst S. 470 erkl¨
art, fehlt im
Register) m¨
ußten f¨
ur den gedachten Leserkreis erl¨
autert werden, der auch mit einer
”
¨
Ubersetzung“ S. 353
”
mein Freund, der die Funktionen der Eparchoi lamprotatoi (Sc.
praefecti illustrissimi) wahrnimmt“ trotz der Anmerkung (274)
”
DRACILLIANUS
war vicarius Orientis im Range eines Illustris“ wohl wenig anfangen kann. Warum
gelegentlich w¨
ortlich ¨
ubersetzte griechische Begriffe im Kontext der deutschen ¨
Uber-
setzung wiederholt werden (S. 431) ist unverst¨
andlich.
Beobachtete Errata: S. 30
âpitedeÔmata (recte: âpithdeÔmata); S. 32 ÊstorÐa (recte:
ÉstorÐa); S. 69, 3. Z. v. o.
”
Nach Gr´
egoire stellt Konstantin . . . “ (recte: Eusebius);
S. 71 Anm. 350, 2. Z. v. u. congruer (recte: congruere); S. 150 (1, 8, 1)
S. 158 Anm. 25
”
ein beredetes Zeugnis“ (recte: beredtes); S. 232
prosqwre˜in ohne
Spatium; S. 283 (55, 1)
”
oh Herrscher“ (recte: o H.), ¨
ahnlich 2, 68, 1, S. 395 1. Z. u. ¨
o.;
S. 388 Anm. 256
âpaleÐyw (recte: âpaleÐfw); S. 332 (3, 18, 3) ist der Text gest¨ort
(recte:
timi¸tatoi. êsti . . . ); S. 344 (3, 26, 2) katakrÔptousin ohne Spatium, ebenso
S. 352 Z. 20
lakwnarÐa. S. 354 Anm. 219 recte: Bordeaux; S. 398 Anm. 262 kribeÐa
(recte:
krÐbeia); S. 422 Anm. 290 pìlla (recte: poll); S. 423 (4, 10, 2)
”
um des Nut-
zen willens“; S. 459 (4, 41, 4)
æmìnoia (recte: åmìnoia), ebenso 4, 42, 1. Der Text der
Anmerkungen wirkt durch den h¨
aufigen Wechsel von Kapit¨
alchen und Kursive mit
Normalschrift ¨
außerst unruhig.
Oliver Schmitt: Constantin der Große (275–337). Leben und Herr-
schaft. Stuttgart: W. Kohlhammer 2007 (Urban Taschenb¨
ucher 594).
320 S., 2 Karten, 6 Abb. EUR 19.00. ISBN 978-3-17-018307-0.
Die hier vorgelegte Monographie erhebt keinen geringeren Anspruch als
”
die
Gestalt Constantins in einem neuen Lichte zu sehen und zu interpretieren“ (S.
5). Bereits in der Einleitung, die einen gut informierenden ¨
Uberblick ¨
uber die
Quellen zu Konstantin gibt, deutet Schmitt seine besondere Ponderierung an:
Er steht der wiederholt vertretenen Auffassung von einer
”
Bekehrung“ Kon-
stantins kritisch gegen¨
uber ebenso wie einer Usurpation im Jahre 306.
Die Darstellung beginnt weit ausholend mit den beiden Kapiteln
”
Der Weg
in die Krise: Kaisertum und Kaiserreich von Augustus bis Numerian“ (S. 21–
Konstantin und seine Zeit
119
58) und
”
Diocletian und die Tetrarchie: Das r¨
omische Reich als Sanierungsfall“
(S. 59–83). Der Leser erh¨
alt darin einen ¨
Uberblick nicht nur ¨
uber die Ereignisge-
schichte der Kaiserzeit bis zur Tetrarchie, sondern auch ¨
uber die wirtschaftliche
Entwicklung des Imperiums, ¨
uber die politischen Institutionen und die Rolle
der Religionen (mit bemerkenswerter Zur¨
uckhaltung gegen¨
uber den Zeugnis-
sen zum Leben Jesu), wobei die Ausbreitung des Christentums besonders aus
seinem
”
System der sozialen Sicherung“ erkl¨
art wird (S. 50).
Die folgenden drei Kapitel schildern Jugend und Werdegang Konstantins
bis zur Alleinherrschaft nach dem Tod des Licinius. Was die religi¨
ose Haltung
in seiner Jugend betrifft, so
”
ist davon auszugehen, dass er die christenfeind-
liche Politik des Diocletian und sp¨
ater des Galerius mittrug“ (S. 93). Was
den Beginn der Regierung Konstantins betrifft, so folgt Schmitt der Aussage
des anonymen Panegyrikers vom Jahre 307, der anders als Eusebius nur den
Caesar-Titel bezeugt (S. 104) und somit die Erhebung Konstantins durchaus in
den Rahmen der tetrarchischen Ordnung einf¨
ugt, die erst durch die Ernennung
des Licinius zum Augustus durchbrochen wurde (S. 122). Gleichfalls im Detail
wird die Erhebung des Maxentius und die Auseinandersetzung zwischen ihm
und Constantin besprochen, insbesondere Constantins Zug durch Italien und
die Entscheidungsschlacht an der Milvischen Br¨
ucke. Dabei diskutiert Schmitt
ausf¨
uhrlich und ¨
uberzeugend die Kr¨
afteverh¨
altnisse der beiden Kontrahenten.
