Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Norbert Römer.

(Einige Abgeordnete der CDU-Fraktion verlassen den Saal – Stefan Zimkeit [SPD]: Jetzt geht die CDU nach Hause! Jetzt, wo sie mal was lernen könnte! – Michele Marsching [PIRATEN]: Die SPD ist gar nicht da! Das ist ein schlechter Scherz!)

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Laschet, Sie haben mich gerade mit Ihrer Rede nicht enttäuscht: Sie irrlichtern durch Kitas und Schulen, Sie zeichnen ein Bild von unserem Land – das ist ja Ihre Erzählung, die Sie immer wieder ein bisschen anders einleiten –, das von Zerfall, Niedergang, Abgründen und Ruinen geprägt ist.

Herr Kollege Laschet, gerade ist deutlich geworden: Sie kennen unser Land wirklich nicht. Sie kennen die Menschen nicht. Sie wissen nicht, was in Nordrhein-Westfalen los ist.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Deshalb, Herr Kollege Laschet, will ich Sie an einer anderen Erzählung über unser Land teilhaben lassen. Sie ist weit ausgewogener und viel realistischer, als wir sie gerade von Ihnen gehört haben. Ich nenne sie Ihnen mal.

„Der Strukturwandel ist noch nicht abgeschlossen, aber Nordrhein-Westfalen hat bereits viel geschafft. Das Land verfügt über eine leistungsfähige Wirtschaft. Nach wie vor befinden sich in Nordrhein-Westfalen Standorte von Energieerzeugern und klassischen Industriezweigen. Aber es sind neue Bereiche hinzugekommen, innovative Betriebe und Dienstleistungsunternehmen. Die Forschungslandschaft ist gut aufgestellt, auch hier oft durch Kooperationen von Bund und Land. Nordrhein-Westfalen ist lebens- und liebenswert. Nordrhein-Westfalen ist einfach ein starkes Stück Deutschland.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN und Michele Marsching [PIRATEN])

Das ist die andere Erzählung, Herr Kollege Laschet. Diejenige, die diese andere Erzählung vorgetragen hat, war niemand anderes als die Bundesvorsitzende der CDU, die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Das war Angela Merkel.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Frau Merkel hat recht. Ich habe mich darauf vorbereitet und dachte: Jetzt gibt es gleich ein wirtschaftspolitisches Feuerwerk des Kollegen Laschet, weil Sie quer durchs Land tingeln, überall in den Unternehmen sich sachkundig machen.

(Zurufe von der CDU)

Aber offensichtlich, Herr Kollege Laschet, ist Wirtschaftspolitik – das war gerade deutlich – nicht Ihre Stärke. Dann will ich Ihnen aber gern, Herr Kollege Laschet, einige Fakten über die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land nennen.

(Armin Laschet [CDU]: Sie können doch auch einmal auf meine Rede reagieren! – Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Die passen auch deshalb in einen Rahmen, weil dann, Herr Kollege Laschet, Ihre kleinkarierte und kleinwüchsige Polemik über die Entwicklung in unserem Land ein bisschen besser sichtbar werden wird.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das müssen Sie Riese gerade sagen.)

Während unserer Regierungszeit, Herr Kollege Laschet, sind 650.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen entstanden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wir haben die Arbeitslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 1993 gedrückt. Jugendarbeitslosigkeit, Herr Kollege Laschet, ist seit 2010 um 14 Prozentpunkte gesunken. Insgesamt haben heute mehr als 6,5 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen einen regulären Job – so viele wie nie zuvor. Das gehört zur Wahrheit über die Entwicklung in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insbesondere profitieren Frauen von unserer Wirtschaftspolitik. Immer weniger von ihnen arbeiten in Minijobs, immer mehr in sozialversicherungspflichtigen Anstellungen. Und Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Laschet, erhält mehr ausländische Direktinvestitionen als Bayern und Baden-Württemberg zusammen. NRW, Herr Kollege Laschet, ist der Investitionsstandort Nummer eins in Deutschland.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit mehr als 67.000 gewerblichen Existenzgründern

