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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
triert auch die grundsätzliche Problematik aller
u-topischen, also ortlosen Konstruktionen.
http://yangachi.org/Blog/yangachi-works/middle-
corea-yangachi-episode
http://www.wkv-
stuttgart.de/programm/2006/ausstellung/on-
difference-2/kuratorische-beitraege/nathalie-boseul-
shin/
Noh Suntag
Der Fotograf Noh Suntag zeigt in Schwarzweiß- und
Farbaufnahmen Nord- und Südkorea als konfliktge-
ladene Gesellschaft, geprägt von Teilung und Mili-
tärdiktatur – lange Zeit auch im Süden –, von rapi-
der Modernisierung, Bürgerbewegungen und ame-
rikanischer Militärpräsenz. Die Brisanz der Thema-
tiken wird dabei aufgefangen durch einen sorgfälti-
gen, ästhetisierenden Bildaufbau.
179
http://www.wkv-
stuttgart.de/programm/2008/ausstellungen/noh-
suntag
Jae-Hyun Yoo
Der in Berlin und Seoul lebende Künstler Jae-Hyun
Yoo beschäftigt sich als ehemaliger Grenzsoldat mit
dem Thema der Demilitarisierten Zone und darüber
hinaus mit Grenzsituationen aller Art. An der kore-
anischen Nord-Süd-Grenze „passiert eigentlich gar
nichts‚, sagt Yoo, „denn zwischen den Posten beider
Länder liegen Stacheldrahtzaun und acht Kilometer
Minenfeld.‚ In Installationen versetzt er den Be-
trachter in die Situation, durch ein Fernglas auf eine
distante Region zu blicken.
http://www.artyoo.net
Lateinamerika
Das Thema „Kunst und Konflikt‚ stellt sich in La-
teinamerika anders dar als etwa in Afrika oder in
der sogenannten islamischen Welt. Militärdiktatu-
ren, Guerillabewegungen und direkte nordamerika-
nische Einflussnahme sind in den meisten Ländern
179
Noh Suntag:
Ausnahmezustand, Ostfildern 2008.
Geschichte, eine Geschichte, die allerdings nicht
überall in gleichem Umfang aufgearbeitet ist und in
verschiedener Form in die Gegenwart hineinwirkt.
Neben einer anhaltenden wirtschaftlichen Ungleich-
heit gegenüber den Ländern des Nordens, aber auch
innerhalb der einzelnen Länder, stellen sich daher
eher Fragen nach Militarisierung und Diktatur,
während nur in einzelnen Ländern wie
Kolumbien
oder Mexiko akute Konflikte auch mit Waffengewalt
ausgefochten werden. Obwohl es in beiden Ländern
selbstverständlich eine aktuelle Gegenwartskunst
gibt, sollten an künstlerische Initiativen in solchen
Problemgebieten keine überhöhten Erwartungen
herangetragen werden.
Unlikely Savages (2011)
In der Ausstellung „Unlikely Savages‚ stellte das
New Yorker
AC Institute die Frage, inwieweit das
Paradigma des „Wilden‚ in der Wahrnehmung La-
teinamerikas noch immer eine Rolle spiele. So zeigt
Ernesto Salmerón in seinem Video „El Danto‚ an-
hand von Archivmaterial, wie in einem Interview
mit dem Sohn von Guerilleros weit auseinander
liegende Wirklichkeitsbilder in den nicaraguani-
schen und US-amerikanischen Quellen zum Vor-
schein kommen. In der Ausstellung waren drei ko-
lumbianische, je ein peruanischer und ein nicaragu-
anischer sowie zwei chilenische Künstler/-innen
vertreten.
http://www.artcurrents.org/gallery/id22.html
Kolumbien
Displaced: Contemporary Art from Colombia (2007)
Die erste größere Ausstellung zeitgenössischer
Kunst aus Kolumbien in Großbritannien fand 2007-
2008 in der
Glynn Vivian Art Gallery in Swansea statt.