Die Ursachen f¨
ur das Ende der tetrarchischen Ordnung sieht er allerdings nicht
bei Konstantin und Maxentius, sondern bei Maximian und Galerius (S. 167).
Von besonderem Interesse sind seit jeher die Berichte ¨
uber eine Bekehrung
Konstantins vor oder w¨
ahrend der Schlacht. Den ¨
Uberlegungen Bleickens (vgl.
unten S. 121) folgend und unter Einbeziehung der Nachrichten ¨
uber Konstan-
tins fr¨
uhere religi¨
ose Erfahrungen wie die Vision im Apollotempel und seine
Verehrung des Sol konstatiert Schmitt (S. 161),
”
dass der Sieg ¨
uber Maxenti-
us mit einer Bekehrung Constantins zum Christentum urspr¨
unglich nicht das
Mindeste zu tun hatte“.
Die Ereignisgeschichte wird im 5. Kapitel mit dem Kampf gegen Licinius um
die Alleinherrschaft fortgef¨
uhrt. Die Ann¨
aherung Konstantins an das Christen-
tum wird f¨
ur die Zeit bis 321 vor dem Hintergrund des fortbestehenden Son-
nenkults anders als z. B. bei Bringmann eher zur¨
uckhaltend beurteilt, w¨
ahrend
bei Licinius dessen Christenfeindlichkeit offensichtlich aus dem Gegensatz ge-
gen Konstantin zu erkl¨
aren sei (S. 199). Der
”
Zeit der Alleinherrschaft“ ist das
6. Kapitel gewidmet, in dem Fragen der Reichsorganisation (Wiederaufbau der
Armee, Problem des Arianismus), der Ausbau Konstantinopels, die Reform der
Reichsverteidigung und der Organisation des Hofes, die Steuerpolitik und die
Einf¨
uhrung des Solidus sowie die gesetzgeberische T¨
atigkeit besprochen wer-
den. Die Ermordung des Crispus und der Fausta wird im Zusammenhang mit
der Nachfolgefrage der vier Konstantin-S¨
ohne gesehen. die in diesen Jahren
zu beobachtende st¨
arkere Hinwendung Konstantins zum Christentum, beson-
120
Joachim Gruber
ders zu den Arianern, beurteilt Schmitt so (S. 258):
”
Es f¨
uhrt kein Weg an
der Erkenntnis vorbei, dass Constantin an der christlichen Lehre nur insoweit
pers¨
onlich interessiert war, wie sie seinem eigenen G¨
ottlichkeitsanspruch ent-
gegen kam, bezeihungsweise diesen zu unterst¨
utzen schien.“
Konstantins Gottmenschentum f¨
uhrt wie selbstverst¨
andlich in das weite Ge-
biet der Alexanderimitatio in der Sp¨
atantike. Daher ist auch das letzte Kapitel
”
Auf Alexanders Spuren“ ¨
uberschrieben. Der geplante große Feldzug in den
Osten gegen das neupersische Reich sollte Konstantin als victor omnium genti-
um erscheinen lassen.
”
Ruhm- und Grossmannssucht“ sieht Schmitt daf¨
ur als
Motiv (S. 262), das auch in der Anordnung der 13 Sarkophage in der Apo-
stelkirche zum Ausdruck kommt.
13
Das ¨
uberraschende Ableben des Kaisers
verhinderte diese letzten Pl¨
ane, unter Blutvergießen etablierte sich die Herr-
schaft der Konstantin-S¨
ohne. Bis zum Ende Julians wird die Ereignisgeschichte
knapp verfolgt.
Die Bedeutung Konstantins sieht Schmitt v. a. in der Außenpolitik, in der
Heeresreform und der Organisation des Hofes. Doch das w¨
urde nicht ausrei-
chen, ihm das Attribut
”
der Große“ beizulegen, das ihm vielleicht schon sein
Biograph Proxagoras verlieh (S. 261).
”
Groß“ wurde er im Urteil der christli-
chen Nachwelt, weil er es dieser Religion erm¨
oglichte, in einer genuin toleranten
Umwelt ihre Intoleranz auszuleben.
14
Den Grund dazu sieht Schmitt nicht in ei-
ner besonders tiefen Einsicht Konstantins in die christlichen Glaubenslehren,
15
sondern in einer in dieser Hinsicht geistigen Beschr¨
anktheit.
”
Gerade in diesem
intellektuellen Defizit liegt die wesentliche Ursache daf¨
ur, dass Constantin der
christlichen Kirche auf den Leim ging“ (S. 280).