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe über Kinder und Bildung gesprochen!)

im Jahre 2015 belegt NRW den ersten Platz aller Bundesländer. NRW ist das Gründerland Nummer eins, Herr Kollege Laschet – so viel zur Entwicklung in die Zukunft. Und mehr als die Hälfte des bundesweiten Umsatzes der Telekommunikationswirtschaft wird in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet. In keinem anderen Flächenland ist der Breitbandausbau so weit fortgeschritten wie in Nordrhein-Westfalen. Und bei Start-up-Gründungen im IT-Bereich liegt NRW auf Platz zwei, knapp hinter Berlin. Also: NRW ist das Digital-Land Nummer eins in der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und weil es immer wichtig ist, auch zu wissen, wie andere unser Land sehen, füge ich hinzu: Nordrhein-Westfalen ist die europäische Zukunftsregion Nummer eins. Alle zwei Jahre lässt das Foreign-Direct-Investment-Magazine, eine Tochter der renommierten Financial Times in London, Wirtschaftsfachzeitschrift, Wirtschaftswissenschaftler die ökonomischen Zukunftsaussichten aller europäischen Staaten und Regionen untersuchen.

Unterm Strich gab es 2016 denselben Sieger wie schon 2014: Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen Zukunftsregion Nummer eins. NRW hat den Großraum Paris, den Großraum London, Baden-Württemberg und Bayern auf die Plätze verwiesen. Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren, punktet doch mit seinem innovativen Mittelstand und mit seiner starken Industrie. Das macht es zur Zukunftsregion Nummer eins in Europa. Und deshalb sollten Sie, Herr Kollege Laschet, nicht ein Zerrbild von unserem Land hier in diesem Hohen Hause zeichnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zur Erinnerung: Mehr als 800 mittelständische Weltmarktführer, die sogenannten Hidden Champions, haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es die dichteste Hochschullandschaft Europas,

(Christina Schulze Föcking [CDU]: Was ist denn mit den Kindern?)

ein duales Ausbildungssystem von Weltruf und mehr hochqualifizierte Fachkräfte als irgendwo sonst in Europa. Und darüber hinaus ist Nordrhein-Westfalen internationales Vorbild für erfolgreichen Strukturwandel. Noch vor zwei Jahrzehnten fanden 600.000 Menschen Arbeit in Nordrhein-Westfalen in der Montanindustrie. Heute stehen die Werkbänke der produzierenden Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe – wir haben das gestern noch einmal gemeinsam herausgestellt hier in diesem Hohen Haus –, in Südwestfalen.

Die Metropole Ruhr positioniert sich neu als modernere, als dynamische Wissens- und Dienstleistungsregion und damit weiterhin als eine der stärksten Wirtschaftsregionen Europas – ein beispielloser Wandel in nur wenigen Jahrzehnten. Die Kanzlerin hat das begriffen. Die Kanzlerin hat das richtig nach vorne orientiert bewertet. Sie hat den Menschen hier in Nordrhein-Westfalen Mut gemacht, weiterzumachen auf diesem Weg. Und wir werden weitermachen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bitte Sie mal, Ihre Scheuklappen abzulegen. Vergleichen Sie doch mal, meine Damen und Herren von CDU und FDP, Nordrhein-Westfalen mit Nordengland, mit Wallonien oder mit Nordfrankreich. Während in anderen Staaten die Deindustrialisierung ökonomisches Brachland hinterlassen hat, haben wir in Nordrhein-Westfalen unsere industriellen Kerne erhalten gegen viele Widerstände, auch gegen viele Ratschläge, im Übrigen auch aus diesem Land von Wissenschaftlern und anderen. Dazu haben wir neue Wissensdienstleistungsbranchen erschlossen und für eine bessere Lebensqualität gesorgt, meine Damen und Herren.

