Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Biesenbach. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst auf die für die CDU offensichtlich neuen Erkenntnisse ganz kurz eingehen.

Vieles von dem, was Herr Prof. Neumann mit Ihnen vertieft hat, hätte sich auch erschließen können, wenn Sie intensiv zum Beispiel an öffentlichen Sitzungen des PKG oder an Beratungen des Innenausschusses teilgenommen hätten.

(Christian Möbius [CDU]: Herr Oberlehrer!)

– Sie glänzen da offensichtlich auch nicht durch profunde Sachkunde.

(Zuruf von Ilka von Boeselager [CDU])

Denn vieles von dem, was da gerade geschildert worden ist, ist traurige Realität, aber auch bekannt. Das wird auch ganz bewusst von der Landesregierung und von den sie tragenden Fraktionen umgesetzt.

Aber lassen Sie mich mit einem ganz anderen Aspekt beginnen. Sie erinnern sich vielleicht an diese schrecklichen Anschläge, die in Norwegen im Jahr 2011 passiert sind. Ich finde es immer noch beispielhaft, wie der damalige norwegische Ministerpräsident Stoltenberg reagiert hat – ich erlaube mir, das zu zitieren –: „Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie sein.“ Damit hat Stoltenberg auch jene offene und freie Gesellschaft verteidigt und in den Mittelpunkt der Erwägungen gestellt, die der Attentäter mit seinen Waffen und Bomben bekämpfen wollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch beim islamistischen Terror haben wir es vor allen Dingen mit Anschlägen auf unsere freie, offene und tolerante Gesellschaft zu tun. Insoweit will wohl abgewogen sein, wie man im Einzelfall auf solche Phänomene reagiert, wie man präventiv tätig wird und wie man sich auch in Sachen Repression aufstellt.

Aber eine freiheitliche Gesellschaft muss nicht wehrlos sein; das ist sie aber auch nicht. Maßnahmen gehören zur frühzeitigen Erkennung und nachhaltigen Bekämpfung gerade auch der islamistischen Terrorgefahr. Das gehört sicherlich zu dem, was eine freie Gesellschaft leisten muss.

Jetzt will ich – Herr Kollege Biesenbach ist nur auf wenige Punkte aus dem CDU-Antrag eingegangen – versuchen, eine grobe Kategorisierung vorzunehmen, und zwar in drei Abteilungen.

Erstens: Bekenntnisse in Angelegenheiten, die nicht originär unsere Zuständigkeit betreffen. Darunter fällt zum Beispiel die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung. Ich sage einmal vorsichtig, obwohl wir uns damit nicht federführend zu befassen haben, weil das eine Bundesangelegenheit ist: Das ist womöglich unnötig, denn schon heute macht sich strafbar, wer Mitglieder für terroristische Organisationen anwirbt.

Es gab einmal einen Straftatbestand der Sympathiewerbung, der abgeschafft worden ist – nicht etwa, weil man Sympathiewerbung für ungefährlich gehalten hätte, sondern weil sich in der gerichtlichen Praxis herausgestellt hat, dass die Erfolge, die diese Strafbarkeit bezogen auf Verurteilungen und das Ahnen von Vorgängen angingen, relativ überschaubar waren.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Solange Sie keinen praxistauglichen inhaltlichen Vorschlag machen, muss man davon ausgehen, dass das eher das Aufwärmen von alten Dingen ist. Ich warte ganz gespannt auf die inhaltliche Ausgestaltung.

Auch die zweite Forderung aus dem eher bundesratsgeneigten oder eher bundespolitisch zuständigkeitshalber geregelten Bereich ist relativ schwierig. Sie betrifft der doppelten Staatsbürgerschaft. Man muss womöglich darüber nachdenken, ob ein Entzug unter bestimmten Voraussetzungen bei Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine Maßnahmen sein – aber unter sicherheitspolitischen Aspekten. Davor warne ich ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man nicht in eine allgemeine Diffamierung einer doppelten Staatsangehörigkeit verfällt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird gerne verwechselt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verbitten uns das. Das ist populistisch und antidemokratisch sowie darüber hinaus nicht dazu geneigt, real und ernsthaft die Gefahr des islamistischen Terrorismus einzugrenzen.

