Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Thönnissen.

Ulla Thönnissen (CDU): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! – Lieber Herr Minister Jäger, wir sollten nicht darüber diskutieren, wer sich auf wessen Kosten wann wie bereichert hat, sondern unser Ziel muss sein, mit dem GFG 2017 die Kommunen auskömmlich zu finanzieren.

(Beifall von der CDU)

Wie jedes Jahr wird gemeinsam mit dem – soeben eingebrachten – Haushalt auch das Gemeindefinanzierungsgesetz für das kommende Jahr eingebracht, und auch in diesem Jahr erklären Sie, lieber Herr Minister Jäger, in der Pressemitteilung des Ministeriums:

„Wir bleiben für alle Kommunen ein verlässlicher Partner.“

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Stimmt! Jawohl, so ist es!)

Dass die Kommunen das auch so sehen, ist mehr als fraglich. Da setze ich mal ein großes Fragezeichen, denn die finanzielle Situation der 396 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist, Sie haben es eben selbst gesagt, immer noch angespannt bis besorgniserregend.

(Minister Ralf Jäger: Nein, das ist nur ein Anlass zur Sorge.)

Ob sich 138 oder 139 Kommunen in Nothaushalten befinden, finde ich, spielt keine Rolle.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Befanden! Vergangenheit! – Minister Ralf Jäger: Befanden!)

– Auch da haben wir scheinbar unterschiedliche Zahlen, denn mir liegen andere vor als, dass nur noch neun Kommunen in Nothaushalten sind, aber auch das können wir sicherlich klären.

„Die wesentlichen Parameter für die Verteilung des Geldes …“

– so in der Pressemitteilung des Ministeriums –

„… sollen gegenüber dem Vorjahr unverändert bleiben. ‚Wir bewegen uns damit auf dem Boden dessen, was der Verfassungsgerichtshof für das Land NRW in Münster zuletzt im Mai dieses Jahres als verfassungskonform bewertet hat‘„

– so erläutern Sie das, Herr Jäger. Das bedeutet doch im Klartext, der Mangel wird auch in diesem Jahr lediglich umverteilt und es gibt keinerlei Planungssicherheit für unsere Städte und Gemeinden.

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt nicht!)

Zugleich kündigen Sie, Herr Minister, an,

„einen Hinweis des Verfassungsgerichtshofes aufzugreifen und einige Aspekte des kommunalen Finanzausgleichs erneut …

– in „enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden“ –

… finanzwissenschaftlich überprüfen zu lassen.“

Sie haben es vorhin hier erläutert – so,

„… dass der kommunale Finanzausgleich rechtssicher ausgestaltet bleibt.“

– Zitatende.

Angesichts der desolaten Finanzsituationen bedeutet Stillstand für die Städten, Gemeinden und Kreise aber nicht nur Stillstand, sondern eben gefährlichen Rückschritt.

Das GFG, das Sie hier vorlegen, bietet keine Impulse für eine gerechte Mittelverteilung. Es bietet auch keine Impulse für eine zukunftssichere Kommunalfinanzierung.

Im Gegensatz zu dem, was Sie sagten, sprechen wir über immer weiter steigende Kassenkredite. Wir sprechen immerhin über 27 Milliarden € und über eine Gesamtverschuldung von fast 60 Milliarden €. Wir sprechen über die bundesweit höchsten Hebesätze bei der Gewerbe- und bei der Grundsteuer. Wir sprechen über ein landesweites Defizit, während bundesweit Überschüsse in den Kommunen erwirtschaftet werden.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Darüber hinaus sprechen wir über die niedrigste Investitionsquote der Kommunen im Bundesvergleich.

Meine Damen und Herren, wenn es nicht endlich gelingt, eine gerechte Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel vorzunehmen, droht in vielen Teilen des Landes die Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Ankündigung einer wissenschaftlichen Untersuchung von Aspekten des kommunalen Finanzausgleichs dient hier wohl eher als Sedativum, als kleine Beruhigungspille, denn der ehrlichen Auseinandersetzung mit den Problemen im System der Kommunalfinanzierung in Nordrhein-Westfalen.

Die einzige Änderung im diesjährigen GFG sind die zu verteilenden Summen. Diese steigen in der Tat. Das ist aber nicht etwa Ihr Verdienst, Herr Minister, sondern das ist der guten Konjunktur und den Rekordsteuereinnahmen im Bund zu verdanken.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Nur hiervon profitieren Sie. Sie schieben die Verantwortung immer gerne in Richtung Bund, und dann sollten wir das in diesem Fall auch tun.

