Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Präsidentin Carina Gödecke: Das haben Sie nicht.

Holger Müller (CDU): Dann war das keine böse Absicht.

Präsidentin Carina Gödecke: Aber ich fühlte mich gegrüßt.

Holger Müller (CDU): Ich entschuldige mich und möchte es hiermit nachholen.

Präsidentin Carina Gödecke: Kein Problem, Herr Kollege Müller. Vielen Dank für Ihre Rede. – Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Dr. Kerbein.

Dr. Björn Kerbein (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die olympische Idee vermag weiterhin zu begeistern. Das haben Reaktionen auf den Verstoß von Michael Mronz deutlich gezeigt.

Das zeigt erfreulicherweise auch die Umfrage der „Rheinischen Post“ in der vergangenen Woche. Entgegen aller Mutmaßungen von verschiedenen Seiten, eine Olympiabewerbung würde von der Bevölkerung nicht mitgetragen, sprechen sich hierzulande zwei Drittel der Menschen für Olympia in NRW aus. Der olympische Geist ist an Rhein und Ruhr lebendig wie nie zuvor, meine Damen und Herren.

Rhein und Ruhr – dieses Herzstück der Weltgeschichte und eines der größten Friedensprojekte der Menschheit im Rahmen der europäischen Integration erscheint geradezu ideal, um Olympische und Paralympische Spiele zu beherbergen. Die Quantität und Qualität unserer Sportstätten sind – da werden Sie mir sicherlich zustimmen – einzigartig und böten allen Sportarten einen hervorragenden Rahmen, sich der Welt zu präsentieren. Beispiele für olympiataugliche Sportstätten gibt es bei uns in NRW reichlich. Sie sind schon genannt worden.

Die Chancen, die sich für unser Bundesland aus einer Bewerbung ergeben würden, sind einmalig. Schon während des Bewerbungsprozesses richten sich die Augen der Welt auf die potenziellen Ausrichter. Was das für uns in NRW und vor allem für die Sportlerinnen und Sportler bedeutet, brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Das kulturelle Angebot, die abwechslungsreiche Natur, die pulsierenden Metropolen und die große Vielfalt Nordrhein-Westfalens würden unser Land noch bekannter machen.

Meine Damen und Herren, bei aller Euphorie dürfen wir aber auch nicht die Risiken einer Bewerbung außer Acht lassen. So haben Negativmeldungen über Korruption im IOC und über Staatsdoping am Ruf von Olympia gekratzt. Natürlich sind auch die Kosten eines solchen Großprojektes nicht zu vernachlässigen.

Mit einer Bewerbung einer „Rhein-Ruhr Olympic City“ können wir dagegen den Nachweis erbringen, dass Olympische Spiele finanziell und ökologisch nachhaltig zu realisieren sind; denn der Neubau von Sportstätten, die nur einmalig für Olympia genutzt werden, wäre hier bei uns in NRW gerade nicht notwendig. Wie bereits angedeutet, könnte ein Großteil der Wettbewerbe in bestehenden Sportstätten durchgeführt werden.

Dass wir als Freie Demokraten der Idee von Olympia in NRW positiv gegenüberstehen, ist kein Geheimnis. Wir wissen aber auch, dass es gilt, die Fehler der Vergangenheit im Vorfeld einer potenziellen Bewerbung zu vermeiden. Wir als Politik, aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger benötigen umfassende Informationen, um eine gute Entscheidung treffen zu können.

Daher haben wir Freie Demokraten einen eigenen, deutlich differenzierteren Antrag zur aktuellen Diskussion um eine Bewerbung heute eingebracht; denn wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, das Projekt von Anfang an strukturiert anzugehen und nicht einfach nur pauschal zu unterstützen, meine Damen und Herren.

Wir müssen zeitnah die vorhandenen Sportstätten auf ihre Olympiatauglichkeit prüfen und eine Aufstellung der notwendigen Investitionen erarbeiten. Des Weiteren benötigen wir konzeptionelle Vorschläge für eine Bewerbung der Städteregion „Rhein-Ruhr Olympic City“. Nur so können wir eine Bewerbung richtig einordnen und einen konstruktiven Dialog, der sehr wichtig ist, mit dem Deutschen Olympischen Sportbund führen.

