Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht der Vorsitzende Christian Lindner.

Christian Lindner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! – Herr Kollege Römer, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört,

(Zurufe von der SPD und den PIRATEN: Ach was!)

wie Sie unser Land Nordrhein-Westfalen gewürdigt haben. Es hat nur noch eines gefehlt, Herr Römer: dass Sie das 6:0 von Dortmund gestern Abend als Ergebnis rot-grünen Regierungshandelns dargestellt hätten. Das hat noch gefehlt.

(Beifall von der FDP und der CDU – André Stinka [SPD]: Ja, na klar! – Marc Herter [SPD]: Ist doch schwarz-gelb! – Weitere Zurufe von SPD und den PIRATEN: Ist es vielleicht auch!)

Soweit sind selbst Sie nicht gegangen als BVB-Anhänger.

Damit kein Missverständnis aufkommt, und ich glaube, ich spreche auch für die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Landtagsfraktion

(Zurufe von der SPD und den PIRATEN: Ach! Oho!)

– missverstehen Sie das nicht! Warten Sie doch erst einmal ab! –: Wir als Opposition reden das Land doch nicht schlecht. Natürlich ist Nordrhein-Westfalen ein starkes Land, aber es hat eine schwache Regierung,

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

und es könnte mehr und es müsste sich auch mehr vornehmen.

Ich habe genauso wie Armin Laschet aus Anlass dieser Debatte noch einmal in die erste Regierungserklärung der Ministerpräsidentin Kraft geschaut. Das hier ist der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislaturperiode beraten. Wenn man den aktuellen Umfragen Glauben schenken darf, ist es im Übrigen auch der letzte von Rot-Grün verantwortete Haushalt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb ist es durchaus angezeigt, im Sinne einer Bilanz zu schauen: Was ist erreicht worden, und was ist nicht erreicht worden?

Frau Ministerpräsidentin, in Ihrer ersten Regierungserklärung 2010 haben Sie nicht nur den Satz geprägt von „kein Kind zurücklassen“, Sie haben vor allen Dingen gesagt, man solle Ihre Regierung daran messen, ob sie das Leben der Bürger in NRW besser mache. Ihr Anspruch war, daran gemessen zu werden, ob Sie das Leben der Menschen in Nordrhein-Westfalen besser machen. Da nehmen wir Sie beim Wort und vergleichen die Jahre 2010 und 2016.

Im Jahr 2016 gibt es eine schlechtere Entwicklung am Arbeitsmarkt, mehr Straftaten, mehr Schulden pro Einwohner, weniger Wachstum, weniger Ausgaben für Grundschulen und ein höheres Risiko für Kinderarmut als in allen anderen Flächenländern in Deutschland.

(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Stimmt doch gar nicht! – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Wissen Sie, wir nehmen Ihnen ab, dass Sie tatsächlich die ernste Absicht hatten, Nordrhein-Westfalen und das Leben der Menschen hier besser zu machen. Wenn man aber die objektive Regierungsbilanz sieht, muss man feststellen: Frau Kraft, Sie sind an Ihrem eigenen Anspruch nach sechs Jahren gescheitert.

(Beifall von der FDP, der CDU und Michele Marsching [PIRATEN])

Das Schlimme ist – darauf werde ich noch mehrmals zurückkommen –, Sie haben noch nicht einmal den Ehrgeiz, an diesem Zustand etwas zu verändern. In Ihrem Sat.1-Sommerinterview haben Sie mit Blick auf den Bundesländervergleich gesagt:

„Ich glaube, man kann nicht überall vorne sein.“

Das ist wirklich die Untertreibung des Jahrhunderts, denn außer bei Schuldenstaus und Straftaten ist Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich nirgendwo vorn.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das ist Ausdruck eines resignativen Politikstils, den Sie kultivieren, und zwar im Übrigen nicht nur mit Blick auf die Landespolitik, sondern auch darüber hinaus. Weil Norbert Römer mit diesem Thema geschlossen hat, muss ich es aufgreifen. Frau Kraft, ich erinnere Ihren Stoßseufzer darüber, dass die Grenzen endlich geschlossen sind. Ich interpretiere das so, dass Sie die Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft der Bundeskanzlerin ähnlich kritisch wie wir interpretiert bzw. vertreten und begleitet haben. Endlich sind die Grenzen geschlossen.

Sie haben recht: Grenzenlose Aufnahmebereitschaft hat zu einem Verlust von Kontrolle und Ordnung geführt. Was folgt daraus aber für Sie? Gestern hatten wir hier eine Debatte über einen Integrationsplan. Da waren wir nicht dabei, weil er uns zu wenig verbindlich, zu wenig klar ist.

(Zuruf)


– Ja, was rufen Sie … Nein, so ein Quatsch. Entgegen anderslautender Gerüchte gibt es in der FDP keinen Linksruck,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Zurufe von der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Da bin ich aber froh!)

wie ich heute in der Zeitung lese, aber eben auch keinen Rechtsruck. Wir sind eine Partei der Mitte.

(Beifall von der FDP)

Wie Sie heute haben lesen können, sind wir eine Partei der Mitte, und wir stehen zu der humanitären Verantwortung unseres Landes. Wir beteiligen uns auch nicht an einem Wettbewerb, wer aus der Angst vor Fremdheit politisches Kapital schlägt.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Das werden Sie tun!)

Humanitäre Verantwortung heißt für uns aber nicht Regellosigkeit und bedeutet nicht den Verzicht auf die Interessen dieser Gesellschaft, das ist der Unterschied.

(Beifall von der FDP)

Jetzt will ich Ihnen einen konkreten Vorschlag machen. Gestern waren wir nicht an Ihrer Seite, und zwar nicht aus wahltaktischen Gründen,

(Ibrahim Yetim [SPD]: Alles klar!)

sondern weil dieses Konzept nicht in der Weise Integrationspolitik formuliert, wie wir das für erforderlich halten: verbindlich finanziert im Land und mit verbindlichen Anforderungen an die Menschen, die zu uns kommen. Denn Integration ist nicht zuerst die Bringschuld der aufnehmenden Gesellschaft, sondern unsere legitime Erwartung an jene, die zu uns kommen.

(Beifall von der FDP)

Frau Kraft, ich mache Ihnen ein Angebot: Wenn Sie die Politik der Bundesregierung auch kritisiert haben – siehe Ihr Stoßseufzer –, warum geht von Nordrhein-Westfalen dann nicht ein Signal an den Bund, endlich ein Einwanderungsgesetz zu entwerfen? Die Große Koalition scheitert daran, weil es innerhalb der Unionsparteien kein Einvernehmen gibt.

Wenn ich die Lage im Landtag Nordrhein-Westfalen richtig einschätze: Da gibt es die Fraktion der SPD – Ihre Fraktion –, die offen ist für ein Einwanderungsgesetz. Es gibt die Fraktion der CDU unter der Führung von Armin Laschet, der – anders als seine Bundespartei – seit vielen Jahren offen ist für ein Einwanderungsgesetz. Es gibt die Fraktion der Grünen, die offen ist für ein Einwanderungsgesetz. Die FDP hat über ihre damalige Regierungsbeteiligung in Rheinland-Pfalz bereits 1997 erstmals den Entwurf eines Einwanderungsgesetzes in den Bundesrat gebracht.

Ich frage Sie, Frau Kraft: Warum ergreifen Sie nicht hier im Landtag eine interfraktionelle Initiative, ein Einwanderungssteuerungsgesetz für Deutschland vorzulegen? Warum überlassen Sie solche Initiativen einer ganz anderen Richtung, nämlich nur der CSU in Bayern? Nutzen Sie doch die Chance, Nordrhein-Westfalen als weltoffene Alternative zur CSU zu positionieren! Warum kommt da nichts?

(Beifall von der FDP und Peter Biesenbach [CDU])

Ich habe den Eindruck, dass der Titels eines Portraits, das im Sommer über Sie erschienen ist, zutreffend ist. Da stand: „Sie will: nichts“. Ihr Stoßseufzer, dem nichts folgt, ist das Zeichen eines resignativen, ambitionslosen Regierungsstils, Frau Kraft, und dafür haben wir nicht länger Zeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Für uns ist der runde Geburtstag dieses Landes nicht nur ein Anlass zur Rückschau, sondern insbesondere ein Anlass, den Blick nach vorne zu richten. Wo soll Nordrhein-Westfalen bei seinem 80. Landesjubiläum im Jahr 2026 stehen? Sollten wir nicht das Ziel haben, dann wirklich etwas zum Feiern zu haben?

Unsere Vision ist klar: Wir wollen ein freieres, ein stärkeres und ein sicheres Nordrhein-Westfalen. Daran muss sich die Politik heute auch messen lassen – mit den notwendigen Richtungsentscheidungen.

Nordrhein-Westfalen ist ein wirtschaftlich starkes Land, aber nach sechs Jahren rot-grüner Regierungsverantwortung wachsen wir nicht mehr. Da sagt der Wirtschaftsminister Duin heute in einem Interview mit der „Rheinischen Post“: Nordrhein-Westfalen hat zu lange auf die falschen Industrien gesetzt. – Das sagt der Wirtschaftsminister einer Partei, die über Jahrzehnte für den subventionierten Steinkohlebergbau gestanden hat und mit dieser Frage des Strukturwandels heute noch hadert.

(Beifall von der FDP)

Wie war das bei der Feier „70 Jahre NRW“, die Sie hier ausgerichtet haben, als die ganzen Filme über die Geschichte des Landes, über die unterschiedlichen Regierungen kamen? Die Regierung Rüttgers tauchte nur in Molltönen auf, als scheinbare Regierung des Sozialabbaus, weil der subventionierte Steinkohlebergbau damals beendet worden ist.

Jetzt beklagen Sie, Nordrhein-Westfalen habe zu lange auf die falschen Industrien gesetzt hat. Sie hängen immer noch einer Lebenslüge an, und zwar dass Sie den Strukturwandel gestaltet hätten. In Wahrheit haben Sie ihn über Jahrzehnte behindert, verschleppt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

In dem gleichen Interview, das meine Morgenlektüre bereichert hat, kündigt Herr Duin allen Ernstes an, in 14 Tagen eine Analyse zur Wachstumsschwäche Nordrhein-Westfalens vorlegen zu wollen, und danach wolle man über ein Leitbild für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen debattieren.

Frau Ministerpräsidentin, Herr Duin ist jetzt über vier Jahre im Amt, Sie über sechs Jahre. Wenn Sie jetzt noch keine Analyse des Wirtschaftsstandortes und keine Zukunftsvision haben, was haben Sie die vergangenen Jahre gemacht? – Verlorene Zeit!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin gespannt, ob das eine Analyse sein wird, die auch den Mut zur Selbstkritik hat, eine Selbstkritik, die wir aus Ihrer Regierung ja durchaus kennen. Es ist ja nicht so, dass alle nur die tatsächlichen Verhältnisse übersehen wollen und rhetorisch zu übertünchen versuchen,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist Ihre Stärke!)

sondern es gibt auch Vertreter klarer Aussprache, zum Beispiel der Kollege Groschek, der bemerkenswerte Aussagen macht. Er hat zum Beispiel gesagt, in Nordrhein-Westfalen mache man sich mehr Sorgen darüber, wie der wieder aufgetauchte Fuchs durchs Land kommt als über den Fluss des Güterverkehrs.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Wolf!)

Das ist doch eine symbolhaft richtige Aussage.

Denn tatsächlich: Die Verkehrssituation in Nordrhein-Westfalen hat unmittelbare Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Situation. Ein Handwerksbetrieb verschwendet jede Woche etwa acht Stunden in Staus. Bei Betrieben des gewerblichen Bedarfs sind es sogar 13,7 Stunden. Das ist bemerkenswert, Herr Groschek, wie Sie das aussprechen.

Herr Römer hat hier eben die Bundesregierung für zusätzliche Investitionen in den Bundesverkehrswegeplan gelobt. Bemerkenswerterweise haben Sie sich an die Bundestagsabgeordneten der CDU gewandt. Warum haben Sie nicht über Ihren grünen Koalitionspartner gesprochen? Denn während sich Verkehrsminister Groschek über das größte Verkehrsinfrastrukturprogramm freut, das Nordrhein-Westfalen jemals erlebt habe, halten die Grünen dagegen und haben gesagt – ich zitiere –, dieser Bundesverkehrswegeplan sei nicht zukunftsfähig, und kündigen an – Herr Klocke –:

Der Bundesverkehrswegeplan gehört mit grüner Regierungsbeteiligung im Bund ab 2017 überarbeitet und verändert.

(Beifall von den GRÜNEN)

– Sie klatschen auch dazu!

Herr Duin hat sich der bemerkenswerten Rhetorik von Herrn Groschek angeschlossen, als er sagte: Genehmigungsverfahren müssen „entgrünt“, entschlackt und verkürzt werden. Wenn Sie wirklich etwas ändern wollen, dann müssen Sie die Regierung „entgrünen“, Frau Ministerpräsidentin.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, bitte ich um Aufklärung, was die konkreten Zahlen angeht. Wir haben in einer Pressemitteilung gelesen, dass Sie 178 Millionen € für Landesstraßen aufwenden wollen. Das steht in der Pressemitteilung. Wir finden im gedruckten Haushalt 117,5 Millionen €. Vielleicht können Sie diese Zahlendifferenz hier aufklären. Dafür kritisiere ich Sie nicht.

Wofür ich Sie aber kritisiere, ist, dass nach Ihrer eigenen Bedarfserhebung 195 Millionen € notwendig wären, um das Straßennetz überhaupt nur auf den Stand von 2011 zu halten. Das heißt: Sie investieren weniger. Sie stellen weniger Mittel bereit als, wie Sie selbst wissen, notwendig sind. Das ist nichts anderes als fahrlässig.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn das Land Zukunft haben will, wird insbesondere Digitalisierung erforderlich sein. Herr Römer hat es angesprochen. Das ist der größte Treiber für individuelle Produktivität. Übrigens ist Digitalisierung auch ein anderes Wort für soziale Teilhabe.

Insbesondere im ländlichen Raum werden wir die Möglichkeiten der Digitalisierung brauchen, um Menschen weiterhin an unserer öffentlichen Diskussion, an Kultur teilhaben zu lassen. Jeder Handwerksbetrieb, jeder Freiberufler, auch industrielle Betriebe werden Breitbandinfrastruktur brauchen.

Die Nordrhein-Westfälische Landesregierung ist beim Breitbandausbau aber ausgesprochen wenig ambitioniert. Das zeigen die veröffentlichten Details zur zweiten Förderrunde. Armin Laschet hat bereits darauf hingewiesen, dass die Landesregierung keine nennenswerten eigenen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Und – Armin Laschet hat es gesagt –: Die Fördermittel des Bundes fließen weitgehend an Nordrhein-Westfalen vorbei.

Das ist nichts, was dem Land passiert, was über Sie kommt. Das wäre schon Grund genug für Kritik, sondern es ist sogar intendiert, wie der grüne Staatssekretär Becker neulich gesagt hat. Er hat nämlich bei WDR-online dargelegt – ich zitiere ihn –:

Das haben wir ganz bewusst gemacht, damit wir nicht hinter oder über dem Bund liegen, sondern damit wir die genau gleichen Zielwerte wie der Bund haben.

Besser kann man die Ambitionslosigkeit in einem Land ohne Wachstum nicht ausdrücken, wie Herr Becker das gesagt hat. Besser kann man es nicht sagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn Nordrhein-Westfalen eine Chance haben will, aus der Digitalisierung als eines der Gewinnerländer hervorzugehen, darf man eben nicht nur so schnell sein wie die anderen, dann muss man den Ehrgeiz haben, schneller und besser als andere zu sein, weil Arbeitsplätze und Investitionen sonst auch dahin gehen, wo andere besser sind als Sie.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie haben das gar nicht verstanden!)

Die digitale Verwaltung in Nordrhein-Westfalen – auch das ist bemerkenswert – kommt ebenfalls nicht voran. Da gibt es zum Beispiel einen Leitmarkt-Wettbewerb „HydrogenHyWay. NRW“. In den Ausschreibungsbestimmungen heißt es – ich zitiere –:

„In der ersten Stufe der Ausschreibung sind zunächst Projektskizzen in zweifacher Ausfertigung“ …

– also auf Papier –

„…sowie auf einer Datenträger-CD in deutscher Sprache einzureichen.“

In einer Zeit, in der die allermeisten Notebooks überhaupt gar kein CD-Laufwerk mehr haben, wollen Sie noch CD-Roms eingesendet bekommen!

Die Digitalisierung der Verwaltung, Frau Kraft, soll in den Landesbehörden erst im Jahr 2031 abgeschlossen sein, also in 15 Jahren. Zur Erinnerung: Vor 15 Jahren gab es noch nicht einmal Facebook und Twitter, kein Instagram, kein iPhone. Da sieht man, wie schnell die Innovationszyklen sind. Wenn Ihr Ehrgeiz ist, 2031 die digitale Verwaltung abgeschlossen zu haben, dann sind andere längst an uns vorbeigezogen. Frau Kraft, selbst das Land Berlin will schneller sein.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Was ist aus Ihrer Regierungserklärung geworden, Nordrhein-Westfalen zum Digitalland zu machen? Alles leider bedauerlicherweise Luftblasen.

Herr Römer, Sie haben hier über Sicherheit gesprochen, ein wichtiges Thema. Sie haben einmal mehr verbreitet – mich ermüdet das eigentlich, es regelmäßig in den Debatten zu sagen, aber es ist scheinbar erforderlich –, dass die damalige schwarz-gelbe Landesregierung bei der Polizei Stellen eingespart hätte. Das ist nachprüfbar falsch.

(Zuruf von der SPD: Das ist nachprüfbar richtig!)

Herr Kollege Römer, Fritz Behrens war der Innenminister, in dessen Amtszeit es die geringsten Einstellungszahlen bei der Polizei gab, und sein Nachfolger, Ingo Wolf, hat diese Zahlen verdoppelt.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU – Thomas Nückel [FDP]: So ist es!)

– Natürlich. Und es geht noch weiter: Wir haben die Stellensituation auch dadurch verbessert, dass es älteren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ermöglicht worden ist, länger, auch über die Altersgrenze hinweg, auf Wunsch im Dienst zu bleiben. Das haben Sie zurückgenommen und haben jeden Vorschlag, den wir als Opposition unterbreitet haben, um dieses Instrument wieder aufzunehmen, barsch zurückgewiesen, bis Sie, Frau Kraft, nach der Silvesternacht das 15-Punkte-Programm vorstellten und damit genau das getan haben, was wir schon zehn Jahre zuvor eingeleitet hatten.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der FDP: Sehr richtig! Sehr richtig!)

Genau das ist passiert. Daraus haben Sie immer noch nicht die richtigen Konsequenzen gezogen.

Was ist eigentlich aus diesem 15-Punkte-Programm geworden, Frau Kraft?

(Josef Hovenjürgen und Armin Laschet [CDU]: Ja! Nichts!)

Was ist da eigentlich bisher konkret passiert? Wie viele Neueinstellungen gibt es denn von den vielen Stellen, die Sie versprochen haben? Sagen Sie es doch einmal konkret: Wie viele sind es? Stimmen die Zahlen, die mir vorliegen: 24 Stellen an Verwaltungsassistenten und erst 87 Stellen durch Hinausschieben des Ruhestandes? Stimmen die Zahlen, oder stimmen sie nicht?

Wenn die Zahlen stimmen, dann müssen Sie sich ernsthaft die Frage stellen lassen, ob der öffentliche Dienst in Nordrhein-Westfalen möglicherweise unattraktiv geworden ist. Möglicherweise wollen die Leute gar nicht mehr in den öffentlichen Dienst.

(Dietmar Brockes [FDP]: Warum denn?)

Möglicherweise erkennen sowohl die aktuell Beschäftigten als auch potenzielle Bewerber, was Sie in Wahrheit vom öffentlichen Dienst halten und wie Sie ihn hier führen. Ich denke dabei an die Besoldungserhöhung, und ich denke an die Frauenförderung im Rahmen der Dienstrechtmodernisierung hier in Nordrhein-Westfalen, die nicht unbedingt einen Anreiz für leistungsorientierte Bewerberinnen und Bewerber bieten.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Was die Landesregierung selbst von diesem Gesetz hält, haben ja der Finanz- und der Innenminister dokumentiert. Da wird hier im Landtag ein Gesetz beschlossen, das zulässt, dass auch schlechter qualifizierte Frauen Männern vorgezogen werden. Und was passiert?

