Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



Yüklə 310,93 Kb.
səhifə10/21
tarix08.08.2018
ölçüsü310,93 Kb.
#61724
1   ...   6   7   8   9   10   11   12   13   ...   21

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Bleiben Sie bitte am Rednerpult, weil sich Herr Kollege Tenhumberg zu einer Kurzintervention gemeldet hat.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Die Diskussion – Ihr Gesetz, mein Gesetz, unser Gesetz – lassen wir dahingestellt sein. Zwei Jahre haben wir die Verantwortung gehabt, knapp sieben Jahre sind Sie in der Verantwortung. Das Ursprungsgesetz hatte eine Evaluation 2011 fest verankert, die Sie nicht durchgeführt haben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt muss jeder Zuhörer verstehen, dass diese Gesetzesinitiative, die Umsetzung und auch die Zustände in Ihrer Verantwortung sind.

Ich stelle zweitens fest, dass Sie auf keine einzige der Fragen, die die FDP-Fraktion in ihrem Antrag gestellt hat, eine Antwort gegeben haben, sondern nur allgemein wieder alles erzählt und geschönt haben.

Ich stelle weiter fest, dass Sie keinerlei Auskunft gegeben haben über die Tatsache, dass einer Studie zufolge die AWO sagt, dass 1,5 Milliarden € fehlen. Sie sprechen von 200, 300, 400 Millionen €. Da weiß man bei Ihnen nicht genau: Meinen Sie 381 Millionen €, 371 Millionen €? Dann höre ich 250 Millionen €. Einmal meinen Sie Investitionen, einmal meinen Sie Betriebskosten. Sie schmeißen da einiges durcheinander. Die Fachhochschule Niederrhein hat Folgendes festgestellt – ich zitiere –:

„Das bestehende System von Kitafinanzierung kann die notwendige Qualität der Bildung, Erziehung und Betreuung nicht erreichen.“

Vor diesem Hintergrund, dass Sie jetzt seit 2010 die Verantwortung übernommen haben, frage ich Sie: Wie können Sie es verantworten, eine Veränderung der finanziellen Mittel und des KiBiz weiter in das Jahr 2019 herauszuschieben?

(Beifall von der CDU)



Präsidentin Carina Gödecke: Bitte schön.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Hinsichtlich der Finanzierung sollten wir uns einmal die entsprechenden finanziellen Mittel, die zur Verfügung gestellt wurden und gerade zur Verfügung gestellt werden, vor Augen führen, Herr Tenhumberg.

Ich erinnere Sie gern daran, dass in Ihrer Regierungszeit 1,2 Milliarden € in die Kindertagesbetreuung geflossen sind. In diesem Jahr – im Jahr 2017 – sind diese Mittel mehr als verdoppelt worden. Wir sind bei 2,7 Milliarden €. Diesen Weg konnten Sie damals nicht gehen.

(Beifall von der SPD)

Was die Fragen aus dem Antrag angeht, so habe ich sie beantwortet. Ich habe gesagt: Wir sind dazu gerade in Gesprächen. Für uns geht ein gutes Ergebnis vor einem übereilten Aktionismus. Deshalb werden wir diese Gespräche weiterführen. Wir wollen alle Akteure einbeziehen. Sie können uns vertrauen, dass wir dabei auch zu guten Ergebnissen kommen werden, über die wir Sie am Ende selbstverständlich informieren werden, lieber Herr Tenhumberg.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Da das so bleibt, schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 5.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der FDP hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen jetzt über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/14009 ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der Piraten.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

– Habe ich jemanden vergessen? – Wer stimmt dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der FDP-Antrag Drucksache 16/14009 abgelehnt.

Ich rufe auf:

6 Flächendeckend Mängelmelder für ortsbezogene Hinweise einrichten

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14001

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält für die Piratenfraktion Herr Kollege Bayer das Wort.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Mängelmeldende! Ich vermute, dass Sie alle Mängelmelder kennen und zunächst einmal skeptisch sind. Über Webformular, Karte oder Smartphone-App sollen Bürgerinnen und Bürger wilde Müllkippen, defekte Ampeln und Laternen, kaputte Spielplätze oder unbrauchbare Verkehrswege melden können. Sie kennen das aus dem Wahlkampf der Grünen in Berlin oder kennen kommerzielle Webseiten oder Apps, die zwar versprechen, der gemeldete Mangel würde weitergeleitet und dann behoben, aber letztlich bleiben es oft unakzeptierte Servicewüsten, weil keine Gemeinde Lust hat, mehrere kommerzielle Mängelmelder in ihren Workflow zu integrieren. – Zu Recht!