Dabei ist es uns besonders wichtig, dass unsere Bürgerinnen und Bürger frühzeitig über eine transparente Berichterstattung eingebunden werden. Darüber hinaus müssen weitere Beteiligungsformen am Gesamtprozess der Entscheidungsfindung und einer potenziellen Bewerbung geprüft werden.

Wir Freien Demokraten erkennen die Chancen und Möglichkeiten einer Bewerbung. Jedoch darf diese nicht bedingungslos und um jeden Preis erfolgen. Wie aus dieser Idee ein Projekt werden kann, das von der Mehrheit der Menschen unterstützt wird, habe ich gerade skizziert. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Kerbein. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bischoff.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt nach meiner Einschätzung zwei sehr unterschiedliche Vorredner gehört. Herr Kerbein war ausgesprochen sachlich und inhaltlich. Bei Herrn Müller hatte ich das Gefühl, er wolle eigentlich zeigen, dass der CDU-Vorstoß an Seriosität gar nichts zu bieten hat, weil er alle Partner, die er braucht, hier von vornherein erst einmal als Bedenkenträger verunglimpft und dann auch falsch zitiert.

Sie fangen bei uns an. Wir haben uns als SPD-Fraktion in der Tat bisher nicht dazu geäußert. In Ihrem schriftlichen Antrag steht irgendetwas, was ich nie noch nie gehört habe, was wir gesagt haben sollen. Hier am Pult erzählen Sie wieder irgendetwas, was wir gesagt haben sollen – um hinterher in einem Nebensatz zu sagen, die SPD-Fraktion äußere sich ja gar nicht. Da müssen Sie sich schon einmal klar darüber werden, was Sie denn wollen.

Wir haben uns deswegen nicht geäußert …

(Zuruf von der CDU)

– Ja, das kommt jetzt gleich. Haben Sie Geduld. Meine Redezeit beträgt fünf Minuten. Ich gehe erst auf meinem Vorredner ein. Das finde ich als parlamentarischen Brauch ausgesprochen vernünftig, weil es dann auch einen Dialog gibt. Danach kommen wir zu den Sachaussagen.

(Beifall von der SPD)

Wir haben uns deswegen nicht geäußert, weil wir wissen – im Gegensatz zu dem, was Herr Müller hier vorträgt –, dass die entscheidende Organisationsstruktur der DOSB ist. Sie beschimpfen ihn ja als Bedenkenträger. Aber er muss nun einmal den Antrag stellen. Man kann ihn also nicht beschimpfen, sondern muss mit ihm reden. Das haben wir gemacht. So lange haben wir öffentlich geschwiegen.

Jetzt sage ich Ihnen, was das Ergebnis ist.

Wir als Sozialdemokraten setzen uns für Olympische Spiele in Nordrhein-Westfalen ein.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)

Und wir werden uns zum richtigen Zeitpunkt, wenn das sinnvoll ist, von niemandem bei unserem Einsatz für Olympische Spiele übertreffen lassen. Das ist unsere Aussage, das kann ich Ihnen ganz klar sagen.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Die Aussage beruht darauf, dass wir mit den Beteiligten reden, während Sie Pressekonferenzen gegeben und irgendwelche Äußerungen getätigt haben. Aber Sie haben gar nicht recherchiert. Herr Müller hat überhaupt nicht mit den Beteiligten geredet bzw. letzte Woche, als er in Berlin im Sportausschuss des Deutschen Bundestags war – das wissen Sie nicht –, hat er sehr wohl gemerkt, dass der Bundessprecher der CDU, Herr Gienger, zu der Frage in der Diskussion keinen Ton gesagt hat. Seitdem weiß Müller sehr wohl, woher der Wind weht. Aber er macht trotzdem weiter Pressekonferenzen und erzählt, als wenn nichts passiert wäre.