Das sollten wir alles nicht unter unseren Scheffel stellen. Wir sollten den Menschen Mut machen und sagen: Wir meistern die Zukunft, weil wir uns der Herausforderung stellen.

(Beifall von der SPD)

Denn eines ist klar: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen kennen den Wandel. Die haben keine Angst vor Veränderungen. Und die wissen: Wir können auch Wandel in Nordrhein-Westfalen. Und die Menschen sind stolz darauf, was sie gemeinsam zustande gebracht haben. Und wir sind stolz auf solche leistungsstarken Menschen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei allen Stärken, bei allen Erfolgen ist Nordrhein-Westfalen selbstverständlich auch ein Land, das ernste Probleme lösen, große Herausforderungen bewältigen muss. Es ist ein Land – wir haben nie einen Hehl daraus gemacht – großer sozialer und ökonomischer Unterschiede. Es gibt Städte, die wachsen, und Städte, die schrumpfen. Es gibt ländliche Räume, die prosperieren, und ländliche Räume, deren Einwohnerzahlen sinken. Boomregionen mit nahezu Vollbeschäftigung grenzen an strukturschwache Regionen, die gegen Langzeitarbeitslosigkeit, gegen soziale Ungleichheit zu kämpfen haben. Zum Teil verlaufen diese Grenzen zwischen Licht und Schatten quer durch unsere Kommunen.

Eines der großen Probleme unseres Landes ist die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit in Großstädten. Die hat im Übrigen, Herr Kollege Laschet, sehr viel mit dem, was Kinderarmut genannt wird, zu tun,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit vor allen in Großstädten unseres Landes, die der Strukturwandel gezeichnet hat, zum Beispiel im nördlichen Ruhrgebiet. Diese Langzeitarbeitslosigkeit ist der Grund – ich wiederhole das – für die hohe Kinderarmut und die hohen Haushaltsdefizite in den betroffenen Städten.

Die Gründe für die Langzeitarbeitslosigkeit selbst sind mitnichten konjunkturelle Schwächen oder Wachstumsdellen. Verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit ist die Folge mangelnder Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen. Wenn dann noch jemand beispielsweise als alleinerziehende Mutter durch einen Teilzeitjob im Niedriglohnbereich kaum in der Lage ist, ihre Kinder zu ernähren, dann ist es doch geradezu unmöglich, dies auch noch mit Hilfe für Bildungsabschlüsse zu versehen.

Wir müssen da helfen, Herr Kollege Laschet. Das ist die Grundlinie dessen, was die Ministerpräsidentin mit der Formel „Kein Kind zurücklassen!“ nennt und woran wir arbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das lässt sich nicht in drei Minuten erledigen. Dafür braucht man einen langen Atem, meine Damen und Herren.

Ich habe Ihre Vorschläge gelesen; Sie haben vorhin darauf hingewiesen.

Dazu sage ich Ihnen: Sie könnten noch mehr Arbeitnehmerrechte schleifen, Umweltstandards absenken oder die Frauenförderung zusammenstreichen, Sie würden trotzdem die Langzeitarbeitslosigkeit nicht abbauen. Was Sie verlangen, Herr Kollege Laschet, heute nicht vorgetragen, aber schriftlich niedergelegt, kommt der Behandlung einer ernsten Krankheit mit falschen Medikamenten gleich, mit schlimmen Nebenwirkungen, aber ohne Behandlungserfolg. Nein, Herr Kollege Laschet, das ist doch das, was die Menschen vermissen, was wir vorhin vermisst haben: Sie haben keinen Zukunftsplan für Nordrhein-Westfalen! Das ist wieder einmal deutlich geworden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was ist stattdessen zu tun? – Zunächst einmal müssen wir Kindern, deren Familien auf Hartz IV angewiesen sind, zu besseren Bildungschancen verhelfen. Diese Kinder haben ein Recht auf Chancengleichheit, verdienen besondere Unterstützung, zum Beispiel durch Sprach- und Leseförderung, durch Hilfe zur Erziehung für ihre Eltern oder durch eine individuelle Bildungsbegleitung.

Genau das ist der Ansatz unserer vorbeugenden Bildungs- und Sozialpolitik, die Sie vorhin herunterzumachen versucht haben. Unsere Projekte, Herr Kollege Laschet, „Kein Kind zurücklassen!“ und „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ändern zunächst nichts daran, dass Langzeitarbeitslose schlechte oder gar keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, können sie auch gar nicht. Sie sind dafür auch nicht gemacht. Aber sie verhindern, dass es ihren Kindern einmal genauso ergehen wird. Das ist doch der Ansatz dieser vorbeugenden Bildungspolitik, dieser vorbeugenden Sozialpolitik!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn wir brauchen diese Kinder als Fachkräfte, als Ingenieure oder als Wissenschaftlerinnen. Im Jahre 2030 werden uns in Deutschland nach Schätzungen des Prognos-Instituts rund vier Millionen Fachkräfte fehlen. Die Hälfte davon lässt sich eventuell durch Produktivitätsfortschritte der Digitalisierung kompensieren. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: In spätestens 14 Jahren hat jeder ausbildungsreife Jugendliche derart gute Berufschancen in unserem Land, dass sie einer Jobgarantie gleichkommen.

Dafür arbeiten wir. Das wollen wir vor allen Dingen den jungen Menschen klarmachen, dass sie darauf hinarbeiten. Das sind die Chancen in der Zukunft! Das ist das Zukunftsland Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben die Mittel für die frühkindliche Bildung verdoppelt. „Kein Kind zurücklassen!“, „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sind heute Vorbilder für ähnliche Ansätze in Deutschland, aber auch international. Darauf kommt es an, wenn es um die Frage von Arbeitslosigkeit geht: Wie helfen wir Erwachsenen, über die der Strukturwandel hinweggegangen ist und die jetzt in der Langzeitarbeitslosigkeit festsitzen? 311.000 in Nordrhein-Westfalen, mehr als 60.000 allein im nördlichen Ruhrgebiet sind drei, vier, fünf Jahre langzeitarbeitslos. Die wollen ja etwas leisten. Die wollen auch produktiv sein. Und sie können das auch.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam einen sozialen Arbeitsmarkt aufbauen. Lassen Sie uns das gemeinsam tun. Er muss so ausgestaltet sein, dass er dauerhafte Beschäftigung sicherstellt. Gemeinnützige Aufgaben, die der Allgemeinheit zugutekommen, aber bisher liegen bleiben, gibt es reichlich. Und schon jetzt gibt es erfolgreiche Modellprojekte. Unter der Federführung des NRW-Arbeitsminis-teriums, unter der Federführung von Minister Schmeltzer ist es gelungen, ca. 1.600 langzeitarbeitslose Frauen und Männer wieder an ein strukturiertes Arbeitsleben heranzuführen. Mehr als ein Drittel von ihnen hat einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Hieran können wir anknüpfen. Das muss aber mehr werden, meine Damen und Herren, und es kann auch mehr werden.

Wenn der Bundesfinanzminister endlich die Bremse lösen und die erforderlichen Mittel freigeben würde, dann könnte daraus auch mehr werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Hendrik Schmitz [CDU]: Immer die anderen! – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Denn seine Blockade, die Blockade von Minister Schäuble, ist ja ideologisch gespeist, gegen den Passiv-Aktiv-Tausch, ist doch auch volkswirtschaftlich unsinnig. Es ist doch besser und produktiver, Arbeit zu finanzieren, als Arbeitslosigkeit zu bezahlen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Laschet, lassen Sie uns doch gemeinsam mit unseren Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen in Berlin für diesen sozialen Arbeitsmarkt kämpfen. Wir sind dazu bereit. Die Menschen werden das dankbar annehmen, wenn wir es schaffen, dauerhafte Beschäftigung auf einem sozialen Arbeitsmarkt zu organisieren.

(Beifall von der SPD)

Mit dem Haushalt 2017 investiert Nordrhein-Westfalen einmal mehr in seine Zukunft. Wir investieren in Bildung und sozialen Aufstieg. Wir investieren in Innovation, Wirtschaftskraft und Infrastruktur. Wir investieren für Familien in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nicht zuletzt investieren wir in die innere Sicherheit und die öffentliche Lebensqualität unserer Städte und Gemeinden.

All das sind Kennzeichen unserer Regierungspolitik seit 2010. Die Steigerung dieser Zukunftsinvestitionen liegen bei 30, 40, zum Teil bei über 100 %. Der Finanzminister hat vorhin darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen hat nicht nur in absoluten Zahlen die höchsten Bildungsausgaben aller Länder. Heute gibt das Land über 40 % seines Haushalts für Bildung aus. Mit 1.100 € pro Einwohner liegen wir auf Platz zwei aller Bundesländer knapp hinter Baden-Württemberg und vor Bayern. Das ist das Gegenstück zu dem Zerrbild, das der Kollege Laschet vorhin gezeichnet hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In den vergangenen zwei Jahren haben wir über 6.000 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Im kommenden Jahr kommen weitere 1.760 hinzu.

Wir legen ein 2-Milliarden-€-Projekt zur Modernisierung und Sanierung unserer Schulgebäude auf, Herr Kollege Laschet. Damit unterstützen wir unsere Städte, Gemeinden und Landkreise bei ihrer originären Aufgabe als Schulträger direkt und unbürokratisch. Das ist das größte Projekt seiner Art in der Geschichte unseres Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik ist die innere Sicherheit, in die wir im kommenden Jahr 4,2 Milliarden € investieren werden, also rund ein Drittel mehr als noch 2010. Bis 2023 wird das Land jedes Jahr 2.000 neue Polizeianwärterinnen und -anwärter einstellen.

Mit anderen Worten: Wir haben den schwarz-gelben Stellenabbau bei der Polizei gestoppt und eine Trendumkehr eingeleitet. Das Land wird sicherer. Mehr Polizei kommt auf die Straßen. Die Kriminalitätsraten gehen weiter zurück. Die Menschen erfahren: Diese Landesregierung setzt auf einen starken Staat, weil die Bürgerinnen und Bürger einen starken Staat brauchen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auch unsere Politik für guten und bezahlbaren Wohnraum zeitigt Erfolge. Der Nordrhein-Westfälische Handwerkstag nennt die Förderung des Wohnungsbaus in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern vorbildlich. Tatsächlich rennen uns die Investoren die Türen ein. Deshalb werden wir die Mittel für die Wohnraumförderung deutlich erhöhen, und zwar um fast 40 % auf 1,1 Milliarden €.

Dieser Landesregierung ist es zudem gelungen, die systematische Benachteiligung Nordrhein-Westfalens im Bundesverkehrswegeplan zu beenden. Bis 2030 werden fast 14 Milliarden € nach Nordrhein-Westfalen fließen.

Das ist ein großer Erfolg, zu dem ich unserem Verkehrsminister Groschek ganz herzlich gratuliere und für den ich mich bei den Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen – bei allen, auch und besonders bei denen der CDU – ganz ausdrücklich bedanke; denn es ist unser gemeinsamer Erfolg, mehr Mittel für den Bundesverkehrswegeplan nach Nordrhein-Westfalen geholt zu haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Aber auch unser Land selbst nimmt ordentlich Geld in die Hand. Im Vergleich zu unserer schwarz-gelben Vorgängerregierung haben wir die Investitionen zum Erhalt der Landesstraßen um rund 84 % erhöht. Für den Breitbandausbau im ländlichen Raum stehen bis 2018 Fördermittel in Höhe von bis zu 1 Milliarde € bereit. Nordrhein-Westfalen ist übrigens das erste Bundesland, das eine Strategie für ein flächendeckendes Glasfasernetz bis 2026 vorgelegt hat.

Ich will noch einen Erfolg nennen, der durch Beharrlichkeit und Standfestigkeit zustande gekommen ist. Von Nordrhein-Westfalen aus haben wir die internationale Steuerhinterziehung bekämpft. Wir haben Wolfgang Schäubles Amnestiegesetz für Steuerhinterzieher und ihre Helfershelfer verhindert und den Austausch von Bankdaten zwischen der EU und der Schweiz erst möglich gemacht.

Damit Sie sich richtig erinnern können, will ich noch einmal herausstellen: Das haben wir gegen den erbitterten Widerstand von CDU und FDP hier in diesem Hohen Haus durchgesetzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Schon vergessen, meine Damen und Herren? Heute ist klar: Norbert Walter-Borjans und Hannelore Kraft haben für mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland und in Europa gesorgt – im Übrigen nachhaltig –, und alle profitieren davon.

Deshalb werden wir im Kampf gegen Steuerhinterziehung auch nicht nachlassen. Das ist etwas, was allen Menschen zugutekommt. Es ist unsere gemeinsame Angelegenheit, dafür zu sorgen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Die Opposition will sich ja über diesen Erfolg nicht freuen. Für sie ist ja unsere Politik für Steuergerechtigkeit überflüssig bis falsch.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Für die Seite da drüben!)

CDU-Finanzpolitiker Dr. Optendrenk sagte kürzlich, der Finanzminister gebärde sich in seinem Kampf gegen Steuerkriminalität wie Robin Hood. Das war wohl unfreundlich gemeint, obwohl Robin Hood ja gemeinhin zu den Guten in der Literaturgeschichte gezählt wird; es sei denn – Herr Kollege Optendrenk ist jetzt nicht da; man kann es ihm aber vielleicht einmal mitteilen –, man selbst sieht sich dann in der Rolle des Sheriffs von Nottingham,

(Heiterkeit Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

der für seinen Prince John – oder genauer: für seinen Prinzen Laschet – Gebühren bei Studierenden und Eltern kleiner Kinder eintreiben will.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir haben Studierende und junge Eltern durch die Abschaffung der Studiengebühren und das beitragsfreie Kitajahr um 400 Millionen € entlastet.

Und die CDU und vermutlich auch die FDP wollen sie wieder damit belasten: mit 1.000 € im Jahr für ein Studium, mit mehreren Tausend Euro im Jahr für Kitabetreuung, und zwar nicht nur – Herr Kollege Laschet, schauen Sie sich einmal die Gebührentabellen in den Städten an! – für Besserverdienende, sondern für ganz normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Facharbeiter oder für Krankenschwestern.

(Beifall von Ingrid Hack [SPD])

Ja, das wollen Sie, und dann sagen Sie es auch endlich!

(Armin Laschet [CDU]: Sage ich doch!)

Haben Sie doch mal den Mut, den Eltern zu sagen: Wir wollen euch wieder mit 400 Millionen € im Jahr mehr belasten, wenn wir drankämen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist Quatsch!)

Wenn Sie das machen würden, würden Sie nicht nur endlich einmal die Wahrheit über Ihre Pläne sagen, sondern möglicherweise Ihren finanzpolitischen Plänen oder Vorstellungen etwas verleihen, was diese bisher überhaupt nicht haben, nämlich einen Hauch von Seriosität und Substanz. Denn Sie kritisieren, dass wir trotz unserer Rekordinvestitionen viel zu wenig ausgeben.

Überhaupt hat man manchmal den Eindruck, dass es keine Lobbyistenforderung gibt, der die CDU nicht ungeprüft die Note „gut“ anheftet.

(Lachen von Ministerin Sylvia Löhrmann – Christian Lindner [FDP]: Tengelmann und Edeka!)

Sie fordern mehr Geld für Bildung, für Wissenschaft, für Infrastruktur, für Breitbandausbau. Sie türmen Ausgabenwunsch auf Ausgabenwunsch und krönen Ihr finanzpolitisches Luftschloss mit einer grandios gespielten Empörung über die Höhe der Neuverschuldung. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren von der CDU: Sie wollen mehr Geld ausgeben und gleichzeitig weniger. Das ist finanzpolitische Abenteurerei.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir hingegen müssen überhaupt nichts verschweigen. Wir setzen unseren erfolgreichen Konsolidierungskurs fort. Uns ist es gelungen – der Finanzminister hat das vorhin herausgestellt –, die Neuverschuldung des Landes um weit mehr als 70 % zu senken und gleichzeitig die Zukunftsinvestitionen für Nordrhein-Westfalen deutlich zu erhöhen. Bei uns gehen Rekordinvestitionen in Kinder, Bildung und Kommunen mit einer konsequenten Rückführung der Neuverschuldung Hand in Hand.

Auch im kommenden Jahr wird die Neuverschuldung weiter sinken, obwohl wir auch 2017 ein finanzpolitisches Schwergewicht zu stemmen haben – die Versorgung und Integration von 200.000 Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung zu uns nach Nordrhein-Westfalen fliehen mussten. Dafür wird das Land 4,2 Milliarden € bereitstellen.

Nur etwa ein Viertel davon – der Finanzminister hat das herausgestellt; ich will das noch mal wiederholen, damit es auch alle wissen – kommt vom Bund. Wir sparen das Geld an keiner anderen Stelle ein. Im Gegenteil, viele dieser Ausgaben – wir haben es bereits gestern betont – werden allen Menschen in Nordrhein-Westfalen zugutekommen, zum Beispiel beim Wohnungsbau, in den Schulen oder in unseren Kitas.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Land dank unserer erfolgreichen Konsolidierungspolitik im kommenden Jahr einen Haushaltsüberschuss von 1,4 Milliarden € ausweisen könnte, hätte es nicht diese historische Herausforderung der Flüchtlingsmigration zu meistern. Deshalb in aller Klarheit: Dass wir das Geld aufbringen, dass wir es ausgeben, ist ein Gebot der Vernunft und ein Gebot der Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Und das machen wir gern, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir in Nordrhein-Westfalen wissen, dass offene und tolerante Gesellschaften immer erfolgreicher sind als abgeschottete, und doch ist das Unbekannte, das stets mit Einwanderung verbunden ist, immer auch eine Quelle subjektiver Unsicherheit. Flüchtlingsmigration tausendfach am Tag – noch dazu zu Fuß und gleich in allen Medien – potenziert Unsicherheit zu Stress. An diesem Stress sind im Winter 2015/2016 Freundschaften zerbrochen, gesellschaftliche Tabus zerschellt.

Dieser Stress war der Treibstoff, den die reaktionären Nationalisten der AfD brauchten, um in Parlamente einzuziehen. Und doch hat die große Mehrheit der Deutschen den Stress ausgehalten. Ihr Willkommen ist vielleicht kein euphorisch herzliches, vielleicht eher ein reserviert höfliches, ist eines, das der zögerlichen Einsicht in die Konsequenzen humanitären Handelns folgte. Ein Willkommen, meine Damen und Herren, ist es dennoch.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich bin mir sicher, auch und gerade die große Mehrheit in Nordrhein-Westfalen will nicht, dass Nationalisten und Rassisten die liberale und weltoffene Kultur unseres Landes zerstören. Die große Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen weiß, Vielfalt macht uns stärker. Sie wissen aber auch, Vielfalt braucht Gemeinsamkeit. Diese Gemeinsamkeit müssen die politischen Grundwerte und Überzeugungen sein, über die wir gestern diskutiert und die wir in unserer Resolution festgehalten haben.

Und tatsächlich – ich will das gerne hier nennen – in Fokusgruppen und Interviewstudien zur Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in Nordrhein-Westfalen sprechen unsere Bürgerinnen und Bürger viel über Werte und Regeln. Ihre Sorgen kreisen um die Meinungs- und Religionsfreiheit, um die Zukunft der toleranten und friedlichen Gesellschaft, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau, um die Rechte von Schwulen und Lesben, um individuelle Selbstbestimmung im Allgemeinen und sexuelle Selbstbestimmung im Besonderen.

Die besorgten Blicke mögen sich auf muslimische Einwanderinnen und Einwanderer richten. Aber die Sorgen selbst kreisen um den Erhalt der offenen und toleranten Gesellschaft. Sie kreisen um Errungenschaften aus den letzten 50 Jahren, die der AfD-Chef Meuthen als „Irrwege des links-rot-grün versifften 68er-Deutschlands diffamiert hat“.

Das ist die Pointe dieser Studie: Die AfD bläst zum Sturm auf Werte und Institutionen, die die Mehrheitsgesellschaft verteidigen will. Das ist die Pointe, die wir zum Anlass nehmen müssen, überall deutlich zu machen: Diese AfD ist fremd im eigenen Land.

(Anhaltender Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

All das, was unsere Demokratie auszeichnet – Toleranz, Solidarität, Freiheit, Liberalität und Sozialstaat –, wird wieder von rechts bedroht. Wer sich jetzt aus panischer Angst vor den Nationalisten ihrer Sprache, ihren Positionen derart annähert, dass kaum noch Unterschiede zu erkennen sind, wird diese Nationalisten nicht besiegen. Ich sage das mit vollem Ernst an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Ich habe die Hoffnung – ich hoffe, die berechtigte Hoffnung –, dass Sie sich nicht in jene Sackgasse locken lassen, in der Ihre bayerische Schwesterpartei bereits festsitzt.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir geben die 10 bis 15 % der Wählerinnen und Wähler, die mit der AfD sympathisieren, nicht verloren.

Aber noch wichtiger ist es jetzt, dass wir die 85 bis 90 % der Bürgerinnen und Bürger, die die Position der AfD ablehnen, in ihren Einstellungen bestärken. Sie wollen ein weltoffenes und tolerantes Land, sie erkennen die Einwanderung auch als eine gute Chance. Sie sind proeuropäisch, unterstützen eine Politik gegen soziale Ungleichheit. Vor allem verlangen sie jetzt nach langfristigen Visionen für die Zukunft unseres Landes.

Und wir, Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, können einen solchen Zukunftsentwurf bieten. Wir haben das vorhin noch einmal deutlich gemacht, haushalterisch hinterlegt.

Unsere Zukunftsgeschichte von unserem Nordrhein-Westfalen handelt von einem Land, in dem die Mitte wieder wächst und die Aussicht auf sozialen Aufstieg weitaus realistischer ist als die Angst vor dem Abstieg. Es ist ein Land, das wirtschaftlich stark ist und technologisch zur Spitzengruppe in der Welt gehört.

In diesem Land ist eine gute und bezahlbare Wohnung wieder der Normalfall, kein Glücksfall. Ein Kind ist für eine alleinerziehende Köchin – ja, da brauchen wir einen langen Atem, Herr Kollege Laschet – kein Armutsrisiko und für eine alleinerziehende Akademikerin kein Karrierehindernis mehr. Junge Eltern müssen sich nicht mehr fragen, wie viel Familienzeit ihr Job erlaubt. Stattdessen werden sie gefragt, wie sich ihr Job an ihre Vorstellung eines gelungenen Familien- und Arbeitslebens anpassen lässt. Und wem das Leben aus den Händen gleitet – das ist doch unsere allgemeine gute Erfahrung hier in Nordrhein-Westfalen –, fällt nicht ins Bergfreie, sondern erhält eine zweite oder auch eine dritte Chance, wenn es nötig ist.

Dafür, meine Damen und Herren, arbeiten wir konsequent und beharrlich. NRW – stark und gerecht, das machen wir. Darauf können sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlassen. – Vielen Dank fürs Zuhören, meine Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)


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