Mängelmelder machen nur dann Sinn, wenn sie eine gewisse Verbindlichkeit haben und der Mangel auch behoben wird oder es eine Rückmeldung gibt, warum der Mangel eben nicht behoben werden kann. Inoffizielle Mängelmelder – egal von wem – können das nicht leisten. Offizielle Mängelmelder haben dagegen den Charme, das Leben für alle einfacher zu machen. Smartphonenutzende haben sich inzwischen an das Prinzip gewöhnt, dass sie immer und überall Dinge sofort erledigen können: wilde Müllkippe oder defekte Laterne sehen, Foto machen, kurz etwas dazu tippen und fertig. Wer will da noch in der Warteschleife der Stadtverwaltung hängen und nach sieben Anrufen feststellen, dass am anderen Ende schon wieder der falsche Ansprechpartner ist.

Die Bürgerinnen und Bürger verzweifeln auch oft an den fehlenden Rückmeldungen. Einige dieser Verzweifelten landen dann beim Petitionsausschuss des Landtags.

Wir möchten, dass das Mängelmelden so einfach ist wie Snapchat, Instagram oder Twitter – suchen Sie es sich aus. Wir möchten, dass eine öffentliche Rückmeldung erfolgt und man sehen kann, was bereits gemeldet wurde. Wir möchten, dass man sich dafür nicht registrieren und keine persönlichen Daten an irgendwelche Datensammler liefern muss und dass das Melden der Mängel aus verschiedenen Apps und Anwendungen heraus möglich ist, weil es eine offene, standardisierte Schnittstelle gibt. Wir möchten aber auch, dass dadurch die Arbeit in den Stadtverwaltungen und in den Landesbetrieben einfacher wird, denn die bisherige Bearbeitung von Bürgeranliegen ist ineffizient und kostet Ressourcen. Mängel nicht oder zu spät zu beseitigen, kostet natürlich auch Ressourcen. Auch da helfen Mängelmelder.

Bürgerinnen und Bürger, die nie eine Rückmeldung bekommen oder keine einfache Möglichkeit des Meldens haben, sind unzufriedener; es kostet Zufriedenheit. Mängelmelder sind der sichtbare Teil eines guten Anliegenmanagements in der Kommune und im Land.

Es gibt natürlich in etlichen Städten Nordrhein-Westfalens bereits offizielle Mängelmelder. Häufig bestehen diese aber nur in einem zentralen Webformular oder maximal in einer Eingabe-App. Das ist besser als nichts, aber stark ausbaufähig. Teilweise gibt es immerhin gute Ergebnislisten mit Informationen der Stadtverwaltung darüber, was passiert ist, wie in Willich, Jüchen oder Kaarst. Gelsenkirchen, Hürth und Dormagen nutzen offiziell die Anwendung www.mängelmelder.de der „wer denkt was GmbH“, die dafür auch im Rahmen von „Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde. Wenn man dort aber zu einer anderen Stadt in Nordrhein-Westfalen einen Mangel eingibt, kann man lange auf Reaktionen warten.

Den aus unserer Sicht besten Ansatz pflegt die Stadt Bonn, die den offenen Standard Open311 nutzt und dafür auch die ansehnliche Anwendung http://anliegen.bonn.de realisiert hat.

Wäre es nicht gut, das in ganz Nordrhein-Westfalen umzusetzen? Erstens für die Vernetzung – oft ist zum Beispiel der Landesbetrieb Straßen NRW zuständig –, zweitens zur Schonung der Ressourcen und zur Vereinheitlichung der Standards, drittens, damit Bürgerinnen und Bürger wissen, wo und wie sie in jeder Stadt den Mängelmelder finden und bedienen können und nicht mehrere Apps installieren oder mehrere Benutzerschnittstellen lernen müssen, und viertens, damit die Verbreitung und Bekanntheit auch über die Stadt hinausreicht, so wie bei den Rufnummern 110, 112 oder 115. Warum wurde die Rufnummer 115 eingeführt? – Aus den gleichen Gründen.