Den zentralen Satz habe ich gerade gesagt. Der Sachstand, um eine sachliche Debatte zu führen und Herrn Kehrbein zu folgen, ist folgender: Der Antragsteller für Olympische Spiele in Nordrhein-Westfalen für Deutschland ist der Deutsche Olympische Sportbund – DOSB. Sonst gibt es keinen Antragsteller gegenüber dem IOC. Sie müssen also mit dem reden.

Der DOSB signalisiert uns intern, aber auch öffentlich – die „Rheinische Post“ war ja durchaus mit dem Thema unterwegs, da müssen Sie auch lesen, was Ihnen nicht so gefällt – durch den Generalsekretär Herrn Vesper, der deutlich formuliert hat: Derzeit gibt es keine Überlegung innerhalb des DOSB, sich um olympische Spiele zu bewerben.

Das ist die Position des DOSB, die ich hier interpretieren kann.

(Zuruf von der CDU)

Dazu fällt mir zumindest ein, dass Hamburg – also die für den DOSB, aber auch für uns als Sportpolitiker sehr enttäuschende Entscheidung der Bevölkerung in Hamburg – noch nicht lange her ist. Dass das offensichtlich noch nicht ausreichend aufgearbeitet ist, fällt mir als Interpretation ein.

Dann wissen wir, nachdem die Pressekonferenz der CDU am Dienstag auch schon einen halben Rückzieher gemacht und selber erklärt hat, dass im Moment erst das Verfahren in 2017 ansteht, wer Austragungsort für 2024 sein soll. Wir reden ja jetzt über 2028. Für die Entscheidung 2017 für 2024 gibt es vier Bewerber, von denen drei aus Europa sind. Wenn Europa für 2024 den Zuschlag bekommt, braucht sich Europa für 2028 nicht mehr zu bewerben.

(Beifall von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Die Wahrscheinlichkeit ist nicht ganz gering, wenn man spekulieren darf. Wir hatten jetzt Rio de Janeiro, danach kommt Tokio. Dass dann vielleicht wieder ein europäischer Bewerber auf der Agenda sein könnte, ist nicht auszuschließen. Im Augenblick ist also nicht der richtige Zeitpunkt.

(Zuruf von der CDU)

Wenn man das vertiefend diskutieren will, wollen wir das gerne mit den anderen Parteien im Landtag tun. Das ist keine Frage, Herr Kerbein. Ich sage das auch zu Herrn Müller, auch wenn sein Beitrag eher unterirdisch war. Wenn wir das denn wollen, macht es vielleicht ab 2017 Sinn, wenn die Entscheidung für 2024 gefällt ist, noch mal darüber nachzudenken.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber dann muss man – bitte schön – auch mit dem DOSB, dem Antragsteller, reden. Sie können doch nicht einfach einen Wirbel veranstalten, irgendwelche Pressekonferenzen abhalten und dann sagen: Aber die vom DOSB sind alle so blöd, die machen das nicht. – So geht es nicht. Man muss mit denen reden, ein gemeinsames Konzept entwickeln, und dann kann man erfolgreich sein.

Noch mal zum Anfassen, Herr Müller, dass Sie es auch endgültig …

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Bischoff.

Rainer Bischoff (SPD): Einen Satz noch, dann bin ich sowieso durch. – Also: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Olympische Spiele in Nordrhein-Westfalen. Und zum richtigen Zeitpunkt werden wir uns von niemandem übertreffen lassen, dass diese Olympischen Spiele, wenn es eine Chance gibt, nach Nordrhein-Westfalen kommen.

(Beifall von der SPD)

Aber dafür machen wir nicht jeden Tag eine Pressekonferenz, sondern wir arbeiten an dem Thema, und das unterscheidet uns. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Bischoff, ich wollte Sie gar nicht an die Zeit erinnern, sondern Herr Kollege Müller würde Ihnen schrecklich gerne eine Zwischenfrage stellen.

Rainer Bischoff (SPD): Ja, gerne.