Darüber hinaus will ich Ihnen zu einigen anderen Dingen etwas sagen, die angeführt worden sind. Da ist in der Kategorie „durch Regierungshandeln erledigt oder schon in Arbeit“ die Zusammenarbeit auch im Krisenfall mit der Bundeswehr. Das ist passiert. Das wird geübt. Sie haben es eben erwähnt.

Dazu gehört auch die Stärkung von Sicherheitsbehörden. Auch dazu empfiehlt sich, in den Protokollen des Innenausschusses nachzuschauen. Denn wir sind, was die Einheiten angeht, dabei, zusätzliche Kapazitäten aufzubauen. Das alles hat einen gewissen Vorlauf, aber genau das wird schon gemacht.

Darüber hinaus bin ich ganz froh darüber, dass jetzt offensichtlich in Bereichen der CDU der eine oder andere das Wort „Prävention“ fehlerfrei buchstabieren kann.

(Heiterkeit von Martin Börschel [SPD] – Marie-Luise Fasse [CDU]: Unglaublich!)

Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hintergrund erschließt sich womöglich manchen Leuten doch noch nicht so ganz. Denn wie können sie daraus schließen, dass Menschen, die Teilnehmer des Programms „Wegweiser“ waren, dann in einem solchen Bereich womöglich straffällig geworden sind? Dass das Programm hinterfragt werden muss, halte ich nicht nur für gewagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern das zeigt, dass der Gedanke der Prävention inhaltlich noch nicht so ganz vertieft ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Biesenbach?

Hans-Willi Körfges (SPD): Ja, natürlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Biesenbach.

Peter Biesenbach (CDU): Sie haben so toll gesagt, was jetzt alles geschieht. Haben Sie denn auch zur Kenntnis genommen, dass zum Beispiel der Vorschlag des Innenministers zur Zusammenarbeit und gemeinsamen Übung mit der Polizei just an dem Morgen publiziert wurde, als ich unseren Antrag in der Pressekonferenz vorstellte?

Wann haben Sie denn im Innenausschuss die 200 € angesprochen, die Sie bei diesen Einheiten erhöhen wollen, damit der Anreiz da ist? Sie bekommen noch nicht einmal genug Personal.

Drittens frage ich: Halten Sie es für angemessen, wenn der Aufbau dieser Einheiten, die Sie so vorführen, seit zwei Jahren nicht vorankommt?

Ich habe das extra nicht angesprochen, weil ich dachte, wir könnten das gemeinsam debattieren. Wenn Sie das heute so explizit nennen, können wir die Einzelheiten gern nachschieben.



Vizepräsident Oliver Keymis: Stimmen Sie all dem zu, Herr Körfges?

Hans-Willi Körfges (SPD): Das war jetzt wie ein Überraschungsei: drei Fragen in einer. – Ich will bezogen auf den SEK-Teil davon ausgehen, dass es Ihnen genau wie uns möglich ist, zum Beispiel in Haushaltsdebatten Ihre eigenen Anträge zu stellen. Darüber können wir dann gern inhaltlich diskutieren. Wir werden natürlich auch das von Ihnen Vorgeschlagene diskutieren. Aber dass wir genau in diesem Bereich Dinge vorsehen, ist tatsächlich aktenkundig. Das kann man im Protokoll nachlesen.

(Heiterkeit von Peter Biesenbach [CDU])

Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen, und zwar zur Übernahme bayerischer Vorschläge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer im innenpolitischen Bereich bayerische Vorschläge zum Maßstab des Handelns macht, muss sich sicherlich das eine oder andere fragen lassen. Aber wenn Sie an der Stelle – ich habe eben Stoltenberg zum Eingang zitiert und komme nun zum Abschluss – dann Dinge – das alles sind Ladenhüter wie die Onlinedurchsuchung – ernsthaft in Erwägung ziehen, ohne zu sagen, dass es trotz aller bayerischer Regelungen, die unter Richtervorbehalt stehen, durchaus noch verfassungsrechtliche Bedenken gibt, dass die Frage der Kompetenzen von Verfassungsschutz auf der einen Seite und Polizei auf der anderen Seite offen ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass die uns bevorstehenden spannenden Beratungen im Innenausschuss dazu führen werden, dass sich unsere Begeisterung für bayerische Vorschläge in einem entsprechenden Votum niederschlägt.