Ein Verzeichnis ausgew¨
ahlter Literatur beschließt den fl¨
ussig, manchmal
auch salopp geschriebenen Band, der ganz offensichtlich dem Geiste der Auf-
kl¨
arung und den Positionen Gibbons und Burckhardts verpflichtet ist. Aber
diese Aspekte des Nachlebens werden ebenso ausgeklammert wie der Bezug
sp¨
aterer Herrscher auf Konstantin oder die
”
Konstantinische Schenkung“. Lei-
der fehlt ein Namen- und Sachregister, das den reichen Inhalt, der durch An-
merkungen gut dokumentiert ist, noch besser erschlossen h¨
atte.
Errata: S. 120 u. ¨
o.
”
Intermana“ (recte: Interamna); S. 127 und 129 recte: Carn-
untum; S. 217 recte: aurum tironicum; S. 294 Anm. 60 recte: appellatione; Karte 1
recte: Augusta Taurinorum, Ariminum, Ocriculum, Sinus Ligusticus.
13 Schmitt greift dabei auf die unten S. 124 besprochene Interpretation von Stephan
Rebenich zur¨
uck, ohne die Arbeit direkt zu erw¨
ahnen.
14 Die Intoleranz des als religio licita anerkannten Christentums wird auch von
Bleicken (siehe unten S. 121) S. 85 hervorgehoben.
15
¨
Ahnlich im folgenden Sammelband die Belege bei Lehmeier/Gottlieb S. 164. Da-
gegen konstatiert ibid. Bringmann S. 120, daß Konstantin sich bereits seit 313
”
pers¨
onlich mit dem Katholizismus identifizierte“.
Konstantin und seine Zeit
121
Heinrich Schlange-Sch¨
oningen (Hrsg.): Konstantin und das Chri-
stentum. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007. 264
S. EUR 39.90. ISBN 978-3-534-20778-7.
Der Sammelband vereinigt wichtige neuere deutschsprachige Beitr¨
age der Kon-
stantinforschung.
16
Er beginnt mit einer knappen ¨
Ubersicht des Herausgebers
zu
”
Konstantin der Große in der althistorischen Forschung“ (S. 8–18), in dem
auch die vorgelegten Beitr¨
age in den Forschungskontext eingeordnet werden.
Ein Auszug aus Bruno Bleckmanns verbreiteter Konstantin-Monographie zeigt
verschiedene Aspekte der Beurteilung Konstantins in der sp¨
atantiken Literatur
und f¨
uhrt summarisch in seine Vita ein.
Unter der ¨
Uberschrift
”
312 n. Chr. – Das Jahr der Wende?“ werden 4 Bei-
tr¨
age vereinigt, die das wohl am meisten diskutierte Problem nicht nur der Vita,
sondern der Epoche beleuchten. Aus der Monographie von Thomas Gr¨
unewald,
Constantinus Maximus Augustus, Herrschaftspropaganda in der zeitgen¨
ossi-
schen ¨
Uberlieferung, Stuttgart 1990, behandelt das Kapitel
”
Herrscher ¨
uber
Italien und Africa (312–316)“ die ersten Jahre nach dem Sieg ¨
uber Maxentius.
Im Mittelpunkt stehen neben der Inschrift des Konstantinsbogens die beiden
Panegyrici von 313 und 321. Erl¨
autert werden insbesondere die Begriffe tyran-
nus, clementia, bellum iustum und Triumph. Zur Bezeichnung des Maxentius
wurde tyrannus
”
in den constantinischen Propagandab¨
uros entworfen “(S. 39),
clementia kn¨
upft an die clementia Caesaris an. Die Formulierung der Inschrift,
Konstantin habe auch instinctu divinitatis den Sieg ¨
uber Maxentius errungen,
deutet Gr¨
unewald geradezu apodiktisch auf eine bereits damals erfolgte Be-
kehrung Konstantins (S. 47). Nur m¨
uhsam l¨
aßt sich diese Feststellung mit den
bis in die 320er Jahre hinein belegten M¨
unzlegenden zum paganen Sol invictus
vereinbaren, die ja mit Sicherheit nicht gegen den Willen des Kaisers gepr¨
agt
wurden. Als Erkl¨
arung wird Konstantins tolerante Haltung bem¨
uht.
Schon zwei Jahre sp¨
ater hat Jochen Bleicken diese Position in seinem eben-
falls reichlich dokumentierten Beitrag
”
Constantin der Große und die Chri-
sten“ (M¨
unchen 1992), der hier in Ausz¨
ugen wieder vorgelegt wird, gr¨
undlich
revidiert. Er sieht die Trendwende von 313 im Verh¨
altnis zu den Christen in
den besonderen Verh¨
altnissen im Osten und in der Person des Licinius, der
im Kampf gegen Maximinus die Christen auf seine Seite ziehen wollte. Eine
solche Situation bestand f¨
ur Konstatnin nicht und auch f¨
ur die Zeit nach dem
Sieg ¨
uber Maxentius fehlen
”
Zeichen seiner christlichen Gesinnung“ (S. 77). In
seiner Haltung gegen¨
uber den dogmatischen Streitigkeiten in Afrika zeigt sich
Konstantin als ein
”
gegen¨
uber den Christen offener Herrscher“ (S. 83), Lici-
16 Der Wiederabdruck der Aufs¨
atze ist leider nicht frei von Druckfehlern (z. B. S.