Die Städte und das Land sollten sich dabei nicht in die alleinige Abhängigkeit von Start-ups oder kommerziellen Dienstanbietern begeben. Mir fällt nämlich kein Geschäftskonzept ein, das zu einer Win-win-win-Situation führen würde, von der alle profitieren. Mängelmelder sind eine tolle Lösung und ein Beispiel, wie die Digitalisierung das Leben smarter und gerechter machen kann. Die Idee lässt sich nicht als Start-up umsetzen, sondern die öffentliche Hand bzw. das Land muss eine zentrale Anlaufstelle sein oder zumindest zentrale Schnittstellen schaffen, am besten auf Basis offener Standards. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Dahm.

Christian Dahm (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Piratenfraktion beantragt, ein zentrales, landesweit und – so habe ich es verstanden – anonym nutzbares Internetportal einzurichten, über das die Bürgerinnen und Bürger landesweit Hinweise und Anregungen zu Straßen, Radwegen, öffentlichen Gebäuden oder sonstigen Mängeln einreichen können. Die Meldungen sollen dann geographisch auf einer Karte eingezeichnet sowie mit einem Foto versehen werden können und auch über mobile Endgeräte wie Smartphones möglich sein. Die Hinweise sollen an die jeweils zuständigen Stellen weitergeleitet werden.

Herr Bayer, Sie reklamieren einen flächendeckenden Bedarf. Ich sage Ihnen ganz offen: Mich haben Sie nicht überzeugt. Auch mit Ihrer flammenden Rede hier im Parlament haben Sie mich nicht vom Stuhl geholt, sodass ich Ihnen hätte Beifall klatschen können. Argumentativ konnte ich Ihnen auch nicht folgen, das sage ich ganz deutlich.

Meine Damen und Herren der Piratenfraktion, wir sehen Ihren Antrag sehr kritisch, denn wir sehen noch nicht einmal die Notwendigkeit dafür. Ich frage ganz deutlich: Was soll das?

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Wo ist eigentlich der Mehrwert einer solchen Plattform? Das frage ich losgelöst von den Fragen nach der Zuständigkeit, den Kosten und sonstigen Dingen; das lassen wir mal noch außen vor.

Nach Ihrer Zielsetzung sollen flächendeckend Mängel gemeldet werden, die schwerpunktmäßig in kommunalen Zuständigkeiten liegen werden, denn es handelt sich um ortsbezogene Hinweise und Mängel. Die Bearbeitung und Beseitigung solcher Mängel – etwa der verschmutzte kommunale Spielplatz, schiefe Bürgersteigplatten oder eine defekte Straßenlaterne – liegt doch ausschließlich in der Zuständigkeit einer Kommune, und zwar im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Das ist doch, sehr geehrter Herr Bayer, wahrlich keine Aufgabe des Landes, das muss man sehr deutlich sagen. Es mag Aufgabe der Kommunen sein, Beschwerden und Hinweise von Einwohnern – auch ortsfremden Personen – entgegenzunehmen, aber darüber hinaus habe ich schon meine Zweifel.

Dies ist ein Kernanliegen der Kommunen, nämlich die Beschwerden entsprechend abzuarbeiten. Viele Kommunen – ich weiß, dass auch Herr Bolte das gleich ansprechen wird – bieten bereits auf ihren Internetseiten Mängelmelder oder vergleichbare Systeme an, denn ihnen ist es wichtig, sich unmittelbar mit den Anliegen ihrer Bürger zu beschäftigen, unmittelbar Abhilfe zu schaffen und im Schadensfall zeitnah zu reagieren. Herr Bayer, nach meinen Erfahrungen ist jede Behörde nach wie vor per Telefon zu erreichen. Darüber hinaus haben mittlerweile fast alle Behörden einen E-Mail-Zugang.



Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Dahm, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Olejak würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Christian Dahm (SPD): Darauf bin ich gespannt.

Marc Olejak (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Kollege Dahm, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ist Ihnen bewusst, dass Sie eben ein tatsächliches Paradoxon aufgezeigt haben, indem Sie zum einen eingangs sagten, Sie sähen kein Bedarf, und zum anderen sagten, sehr viele Städte und Gemeinden böten dies an. Demzufolge widersprachen Sie sich gerade selbst, oder?

Christian Dahm (SPD): Herr Kollege, ich wünschte, Sie hätten mir zugehört. Ich sehe überhaupt keinen Bedarf für ein flächendeckendes, landesweites Portal.

(Beifall von der SPD und Matthi Bolte [GRÜNE])

Es ist eine originäre kommunale Aufgabe, Abhilfe zu schaffen, wenn es solche Mängel und Beschwerden gibt. Ich glaube, ich habe mich sehr klar ausgedrückt, Sie wollten es nur nicht hören.

Oftmals gibt es beim Beschwerdemanagement, das direkt beim Rats- oder Bürgermeisterbüro angesiedelt ist, entsprechende Einrichtungen. Sollte es bei der Mängelbeseitigung zu Verzögerungen kommen – das hatten Sie angesprochen, Herr Bayer –, dann liegt das doch manchmal daran, dass das Beschwerdemanagement kompliziert ist, aber es hat auch andere Ursachen, einerseits sicherlich finanzielle, sodass möglicherweise nicht sofort Abhilfe geschaffen werden kann, andererseits gibt es Probleme an den Schnittstellen, was hier auch angesprochen werden muss.

Ein solches landesweites System wäre auch nicht geeignet, die von Ihnen angesprochenen Mängel zu beheben. Die Einrichtung eines NRW-weiten Mängelmelders ist nach unserer Auffassung nur im Einvernehmen mit den Städten und Gemeinden möglich. Ich habe überhaupt keinen Bedarf vonseiten der Kommunen geschweige denn der kommunalen Spitzenverbände wahrgenommen. Das ist für mich originär kommunale Selbstverwaltung. Die nehmen wir ernst, und da greifen wir auch nicht ein.

Die Initiative zur Einrichtung eines flächendeckenden Mängelmelders im Sinne dieses Antrags sollte darüber hinaus, wenn überhaupt, dann von den kommunalen Spitzenverbänden oder aber von den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen selbst ausgehen, wenn sie denn einen solchen Bedarf erkennen. Bislang – das habe ich gesagt – können wir den nicht erkennen; bislang habe ich den nicht gesehen. Aus den Kommunen ist an uns nichts herangetragen worden.

Ich will aber die Gelegenheit nutzen, auch einmal auf die Gemeindeordnung hinzuweisen, Herr Bayer. Schauen Sie sich §§ 24 bis 26 der Gemeindeordnung an. Bereits danach bestehen zahlreiche Möglichkeiten, sich schriftlich oder mündlich an die jeweilige Kommunalverwaltung zu wenden, wenn man Anregungen oder Beschwerden vortragen will.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Die Mittel von gestern der Neuzeit und der Realität anpassen!)

Von diesen Instrumenten wird doch hinreichend und vielfältig Gebrauch gemacht. Das hat sich mittlerweile bewährt und ist auch gut so, denn der direkte Draht zwischen der Bürgerschaft und dem Rat bzw. der Verwaltung auf der anderen Seite einer Stadt kann durch ein landesweites System nicht ersetzt werden, das in seiner Konsequenz bürokratisch, teuer, intransparent und vor allen Dingen überhaupt nicht zuständig ist. Unsere Unterstützung werden Sie nicht haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Thönnissen.

Ulla Thönnissen (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Investitionsstau in nordrhein-westfälischen Kommunen gibt es vielfältige Ursachen. Unter anderem zeigte die Anhörung zum CDU-Antrag „Kommunale Investitionen stärken“ am 20. Januar 2017 auf, warum es einen Investitionsstau in Milliardenhöhe in unseren Kommunen gibt: Es gibt zu wenig Finanzmittel, es gibt zu viele kurzfristige Sonderprogramme, es gibt zu wenig nachhaltige und planvolle Investitionsmittel, es gibt keine ausreichenden Personalressourcen etc.