Nur aus diesem Grund steigen die Zuweisungen für unsere Städte und Gemeinden um 10,5 Milliarden € – das ist ein Plus von 1,71 %. Nur diese Rekordsteuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden überdecken die weiterhin bestehenden systemimmanenten Schwächen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2017. Auch die Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte wird hierdurch weitestgehend überdeckt.

Letztlich werden aber alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen geschwächt, weil die Lösung der drängenden Probleme im kommunalen Finanzausgleich aufgeschoben wird. Ein wesentlicher Teil des bundesweit schärfsten Steuererhöhungsprogramms – der rot-grüne Stärkungspakt Stadtfinanzen – wird per Vorabzug und per ungerechtem Kommunalsoli von den Kommunen selbst finanziert.

Weiterhin befeuert der kommunale Finanzausgleich die Steuererhöhungsspirale durch die Festsetzung der bundesweit höchsten fiktiven Hebesätze. Damit schwächen Sie den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen mittelbar. Sie belasten Bürgerinnen und Bürger und schränken gleichzeitig die kommunale Selbstverwaltung im Bereich der Hebesatzfestsetzung praktisch ein.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und Regina van Dinther [CDU])

Seit Jahren fordern nicht nur wir Sie auf, endlich die treibende Funktion des GFG bei der Entwicklung der Hebesätze anzugehen. Selbst das ifo Institut und das FiFo Köln haben jeweils auf die Gefahr Ihrer Systematik hingewiesen. Sie drängen die Kommunen aber mit dem GFG 2017 unmittelbar in die roten Zahlen und in Richtung weiterer Rekordsteuererhöhungen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist es!)

Weiterhin sorgt das GFG für zu wenig Investitionsmöglichkeiten der Kommunen. Die Kommunen in Bayern und in Baden-Württemberg investieren pro Einwohner 2,5-mal mehr als in Nordrhein-Westfalen. Im Ländervergleich über die kommunalen Pro-Kopf-Ausgaben in den Jahren 2013 bis 2015 liegt Nordrhein-Westfalen mit gerade einmal 625 € auf dem vorletzten Platz, während die Spitzenreiter Bayern und Baden-Württemberg mehr als doppelt so hohe Sachinvestitionsausgaben tätigten.

Auch im Jahr 2015 wurden in den nordrhein-westfälischen Kommunen mit 230 € pro Kopf unterdurchschnittlich hohe Investitionen vorgenommen, während zehn Bundesländer höhere Sachinvestitionsausgaben vornahmen. Hier wäre eine Stärkung der Investitionsansätze im GFG als erster Schritt wichtig anstatt eines weiteren Sonderprogramms.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Schulpauschale wurde zuletzt 2009 erhöht. Noch länger ist die letzte Erhöhung der Sportpauschale her. Hier hätte zuerst etwas getan werden müssen.

Der jährliche Kommunalfinanzausgleich im Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 kann noch so hohe Rekordzuweisungen an die Kommunen ermöglichen. Wenn die Landesregierung den Kommunen aber weiterhin bei Aufgaben wie zum Beispiel der Flüchtlingsunterbringung und der Integration keine ausreichende finanzielle Auskömmlichkeit garantiert und eine Integrationspauschale für die Kommunen sogar ablehnt, dann wird die finanzielle Situation der Kommunen in unserem Land weiterhin dramatisch bleiben.

Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 leisten Sie den Kommunen insofern einen Bärendienst, weil Sie nicht an morgen denken und die Probleme von heute ignorieren. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und auf die Diskussion, die wir im Kommunalausschuss führen, und danke bis hierhin herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dahm.

Christian Dahm (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterstützung und finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen durch uns, durch das Land Nordrhein-Westfalen, hat für uns weiterhin allerhöchste Priorität. Wir setzen unseren gemeinsamen Kurs kontinuierlich fort, die finanzielle Handlungsfähigkeit zu stärken.

Wenn Sie, Frau Kollegin Thönnissen, heute Nachmittag hier von einer auskömmlichen Finanzierung sprechen, dann bin ich gespannt auf die künftige Debatte und auf Ihre Beiträge, was Sie unter „auskömmlich“ verstehen. Wir dokumentieren mit dem vorliegenden Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 mit einer Rekordsumme von 10,5 Milliarden € an Verteilmasse die Kommunalfreundlichkeit.

Das hat der Minister auch eben in seiner Einbringung sehr deutlich dokumentiert, wie ich finde. Aufgrund der Steuerschätzung von Mai 2016 und deren Regionalisierung durch das Finanzministerium, sind die Orientierungsdaten gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden veröffentlicht worden. Somit haben die Kommunen bereits frühzeitig eine Handlungsplanung für das kommende Jahr bzw. Orientierungsdaten bis zum Jahr 2020.

Demnach werden die Einzahlungen aus Steuern im Jahre 2017 um 7,7 % gegenüber dem Vorjahr steigen. Für die Folgejahre werden weitere Zuwachsraten zwischen 3 % und 4 % erwartet. Wir gestalten den kommunalen Finanzausgleich fair und gerecht. Gleichzeitig stehen wir aber auch für einen solidarischen Ausgleich, der die Verteilung von Finanzmitteln an die Kommunen strikt von Bedarfen abhängig macht. Darauf lege ich deutlich Wert.

Die Entscheidung unseres Verfassungsgerichtshofs vom 10. Mai dieses Jahres – Frau Kollegin Thönnissen, Sie haben es eben angesprochen – nehmen wir sehr ernst. Das Verfassungsgericht hat einerseits sehr deutlich unser Verfahren zum Finanzausgleich bestätigt, andererseits aber durchaus die Gewichtung des Sozialansatzes sehr kritisch gesehen. Es ist daher richtig – das begrüßen wir ausdrücklich –, dass die Landesregierung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden diese Systematik erneut durch ein wissenschaftliches Gutachten überprüfen lässt.

Sobald diese Ergebnisse vorliegen, sollten wir diese parlamentarisch begleiten. Ich rege heute schon an, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzurichten. Dazu lade ich Sie, meine Damen und Herren der Opposition, recht herzlich ein. Es hat hier im Hause schon eine gewisse Tradition, wie in der letzten und vorletzten Legislaturperiode eine sogenannte FiFo- Kommission einzurichten. Das sollten wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden tun.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Sie haben ja den Kommunalsoli eben angesprochen. Auch der ist vonseiten des Verfassungsgerichtshofs überhaupt nicht infrage gestellt worden – das muss man an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen. Wir sind auch nicht das erste und einzige Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das den Kommunalsoli eingefügt hat. Elf Bundesländer – insbesondere die Flächenländer – haben einen Kommunalsoli. Insofern befinden wir uns da in durchaus angenehmer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, insgesamt sind die positiven Entwicklungen der kommunalen Einnahmen natürlich auf die günstige Zins- und Konjunkturlage zurückzuführen – das haben beide Vorredner schon deutlich gemacht. Dies steht aber nach wie vor gleichwohl einer angespannten Finanzlage vieler Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gegenüber.

Daher gilt für uns auch weiterhin, dass wir die Kommunen am Aufkommen, an der Grunderwerbsteuer beteiligen und den Städten und Gemeinden seit dem Regierungswechsel im Jahr 2010 jährlich wieder mehr als 300 Millionen € zur Verfügung stellen; Geld – das müssen Sie jetzt ertragen, Frau Thönnissen –, dass Sie von der CDU und der FDP den Kommunen seinerzeit weggenommen haben. Wir geben es ihnen wieder.

(Beifall von der SPD)

Der Minister hat noch einmal sehr deutlich gemacht, wie hoch diese Finanzmasse ist.

Damit – darüber sind wir uns hier alle im Klaren – sind die Kommunen längst nicht saniert. Kostentreiber in den Kommunen sind und bleiben die jeweiligen Soziallasten. Darüber, dass die Sozialausgaben in vielen deutschen Kommunen eine problematische Höhe erreicht haben und dass der Bund für diese Entwicklung maßgeblich verantwortlich ist, besteht sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik weitgehende Einigkeit, denn der Großteil der kommunalen Sozialleistungen basiert auf bundesrechtlichen Vorgaben; ich sage nur: SGB. Ich will hier noch einmal an den gemeinsamen Landtagsbeschluss vom 29. Oktober 2010, den Sie seinerzeit mitgetragen haben, erinnern.

Wir fordern nicht lediglich eine Umverteilung von Geldern, sondern setzen uns seit dem Regierungswechsel 2010 im Sinne aller nordrhein-westfälischen Kommunen dafür ein, dass der Bund seiner Finanzverantwortung im Sozialbereich stärker als bislang gerecht wird.

Dieser Einsatz hat sich ja im Übrigen schon zum Teil gelohnt. Der Bund hat sich an den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zunächst in Schritten und seit 2014 vollständig beteiligt. Die Kostenübernahme für die Grundsicherung im Alter entlastet unsere Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in einer Höhe von annähernd 1,3 Milliarden € erheblich.

Zudem hat der Bund zugesagt – daran möchte ich erinnern –, die Kommunen 2018 in Höhe von mindestens 5 Milliarden € jährlich von Sozialkosten zu entlasten, Stichwort: Bundesteilhabegesetz. Vorab wurden und werden die Kommunen in den Jahren 2015 und 2016 um jeweils 1 Milliarde € entlastet, im Jahr 2017 sollen es 2,5 Milliarden € sein.

Ich will an dieser Stelle gar nicht auf die Verteilmethoden eingehen. Ich sage ganz deutlich: Ich könnte mir da durchaus etwas anderes vorstellen.

Mit diesem Kurs gegenüber der Bundesregierung ist Nordrhein-Westfalen nach wie vor erfolgreich. Diesen Kurs sollten wir, wie ich finde, gemeinsam fortführen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam auf die Gesamtausgaben des Haushaltes schauen – wir hatten ja zuvor die Haushaltsdebatte. Der Landeshaushalt 2005 vor elf Jahren betrug 49 Milliarden €. Im Jahr 2017 wird er 72 Milliarden € betragen – eine Steigerung von mehr als 35 %. Betrachten wir die Zuweisungen an die Städte und Gemeinden: Im Jahre 2005 waren das 5,2 Milliarden und im Jahre 2017 10,6 Milliarden. Das ist eine Steigerung von annähernd 111 %.

Diese Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und führen zu einer durchaus verbesserten Finanzausstattung bei den Städten und Gemeinden sowie Gemeindeverbänden. Angesichts der finanziellen Bedürfnisse der Kommunen wird bei der Verteilung der Mittel den finanzkraftabhängigen Zuweisungen, also den sogenannten Schlüsselzuweisungen, mit knapp 9 Milliarden € und einem Anteil von rund 85 %, dieser verteilbaren Ausgleichsmasse eine deutliche Priorität eingeräumt.

Sie haben zurecht die Schulpauschale und die Sportpauschale angesprochen. Darüber sollten wir noch einmal gemeinsam diskutieren. Das GFG 2017 trägt der damit verbundenen Zielsetzung im Haushaltsjahr 2017, wie ich finde, in einmaliger Art und Weise Rechnung. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, heute von einer gerechten Verteilung sprechen, bin ich gespannt auf Ihre Vorschläge in der nächsten Ausschusssitzung, was Sie unter einer gerechten Verteilung verstehen.

Meine Damen und Herren, was macht eine Stadt lebenswert? Wie ich finde, gehören ein lebendiges Sport-, Kultur- und Vereinsleben genauso dazu wie attraktive Einkaufsmöglichkeiten und ein guter öffentlicher Nahverkehr. Nicht zuletzt setzt Lebensqualität auch Sicherheit, medizinische Versorgung, bezahlbaren Wohnraum voraus. Aber all das können unsere Gemeinden nur dann bieten und auch finanzieren, wenn sie über ausreichende und entsprechende Finanzmittel verfügen.

Die Bürgerinnen und Bürger spüren es direkt und unmittelbar, wenn zu wenig Geld da ist, Bäder und Bibliotheken geschlossen werden und die Infrastruktur bröckelt und kaum noch investiert wird.

Ich glaube, wir sind hier in Nordrhein-Westfalen da auf dem richtigen Weg. Wir machen die Kommunen auch mit dem vorliegenden GFG 2017 wieder ein kleines Stück handlungsfähiger und zukunftsfähiger. – Ich freue mich auf die weitere Beratung dann in unserem Ausschuss. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weder im Leben noch in der Politik ist immer klar, was zuerst war: Henne oder Ei.

Bei der Ausgleichsmasse im GFG ist das allerdings klar: Zuerst waren die Rekordsteuereinnahmen – fast 55 Milliarden € –, und dann aufgrund der festen Verteilquote war die Ausgleichsmasse der Finanzen für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 10,56 Milliarden €.

Das Schulterklopfen der Regierung und der regierungstragenden Fraktionen auf die eigene Schulter ist insofern nicht angebracht. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass, wenn die Gesamtsteuereinnahmen steigen, auch die GFG-Mittel steigen müssen. Anders herum wäre es eine Unverschämtheit. Heute sprechen wir darüber, dass wir es hätten anders und besser machen können.

Trotz des Rekordvolumens auch im letzten Jahr im Vergleich wiederum zum Vorjahr ist der Schuldenberg der Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 um etwas mehr als um eine Viertel Milliarde € gewachsen. Damit sind wir bei den Gesamtschulden der Kommunen mittlerweile bei über 60 Milliarden €, fast 62 Milliarden €, angelangt – das ist übrigens auch ein Rekord, wenn auch einer von ganz anderer Qualität.

Ich sage Ihnen ganz deutlich. Wir sind nahe beieinander, wenn wir über die Sozialgesetzgebung des Bundes sprechen, wenn wir über die Erstattung dieser Leistungen an die Kommunen sprechen. Herr Minister Jäger, ich finde es auch richtig und fair, dass Sie angesprochen haben, dass das eine Entwicklung über Jahrzehnte war, an der immer mal wieder verschiedenste Parteien und Fraktionen und Regierungskonstellationen in Berlin beteiligt waren.

Es gehört aber zur Ehrlichkeit dazu zu sagen, dass diese Bundesgesetzgebung alle Kommunen in ganz Deutschland betrifft und dass sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis ganz besonders die nordrhein-westfälischen Kommunen in der Verschuldung sind. Die hat es immer etwas schärfer getroffen als andere. Umso genauer müssten wir an dieser Stelle hingucken.

Wo ich bei Ehrlichkeit und einem vollständigem Bild bin, Herr Jäger: Wenn Sie hier Dinge ansprechen wie zum Beispiel die Befrachtung, dann müssen wir bitte auch genau bleiben. Dann müssen wir auch ins Detail gehen. Dann müssten Sie so ehrlich sein und sagen, Sie hätten sich gewünscht, dass zwischen 2005 und 2010 die Befrachtung abgeschafft worden wäre, aber nicht so tun und das hier so in den Raum stellen, als wären wir die Erfinder dessen gewesen. Das war eine Erfindung der Sozialdemokratie.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Minister Ralf Jäger)

– Nein, wenn Sie zuhören und nicht schreiben, wüssten Sie, dass wir gar nicht über die Grunderwerbsteuer sprechen.

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

Trotz des Rekordvolumens im GFG, trotz des Stärkungspaktes und trotz der Niedrigzinsphase sind die Schuldenstände der Kommunen in der Vergangenheit weiter angestiegen. Das ist insofern besonders alarmierend, weil man sich fragen muss, wie eigentlich bei schlechten Rahmenbedingungen die Entwicklung erst aussehen wird.

Meine Damen und Herren, wir würden gern etwas grundsätzlicher an das GFG herangehen. Das haben wir hier schon in den letzten Jahren immer wieder angesprochen. Insofern freue ich mich auf die Ergebnisse des neuen Gutachtens, Herr Jäger. Ich finde es richtig, dass das angepackt wird.

Ich finde es gut, Herr Dahm, dass Sie gerade noch einmal angesprochen haben, inwiefern wir uns interfraktionell zusammensetzen können, um das Ganze zu begleiten. Ich glaube grundsätzlich schon – wenn man Gemeinsamkeiten hat, sollte man sie auch so benennen –, uns allen liegt daran, dass die Kommunen fair und auskömmlich ausgestattet sind. Über die Wege und über die genaue Höhe kann man gern streiten. Aber den Grundkonsens haben wir.

Wir wollen grundsätzlichere Dinge, Systemfehler und Fehlanreize anpacken, zum Beispiel bei der Benachteiligung des ländlichen Raums. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen eine Unterscheidung zwischen Größenklassen der Gemeinden. Die Einwohnerveredelung in der jetzigen Form ist mir aber zu pauschal und zu einfach. Der Schüleransatz ist uns zu undifferenziert. Ich glaube, dass es da einseitige Benachteiligung gibt.

Wir erleben in vielen Bereichen einen Sog eher in die Städte hinein, die damit vor neue Probleme gestellt werden, keine Frage. Das aber verschärft auch den demografischen Wandel im ländlichen Raum.

Es macht für die Kostenstruktur einer Gemeinde schon einen deutlichen Unterschied, ob ich eine altersmäßig breit durchmischte Bevölkerung habe oder ob meine Bevölkerung immer schneller immer älter wird. Auf der Kostenseite merken das diese Gemeinden bei dem riesigen Thema demografischer Wandel. Im GFG – bei den Einnahmen – findet man diese Komponente allerdings leider gar nicht wieder.

Der Bürgermeister der Stadt Bergneustadt, Wilfried Holberg – Herr Minister, das war der, der hier mit vielen Bürgern aus seiner Stadt demonstriert hat, den Sie, ich sage es einmal vorsichtig, abgewatscht haben –, bringt es auf den Punkt. Er sagt – Zitat –:

„Ohne eine konsequente Reform der Kommunalfinanzierung ist mit einem weiteren Ausbluten der ländlichen Kommunen zu rechnen.“

Wir wollen darum, dass wir nicht nur bei der Einwohnerveredelung nach Größenklassen der Gemeinden differenzieren. Es wäre auch sachgerecht, zum Beispiel bei den fiktiven Hebesätzen nach der Größe der Kommunen zu differenzieren. Denn im jetzigen System ist es so, dass kleinere Kommunen künstlich reicher gerechnet werden und dass größere Kommunen künstlich ärmer gerechnet werden. Diese Ungleichbehandlung gehört unserer Meinung nach beendet.

(Beifall von der FDP)

Darüber hinaus ist auch bekannt, dass sich die Verbundquote – wer hat die eigentlich gesenkt? – nicht am realen Finanzbedarf der Kommunen orientiert, sondern sie ist politisch festgelegt, um nicht zu sagen willkürlich.

Wie sich dies auf die Verbundquote auswirkt, zeigt sich zum Beispiel bei der Grunderwerbsteuer, die nur zu vier Siebteln in die Verbundmasse einfließt und nicht voll. Darum müssen wir, glaube ich, auch insgesamt über die Verbundquote bzw. im ersten Schritt vor allem über den reellen Finanzbedarf der Kommunen sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben das Verfahren und das Urteil zum Kommunalsoli vor dem Verfassungsgerichtshof aufmerksam verfolgt. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich glaube nicht, dass es ein echter Erfolg der Landesregierung war oder ist, vor Gericht zu bestehen. Nicht, dass Sie sich da nicht haben durchsetzen können. Ich glaube einfach, dass wir einen anderen Maßstab anlegen müssen.

Ein echter Erfolg wäre es doch für uns alle, wenn sich die Kommunen und das Land gar nicht erst vor Gericht treffen müssten. Dass es eine Spaltung in dieser Frage nicht nur hier im Hause, sondern auch quer durch die kommunale Familie gibt, ist völlig klar. Ich stelle damit nicht den kompletten Stärkungspakt infrage. Sie wissen, dass die Freien Demokraten gewisse Teile auch mitgetragen haben, und das würden wir auch wieder tun. Ich bleibe auch dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, dass Sie im Rückblick lieber den Stärkungspakt mitgetragen hätten als den Schulkonsens. Aber das können wir vielleicht in der heißen Phase des Wahlkampfes noch näher ausdiskutieren.

(Beifall von der FDP – Heiterkeit bei Hans-Willi Körfges [SPD])

So wie der Stärkungspakt im Moment ausgestaltet ist – das sage ich noch einmal –, treibt er einen Keil in die kommunale Familie, und solange das der Fall ist, kann es keine echten Erfolge geben, auch wenn der eine oder andere möglicherweise einen Etappensieg vor Gericht für sich verbuchen möchte.

Meine Damen und Herren, eine mutige Reform des GFG bleibt mit diesem Entwurf leider aus. Wir bleiben dabei – einige Aspekte, die wir kritisch sehen, habe ich angesprochen –: Wir bräuchten eine umfassende Analyse des kommunalen Finanzbedarfes auf Basis der aktuellen Aufgaben und Pflichten. Wir müssten uns zusammen dafür einsetzen, dass das, was der Bund vorgibt, auch wirklich bezahlt und erstattet wird, und daraus müssten wir dann die GFG-Zuweisungen ableiten. Es kann nicht sein, dass aus der Verbundmasse heraus eine feste Zuweisung folgt und man dann sagt, die Kommunen müssten dann damit einfach klarkommen.

Wir freuen uns auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Herr Kollege Dahm, das Angebot, sich zusammenzusetzen und das Gutachten, das der Minister gerade angesprochen hat, gemeinsam zu analysieren, nehmen wir sehr gerne an. Darauf freuen wir uns.

Ich freue mich sowohl auf die Ausschussberatung als auch auf das Gutachten, die weitere Debatte und den Sonnenschein draußen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Heiterkeit bei Hans-Willi Körfges [SPD])


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