Die unter anderem vom kolumbianischen Außen-
ministerium geförderte Ausstellung beschäftigte
sich nicht unmittelbar mit dem Thema des militäri-
schen Konflikts zwischen Farc-Guerilla, Paramilitärs
und Regierung, sondern mit einer in Kolumbien
sehr spürbaren Auswirkung der jahrzehntelangen
Auseinandersetzungen,
nämlich
der
außeror-
dentlich umfangreichen Binnenmigration. Probleme
des Landes wie die Vernichtung der Kokapflanzen
durch vom Hubschrauber aus versprühte chemische
65
Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
Entlaubungsmittel sind angesprochen, etwa in der
Arbeit von Miguel Ángel Rojas, der Richard Hamil-
ton in dem mit Punkten aus Kokablättern geschrie-
benen Satz zitiert: „Just what is it that makes today’s
home so different, so appealing‚, oder in der Lego-
Guerillera von Nadin Ospina. Wilson Diaz hat reale
Farc-Guerillas besucht und zeigt in einem Video,
wie sie traditionelle Lieder singen.
http://www.swansea.gov.uk/index.cfm?articleid=224
14
Chile / Peru
Edgar Endress: Undocumented
Im Auftrag der
Bienal de Video y Arte Mediales hat der
chilenische Künstler Edgar Endress, Mitbegründer
des
Floating Lab Collective, früh, mehr als andere
Künstler/-innen, den gesamten amerikanischen Kon-
tinent bereist und dabei zahlreiche Videoaufnahmen
angefertigt, die er grundsätzlich zu Videoinstallati-
onen verarbeitet. In seinen Arbeiten geht es in der
Tat um die Diversität des Kontinents. So beschäftigt
er sich in „La Memoria de los Caracolas‚ (2001) mit
seiner Kindheit unter der Pinochet-Diktatur, in „The
King of Patagonia‚ (2002) mit der obskuren Ge-
schichte eines selbst erklärten Monarchen aus dem
19. Jahrhundert oder in „Bon Dieu Bon‚ (2003) mit
der von Haiti ausgehenden Migration innerhalb der
Karibik. In der Videoinstallation „Undocumented‚
beschäftigt sich Endress mit dem Fall eines chile-
nisch-peruanischen Grenzzwischenfalls im Jahr
2004, als ein Mann, der zu Fuß durch die Wüste des
Grenzgebiets wanderte, von Grenzsoldaten erschos-
sen wurde. Der Vorfall weckte in Chile Erinnerun-
gen an die Militärdiktatur unter Pinochet, in Peru
alte Erinnerungen an die wirtschaftliche und militä-
rische
Unterlegenheit
im
Salpeterkrieg
des
19. Jahrhunderts.
180
http://eendress.wordpress.com/
Floating Lab Collective
180
Dietrich Heißenbüttel: „Von der Peripherie aus die Welt
erkunden. Über einige Arbeiten des chilenischen Videokünstlers
Edgar Endress‚, in:
springerin 3/05, S. 50-51.
Peru
Angie Bonino
In zumeist kurzen Videos zeigt die peruanische
Künstlerin Angie Bonino oftmals gewaltgeprägte
Szenen aus vorhandenen Medienbildern, stört je-
doch die gewohnte Wahrnehmung und öffnet damit
die Sicht auf die Wirkung des Bildes. In „La
imagen‚ (2000) isoliert sie zunächst aus der Auf-
zeichnung einer Großdemonstration gegen das
Fujimoro-Regime, in der Soldaten mit Gasmasken
und Wasserwerfern sich auf die Menschenmenge
zubewegen, eine einzelne ältere Frau mit ausgebrei-
teten Armen und stört sodann gänzlich die Übertra-
gung. „El objeto encontrado‚ (2000) besteht aus vor-
gefundenen Fernsehbildern zu den Diktaturen in
Argentinien und Chile.
181
„Spirale‚ zeigt schwarz-
weiße Luftbilder einer kriegszerstörten Stadt, wahr-
scheinlich in Deutschland; der Untertitel dazu lautet
allerdings: „Ein Angriff auf Mosul wird organisiert.‚
http://www.videoartworld.com/beta/artist_182.html
Eduardo Villanes
In seinem kurzen Video „Identity Transfer‚ (2000),
das auch im öffentlichen Raum vorgeführt wurde,
beschäftigt sich Eduardo Villanes mit dem Problem,
dass bekannte Paramilitärs, von Amnestie begüns-
tigt, nach kürzester Zeit in die Anonymität zurück-
kehren.
182
Neuerdings engagiert sich Villanes im
Kampf gegen die Einschränkung der Biodiversität,
namentlich der großen Vielfalt der Mais- und Kar-
toffelarten, durch internationale Lebensmittelkon-
zerne. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen
zwischen Regierungsorganen und der indigenen
Bevölkerung wegen der neoliberalen Agrarpolitik
kamen im Juni 2009 in Bagua mindestens 32 Men-
schen ums Leben.
183
http://www.eduardovillanes.com
181
Nueva / Vista. Videokunst aus Lateinamerika, ifa-Galerien, 2002, S.
14-19.
182
Ebd. S. 20-25.
183
http://blog.art21.org/2011/01/27/how-much-does-corn-matter-
glory-and-humility-in-the-work-of-eduardo-villanes.