117, 120, 225, 227, 228 recte: den fait accompli ; L¨
ucke S. 143). Die Unterdr¨
uckung
der Originalpaginierung ist ebenso ¨
argerlich wie das Fehlen von Indices.
122
Joachim Gruber
nius dagegen ging auf Distanz gegen¨
uber den Anh¨
angern der jetzt als religio
licita anerkannten Religionsgemeinschaft. Nicht schon 312/13, sondern im Zu-
sammenhang mit der Vorbereitung des Krieges gegen Licinius, der nicht als
Religionskrieg zu bewerten ist, sieht Bleicken bei Konstantin den entscheiden-
den religionspolitischen Einschnitt (S. 88), aber Konstantin
”
stand nicht in der
Kirche, sondern ¨
uber ihr“ (S. 90).
Auf Jochen Bleicken hat wiederum Klaus Bringmann mit seinem Aufsatz
”
Die
konstantinische Wende“ (S. 109–132) geantwortet. Er bezweifelt die bedeutende
Rolle der Machtpolitik im Verh¨
altnis Konstantins zum Christentum und ver-
weist auf die auch im Osten noch zahlenm¨
aßig starke Vertretung der Anh¨
anger
der alten Kulte in Armee und Verwaltung auch bis nach 324. Schon unmittel-
bar nach 312/13 sieht Bringmann bei Konstantin eine Identifizierung mit dem
Christentum und den Willen,
”
der neuen Religion den Rang einer r¨
omischen
Staatsreligion beizumessen“ (S. 116). Beleg f¨
ur die anf¨
angliche Vermengung von
heidnischem Sonnenkult und Christentum sei u. a. das viel besprochene Silber-
medaillon von Ticinum (315 n. Chr.), das – anders als von Bleicken beurteilt –
nur durch kaiserliche Autorisierung erkl¨
arbar sei (S. 118) oder Formulierungen
kaiserlicher Schreiben im Donatistenstreit, von Bleicken S. 81 als n¨
uchtern und
distanziert beurteilt.
17
W¨
ahrend Bringmann dezidiert auf eine Bewertung der Visionsberichte nicht
eingeht, stellt diese Pedro Barcel´
o in den Mittelpunkt seiner Betrachtung
”
Con-
stantins Visionen: Zwischen Apollo und Christus“ (S. 133–149). Herkules, Mars,
der Sonnengott Apollo und der verg¨
ottlichte Ahnherr Claudius sind bis 310 die
Gottheiten, die von Konstantin
”
als Garanten und Protektoren seines Kaiser-
tums“ aufgeboten worden waren (S. 139). 312 trat der Gott der Christen dazu
und wurde zum Schlachtenhelfer.
”
Die Protektion, die Constantin vom Gott
der Christen erfuhr, und die er jenem wiederum gew¨
ahrte, erm¨
oglichte seine
Eingliederung in die r¨
omische Welt. Dessen Ausschließlichkeitsanspruch korre-
spondierte mit dem Anspruch Constantins auf die Gesamtherrschaft“ (S. 142).
Der 1994 erschienene Beitrag von Eva Lehmeier und G¨
unther Gottlieb
”
Kai-
ser Konstantin und die Kirche“ (S. 150–170) gibt zun¨
achst einen ¨
Uberblick
¨
uber fr¨
uhere Forschungspositionen. Entsprechend der von Barcel´
o vertretenen
17 Auch Schmitt S. 190 spricht von der
”
Distanz des Kaisers zu Inhalten des christ-
lichen Glaubens“ und behauptet, daß von Christus nirgends die Rede ist, was
aber durch die Belege bei Bringmann S. 120 widerlegt wird. Gerade diese Beispie-
le zeigen, wie ohne Zuwachs neuer Zeugnisse (die auch kaum zu erwarten sind)
sich die Diskussion seit Jahrzehnten im Kreise dreht, wobei die noch weiter an-
wachsende Literaturf¨
ulle allein zum Thema
”
Konstantin“ auch von Spezialisten
schlichtweg nicht mehr zu ¨
uberschauen ist; vgl. Barcel´
o S. 145 Anm. 2.
Konstantin und seine Zeit
123
Position wird die Haltung Kosntantins gegen¨
uber den Christen nach 312 so
interpretiert:
”
Nach seinem Sieg war er deshalb nach antiker Denkweise ver-
pflichtet, diesem Gott die gr¨
oßtm¨
ogliche Verehrung zuteil werden zu lassen.
Dazu z¨
ahlt in erster Linie die Sorge f¨
ur die Kultgemeinde dieses Gottes.“ Un-
ter diesem Aspekt werden die Schreiben Konstantins an die afrikanische Kirche
im Donatistenstreit interpretiert und als Ausdruck antiken Religionsverst¨
and-
nisses verstanden (S. 158 ff.). Auch das Ringen um eine verbindliche Definition
von Gott Vater und Gott Sohn und Konstantins Einsatz in dieser Frage ent-
springt der Sorge um den rechtm¨
aßigen Kult (S. 164). Die Synoden stellen ein
kaiserliches Machtinstrument dar, um die Einheit der religi¨
osen Gemeinschaft
f¨
ur den geregelten Ablauf der Kulthandlungen herzustellen.
Klaus Martin Girardet
18
widmet seinen Beitrag einem besonderen Aspekt der
Konzilsgeschichte:
”
Der Vorsitzende des Konzils von Nicaea (325) – Kaiser
Konstantin d. Gr.“ (S. 171–203). Dabei versucht er, den Verlauf des Konzils
”
aus den Verfahrensregeln des r¨
omischen Senats und anderer . . . staatlicher
Gremien“ zu rekonstruieren (S. 172). Er¨
ortert wird das munus principis, die
pers¨
onliche Verantwortung des Kaisers f¨
ur die Aus¨
ubung des wahren Kultes,
aus der sich auch das Mitwirken des Kaisers in der Rolle des Leiters des Kon-
zils mit großer Wahrscheinlichkeit erschließen l¨
aßt. Auch weisen die Zeugnisse
des Eusebius und andere Quellen, die im einzelnen interpretiert werden, in die
gleiche Richtung. Nicht Ossius, wie in der Forschung h¨
aufig behauptet, sondern
der Kaiser selbst war
”
in formal-techischem Sinne der Vorsitzende des ersten
Oikumenischen Konzils der Geschichte“, womit
”
die Christenheit zum ersten
Mal in ihrer Geschichte ein sichtbares Oberhaupt erhalten hat“ (S. 192).
Mit den beiden letzten Beitr¨
agen kommt die neue Metropole des Ostens in den
Blickpunkt. Albrecht Berger handelt ¨
uber
”
Konstantinopel, die erste christli-
che Metropole?“ (S. 204–215).
19
Entgegen der Darstellung des Eusebius war
die Konstantinsstadt zun¨
achst durch Baudenkm¨
aler gepr¨
agt, die den Sol invic-
tus verherrlichten. Daneben inszenierte sich Konstantin in seiner neuen Stadt
als Jupiter und als neuer Christus (S. 206). Die Umgestaltung in eine dezi-
diert christliche Stadt begann unter Constantius II. und wurde durch Justinian
vollendet. Betr¨
achtlich war der Zuzug neuer, ¨
uberwiegend christlicher Zuwan-
derer v. a. aus dem Osten. In den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts d¨
urfte
eine Einwohnerzahl von 180.000 erreicht worden sein (S. 212).
20
Kl¨
oster spiel-
18 Vgl. auch Klaus Martin Girardet: Die Konstantinische Wende. Voraussetzungen
und geistige Grundlagen der Religionspolitik Konstantins des Großen. Darmstadt
2006 (
2
2007); Rez. Chr. K¨
orner, Plekos 11,2009,37–42.
19 Angek¨
undigt ist vom gleichen Autor: Konstantinopel. Geschichte, Topographie,
Religion. Stuttgart 2010 (Standorte in Antike und Christentum Bd. 3).
20 Vgl. auch die ¨
Ubersicht bei P. Schreiner: Konstantinopel. M¨
unchen 2007, 70 f.,
124
Joachim Gruber
ten dagegen erst im Mittelalter eine bedeutendere Rolle, als die Gegend um die
Akropolis sich zu einem monastischen Zentrum entwickelte. In sp¨
atbyzantini-
scher Zeit wandelte sich Konstantinopel von einer
”
christlichen Metropole“ zu
einer
”
Metropole des Christentums“ (S. 213).
Auf den Begr¨
abnisort Konstantins, die Apostelkirche in Konstantinopel, rich-
tet Stefan Rebenich mit dem zuerst 2000 erschienenen, aufs beste dokumen-
tierten Aufsatz
”
Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel?“ den Blick
(S. 216–244). Nach einem ¨
Uberblick ¨
uber die Apotheose r¨
omischer Kaiser seit
Caesar wird der Unterschied zwischen den alten Formen der consecratio und der
Beisetzung Konstantins im Kreis der 12 Apostel herausgearbeitet. In ihr wird
sein Anspruch auf Christusgleichheit ebenso wie in der bekannten Konsekra-
tionsm¨
unze augenf¨
allig. Doch konnte dieses Skandalon keinen Bestand haben,
wie die weitere Entwicklung zu einem dynastischen Mausoleum zeigt. Die tra-
ditionelle Konsekration wurde
”
zu einer triumphalen Ankunft im himmlischen
Jerusalem“ (S. 229).
Zu dem seit l¨
angerer Zeit nicht nur unter Althistorikern beliebten heuristischen
Gedankenspiel
”
Was w¨
are gewesen, wenn?“
21
tr¨
agt am Ende der Sammlung die
durch ihr Studienbuch
22
zum Thema
”
Konstantin“ ausgewiesene Mannheimer
Althistorikerin Karen Piepenbrink unter dem Titel
”
Konstantin der Große –
wendet sich nicht dem Christentum zu“ ¨
Uberlegungen vor (S. 245–261; zu-
erst bei Brodersen [wie Anm. 20] 143–149). Auch sie betont die von anderen
Autoren des Bandes hervorgehobene Kontinuit¨
at in der Politik Konstantins
und res¨
umiert:
”
Trotz seiner pers¨
onlichen Konversion bewegen sich Konstan-
tins Maßnahmen vielmehr im wesentlichen im Trend seiner Zeit“. Daß damit
eine anregende Auseinandersetzung mit der Forschung verbunden ist, beweist
wiederum die Kompetenz der Autorin auf diesem Felde.
Die
”
Auswahlbibliographie zu Konstantin“ beschr¨
ankt sich auf Publikationen
der Jahre zwischen 1998 und 2007 (eine Literaturliste von 45 S., allerdings
mit Wiederholungen, befindet sich auf der dem Kataloghandbuch von De-
mandt/Engemann
23
beiliegenden CD).
nach der die Stadt in der Sp¨
atantike nie eine halbe Million Einwohner erreichte.
21 Alexander Demandt: Ungeschehene Geschichte. G¨
ottingen
2
1986; K. Brodersen
(Hrsg.): Virtuelle Antike. Wendepunkte der Alten Geschichte. Darmstadt 2000.
22 Karen Piepenbrink: Konstantin der Große und seine Zeit. Darmstadt 2002
(
2
2007,
3
2010); Rez. J. Gruber, Plekos 5, 2003, 173–177.
23 A. Demandt / J. Engemann (Hrsgg.): Konstantin der Große. Mainz am Rhein
2007; Rez. J. Gruber, Plekos 9, 2007, 145–153.
Konstantin und seine Zeit
125
Hartmut Leppin / Hauke Ziemssen: Maxentius. Der letzte Kaiser in
Rom. Mainz: Philipp von Zabern 2007. 128 S. 80 Abb. EUR 24.90.
ISBN 978-3-8053-3399-3.
W¨
ahrend dem
”
ersten christlichen Kaiser“ das uneingeschr¨
ankte Interesse der
althistorischen Forschung gilt, beschr¨
ankt sich in der Fachliteratur die histo-
rische Rolle des Maxentius h¨
aufig auf die des Gegenspielers. Umso dankbarer
wird man die opulent ausgestattete Monographie begr¨
ußen, die dem Wirken
und den Bauten dieses
”
letzten Kaisers in Rom“ gewidmet ist.
Bereits in der Einleitung wird diese
”
eigent¨
umlich schattenhafte Existenz“
des Kaisers angesprochen, der als letzter in einer 350j¨
ahrigen Tradition Rom
als sein Machtzentrum erkoren hatte. Hartmut Leppin gibt unter dem Titel
”
Maxentius – ein unzeitgem¨
aßer Kaiser“ im ersten Teil die historische Darstel-
lung, aus der heraus sich die Aneignung der r¨
omischen Tradition von Bildern
und Mythen durch den Usurpator, wie sie sich in den Bauwerken und in der
M¨
unzpr¨
agung niederschl¨
agt, zu erkl¨
aren ist. F¨
ur Rom ist unter der Tetrarchie
eine fortw¨
ahrende Minderung seines Sonderstatus festzustellen, Grund genug,
den in der N¨
ahe Roms auf seinem Landgut weilenden Maxentius zum Kaiser
auszurufen; gegen ihn scheiterte der rechtm¨
aßige Augustus Severus. Eingehen-
der wird das Verh¨
altnis zwischen Maximian und Maxentius besprochen sowie
die milit¨
arischen Aktionen der Gegner des Usurpators bis zur Entscheidung
312. Neben dem Problem die Versorgung Roms zu sichern, mußte Maxentius
sich v. a. um die Anerkennung als vollg¨
ultiger Herrscher bem¨
uhen. Die Basis
seiner Herrschaft waren die in Rom stationierten Truppen.
R¨
atselhaft bleibt nach wie vor, warum Maxentius beim Anr¨
ucken Kon-
stantins das gut gesch¨
utzte und praktisch uneinnehmbare Rom verließ und
die Entscheidung in der offenen Schlacht suchte. Kritisch bewertet Leppin die
Nachricht des Laktanz von einer innerst¨
adtischen Opposition, die Maxentius
zu diesem Schritt veranlaßte, w¨
ahrend das religi¨
ose Motiv der Befragung der
Sibyllinischen B¨
ucher wohl mehr Vertrauen verdient (S. 27).
Die christlichen Autoren sehen in Maxentius bekanntlich einen Tyrannen,
auf den alle Klischees dieses Typs zutreffen. Unbestreitbar d¨
urfte seine Sorge
f¨
ur die Bev¨
olkerung Roms sein, unklar ist dagegen das Verh¨
altnis zu den Sena-
toren. Inschriften und M¨
unzen zeigen jedoch, daß Maxentius
”
sich als Inbegriff
des R¨
omertums“ (S. 31) darstellte. Sein Verhalten gegen¨
uber den Christen war
offenbar tolerant, sodaß die Gemeinde in Rom eher gest¨
arkt wurde.
