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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
projizieren, das weit weg diesen Krieg führte. Bour-
cart hatte bereits 1993 eine Serie von Schwarzweiß-
fotos zur Belagerung von Sarajewo angefertigt.
http://jcbourcart.com/p.php?p=pages%2F01-
Photography%2F04-Collateral
Visible Collective: Disappeared in America (2004-
2007)
Das Projekt ‚Disappeared in America‛ des von
Naeem Mohaiemen gegründeten 13-köpfigen
Visible
Collective beschäftigte sich mit den zahllosen Men-
schen, die, zumeist als Migranten in prekären Ver-
hältnissen lebend, nach dem 11. September 2001
verhaftet wurden – und, da sie häufig nirgendwo
registriert waren, von der Bildfläche verschwanden.
Es gab eine Datenbank, in die Namen und Daten
von Vermissten eingetragen werden konnten, eine
interaktive Karte, die alle Fälle verzeichnete, Publi-
kationen und Videos sowie zahlreiche künstlerische
Arbeiten, die auf der Basis von Namen, Biografien
und Fotos, aber auch Gesetzestexten und Dokumen-
tationen in Galerien wie auch im öffentlichen Raum
auf das Problem aufmerksam machten.
http://www.disappearedinamerica.org
Alyssa Wright: Cherry Blossoms (2007)
Um zivile Opfer des Irakkriegs ging es in dem Pro-
jekt „Cherry Blossoms‚ von Alyssa Wright. Auf der
Grundlage exakt recherchierter Daten wurden die
Koordinaten des Stadtplans von Bagdad auf Boston
übertragen. Wenn die Künstlerin sich durch die
Stadt Boston oder über den Campus bewegte, feuer-
ten zwei Rohre an ihrem Rucksack immer dann
Konfetti-Salven in die Luft, wenn die jeweilige Posi-
tion dem Ort eines Anschlags oder einer Gewalttat
in Bagdad entsprach. Auf das Konfetti waren die
Namen der Opfer geschrieben.
163
http://alumni.media.mit.edu/~alyssa/about.html
163
Vgl. http://alumni.media.mit.edu/~alyssa/about.html.
Wafaa Bilal: Domestic Tension / Shoot an Iraqi
(2007)
Seit 2004 zuerst sein Bruder und später weitere An-
gehörige im Irakkrieg erschossen worden waren,
dachte der in den USA im Exil lebende Künstler
Wafaa Bilal über ein Kunstprojekt nach, das die
Betrachter – und zwar nicht notwendigerweise in
einer Kunstausstellung – mit dieser Problematik
konfrontieren sollte. Die Idee, ein Online-Spiel zu
entwickeln, entstand, als er von einer Soldatin hörte,
die in einem
Interview angab, keinerlei Bedauern für
die Opfer der von ihr ferngesteuerten Drohnen emp-
funden zu haben, da es sich um Terroristen gehan-
delt habe. In den
Flatfile Galleries in Chicago baute
Bilal eine Installation auf, die erlaubte, auf ihn selbst
als permanent Anwesenden ferngesteuert über das
Internet mit gelber Paintball-Munition zu schießen.
Während 60 000 Teilnehmer auf ihn feuerten, stieß
Bilal auch auf bewegende Reaktionen von Seiten
eines Publikums, das sich unter anderen Umständen
für diese Art von Kunst niemals interessiert hätte.
http://universes-in-
universe.org/deu/nafas/articles/2007/wafaa_bilal
http://we-make-money-not-
art.com/archives/2008/12/book-review-shoot-an-
iraqi-art.php
http://www.flatfilegalleries.com/past/2007/domestic_t
ension/domestic_tension.htm
Floating Lab Collective
Das 2007 von Lehrenden und Studierenden der
George Mason University gegründete
Floating Lab
Collective besteht aus mehr als 15 Künstlern/-innen,
die grundsätzlich im öffentlichen Raum arbeiten
und sich in ihrer Arbeit auf unterrepräsentierte Be-
völkerungsgruppen und Defizite der öffentlichen
Wahrnehmung konzentrieren. „Silence as Presence‚
besteht aus frontalen Aufnahmen einzelner Teil-
nehmer einer seit 2002 wöchentlich vor dem Capitol
in Washington abgehaltenen, ursprünglich von
Quäkern ins Leben gerufenen Mahnwache. Auf dem
Transparent steht: „Seek Peace and Pursue It‚, nach
Psalm 34,14. Beabsichtigt war, die Videos an Wände
im öffentlichen Raum zu projizieren, um die Wir-
kung des stummen Protests zu vervielfältigen. „Flag
Day‚ (2008) bestand darin, amerikanische Flaggen
im öffentlichen Raum aufzuhängen, in denen in das