Im Gegenteil bin ich eher davon überzeugt, dass wir lieber profunde, gute und solide Sicherheits- und Innenpolitik auch in dem Bereich weiterhin machen werden. Aber ich freue mich trotzdem auf die Beratungen im Ausschuss. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Körfges. – Als nächste Rednerin ist für die grüne Fraktion Frau Schäffer gemeldet. Sie kommt jetzt ans Pult.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die jüngsten Terroranschläge in Europa haben uns noch einmal sehr deutlich die menschenverachtende Ideologie des Salafismus vor Augen geführt. Ja, in diesem Jahr sind erstmals auch Anschläge in Deutschland verübt worden. Die schrecklichen Taten in Europa dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nur einen Teil der Gewalttaten des IS und seiner Netzwerke darstellen. Es sind schon viele Menschen durch Anschläge des IS in Syrien, im Irak, in anderen Ländern getötet oder verletzt worden.

Ja, auch aus Nordrhein-Westfalen sind Menschen ausgereist. Deshalb ist der Terror nicht erst in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen angekommen, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, sondern die Radikalisierung und die Gewalttaten vollziehen sich mitten in unserer Gesellschaft. Das müssen wir in den Blick unserer Beratungen nehmen. Deshalb ist auch die Ursachenforschung so wichtig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Prof. Neumann vom King‘s College in London war in der letzten Woche sowohl bei Ihnen in der Fraktion als auch bei einer großen Veranstaltung, die die grüne Fraktion am Freitag zu genau diesem Thema durchgeführt hat. Er führte zu den Ursachen für die Radikalisierung und den Zulauf zur Szene aus, dass sowohl persönliche Problemlagen als auch ideologische Komponenten eine Rolle spielen, Fragen nach Zugehörigkeit, Ausgrenzungserfahrungen, aber auch Bildungs- und Berufsperspektiven von Bedeutung sind.

Mit diesen Ursachen setzen Sie sich in Ihrem Antrag leider gar nicht auseinander. Das finde ich schade. Das ist nämlich wichtig und relevant. Sie setzen nur auf Repression, Repression, Repression und vielleicht ein ganz kleines bisschen auf Prävention. Aber Sie machen keine eigenen Vorschläge zur Prävention, sondern reden stattdessen das Wegweiser-Projekt schlecht, obwohl es für viele Bundesländer ein Vorbild ist. Damit wird Ihr Antrag dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will aber gerne auf einige Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag zur Repression machen, eingehen.

Zum einen möchte ich das Thema „Einsatz der Bundeswehr im Innern“ ansprechen. Ich meine, man muss gar keine ideologische Debatte darüber führen, wie die verfassungsrechtliche Abgrenzung zwischen Polizei und Bundeswehr aussieht und welche historischen Gründe es dafür gibt, sondern man kann ganz pragmatisch fragen: Welchen Mehrwert hat das?

Ich kann für mich und die grüne Fraktion sagen, dass wir im Einsatz der Bundeswehr und in solchen Übungen keinen Mehrwert sehen. Im Gegenteil, die Planung und Durchführung dieser Übung binden erhebliche Ressourcen und Kapazitäten bei der Polizei. Aus meiner Sicht ist die Polizei in Nordrhein-Westfalen gut auf solche terroristischen Großlagen vorbereitet. Sie ist dafür ausgebildet, die Bundeswehr ist das nicht.

Ich kenne bislang auch niemanden bei der Polizei, der die Unterstützung durch die Bundeswehr einfordert. Das müsste mir einmal jemand präsentieren. Deshalb kann ich für uns Grüne sagen, dass wir Ihren Forderungen nach regelmäßigen gemeinsamen Übungen von Bundeswehr und Polizei nicht zustimmen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum anderen möchte ich gern auf den Aspekt des Verfassungsschutzes zu sprechen kommen. Sie hätten gestern Abend die Möglichkeit gehabt, Änderungsanträge einzubringen, als wir hier im Plenum über das Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes debattiert haben. Bei der Speicherung von Daten haben wir die Altersgrenze abgesenkt. Sie hätten Ihre Vorschläge zur Wohnraumüberwachung und Online-Datenerhebung dazu einbringen können. Das haben Sie nicht getan.