Präsidentin Carina Gödecke: Okay. – Bitte schön.

Holger Müller (CDU): Nur eine Frage: Es ist also richtig, dass 2017 das Verfahren in Gang gesetzt wird, das die Entscheidung für die Olympischen Spiele 2024 fällt. Aber bis 2017 hat uns Herr Mronz gesagt, müsse man ein Grundlagenpapier erarbeiten, um überhaupt Unterlagen für die Bewerbung innerhalb Deutschlands zu haben. Ist das nicht bekannt?

Rainer Bischoff (SPD): Nein. Das hat Herr Mronz Ihnen gesagt. Mir hat das noch niemand gesagt. Darauf kann man sich einlassen, man kann es auch lassen. Das ist nicht mein Thema. Aber mir hat das noch niemand gesagt. Das ist mir neu. Sie müssen Herrn Mronz fragen, woher er das hat.

(Zuruf von der CDU: Da können Sie noch viel lernen!)

Um Missverständnisse bei denen, die hinterher das Protokoll lesen, zu vermeiden: Herr Mronz ist nicht der DOSB. Den Antrag muss der DOSB stellen, nicht Herr Mronz. Herr Mronz ist Sporteventmanager. Der lebt davon, dass es moderne Veranstaltungsorte gibt. Damit verdient er sein Geld und hat ein Interesse daran. Das gönne ich dem auch – keine Frage. Aber er ist kein Antragsteller. Wenn man wissen will, wie man einen Antrag stellen muss, muss man den DOSB fragen. Der ist dafür zuständig.

Präsidentin Carina Gödecke: Darf ich einen Vorschlag machen? Die Redezeit ist jetzt wirklich erheblich überschritten. Sie können den Dialog gerne im Ausschuss fortsetzen.

Rainer Bischoff (SPD): Ja, eben. – Der Überweisung stimmen wir zu; das habe ich zu sagen vergessen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Bischoff, ich danke Ihnen ganz herzlich. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Paul das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee von Olympia in NRW, wie Herr Mronz sie skizziert, oder wie sie in der medialen Debatte bislang diskutiert worden ist, wirkt erst mal wie eine Blaupause für die Umsetzung der neuen IOC-Agenda 2020: weg von Gigantomie, mehr Transparenz, Nachhaltigkeitskriterien endlich einhalten, sich um die Menschenrechte kümmern usw. Das finde ich auch richtig. Allein nach den aktuellen Entwicklungen im internationalen Sport erlaube ich mir die kritische Anmerkung, mir fehlt ein wenig der Glaube, dass diese IOC-Agenda 2020 so schnell mit dem möglichen und notwendigen Pep umgesetzt wird.

Nichtsdestotrotz sind wir uns wohl hier im Hause alle einig, dass Nordrhein-Westfalen selbstverständlich die Voraussetzungen hat, Olympische und Paralympische Spiele auszurichten. Wir haben bei diversen Sportgroßereignissen gezeigt, dass wir gute Gastgeberinnen und Gastgeber und gute Organisatorinnen und Organisatoren sind: bei der Männerfußball-WM 2006, bei der WM der Frauen 2011, ob es beim Hockey oder bei der Kanu-WM gewesen ist. Wir sind ein sportbegeistertes Land und dementsprechend ist es sicher richtig, dass Olympische und Paralympische Spiele auch in Nordrhein-Westfalen stattfinden könnten und im Sportland Nummer eins gut angesiedelt wären.

Reden wir tatsächlich von einer jetzt aktuellen Debatte, oder handelt es sich vielleicht mehr um ein Spätsommerloch, um eine Scheindebatte? Denn Kollege Bischoff hat auf eine ganz entscheidende Sache hingewiesen. Ich habe auch gestern den Zeitungsberichten entnommen, dass das auch in der CDU-Fraktion unter diesem Vorzeichen diskutiert worden ist. Wenn die Olympischen Spiele 2024 in Europa stattfinden, haben wir uns alle gemeinsam einen schönen Sommerspaß gemacht, aber außer Diskussionen ist nichts gewesen – zum Glück auch keine Spesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darauf sollten wir vielleicht erst mal warten.

Um auf Ihre Zwischenfrage an Herrn Bischoff einzugehen, würde mich an der Stelle doch ein etwas detaillierteres Konzept von Herrn Mronz interessieren, wie er diese Vorbereitungen eigentlich machen will. Denn er garantiert uns ja, das wird ohne einen Pfennig Steuergeld passieren. Auch da bin ich auf die konstruktiven Antworten gespannt, wie das im Detail tatsächlich aussehen soll. Denn bislang hat es noch keine olympischen Bewerbungsvorbereitungen gegeben, ohne dass nicht in erheblichem Maße öffentliche Gelder dafür eingesetzt worden sind.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Das machen alles Ehrenamtliche!)

– Genau, das machen alles Ehrenamtler und die üblichen Sponsoren.

In der aktuellen Debatte kommt es weniger auf unsere politischen Willensbekundungen an, denn unter dem Strich sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass wir als Sportpolitikerinnen und Sportpolitiker uns Olympische und Paralympische Spiele vorstellen können.

Um noch einmal auf Sie einzugehen, Herr Kerbein, die Umfragen in Hamburg haben doch gezeigt, dass die Menschen in Hamburg am Anfang auch von der Idee begeistert waren, aber nach hinten raus, als es konkret wurde und auch gezeigt wurde, dass das etwas kostet, hat die Zustimmung für Olympische Spiele bei der Bevölkerung stark abgenommen, bis hin zu der negativen Entscheidung in der Bürgerbefragung.

(Dr. Björn Kerbein [FDP]: Aus Fehlern muss man lernen!)

Genau darauf müssen wir doch eingehen. Bevor wir eine Olympiabewerbung angehen, muss die Politik aktiv einfordern, dass sich an den Dingen, die massiv kritisiert worden sind, etwas ändert. Was im Zentrum der Ablehnung der Menschen gegen Olympische Spiele steht, sind doch nicht die Sportlerinnen und Sportler, nicht das Sportevent, sondern die gesamte negative Begleitmusik und die massive Glaubwürdigkeitskrise, in die nicht nur IOC und FIFA geraten sind, sondern mit dem DFB leider auch ein deutscher Spitzenverband bei der kruden Vergabegeschichte um die WM 2006. Das gilt es aufzuarbeiten, und da sehe ich aktuell nicht wirklich viel Bewegung beim IOC und bei den anderen Weltverbänden.

Denn die Olympischen Spiele hätten die Möglichkeit geboten, in dem ganzen Dopingskandal ein Zeichen zu setzen und sich vielleicht doch anders gegenüber einem Staatsdopingsystem wie dem russischen zu positionieren. Was hat der IOC-Präsident gemacht? Gar nichts! Er hat die Verantwortung auf die einzelnen Fachverbände abgewälzt und dementsprechend eine große Chance vertan. – Auch die Neuwahl des UEFA-Präsidenten, eines Funktionärs, den vorher keiner kannte, der aber aus dem System Sport kommt, scheint mir persönlich wenig dazu geeignet, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

(Zurufe von der CDU)

Das ist eine wichtige Debatte, die wir an der Stelle führen müssen, um die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Olympische Spiele sollen doch nicht für uns sein – was wir uns vorstellen könnten, was unsere Träume und Wünsche sind –, sondern Olympische Spiele müssen endlich wieder für die Athletinnen und Athleten sein und auch für die Menschen, die schließlich in den Stadien für die Stimmung sorgen sollen.

Mir fällt nach unserer Sportausschussreise nach Berlin auch ein, welche aktuelle Debatte wir uns vielleicht als Erstes vornehmen sollten, wenn wir über Transparenz und Good Governance sprechen: die aktuelle Debatte um die Reform der Spitzensportförderung, denn das wäre für den DOSB und das Bundesinnenministerium eine Gelegenheit, Good Governance neu zu präsentieren und zu zeigen, dass man Partizipation und Transparenz endlich ernst nimmt …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Josefine Paul (GRÜNE): … und dass man diese Kritik verstanden hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Lamla.