Definitiv aber kein Problem der Kommunen ist das, was Sie, liebe Piraten, mit Ihrem Antrag für das Einrichten flächendeckender Mängelmelder für ortsbezogene Hinweise thematisieren. Die Kommunen oder besser die Beschäftigten vor Ort und auch die ehrenamtlich Engagierten – alle Kommunalpolitiker unter uns wissen das sehr wohl – wissen bereits heute, wo Mängel sind, wo es Reparaturbedarf gibt, wo nachgeschaut werden muss und was in ihren Kommunen los ist. Die Piraten erwecken aber den Eindruck, als wären Mängel in der Infrastruktur der Unkenntnis der Verwaltung in den jeweiligen Städten und Gemeinden geschuldet. Das ist falsch.

Das Gleiche gilt für die Unterstellung, die heute damit befassten Stellen in den Kommunalverwaltungen, also das Hauptamt und die Menschen, die vor Ort in den Räten, in den Bezirksregierungen sitzen, wüssten nicht, wie es vor Ort aussieht. Das – das muss ich Ihnen leider sagen – ist vom kommunalpolitischen Alltagsgeschäft Lichtjahre entfernt. Vielleicht sollten Sie sich einmal aus der virtuellen Welt ein Stück herausbewegen, ins richtige Leben begeben und tatsächlich als Ansprechpartner für die Menschen vor Ort zur Verfügung stehen.

Die verantwortlichen Stellen sind vielfach auf Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. Das ist richtig. So schreiben Sie es in Ihrem Antrag. Da stimme ich Ihnen zu. Verschmutzte Spielplätze oder auch wildentsorgter Müll, da sind die Hinweise aus der Bevölkerung richtig und auch wichtig. Aber die Hinweise gibt es ja bereits heute. Darüber hinaus gibt es ausreichend Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, diese Hinweise bei den zuständigen Stellen anzubringen.

In Ihrem Antrag unterstellen Sie aber, dass es diese diversen Möglichkeiten – Herr Dahm hat sie vorhin zum Teil aufgezählt –, sich Gehör zu verschaffen, nicht gibt. Auch das stimmt nicht. Ebenso trifft die Aussage nicht zu, dass entsprechende Meldungen häufig daran scheitern, dass sich die zuständige Ansprechperson nicht finden lässt. Das ist mit Blick auf die kommunalpolitische Wirklichkeit eher weltfremd.

Jede Kommune, jeder Beschäftigte vor Ort, jeder Bürgermeister und jedes Ratsmitglied ist über diverse Kanäle zu erreichen. Es gibt E-Mail-Adressen, Telefone und sogar noch die Möglichkeit, Briefe zu verschicken und den Postweg zu benutzen. Der Investitionsstau besteht also nicht, weil die Kommunen nicht wissen, wo die Mängel sind.

Ich frage mich: Wie kann da ein zentrales und landesweit anonym nutzbares Internetportal helfen? – Das verkompliziert die Dinge höchstens. Was soll ein Internetportal, über das Bürgerinnen und Bürger Hinweise auf einer Karte kennzeichnen und dazu noch mit einem Foto versehen können, bringen? Das mag nett aussehen, hilft aber absolut nicht bei der Problembewältigung, und es ist somit – da schließe ich mich meinen Vorrednern an – überflüssig.

Sie schlagen zudem ein Portal vor, das Zuständigkeiten völlig außer Acht lässt und alles komplizierter macht. Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen kein zentrales und landesweit anonym nutzbares Internetportal zum Abbau von Investitionsstaus. Wir brauchen sinn- und planvoll eingesetzte Finanzmittel, die die Kommunen dort verwenden können, wo sie es für sinnvoll erachten. Es besteht kein Defizit über Kenntnisse der Mängel, sondern ein Defizit im Handlungsspielraum.