Dann möchte ich gern auf die akustische Wohnraumüberwachung – den großen Lauschangriff, wie er auch genannt wird – eingehen. Wir haben den Punkt damals, als wir 2013 das Verfassungsschutzgesetz in NRW reformiert haben, aus dem Gesetz gestrichen, weil er bis dato gar nicht angewandt wurde. Die Befugnis hatte der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, aber sie ist überhaupt nicht zur Anwendung gekommen.

Ich frage mich: Warum fordern Sie jetzt ein Instrument – das ist aus meiner Sicht eine Scheindebatte –, das wir gar nicht benötigen, bei dem zudem das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Hürden anlegt? Man muss sich schon fragen: Wenn die Gefahr so konkret ist, ist das dann überhaupt noch Aufgabe des Verfassungsschutzes, oder bewegen wir uns da nicht schon in Richtung Polizei? Ich halte das für eine Scheindebatte. Sie betreiben hier eine Symbolpolitik, die ich einfach falsch finde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie fordern in Ihrem Antrag verfassungsrechtlich bedenkliche Instrumente. Auch in der Anhörung in Bayern, die übrigens nur durchgeführt wurde, weil die Oppositionsfraktionen sie gegen die CSU durchgesetzt haben – die CSU wollte überhaupt keine Anhörung dazu, wahrscheinlich wollte sie sich die Kritik der Experten gar nicht anhören –, sind viele verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen worden.

Die Fraktionen von SPD und Grünen machen hier eine andere Politik. Wir setzen auf mehr Personal beim Verfassungsschutz. Ich glaube, das ist die richtige Antwort. Wir legen einen Schwerpunkt auf die Präventionsarbeit mit der Erweiterung des ganzheitlichen Handlungskonzepts. Wegweiser ist dabei. Es passiert viel in der Schule, in der Jugendarbeit, in der politischen Bildung. Das halte ich für den richtigen Weg, den wir gehen müssen. Das ist der Unterschied zwischen einer Politik, wie sie die CDU macht, und einer Politik, wie sie von Rot-Grün vertreten wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Terroranschläge in Ansbach, Würzburg und München haben unsere Bürger zutiefst verunsichert. Auch in unserem Bundesland gab es einen islamistischen Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen. Die Gefahr eines großen Terroranschlags wie jüngst in Frankreich oder Belgien besteht ohne Frage auch in Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen. Deswegen müssen wir dieser Bedrohung mit aller Entschiedenheit entgegentreten.

Liebe CDU, Herr Biesenbach, es eint uns, dass wir im Kampf gegen den Terror gemeinsam nach Lösungen suchen, um bestmöglich aufgestellt zu sein. Aber ich will ehrlich sein: Ihr Antrag schießt an einigen Stellen doch wieder einmal über das Ziel hinaus.

Dazu zählt beispielsweise die Forderung nach einer anlasslosen Massenüberwachung unserer Bürger. Das steht wieder im Antrag, das lehnen wir ab. Auch die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich konnte die Anschläge nicht verhindern.

In Nordrhein-Westfalen haben wir aber mehr als 2.700 bekannte Salafisten.

Wir haben über 600 bekannte Gefährder – alle den Sicherheitsbehörden bekannt. Genau die gilt es viel mehr konsequent in den Blick zu nehmen und zu überwachen, statt alle unbescholtenen Bürger hier in Nordrhein-Westfalen unter Generalverdacht zu stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Das zeigt selbst Ihr Antrag. Selbst Ihr Antrag zeigt doch, dass es uns nicht an Daten mangelt, sondern an Personal und an Vernetzung der Behörden untereinander, um gegen die längst bekannten Gefährder dann vorzugehen. Die Anschläge haben gerade gezeigt, dass lokale, nationale Maßnahmen alleine jetzt nicht ausreichen. Wir brauchen vielmehr hier auch noch eine engere Zusammenarbeit mit den Polizei- und Sicherheitsbehörden auch anderer Staaten.

Trotzdem kommen Sie wieder, Herr Biesenbach, und die CDU mit Ihrer Forderung nach einem gesonderten digitalen Kompetenzzentrum zur Bekämpfung terroristischer Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen.

Ich bin bei Ihnen: Nordrhein-Westfalen muss in dieser Frage, wie wir auch im Internet aufgestellt sind, deutlich mehr tun, ja, aber das nicht gesondert, nicht kleinklein, sondern endlich vernetzt und das Ganze im europäischen Kontext.