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

Der Finanz- und der Innenminister machen breitflächig Hunderte Beförderungen möglich, kurz bevor dieses Gesetz in Kraft tritt. Das ist ein Akt politischer Schizophrenie, ein Gesetz zu beschließen, das man selber umgehen will.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben Sie gewarnt. Die Richter des Verwaltungsgerichts in Düsseldorf haben Ihnen bereits eine Klatsche verpasst, gegen die Sie Rechtsmittel einlegen. Wir werden ja sehen, wie das weitergeht.

Ich sage Ihnen, Frau Ministerpräsidentin: Das Beamtenstatusgesetz sieht vor, dass die Einstellung und auch die Beförderung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf das Geschlecht vorzunehmen sind. Gegen diesen Grundsatz verstoßen Sie mit Ihrem Gesetz.

Wir halten das für den nächsten Verfassungsbruch Ihrer Regierung,

(Beifall von der FDP – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

und deshalb ist die FDP-Landtagsfraktion bereit, gegen dieses Gesetz zu klagen. Denn man darf es nicht den Beamtinnen und Beamten überlassen, sich jeweils einzeln dagegen wehren zu müssen. Wir warten nur noch auf die Bereitschaft der CDU-Fraktion, und dann wird die Klageschrift eingereicht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich muss noch einmal auf die Feier zum 70. Landesjubiläum zu sprechen kommen, in deren Rahmen Prinz William, der Herzog von Cambridge, gesprochen hat. Er hat elegant und diplomatisch gesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie die Passage zur Bildungspolitik genauso in Erinnerung haben wie ich. Er sprach nämlich über die Special Relationship zwischen Nordrhein-Westfalen und Großbritannien und führte in dem Zusammenhang aus, die besondere Freundschaft und Beziehung zwischen Großbritannien und Nordrhein-Westfalen zeigten sich auch darin, dass jedes Jahr Zehntausende der talentiertesten jungen Menschen aus Nordrhein-Westfalen an britische Schulen und Hochschulen kämen. – Zitat Ende.

Eleganter kann man nicht sagen, dass unser Bildungssystem nur mittelmäßig ist.

(Beifall von der FDP – Ibrahim Yetim [SPD]: Das ist doch absurd! Schlimmer als Papke! – Stefan Zimkeit [SPD]: Rationalismus pur!)

Eleganter kann man das nicht sagen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist die rechte FDP! – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Hallo! Kolleginnen und Kollegen, ich war doch jetzt sogar noch freundlich. Ich habe „mittelmäßig“ gesagt.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Die Wahrheit ist: Wir stehen auf Platz 14 von 16.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Das heißt Abstiegsplatz in der Bildung. Das ist eigentlich die wahre Bilanz.

(Beifall von der FDP)

Könnt ihr die Wahrheit nicht mehr ertragen!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ja, Sie! – Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

Es hieß doch einmal in der Sozialdemokratie, dass die Veränderung der Wirklichkeit damit beginnt, auszusprechen, was die Wirklichkeit ist.

(Beifall von der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Die FDP auf dem Weg nach rechts! Unfassbar!)

Ich mache die schlechte Lage auch niemandem zum Vorwurf. Vielmehr mache ich einer Regierung zum Vorwurf, dass sie sich mit dieser Lage abfindet und keine Ambitionen hat, sie zu ändern. Das müsste doch aber unser Ziel sein.

(Beifall von der FDP)

Aber tatsächlich droht in der Bildungspolitik Schiffbruch, und dann gehen Eltern, Lehrer und Schüler baden. Das erste Leck ist die Situation an den Gymnasien. Da ist die Unzufriedenheit unübersehbar.

Wenn die Präsidentin des Landtags davon spricht, wir versündigten uns an den Kindern, dann sind doch auch Sie mit der Situation an den Gymnasien offensichtlich nicht zufrieden. Die Ministerpräsidentin hat sich dazu geäußert; auf die Schulministerin und die designierte Spitzenkandidatin der Grünen komme ich gleich noch zu sprechen.

Dann wird das Märchen erzählt, ja, G8 sei von der Vorgängerregierung eingeführt worden, und schuld sei wie immer Jürgen Rüttgers. Die Vorgängerregierung habe das eingeführt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Zurufe von den GRÜNEN)

Zur Erinnerung: Die ganze Kiste ist jetzt schon über ein Jahrzehnt her.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein, nein, nein, nein!)

Die Wahrheit ist aber doch: Auch hier sind Sie seit über sechs Jahren im Amt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Die Wahrheit muss man aussprechen! Das haben Sie gesagt!)

Wir haben den verkürzten Bildungsgang am Gymnasium, und das Gymnasium selbst ändert sich auch, weil es höhere Übergangsquoten hat. Es befindet sich in einem enormen Wandlungsprozess. Und was machen Sie dann? Sie, Frau Löhrmann, haben bei dem doppelten Abiturjahrgang 2.000 Lehrerstellen an den Gymnasien gestrichen, die jetzt für die individuelle Förderung fehlen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Falsch!)

Die Kritik an G8 ist deshalb auch eine Kritik an der Gymnasialpolitik, die Sie hier machen. Das hat mit G8 nur am Rande zu tun.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte auch daran erinnern, wie Sie sich dann geäußert haben, als wir vorgeschlagen haben,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

am Gymnasium die autonomen Handlungsspielräume der einzelnen Schulen zu erhöhen. Sie selbst haben es vor 2012 den Schulen eröffnet, auf Wunsch zu G9 zurückzukehren; der Freistaat Bayern macht das. Als wir diesen Vorschlag aufgenommen und zur Debatte gestellt haben, haben Sie von der großen Beliebigkeit, von der Rolle rückwärts gesprochen und noch andere Argumente gebracht. Sie sagten, auf die runden Tische müsse man Rücksicht nehmen; denn da würde entschieden. Und dann lesen wir jetzt in den Zeitungen: Nicht die Schulministerin, aber die designierte Spitzenkandidatin der Grünen schert sich einen feuchten Kehricht um die runden Tische.

(Armin Laschet [CDU]: Unglaublich!)

Sie schert sich einen feuchten Kehricht um alles, was sie vorher gesagt hat. Sie will jetzt die komplette Individualisierung der Bildungslaufbahnen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Zu Recht, sagen alle Praktiker. Sie öffnen der Beliebigkeit Tür und Tor, und am Ende gibt es wieder nur die Einheitsschule.

(Beifall von der FDP und der CDU – Minister Johannes Remmel: Das sagt ausgerechnet die FDP!)

Das sagen die Verbände, beispielsweise der Philologenverband und der VBE. Alle werfen Ihnen das vor.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Mehr kennt er nicht!)

Damit wir uns nicht missverstehen, Kolleginnen und Kollegen: Wir halten auch Änderungen beim Gymnasium für erforderlich. Das Gymnasium darf nicht länger die ungeliebte Schulform von Frau Löhrmann sein.

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh!)

Das Gymnasium braucht faire Rahmenbedingungen.

Wir haben einen Stärkungspakt für die Gymnasien vorgeschlagen, unter anderem mit einer Stellenstärkung um mindestens 500 Lehrerinnen und Lehrer für die individuelle Förderung. Aber die Situation an den Gymnasien ist regional unterschiedlich. Es macht einen Unterschied, ob man seine Kinder hier in Düsseldorf auf ein Gymnasium schickt, wo der Fußweg morgens und abends nur 15 Minuten beträgt, oder ob die eigenen Kinder ein Gymnasium im Hochsauerlandkreis besuchen, wo sie morgens und abends jeweils eine Stunde Schulweg zu bewältigen haben.

Deshalb macht es Sinn, den Schulen regional Wahlfreiheit zu geben, für welches Modell sie sich entscheiden wollen. Aber wir wollen, dass die Schulen die Möglichkeit haben, sich für G9 zu entscheiden. Aber wir wollen nicht, dass sie sich für G9 entscheiden müssen, weil G8 so schlecht gemanagt ist. Das ist der Unterschied.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich komme zu einem zweiten Leck im Bildungssystem, das möglicherweise zu einer dauerhaften Schieflage führen könnte. Frau Löhrmann, Sie rühmen sich überall für Tausende zusätzliche Stellen für Flüchtlingskinder, die Sie geschaffen haben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Für alle Kinder!)

Aber ausweislich des Stellenplans sollen nach der Landtagswahl genau diese Stellen wieder gestrichen werden; sie sind nämlich mit kw-Vermerken versehen.

(Karin Schmitt-Promny [GRÜNE]: Quatsch!)

Im Sommer 2018 sind das 3.299 Stellen, 2019 dann 2.704 Stellen, 2020 noch mal 880 Stellen. Insgesamt sind es also über 6.000 Stellen, die nach der Landtagswahl ausweislich Ihres Haushalts wegfallen sollen, weil sie kw gestellt sind. Das ist eine Nach-uns-die-Sintflut-Politik, die Sie hier betreiben.

(Beifall von der FDP)

Es ist völlig unrealistisch, dass diese 6.000 Stellen nicht mehr benötigt sein werden.

Sie haben schon jetzt – wir haben das in der Vergangenheit kritisiert – im Haushalt 2017 damit begonnen, Hunderte dieser kw-Stellen nach hinten zu schieben. Aha! Also, was gilt jetzt? Gilt der kw-Vermerk, so wie er hier im Haushaltsplan steht, obwohl Sie mit diesem Haushalt begonnen haben, sie zurückzunehmen? Oder gilt, dass Sie doch 6.000 Stellen wegfallen lassen wollen? Sie müssen sich für eines entscheiden. Denn entweder haben wir ein Riesenloch bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen in den Schulen, oder Sie spielen mit gezinkten Karten und schönen Ihre Finanzplanung mit 300 Schummel-Millionen im Jahr. Nur eines von beiden kann stimmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Finanzminister, Sie sind zur Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit verpflichtet.

(Peter Preuß [CDU]: Na ja!)

Also, sagen Sie, was Sie hier planen. Sind das kw-Vermerke, oder sind es keine kw-Vermerke? Das wollen wir von Ihnen wissen. So wie 2017 – „das, was gerade noch geht, machen wir, aber in der mittelfristigen Planung lassen wir sie wider besseres Wissen drin“ – kann es nicht funktionieren.

Das dritte Leck, über das ich bei der Bildungspolitik sprechen will, ist die Inklusion. Das ist ein Projekt, Frau Löhrmann, das Sie in besonderer Weise vorangetrieben haben. Nichts funktioniert in der Praxis. Insbesondere an den Grundschulen funktioniert nichts.

Ich habe eine ganze Mappe mit nach vorne genommen, die all die Zuschriften enthält, die man von den unterschiedlichen Schulen bekommt. Selbst aus dem offenen Brief der Gesamtschule Marienheide, den Sie alle bekommen haben, könnte ich hier zitieren.

Nichts funktioniert bei der Inklusion, weil Sie die Kommunen alleinlassen und weil Sie die Schulen und damit die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer alleinlassen, ohne klare Qualitätsanforderungen zu beschreiben.

Und statt Ihre Politik zu korrigieren, statt dafür zu sorgen, dass wir auch flächendeckend weiter eine Landschaft von Förderschulen erhalten, jener von ganz Europa beneideten pädagogischen Ressource,

(Beifall von der FDP)

führen Sie mit Beginn dieses Schuljahres den Rechtsanspruch auf Inklusion auch noch an den Berufsschulen ein. Sie haben aus einer guten Idee eine Ideologie gemacht, Frau Löhrmann.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben aus einer guten Idee eine Ideologie gemacht, und die vielfältigen Selbsteinschätzungen und zu Ihrer Bildungspolitik, Frau Löhrmann, sind nur noch Autosuggestion. Aus diesem Grund können und dürfen Sie ab dem Mai des nächsten Jahres keine Verantwortung mehr für die Schulpolitik in diesem Land tragen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Löhrmann, das sage ich Ihnen ganz offen, auch in aller Kollegialität: Ich habe nichts gegen Sie persönlich, aber eines der Wahlziele der FDP wird es sein, dass den Grünen die Verantwortung für die Bildungspolitik, für das wichtigste Feld der Landespolitik, nach der nächsten Landtagswahl entzogen wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da wird der Armin Laschet mehr Phantasie brauchen, um einen Schulminister vorzuschlagen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das stimmt!)

Herr Finanzminister, Sie haben hier heute auch über Entlastungen gesprochen. Darauf will ich zuerst eingehen, bevor ich noch über den Haushalt spreche. Sie haben gesagt: Das, was Wolfgang Schäuble plane, seien ja alles Luftbuchungen, das ginge gar nicht, der Staat habe ja notwendige Aufgaben und Ausgaben zu leisten. Sie fragten, wie denn die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte sicherzustellen sei.

Jetzt wollen wir mal hier festhalten, dass ausweislich der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung des Bundes für den Gesamtstaat bis zum Ende des Jahrzehnts die öffentliche Haushalte 100 Milliarden € zusätzliche Einnahmen haben werden im Vergleich zum vergangenen Jahr. 100 Milliarden € mehr als jetzt! Ein Großteil dieser Summe kommt zustande, weil die Tarifabschlüsse, die Gewerkschaften und Arbeitgeber erzielen, zu einer Steigerung der Progression, also zu einer Belastung in der Mitte der Gesellschaft bei den Facharbeiterinnen und Facharbeitern führen.

Ein Großteil kommt zustande, weil sie geringe Zinsen zahlen, aber auf der anderen Seite die Menschen, die für das Alter vorsorgen wollen, dadurch belastet werden, dass es überhaupt keinen Zins mehr gibt. Es ist nicht nur eine Ausnahmesituation wegen der Konjunktur und der Weltlage, Herr Finanzminister, es ist auch eine Ausnahmesituation, weil dem Staat Einnahmen zufließen, die ihm legitimer Weise nicht zugestanden werden können.

Deshalb muss das, weil das eine Frage der Gerechtigkeit ist, wieder verändert werden. Wir brauchen eine faire Balance zwischen privaten und öffentlichen Haushalten.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)

– Das verstehen Sie nicht? Herr Finanzminister, Sie schütteln mit dem Kopf. – Sie zahlen wegen der Eurokrise und nicht wegen Ihrer Solidität so geringe Zinsen.

(Beifall von der CDU)

Und die Menschen bekommen so geringe Zinsen aus dem gleichen Grund. Deshalb ist es ein Gebot der Fairness, dass mindestens der Finanzierungsvorteil des Staates an die Menschen zurückgegeben wird.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Doch, Frau Kraft, da rege ich mich auf. Ich rege mich auf, weil mich das noch betrifft, wenn Menschen aus der Mitte der Gesellschaft sagen, dass sie keine Chance mehr haben, zum Beispiel Eigentum für die Familie zu erwerben, weil die Grundsteuer steigt, der Solidaritätszuschlag steigt, erhöhte Grunderwerbsteuer zu zahlen ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mich regt das auf!

Das war doch einmal ein Anliegen der Sozialdemokratie, das war doch ein Anliegen der Arbeiterbewegung, jenseits des Staats zu ermöglichen, dass man am Ende des Lebens den Kindern eine gute Ausbildung mit auf den Weg gegeben hat und dass man das selbstgenutzte, abbezahlte Wohneigentum hat. Das machen Sie den Menschen hier immer schwerer.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Und dann lachen Sie darüber, wenn andere sich darüber aufregen! Sie lachen noch darüber!

Herr Finanzminister, noch zwei Dinge dazu: Sie haben hier eben gesagt: Wegen der kleinen und mittleren Einkommen könnte man ja reden, aber darüber hinausgehende Entlastungen seien völlig indiskutabel, das ginge nicht. – Das ist doch wieder einmal bezeichnend. Sie nehmen die kleinen und mittleren Einkommen in Geißelhaft und gönnen ihnen keine Entlastung, weil sie auf der anderen Seite ausschließen wollen, dass auch der Ingenieur einen Euro mehr in der Kasse hat. Und das ist nicht sozial gerecht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist alles andere als sozial gerecht.

Über Apple, Google, Amazon, Starbucks und IKEA, Kolleginnen und Kollegen, können wir aber gerne sprechen, Herr Finanzminister. Da haben Sie uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, in dieser Weise Steuergerechtigkeit durchzusetzen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

Das kann für Sie keine Überraschung sein, weil der Vorsitzende des entsprechenden Ausschusses des Europäischen Parlaments, das LuxLeaks aufklärt, ein Parteifreund von uns ist. Die EU-Kommissarin, die zum ersten Mal gegen Apple vorgegangen ist, war keine Sozialdemokratin und auch keine Konservative, sondern das ist unsere liberale Parteifreundin. Wir sind für Steuergerechtigkeit.

(Beifall von der FDP)

Aber dann bitte schön nicht nur CDs ankaufen, sondern auch durch kluge Vorschläge, wie man den Steuerwettbewerb fair gestalten kann, in Erscheinung treten. Nicht nur auf dem Parteitag, sondern bitte auch im Gesetzblatt wollen wir Ihre entsprechenden Initiativen sehen.

(Beifall von der FDP)

Herr Finanzminister, 2019 wollten Sie die Null-Verschuldung erreichen. Jetzt ist es das Jahr 2020 geworden. Sie schieben die Null-Verschuldung wie eine Bugwelle vor sich her. Als wäre das nicht schlimm genug, ist auch in diesem Jahr die Nettokreditaufnahmen geschönt. Sie wäre um 585 Millionen € höher, wenn Sie nicht den BLB melken würden.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Und weil das im vergangenen Jahr so gut geklappt hat, denn es waren ja schon 400 Millionen € im Haushalt enthalten, kommen jetzt 185 Millionen € noch hinzu, in Summe also 585 Millionen € für 2016.

Das Programm über die Schulgebäude machen Sie auch nicht über den Landeshaushalt, sondern über die NRW.BANK. Das sind auch Schulden, auch im Nebenhaushalt. Beim Sondervermögen für die Pensionslasten greifen Sie auch zu.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! Was ist das denn für ein Unsinn?)

Das macht Bayern auch, aber Bayern macht keine Schulden, Bayern tilgt Schulden. Wenn die keine Zuführung zum Pensionsfonds machen, ist das betriebswirtschaftlich ganz anders zu werten als im Schuldenland Nordrhein-Westfalen.

(Michael Hübner [SPD]: Betriebswirtschaftlicher Unsinn!)

Das sind lauter Buchungstricks. Inzwischen hat man ja auch eine Ahnung, woher das kommt. – Neulich war ja eine Gruppe griechischer Steuerbeamter hier in Düsseldorf zu Gast, um sich schulen zu lassen. Es sieht so aus, Herr Finanzminister, als hätten Sie auch Nachhilfe in Sachen Bilanzkosmetik bei denen genommen.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP)

Ein Geben und Nehmen zwischen NRW und Griechenland!

Dieses Standard-Repertoire mit dem BLB – das müssen wir auch sagen – kostet den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bares Geld, weil der BLB einen viermal höheren Zinssatz hat als das Land Nordrhein-Westfalen – auch dort: nach uns die Sintflut Politik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Gestaltung ist hier nicht zu finden.

Und womit Sie sich beschäftigen, hat neulich der „Kölner Express“ noch einmal enthüllt. Dort ist gefragt worden, wie denn das protokollarische Ranking der NRW-Minister am Ende der Publikationen der Landesregierung zustande gekommen sei. Ist es die Etatgröße? Sind es die Mitarbeiter im Haus? Ist es die politische Bedeutung? Wie erklärt sich das? – Dann wurde dargelegt: Nein, die protokollarische Reihenfolge ist die persönliche Entscheidung, die die Ministerpräsidentin getroffen hat. Deshalb ist der Umweltminister vor dem Verkehrsminister.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Frau Ministerpräsidentin, statt Wettbewerb in den eigenen Reihen um protokollarischen Rang zu veranstalten, wie wäre es, Sie würden sich wieder der Aufgabe stellen, den Wettbewerb, in dem Nordrhein-Westfalen in Deutschland und in der Welt steht, wieder anzunehmen und unsere Lage da zu verbessern?

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir möchten, dass 2026 beim nächsten großen Landesjubiläum wirklich etwas zu feiern ist, und zwar etwas aus der Gegenwart und nicht nur etwas aus der Vergangenheit. Nordrhein-Westfalen kann mehr, jedenfalls viel mehr als diese Landesregierung.

(Langanhaltender Beifall von der FDP und der CDU – Beifall von den PIRATEN)



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