Im umfangreicheren zweiten Teil stellt Hauke Ziemssen unter dem Titel
”
Ma-
xentius und Rom – Das neue Bild der ewigen Stadt“ die auch noch f¨
ur den
heutigen Besucher erstaunliche Baut¨
atigkeit des Maxentius vor, mit der er in
seiner sechsj¨
ahrigen Regierungszeit als letzter Kaiser der Sp¨
atantike das alte
Rom bereicherte. Bereits kleinere erhaltene Spuren kaiserlicher Repr¨
asentation
126
Joachim Gruber
wie die vor der Curia aufgestellten Statuenbasen des Maxentius und seines Soh-
nes Romulus (!) zeigen durch die Erinnerung an den Gr¨
undungsmythos Roms
die Verbundenheit mit der Tradition der Stadt im Gegensatz zu den amtie-
renden Tetrarchen, f¨
ur die Rom am Rande ihrer politischen Aktionsfelder lag.
M¨
unzemissionen verdeutlichen diesen Anspruch des Maxentius im Sinne der
aeternitas Romae; die G¨
ottin Roma verleiht ihm die Herrschaft – ein durchaus
neuer Gedanke im Sinne des do ut des (S. 46 f.).
Die M¨
unzen des Maxentius mit Darstellungen des Tempels der Venus und
Roma leiten ¨
uber zur Baut¨
atigkeit des Maxentius, die von den Emissionen be-
gleitet wird. Dabei wird zun¨
achst der sog. Tempel des Romulus an der Via
sacra, in der Forschung wiederholt dem Maxentius zugewiesen, wegen seiner
ungesicherten Datierung ausgeschieden. Eingehend besprochen werden die Er-
weiterung des Palastes auf dem Palatin mit Substruktionen und einer Ther-
menanlage, die Basilika samt Erneuerung des Venus- und Romatempels nach
einem Brand und die Villenanlage mit Circus und Thermen an der Via Appia.
Bezeichnend f¨
ur den neuen Roma-Kult erscheint die Umgestaltung des Innen-
raums des Roma-Tempels durch die Einf¨
ugung einer Doppelapsis und damit
eines Architekturelements, das bislang besonders in den Kaiserfora Verwendung
fand.
”
Dort hob sie die Statue der Gottheit aus dem rechtwinkligen Rahmen der
Tempelcella hervor und verlieh ihr eine unmittelbar auf den Kaiser zur¨
uckfal-
lende Sakralit¨
at“ (S. 81). So repr¨
asentierte jetzt Roma die Macht des Kaisers.
Naheliegend ist es dann, daß die Basilika
”
als ein Ort kaiserlicher Empf¨
ange“
(S. 87) entworfen wurde. Sie ist
”
die gr¨
oßte und architektonisch bemerkens-
werteste Audienzhalle der gesamten r¨
omischen Architekturgeschichte“ (ibid.).
¨
Uberzeugend wird die Raumgliederung mit dem Aspekt zeremonialer Funktio-
nen verbunden, sodaß auch die Bauform der
”
Basilika“, wie sie als Kultraum
zuerst in den konstantinischen Kirchenbauten erscheint, von diesem Bauwerk
und erst in zweiter Linie von der Marktbasilika abzuleiten ist – eine ¨
uber-
zeugende Argumentation, die auch die
”
hierarchische Verteilung der G¨
aste“
(S. 99 f.) ber¨
ucksichtigt.
Als letzter Baukomplex wird die Villa an der Via Appia besprochen. Dort,
wo bereits Herodes Atticus um 160 zu Ehren seiner verstorbenen Gemahlin
Annia Regilla eine sakrale Memoriallandschaft mit Bauwerken und Inschriften
schuf, erweiterte Maxentius eine vorhandene Villenanlage mit Portikus und
Empfangshalle. Der benachbarte Grabbau war dem Kaisersohn Romulus ge-
widmet. An ihn schloß sich der Circus an mit unmittelbarem Bezug zum To-
tenkult f¨
ur den divus Romulus (S. 117).
Ein Literaturverzeichnis und ein Anmerkungsteil beschließen die anregende
Darstellung, die nicht nur unter den Spezialisten f¨
ur kaiserzeitliche Architektur
f¨
ur weitere Diskussion sorgen wird. Die Ausstattung des Bandes, insbesondere
die Wiedergabe der zahlreichen M¨
unzen und die Architekturaufnahmen, lassen
keine W¨
unsche offen.
Konstantin und seine Zeit
127
Sebastian Ristow: Fr¨
uhes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse
der arch¨
aologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und
Mosel. M¨
unster: Aschendorff 2007. 450 S. 88 Tafeln. EUR 49.00.
ISBN 978-3-402-08121-1
Am Ende des 3. und Anfang des 4. Jh. beginnt die Ausbreitung des Christen-
tums in den r¨
omischen Provinzen an Rhein, Maas und Mosel. Das neue Klima
der Toleranz und die Favorisierung des Christentums seit Konstantin bilden
die Voraussetzung auch f¨
ur die Christianisierung der Rheinlande. Literarische
und arch¨
aologische Zeugnisse k¨
onnen eine Vorstellung von dieser Entwicklung
geben, die im wesentlichen von der kaiserlichen Residenz in Trier ausging, wo-
hin das Christentum seinerseits sich wiederum aus dem s¨
udlichen Frankreich
ausgebreitet hatte. Sebastian Ristow, der neben einzelnen Studien zum fr¨
uhen
Christentum im Rheinland bereits eine Monographie ¨
uber fr¨
uhchristliche Bap-
tisterien vorgelegt hat,
24
stellt in seinem monumentalen Werk die sp¨
atanti-
ken und fr¨
uhmittelalterlichen Grundlagen des christlichen Rheinlands topogra-
phisch gegliedert vor und f¨
uhrt damit von der Zeit Konstantins bis zu den
Franken. Nicht die ausgedehnte Einzelinterpretation, sondern die eher katalog-
artige Zusammenfassung der historischen und arch¨
aologischen Quellen ist das
Ziel der Arbeit und das Ergebnis einer stupenden Arbeitsleistung. Damit ist ein
Repertorium geschaffen, das nicht zuletzt durch seine hervorragende Literatur-
Dokumentation f¨
ur alle mit dem Thema
”
Fr¨
uhes Christentum im Rheinland“
Befaßten ein unentbehrliches Arbeitsinstrument darstellt.
Einleitend wird das untersuchte Gebiet zeitlich und r¨
aumlich eingegrenzt
und ein historischer ¨
Uberblick bis ins 8. Jh. gegeben. Das Kapitel
”
Forschungs-
geschichte“ er¨
offnet bereits den Blick auf zahlreiche mit den Dokumenten ver-
bundene Einzelprobleme. Dabei wird besonders die in der ¨
alteren Forschung
ohne hinreichende Belege h¨
aufig behauptete Kontinuit¨
at christlicher Pr¨
asenz
seit dem 4. Jh. kritisch hinterfragt und die vorschnelle Bewertung einzelner
Befunde als
”
christlich“ grunds¨
atzlich methodisch ¨
uberpr¨
uft. Auch die weni-
gen literarischen Zeugnisse ¨
uber die Anf¨
ange des Christentums
”
in Germanien“
bzw. in den Rheinlanden sind im Grunde wenig aussagekr¨
aftig. Entscheidend
ver¨
andert sich die Quellenlage erst im fortgeschrittenen 6. Jh.
Im Hauptteil werden – von Nord nach S¨
ud –
”
die Orte des Rhein-Maas-
Mosel-Raumes mit ¨
Uberlieferungen aus fr¨
uhchristlicher Zeit“ (so die ¨
Uber-
schrift) topographisch aufgelistet, in den historischen Kontext eingeordnet, ihre
Befunde vorgestellt und durch Pl¨
ane und Nachzeichnungen dokumentiert. Be-
sonders hervorgehoben sei das Kapitel ¨
uber K¨
oln (S. 102–150), w¨
ahrend das
bislang schon gut dokumentierte Trier relativ knapp behandelt werden konn-
te (S. 183–215). Nur in diesen beiden Orten und in Mainz sind schon f¨
ur das
4. Jh. christliche Bauten belegt.
”
Gr¨
aberfelder und Befunde auf dem Land
24 Jahrbuch f¨
ur Antike und Christentum. Erg¨
anzungsband 27. M¨
unster 1998.
128
Joachim Gruber
und bei den St¨
adten“ ist der letzte Abschnitt ¨
uberschrieben, an den sich eine
Zusammenfassung (deutsch/englisch/franz¨
osisch) und ein ausf¨
uhrliches Litera-
turverzeichnis anschließen.
Im Katalog wird
”
eine Kurz¨
ubersicht ¨
uber die r¨
omer- und merowingerzeit-
lichen Kleinfunde“ des Untersuchungsraumes mit insgesamt 562 Nummmern
gegeben. Die alphabetische Reihenfolge der Fundorte dient dabei als benut-
zerfreundliches Ordnungsprinzip, ¨
uber das die notwendigen Informationen zu
jedem Objekt zug¨
anglich sind. Der Tafelteil bietet eine Auswahl davon in meist
einwandfreien Abbildungen.
Bedauerlicherweise ist das Register selektiv.
”
Ausschließlich in Inschriften genann-
te Personennamen wurden nicht aufgenommen“ (S. 448). Das mag man umso mehr
bedauern, als die dort erw¨
ahnten Namensformen f¨
ur Historiker wie auch f¨
ur Lin-
guisten von Interesse sind. Noch wertvoller w¨
are das Repertorium außerdem durch
einen Sachindex, der sowohl einzelne Denkm¨
alergruppen (z. B. Graffitti, G¨
urtel, Tauf-
becken, Thermen, Tonlampen) wie auch Begriffe (z. B. Andreaskreuz, Brandbestat-
tung, Chi-Rho, Goldglas) umfassen k¨
onnte. Die Legenden der Karten Tafel 1–5 sind
kaum leserlich und nur mit der Lupe zu entziffern; Gleiches gilt f¨
ur den Plan des
r¨
omischen Xanten (S. 88). Druckfehler sind selten (gelegentlich in den Anmerkungen,
im griech. Text S. 54).
Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net
Inhalt Plekos 12,2010 HTML
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