Und eines ist auch klar: Für effektive Terrorbekämpfung brauchen wir mehr Personal, wir brauchen bessere Ausstattung. Da haben Sie unsere volle Unterstützung. Baustellen gibt es hier in Nordrhein-Westfalen viele. Sie haben jetzt das Beispiel der MEKs herausgegriffen. Ja, aktuell haben wir vier Millionen Überstunden bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Eine Entlastung ist hier nicht in Sicht. Allein schon deshalb ist die in Ihrem Antrag angesprochene Erhöhung der Erschwerniszulage für die Spezialkräfte – das glaube ich auch – überfällig. Bisher ist das doch ein Nullsummenspiel, weil die Zulagen letztlich durch höhere Versicherungsbeiträge wieder aufgezehrt werden.

Aber wir wollen gerade in Nordrhein-Westfalen die Tätigkeit der Besten nach dem Motto „Leistung muss sich auch lohnen“ honorieren und den Dienst dann attraktiv halten und gestalten. Da würde ich mir von Rot-Grün an der Stelle wirklich mehr Engagement in dieser Frage wünschen.

Fazit: Im Kampf gegen Terrorismus brauchen wir alle uns rechtlich zur Verfügung stehenden Maßnahmen, und zwar repressiv wie präventiv. Herr Körfges, ja, auch die Opposition kann Prävention schreiben. Das kann ich Ihnen versichern.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich hatte einen anderen Eindruck!)

Aber wir brauchen neben einer qualitativen Überprüfung vor allen Dingen endlich auch eine quantitative Ausdehnung des Programms. Wenn man das macht, dann muss man das auch richtig machen. Dann brauchen wir es überall in Nordrhein-Westfalen. Dann brauchen wir hier auch endlich mehr Tempo beim Ausbau von „Wegweiser“. Da müssen wir dann endlich auch rangehen in dieser Frage.

Deswegen reicht es auch nicht, immer nur dieses Projekt wie eine Monstranz vor sich herzutragen, sondern dann muss man tatsächlich auch Gas geben beim flächendeckenden Ausbau von „Wegweiser“.

Ganz am Ende noch einen Satz zum Entschließungsantrag der Piraten. Herr Herrmann, wer da pseudopsychologisierend schon in der Verwendung des Begriffs Gefährder eine gefährliche Zuschreibung erblickt, der kann in meinen Augen in der Frage nicht ganz ernst genommen werden. Mehr ist da zu Ihrem Entschließungsantrag fast nicht zu sagen. Der Überweisung in den Innenausschuss werden wir natürlich zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lürbke. – Für die Piratenfraktion stellt nun diesen Entschließungsantrag Herr Herrmann vor.

Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Vielen Dank für die Zustimmung zur Überweisung, Herr Lürbke.

Verehrte Kollegen der CDU, der wievielte Antrag zum Thema Sicherheit ist das jetzt eigentlich? Sie setzen alles dran, nicht etwa Zuversicht und Stabilität auszustrahlen, sondern die Menschen zu verunsichern. Ich will eine kurze Übersicht über das PR-Trommelfeuer der letzten sechs Wochen geben:

Die „Neun Punkte für mehr Sicherheit“ der Kanzlerin, die „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland“ des Bundesinnenministers, die „Berliner Erklärung der Innenminister von CDU und CSU zur Sicherheit und Zusammenhalt in Deutschland“, die Sicherheitspapiere der CDU/CSU-Bundestags-fraktion, jetzt auch noch Ihres.

Der Begriff „Sicherheit“ wird gemäß PR-Lehrbuch immer wieder genannt – Penetration nennt man das –, damit er sich in den Köpfen festsetzt und die Öffentlichkeit glaubt, der Inhalt hätte irgendetwas mit der Überschrift zu tun.

Allein die ganze Fülle an den Punkteplänen hinterlässt den Eindruck, in Deutschland würde nur noch Chaos und Anarchie herrschen und als würde hinter jeder Straßenecke ein Terrorist stehen. 30.000 Kämpfer – so hatten Sie eben gesagt, Herr Biesenbach – würden ausreisen wollen in irgendwelche Länder. Vielleicht wollten Sie unterstellen, dass sie alle nach Deutschland kommen. Das ist Irrsinn. Das ist ein völlig verzerrtes Bild, das Sie da verkaufen.