Daher – das wird Sie nicht besonders verwundern – lehnt auch die CDU-Fraktion Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Thönnissen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe mich, lieber Herr Kollege Bayer, ein bisschen gefragt, als ich Ihren Antrag gelesen habe, was wir damit anfangen sollen. Der Antrag hat mich ein bisschen ratlos zurückgelassen. Ich habe mich gefragt, ob Sie in der Piratenfraktion noch miteinander reden, ob Sie die Initiativen, die es in diesem Bereich längst gibt, kennen, ob Sie von Ihren Kollegen aus dem Innenausschuss beispielsweise schon mal von Open.NRW und vergleichbaren Initiativen gehört haben. Ihr Antrag liest sich ein Stück weit so – auch Ihre Rede hörte sich so an –, dass Sie sich in den Weihnachtsferien mal damit beschäftigt haben, was es so alles im Internet gibt, und dann auf die Idee gekommen sind: Mensch, Mängelmelder sind eine feine Sache.

Ich teile die Einschätzung, dass Mängelmelder eine gute Sache sind. Aber sie sind nicht besonders neu. Wir haben uns in den letzten Jahren – das haben Sie möglicherweise zur Kenntnis genommen – als grüne Fraktion sehr intensiv mit den kommunalen Angeboten im Netz beschäftigt. Dass Bonn gut ist, haben wir vor drei Jahren schon zum ersten Mal herausgefunden. Das haben wir im letzten Jahr beim GRÜNE Online-Check 2016 noch einmal bestätigt.

All das sind keine wirklich neuen Fakten. Wir haben nachgezählt: In 159 Kommunen von 396 Kommunen gibt es – Stand: Anfang 2016 – Mängelmelder bzw. Anliegenmanagementsysteme. Das bedeutet, einen gewissen Bedarf vor Ort gibt es durchaus. Es gibt aber nicht den Bedarf für die eine große Masterplattform, die Ihnen vorschwebt.

Man kann erkennen, dass es Unterschiede zwischen den Mängelmeldersystemen gibt. Einige sind aus kommunaler Eigeninitiative entstanden. Einige sind selbst gebaut. Einige sind mit kommerziellen Anbietern gemeinsam entstanden, einige auch im Kreisverbund oder mit den öffentlichen IT-Dienstleistern. Man kann natürlich auch feststellen, einige Systeme sind besser und einige sind schlechter. Man kann aber nicht allen Mängelmeldern pauschal unterstellen, wie es Ihr Antrag tut, dass sie den Datenschutz verletzen. Diesen Vorwurf finde ich nicht statthaft. Das stimmt so pauschal weder bei kommerziellen noch bei kommunalen Mängelmeldern. Da gibt es jeweils große Unterschiede. Das kann man alles nicht so pauschal beurteilen, wie Sie das in Ihrem Antrag dargestellt haben.

Ich frage mich: Warum soll das Land jetzt eine zusätzliche Plattform, die irgendwie obendrüber oder quer zu allem liegt, aufbauen und dafür Ressourcen bereitstellen? Denn das Instrument „Anliegenmanagement“ oder eben, griffiger formuliert, „Mängelmelder“ ist breit eingeführt und verankert. Kommunen, die das machen wollen, machen das. Kommunen, die das nicht in ihren Workflow integrieren wollen, haben das bisher nicht getan. Es macht Sinn, die Ressourcen des Landes nicht für Systeme einzusetzen, die schon längst eingeführt sind, sondern dass man sich sehr genau anschaut: Wie sieht die Landschaft aus, und wie können wir Innovationen in die Landschaft tragen?

Dazu haben wir uns im letzten Jahr auf den Weg gemacht. Wir haben nicht nur ein bundesweit vorbildliches E-Government-Gesetz im Landtag beschlossen, sondern auch ein Landesprogramm E-Government auf den Weg gebracht, das ein Förderprogramm enthält, das Kommunen im Bereich E-Government, Open Government und Open Data voranbringen soll.

Dieses Jahr stellen wir dafür 2,5 Millionen € im Landeshaushalt bereit, die in eine Beratungsstruktur für Kommunen gehen, die sich in diesen Bereichen auf den Weg machen wollen. Sie fließen in den Aufbau von Servicekonten und – das finde ich besonders wichtig – in die Förderung innovativer Projekte in den Bereichen E-Government, Open Government oder Open Data. Allein für den letzten Block stehen 500.000 € bereit. Ich freue mich sehr auf die Projekte, die aus den Kommunen kommen; die unterstützen wir sehr gerne.