(Zuruf von den PIRATEN: Wo sind die Vuvuzelas?)

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Meine Damen und Herren, wir haben innerhalb der Piratenfraktion anlässlich der Anträge eine sehr spannende und sehr kontroverse Debatte geführt, und ich möchte gleich versuchen, die ein bisschen wiederzugeben. Vorab: Es könnte sein, dass ich Dinge sage, die Ihnen nicht gefallen werden, aber das müssen Sie leider aushalten.

Zuerst möchte ich mich mit den Erfahrungen aus Rio und vor allem mit dem IOC beschäftigen, denn ich glaube, wenn wir momentan eines wissen, dann ist es die Tatsache, dass nach Rio die Kasse des IOC voll und die Kasse des brasilianischen Staates leer war. Allein aus den Verträgen mit Fernsehanstalten und Sponsoren akquirierte das IOC mehr als 13 Milliarden US-Dollar, und die Erfahrung zeigt, das Geld wird nicht an das Ausrichterland gehen, sondern zu einem relevanten Teil in die Funktionärstaschen wandern – ich meine, in die Taschen der gemeinnützigen Kräfte. Sie wissen schon!

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Das IOC ist durchaus eine sehr mächtige Organisation mit einem echt widerlichen Image, das kann man auf jeden Fall festhalten. Ich glaube, da sind wir auch alle einer Meinung. Die Olympischen Spiele als Kernprodukt des IOC sind währenddessen von gröbsten organisatorischen Mängeln, von Doping- und Korruptionsskandalen mittlerweile so schwer belastet, dass Experten wie Walther Tröger schon von einem möglichen Ende der Olympischen Spiele sprechen. Nicht zuletzt die Dopingskandale haben auch den letzten Zuschauer erreicht und erzeugen ein Klima des Misstrauens. Der Zuschauer weiß weder, ob die Medaillen korrekt an saubere Athleten vergeben wurden, noch, ob die Dopingkontrollen und -analysen vorschriftsmäßig abgelaufen sind.

Im autokratischen Reich des IOC und der inzwischen 40 olympischen Sportweltverbände kann man alles kaufen, alles fälschen, alles organisieren: Dopingproben, Wahlen, Mitgliedschaften, Regeln, Kongresse. Für uns Demokraten wird es unter diesen Umständen schwer, uns für Olympia zu positionieren, solange man auf Funktionärsebene dem Spruch „Weiter so wie bisher!“ folgt.

Eine andere Sache, mit der wir uns in der Fraktionssitzung beschäftigt haben, ist die Inklusion. Denn die Paralympischen Spiele sind alles andere als gelungene Inklusion wie es etwa die Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft einmal äußerte. Eine gelungene Inklusion wäre es nämlich erst dann, wenn Sportlerinnen und Sportler mit Handicaps ebenfalls im Rahmen der Olympischen Spiele ihre Wettkämpfe austragen könnten, und nicht erst danach in einem völlig anderen und isolierten Format. Noch mal: Die Paralympics sind keine Inklusion. Sie sind leider ein Zeichen der Ausgrenzung, und auch daran trägt das IOC die Schuld.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt sollten wir auch auf die gescheiterte olympische Bewerbung der Hansestadt Hamburg schauen. Mündige Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt oder der Region können sehr wohl überblicken, welche positiven und welche negativen Folgen die Austragung eines solchen Events hat – Kosten, Gentrifizierung, um nur zwei Stichworte zu nennen. Wenn wir also ernsthaft über eine olympische Bewerbung reden, müssen wir uns auch damit beschäftigen, wie wir die Menschen der Region frühzeitig, transparent und vor allem auf Augenhöhe mit in die Entscheidungs- und Planungsprozesse einbeziehen.

Zusammenfassend sind wir nicht gegen den olympischen Gedanken. Wir sind sehr wohl gegen diese beiden Anträge, die uns heute vorgelegt werden. – Herr Müller, aktuell kein Aufbruch! Es muss sich viel ändern, damit dieser Aufbruch kommt. Wir schauen in die Zukunft und schauen, was dann passieren wird. Ich bin aber, ehrlich gesagt, eher skeptisch. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lamla. – Für die Landesregierung jetzt Frau Ministerin Kampmann.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Feier „70 Jahre Nordrhein-Westfalen“ in der Tonhalle erinnern. Dort war auch August Schulte, der an diesem Tag ebenfalls 70 Jahre alt wurde. Von Thomas Roth gefragt, hat er gesagt: Er wünscht sich, einmal olympische Spiele in Nordrhein-Westfalen erleben zu dürfen. Sie haben schon darauf hingewiesen. Auch die jüngste Umfrage weist darauf hin, dass es eine große Begeisterung in der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens gibt.

Herr Müller, Sie haben vollkommen recht. Ich habe gesagt – und dazu stehe ich –: Als Sportministerin kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als olympische Spiele im eigenen Land. Die Bedingungen haben Sie heute schon häufig genannt. Sie müssen ökonomisch sinnvoll und ökologisch sein, und wir müssen die Menschen mitnehmen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch ich kann mir tatsächlich nichts Schöneres vorstellen, als die besten Sportlerinnen und Sportler der Welt hier in Nordrhein-Westfalen, hier an Rhein und Ruhr erleben zu dürfen.

Es ist ein großes Fest der Begegnung. Im August durfte ich bei den olympischen Spielen in Rio sein. Ich durfte Zeugin werden, wie dort der olympische Gedanke mit Leben gefüllt wird – und zwar fernab negativer Schlagzeilen, die es hier so oft gab. Denn man konnte in Rio sehr gut sehen: Wenn die Menschen im eigenen Land sportbegeistert sind – und das sind die Brasilianerinnen und Brasilianer –, dann trägt das olympische Spiele. Dann wird es dieses große Fest, das ich mir auch für Nordrhein-Westfalen wünsche.

(Beifall von der SPD)

Aber, lieber Herr Müller, eine Bewerbung ist kein Sprint. Deshalb: Wenn Ihr Zug losfährt, dann sollte er nicht zu schnell losdampfen. Bei einer Bewerbung ist Ausdauer gefragt. Das darf kein Schnellschuss sein. Dafür brauchen wir ein gutes Konzept, das auch in der Praxis funktionieren muss, und dafür müssen wir uns eng mit unseren zentralen Partnern – und das ist der DOSB, aber auch der Deutsche Behindertensportverband – abstimmen. Wir sehen die Gesamtlage deshalb differenzierter, als es in Ihren Anträgen zum Ausdruck kommt.

Herr Müller, eine gute Sportstätteninfrastruktur ist zudem nicht alles. Rainer Bischoff und Josefine Paul haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt vor allem eben auch vom Austragungsort 2024 abhängt. Darüber wird das IOC nächstes Jahr entscheiden, und dann werden wir weitersehen. Der Ball liegt jetzt im Feld des Sports.

Ich möchte noch einmal auf die Vorteile hinweisen, die wir in Nordrhein-Westfalen haben: Wir haben eine einzigartige Sportstätteninfrastruktur. Olympische Spiele wären eine konsequente Fortsetzung unseres sportpolitischen Konzepts. Sie wissen, wir haben auch im nächsten Jahr viele große Sportveranstaltungen: Wir sind Gastgeber für die Eishockey-WM, die Tischtennis-WM und die Tour de France. Das heißt, wir haben viele Erfahrungen, auf denen wir aufbauen könnten, und das sollten wir auch tun.

Ich schließe ab: Nordrhein-Westfalen ist sportbegeistert. Wir sollten uns gemeinsam für den Traum von Olympia stark machen, aber unter der Bedingung: mit den Menschen und zusammen mit unseren Partnern aus dem Sport. Ich freue mich auf die gemeinsame Debatte im Sportausschuss und wünsche Ihnen allen einen schönen Abend. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



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