Sie wollen den Menschen Angst machen. Und dass man mit diese Art von Angstpropaganda immer noch Erfolg haben kann, beweist leider derzeit die AfD. Sie verbreitet Angst vor Flüchtlingen, Angst vor Fremden, Angst vor dem Islam. Das Konzept sollten Sie aber nicht kopieren, denn viele Menschen wählen im Zweifel das Original bzw. die noch radikalere Variante.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Allerdings liegt das Kind bereits fast im Brunnen. Die Angst und die Unsicherheit sind nun da – entsprechend die Wahlerfolge der Extremisten. Und das ist auch Ihr „Verdienst“, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Ich erinnere nur an Ihre „die-Stimmung-kippt-Kampagne“ vom letzten Jahr. In diesen Zeiten ist es aber Aufgabe der Politik, für eine positive Aussicht auf die Zukunft zu sorgen und nachhaltige Lösungen zu schaffen.

Wenn dann in Schleswig-Holstein aktuell drei terrorverdächtige Syrer festgenommen werden, die auch schon ein Jahr lang beobachtet werden, dann ist das doch ein Zeichen, dass die Sicherheitsbehörden offensichtlich ausreichende Instrumentarien zur Verfügung haben, um mögliche Gefahren für die Menschen abzuwehren. Ein Jahr beobachtet heißt auch, die Gesetzeslage von vor einem Jahr hat gereicht. Da brauchen wir also nichts Neues.

Trotzdem artikulieren Sie immer wieder Forderungen, die von Aufweichungen und Abschaffung von Grundrechten bis zur Aufhebung des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren reichen. Mit diesen immer neuen Forderungen wird aber keine Sicherheit geschaffen, sondern vor allem Unruhe in der Bevölkerung.

An diesen hier nun vorliegenden „Unsicherheitsvorschlägen“ aus der CDU merkt man vor allem eines: Sie hat den Wahlkampf 2017 eröffnet. Vor allem wird damit wohl ein Ziel verfolgt: Die CDU möchte wie kürzlich ihre Schwesterpartei aus dem Süden der Republik Schlagzeilen machen. Vielleicht glaubt sie auch, die AfD damit zu bekämpfen.

Liebe Kollegen der CDU, Sie hecheln einer angeblichen Stimmung in der Bevölkerung damit hinterher, von der aber letztlich nur die Rechtspopulisten der AfD profitieren. Schon seit vielen Monaten kann man beobachten, wie das Spiel läuft. Die AfD verbreitet Angstpropaganda, setzt Gerüchte in die Welt und stellt Deutschland am Rand der Apokalypse stehend dar.

Die Union läuft ihr hinterher und entwirft einen Punkteplan, mit dem sie meint, die Wähler beeindrucken zu können. Doch dann bei der nächsten Wahl – große Überraschung – fährt die AfD das nächste Rekordergebnis ein. Um die Proteststimmen bei der Stange zu halten, wird deren Propaganda immer schriller und extremer. Was tut die Union? Sie entwirft den nächsten Punkteplan und setzt dabei immer noch einen drauf.

Wann begreifen Sie, liebe Kollegen, dass Sie hier mit der AfD Hase und Igel spielen und am Ende die AfD immer sagen kann: Wir sind schon da. Zur Erinnerung: Am Ende der Geschichte ist der Hase tot.

Diese immer wiederkehrenden Punktepläne sind reines Wahlkampfgetöse und schon deswegen nicht seriös zu nennen, weil in allen Vorschlägen immer nur auf den islamistischen Terrorismus eingegangen wird, der Rechtsterrorismus aber mit keiner Silbe erwähnt wird, und das obwohl Übergriffe und Gewalttaten gegen Flüchtlinge, gegen ihre Unterkünfte und gegen ihrer Helfer rasant ansteigen.

Was wir statt Wahlkampflärm brauchen, ist ein nachhaltiges Risikomanagement sowie Untersuchung und Beseitigung der Ursachen von Terrorismus. Die Förderung ziviler Aussteiger- und Präventionsprogramme wie HAYAT und EXIT darf kein Dauerdiskussionsthema mehr sein, sondern diese müssen ausgebaut und gesichert werden. All das haben wir an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und beantragt. Weiteres entnehmen Sie bitte unserem Entschließungsantrag.

Ob ich mich auf die Ausschussberatung freue, weiß ich noch nicht, aber wir werden im Ausschuss weiter beraten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)


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