Für das, was Sie gerade neu entdeckt haben, gibt es aus unserer Sicht keinen Bedarf. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unbürokratische Angebote für die Bürger in diesem Land zu schaffen und vorzuhalten, ist für uns Liberale ein Herzensthema. Es steht für uns auch außer Frage – ganz egal, von welchem Teil-, Aufgaben- oder Fachbereich wir sprechen, dass neue, aktuelle Technologien auch mutig zum Einsatz kommen müssen, um die Bürger mit einzubinden und gesellschaftliche Partizipation zu erleichtern.

Ein Teilbereich davon sind die Mängelmelder. Die Mängelmelder sind an sich eine gute und feine Sache. Da hören die Gemeinsamkeiten zwischen den Freien Demokraten und den Piraten aber wahrscheinlich schon auf.

Dass Mängelmelder eine gute Sache sind, haben viele – der Kollege Bolte hat die Zahlen gerade genannt – nordrhein-westfälische Kommunen schon lange erkannt. Sie haben entweder mit einer App oder entsprechenden Onlinemasken Angebote geschaffen, und zwar mit viel Erfolg.

In Bochum können die Bürger sowohl per Homepage als auch per App Mängel melden. Seit dem Start im Jahr 2014 sind schon rund 3.500 Meldungen eingegangen. Aber auch in kleineren Gemeinden Nordrhein-Westfalens, wie etwa in Rommerskirchen, werden Mängelmelder-Apps angeboten. Das zeigt, dass von den Großstädten bis zu den kleinen Gemeinden bei uns im Land solche digitalen Instrumente schon lange genutzt werden.

Daraus wiederum ist der Schluss zu ziehen, dass es an dieser Stelle keiner zentralen Planung durch das Land bedarf. Ganz im Gegenteil! Die Vorteile einer dezentralen und eigenverantwortlichen Organisation durch die Kommunen liegen klar auf der Hand. Die Mängel werden direkt an die zuständige Abteilung gemeldet. Fehlerquellen lassen sich so schneller identifizieren, und das Angebot kann ganz individuell angepasst werden.

Muss denn wirklich jede Kommune in Nordrhein-Westfalen auf eine identische Mängelmelderplattform zurückgreifen? Oder kann es nicht für die eine oder andere Kommune auch sinnvoll sein, bestehende Onlineangebote – egal, ob über Internetseiten oder über Apps – noch um Mängelmelder zu ergänzen? Sollen sich die Bürgerinnen und Bürger vielleicht eine einzelne App für jeden Fachbereich – für die Abfallwirtschaft, die Kita-Öffnungszeiten, die Öffnungszeiten der Bibliothek und dann noch den Mängelmelder – herunterladen? Könnte es nicht vielleicht sinnvoll sein – so würde zumindest ich als Kommunalpolitiker argumentieren –, das alles für die Bewohner einer Stadt zusammenzufassen?

Es braucht kein zentrales Angebot seitens des Landes. Über das Wie, das Wo, das Wann und das Was wissen die Kommunen – wie in ganz vielen anderen Bereichen – doch deutlich besser Bescheid als das Land und die Piratenfraktion des Landtags.

Anstatt die vielen Kommunen, die das heute schon gut einsetzen, für ihr Handeln zu loben, kommt in Ihrem Antrag sogar noch eine ganz pauschale Kritik vor – ich zitiere –:

„Bestehende kommerzielle Angebote verletzten den Datenschutz und werden von den Kommunen vielfach nicht akzeptiert.“

Das ist ja nun, ganz vorsichtig ausgedrückt, zu pauschal und in dieser Pauschalität, ehrlich gesagt, auch unredlich.

Viele Kommunen nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung schon heute und sind da auf einem guten Weg. Eine Lösung für alle müssen wir hier weder beschließen noch vorschreiben noch umsetzen. – Den Antrag lehnen wir ab.

(Beifall von der FDP)


Yüklə 310,93 Kb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   6   7   8   9   10   11   12   13   ...   21




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə