Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Velte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Kerbein.

Dr. Björn Kerbein (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als zwei Jahre ist es her, dass wir gemeinsam die Einsetzung der Enquetekommission zur „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ beschlossen haben. Heute ist das Parlament zusammengekommen, um die Ergebnisse und die Empfehlungen der Enquetekommission zu beraten.

Im Rahmen dieser Kommission konnten wir zentrale Anliegen für Familien gemeinsam mit Vertretern aus den Verbänden, mit zahlreichen Experten und Praktikern erörtern und erfreulicherweise in den Fokus der Landespolitik rücken. Sie spiegeln sich im Gesamtbericht der Enquetekommission und in den 169 Handlungsempfehlungen wider. Dabei enthält jeder Bereich eine Vielzahl von Vorschlägen und Vorhaben, von denen wir Freie Demokraten etliche unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Wir konnten nicht allen Vorschlägen zustimmen. Wo es uns notwendig erschien, haben wir dann eigene Vorschläge entwickelt.

Besonders im Fokus der Enquetekommission stehen die Herausforderungen der unterschiedlichen Familienformen und die Stärkung von Bildung und Betreuung der Kinder sowie die Familienzeit.

Familien bedeutet für die Freien Demokraten auch, aber nicht nur, die Lebensgemeinschaft von Ehepaaren mit ihren leiblichen Kindern. Familie ist heute jedoch mehr: Alleinerziehende, Patchworkfamilien und gleichgeschlechtliche Paare leben mit Kindern als Familie zusammen.

Weitere Kernanliegen gerade der FDP-Fraktion sind der Abbau bürokratischer Hürden, die Stärkung familiärer Freiheit und der Infrastrukturausbau.

(Beifall von der FDP)

Diese Themen wollen wir Freie Demokraten auch in 2017 weiter voranbringen.

Von den familienpolitischen Themen, die die Kommission behandelt hat, möchte ich besonders auf das Thema der wirksamen Familienpolitik eingehen. Die Faktoren Effektivität und Effizienz zeigen ein hohes Potenzial für die Familienpolitik in NRW. Nicht nur die Haushaltskonsolidierung steht dabei im Vordergrund, sondern besonders die Frage, wie die öffentlichen Gelder wirtschaftlich eingesetzt werden, damit die Ziele auch erreicht werden.

Hierzu hat die Kommission eine Reihe von Handlungsempfehlungen einstimmig beschlossen. Diese zeigen auf, wo Politik ansetzen muss, damit die Wirksamkeit von Maßnahmen für Familien verbessert wird. Drei zentrale Schwerpunkte möchte ich nennen.

Erstens. Die Enquetekommission erachtet es als notwendig, dass das Land präzisere familienpolitische Ziele benennt. Auf dieser Basis lässt sich überprüfen, ob und inwiefern familienpolitische Leistungen wirksam sind.

Zweitens. Das Land soll darüber hinaus gemeinsam mit den Kommunen auch die Datenlage verbessern. So schätzen Experten, dass ein Großteil von kommunalen Daten für Fragestellungen der Familienpolitik nicht geeignet ist. Die Kommission empfiehlt daher, bereits bestehende Daten besser für wirtschaftliche Untersuchungen nutzbar zu machen.

Drittens. Die Aufarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Themen lässt für die Enquetekommission nur einen Schluss zu. Das Land soll, ja muss eine Machbarkeitsstudie durchführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Leistungen der Familienpolitik in Anspruch nimmt, muss sich auch sicher sein, dass sie wirklich hilfreich sind. Dabei wollen wir die Eltern und deren Kinder unterstützen. Wir wollen der Familienpolitik in NRW zu ihrer Wirksamkeit verhelfen.

Wir sind der festen Überzeugung: Wenn so vorgegangen wird, dann klappt es auch mit der Präventionsrendite.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir Freie Demokraten sind außerdem davon überzeugt, dass glückliche Familien der beste Nährboden für das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen zu mündigen und selbstständigen Personen sind.

(Beifall von der FDP)

Die Hervorhebung der Eigenverantwortung von Familien und Familienmitgliedern bei der Gestaltung des Alltags war ein wesentliches Ziel unserer Anhörung „Glück und Zufriedenheit von Familien“. Viele Sachverständige betonen, dass Glück in Familien einen sehr hohen Stellenwert hat.

Familien und deren Mitglieder zeigen sich erfreulicherweise größtenteils sehr zufrieden mit ihrem Lebensalltag. Die eigenverantwortlich und gemeinsam gestaltete Zeit hat für viele Familien einen sehr viel höheren Anteil an Zufriedenheit und Wohlbefinden als die finanzielle Ausstattung.

(Beifall von der FDP und Walter Kern [CDU])

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer, die Politik kann das Familienglück nicht diktieren, Familien aber bei der eigenen Entfaltung unterstützen. Daher hat die FDP sich schwergetan, von einer strukturellen Rücksichtslosigkeit der Politik und der Gesellschaft gegenüber Familien zu sprechen. Wir sprechen uns nicht nur gegen die einseitige Hervorhebung dieser wissenschaftlichen Theorie aus, sondern uns bewegt auch als einzige Fraktion – das haben wir in einem Sondervotum deutlich gemacht – besonders die kritiklose Übernahme des Begriffs.

Der Entscheidung, eine Familie zu gründen, werden damit von vornherein vielfältige Benachteiligungen zugeschrieben. Parallel dazu verlieren die Chancen, die Familie, unsere Kinder, als positive Kraft zu betrachten, ihre Bedeutung. Am Ende steht dann nicht selten die Erwartung, die Politik müsse alle diese Benachteiligungen ausgleichen.

Diesem Ansatz steht die FDP mehr als kritisch gegenüber. Wir empfehlen, unseren Familien mehr eigene Lösungskompetenz zuzutrauen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Einige Hürden und auch eine hohe Mauer

(Heiterkeit von Walter Kern [CDU])

– Walter Kern lacht, und Jutta Velte weiß, was ich meine; ich beschwöre den Geist von Kevelaer – haben wir in den zwei Jahren überwunden.

(Zurufe)


– Da waren noch mehrere dabei. – Die Arbeit in der Enquete war eine Herausforderung. Mancher Kompromiss musste gefunden werden. Aber wir haben häufig voneinander gelernt. Frau Hack hat es gerade angesprochen. Jeder hat eigene subjektive Erfahrungen eingebracht. Ich denke, trotz aller unterschiedlichen politischen Couleur haben wir ein gutes gemeinsames Ergebnis erreicht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Die FDP wünscht sich, dass die Vorschläge als Wegweiser für künftige Beratungen im Parlament dienen.

Auch ich danke unserer Vorsitzenden, Frau Ingrid Hack, meinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion und unseren Sachverständigen. Gerade bei den Sachverständigen habe ich in den letzten zwei Jahren sehr, sehr oft ihre Geduld und Contenance bewundert. Ich danke unseren Referentinnen und Referenten und vor allem natürlich auch der Verwaltung. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Kerbein. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht immer dankbar, am Ende der Redeliste zu stehen, weil vieles dann schon gesagt ist. Gleichwohl werde ich auf das eine oder andere, was Sie vielleicht schon gehört haben, noch einmal hinweisen. Sehr wohl werde ich mir natürlich auch den Dank nicht verkneifen. Denn ich glaube, dass das auch ein wesentlicher Punkt beim Abschluss dieser Arbeit in der Enquetekommission ist.

Daher schließe ich da an, wo Björn Kerbein gerade aufgehört hat. Ich möchte mich selbstverständlich bei der Vorsitzenden, bei Ingrid Hack, bedanken, bei Frau Dr. Bunse, der stellvertretenden Vorsitzenden, natürlich bei den Sprecherinnen und Sprechern der einzelnen Fraktionen und ganz besonders bei den Damen und Herren Sachverständigen.

Ich glaube, dass das für uns alle oder zumindest für diejenigen, die bislang nicht in einer Enquetekommission mitarbeiten durften, noch einmal eine ganz besondere Nuance ist, weil dort eben manche parteipolitische Ideologie plötzlich einer Sachpolitik weicht. Das fand ich persönlich sehr erfrischend in der Diskussion. Dafür noch einmal ganz herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Darüber hinaus danke ich natürlich den vielen geladenen Expertinnen und Experten, die wir gehört haben, dem Kommissionssekretariat sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen.

Für meinen Teil möchte ich ganz besonders meinem Team danken – ein bisschen vorweg meinem Sachverständigen, Holger Ziegler, der heute leider nicht hier sein kann, sowie Svenja und Andrea für die Arbeit und für den Stress in den vergangenen zwei Jahren.

Die Arbeit in der Enquetekommission hat Spaß gemacht – oft zumindest, nicht immer. Manchmal war es durchaus sehr anstrengend. Wir haben versucht, Kompromisse zu finden. Wir haben Konsenslösungen angestrebt, nicht immer gefunden. Aber ich glaube, das ist unproblematisch.

Ich habe festgestellt, dass im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission wirklich recht unvoreingenommen mit den Vorschlägen der einzelnen Fraktionen umgegangen wurde. Das fand ich für unsere Landespolitik erfrischend. Im Tagesgeschäft ist das ja nicht immer an der Tagesordnung.

Gleichwohl muss ich auch ein bisschen Kritik üben. Ich finde es ein bisschen schade, dass wir uns für die heutige Debatte nicht darauf verständigen konnten, ein gleiches Redezeitenkontingent für die Fraktionen herzustellen. Das hätte ich schöner gefunden.

Ich hätte es auch schön gefunden – ich sehe aber, dass wir am Ende auch zeitliche Probleme hatten; vielleicht kann man das aber aufgreifen; denn der Bericht ist nicht weg, sodass man da noch nacharbeiten kann –, den Bericht in Leichte Sprache umzusetzen. Darüber hatten wir uns zu Beginn der Arbeit der Enquetekommission unterhalten. Vielleicht wäre das gerade auch familienpolitisch ein spannendes Projekt, das man angehen könnte. Wir werden das als Fraktion ein bisschen begleiten und einige Punkte in einem kleinen, leicht dargestellten Video präsentieren.

Ein kleiner Kritikpunkt in Richtung CDU-Fraktion: Ich fand es ein bisschen schade, dass Sie sich an den Handlungsempfehlungen Richtung Bundespolitik nicht mehr so beteiligt haben. Walter Kern hat es dargestellt. Ich kann die Begründung nachvollziehen. Gleichwohl glaube ich, dass Familienpolitik weder an kommunalen Grenzen noch an Landesgrenzen aufhört. Somit ist auch dieser Punkt für uns sehr wichtig.

Ein paar Punkte aus den Handlungsempfehlungen möchte ich aufgreifen. Für uns war von Beginn an sehr wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu besprechen. Das betrifft natürlich auch die Bundesebene. Ich bin sehr froh, dass wir Handlungsempfehlungen gefunden haben, die von einem sehr offenen Familienbegriff ausgehen. Das ist auch die Realität, die wir draußen in den Familien treffen, egal in welcher Konstellation Familien arbeiten. Ich glaube, dass das, was wir hier vereinbart haben, sehr progressiv ist.

Zur Familienzeit: Wir haben viel über Zeitpolitik generell gesprochen. Das war auch ein Kernpunkt des Einsetzungsbeschlusses. Mir und uns ist wichtig, hier den Akzent zu setzen, dass nicht nur der Aspekt Familie und Beruf wichtig ist. Vielmehr ist für uns – ich hatte das gestern auch in dem Pressegespräch erwähnt – zum Beispiel auch die Handlungsaufforderung nach einem freien Nachmittag für die Schülerinnen und Schüler in diesem Land sehr wichtig, weil das tatsächlich viel Familienzeit schaffen kann.

Wir Piraten wären vielleicht noch ein Stück weiter gegangen und hätten uns gewünscht, über Jokertage an Schulen – quasi frei verfügbare Zeit und Tageskontingente für Familien – weiter nachzudenken. Wir haben es zumindest als Sondervotum mit aufgenommen. Auch das sehen wir als weiteren Diskussionsanstoß.

Wir haben uns viel über Infrastruktur unterhalten. Für uns Piraten war wichtig, eine grundsichernde Infrastruktur möglichst flächendeckend in ganz verschiedenen Bereichen anbieten zu können. Ich bin sehr froh darüber, dass wir die eine oder andere Forderung mehrheitlich bzw. sogar konsensual mit in den Abschlussbericht einbringen konnten – zum Beispiel, dass Familien freien Eintritt zu kulturellen Einrichtungen dieses Landes haben sollen. Das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt für gelingende Teilhabe von Familien.

Zentral ist für uns die finanzielle Frage. Wir haben sehr viel über finanziellen Lastenausgleich gesprochen. Wir haben auch dazu eine Anhörung durchgeführt. Wir haben von Anfang an die Priorität darauf gesetzt, dass das Thema „Kindergrundsicherung“ im Abschlussbericht enthalten ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das zumindest mehrheitlich empfohlen haben. Wir sind uns vielleicht nicht über das Modell einig, wie die Kindergrundsicherung am Ende aussehen kann. Das ist aber erst der zweite oder dritte Schritt in dem Diskussionsprozess.

Allerdings erkenne ich, dass ein solches Modell einer Kindergrundsicherung eine Mehrheit haben kann. Ich glaube tatsächlich, dass wir an diesem Punkt anknüpfen sollten und den Ball in Richtung Bund möglichst zeitig schieben können. Die Zeit für eine Kindergrundsicherung ist reif. Kinderarmut ist ein großes Problem in diesem Land – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in Deutschland generell. Darauf sollten wir tatsächlich einen Fokus legen.

Erlauben Sie mir noch einen kleinen Hinweis auf unsere Sondervoten. Wir haben einige kleinere Sondervoten und ein etwas längeres Sondervotum verfasst. Wir haben sehr viele Handlungsempfehlungen mitgetragen, weil wir sagen, dass sie in eine richtige Richtung gehen. An der einen oder anderen Stelle wollten wir jedoch noch einen Akzent mitgeben, weil wir sagen, dass sie ein Stückchen weiter gehen könnten oder dass es vielleicht noch einen Aspekt gibt, den man dabei beachten sollte. Vor diesem Hintergrund sind unsere Sondervoten zu verstehen.

Ein wichtiger Punkt war uns natürlich auch noch das bedingungslose Grundeinkommen. Wir haben in den Anhörungen darüber gesprochen, wenn auch nicht wahnsinnig umfangreich. Wenn es nach mir ginge, hätten wir das sicherlich noch weiter tun können. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass dieser Diskussionsprozess wichtig ist und dass es sich dabei auch um einen familienpolitischer Diskussionsprozess handelt, weil jeder davon profitiert. Gerade wenn es um den Ausgleich für Care-Tätigkeiten und ähnliche Punkte geht, hilft ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Herr Präsident, ich sehe, dass meine Redezeit bereits aufgebraucht ist. Ich komme auch zum Schluss.

Eine Kindergrundsicherung als Vorstufe hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen ist für mich und für uns Piraten eine smarte Lösung für eine gerechte Zukunft. Ich hoffe, dass wir diesen Diskussionsprozess hier gemeinsam weiter voranbringen und ihn auch in den Bund tragen können. Da bin ich eigentlich ganz zuversichtlich. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Düngel. – Nun macht sich Frau Ministerin Kampmann schon auf den Weg ans Redepult. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle sagen Danke – ich auch. Zunächst danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Abgeordneten aller Fraktionen, die sich daran beteiligt haben, sowie den Expertinnen und Experten.

Ich sage das nicht einfach so; denn ich finde, dass die Ergebnisse des Abschlussberichts dieser Enquetekommission sich wirklich sehen lassen können. Ich finde, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Genauso wenig ist es eine Selbstverständlichkeit, dass – obwohl wir die rechtspopulistische Partei, von der Wolfgang Jörg eben gesprochen hat, noch nicht im Parlament haben – wir uns wirklich fraktionsübergreifend auf ganz konkrete Ergebnisse geeinigt haben. Das ist bei allen Differenzen, von denen gerade schon die Rede war, nicht selbstverständlich. Deshalb von mir und von der Landesregierung einen ganz herzlichen Dank für diesen Bericht, der eine gute Grundlage für unsere weitere Arbeit darstellen wird!

Ich freue mich auch darüber, dass sich viele Ergebnisse dieses Berichts mit dem decken, was wir vonseiten der Landesregierung schon angegangen sind. Ingrid Hack hat gerade den Familienbericht angesprochen. Es war der erste, den wir seit 25 Jahren auf den Weg gebracht und erstellt haben. Ganz viel von dem, was in dem Abschlussbericht steht, findet sich auch in dem Familienbericht wieder. Uns allen geht es doch darum, zu schauen, wo bei Familien am meisten der Schuh drückt, was gerade die größten Problemlagen sind und wie wir darauf reagieren können.

Sowohl der Abschlussbericht als auch der Familienbericht haben gezeigt, dass beim Thema „Zeit“ und gerade beim Thema „Arbeitszeit“ den Familien ganz konkret der Schuh drückt und dass wir dahin gehend ganz konkrete politische Handlungsmaßnahmen vorsehen müssen.

Deshalb haben wir uns als Landesregierung schon im letzten Jahr auf den Weg gemacht, um genau an diesen Themen zu arbeiten. Wir haben im Januar 2016 gemeinsam mit den Gewerkschaften, den Wirtschaftsverbänden, den Elternverbänden und den Kirchen zu einem großen Familiengipfel eingeladen. Dort haben wir uns auf ganz konkrete familienpolitische Maßnahmen geeinigt.

In Bezug auf einen Punkt haben Sie recht, Herr Kern – das sind natürlich auch unsere Hausaufgaben –: Der Ausbau der Kindertagesbetreuung hat in dieser Legislaturperiode in unserem Ausschuss eine wesentliche Rolle gespielt. Daran müssen wir auch weiterhin arbeiten, weil er für das Thema „Vereinbarkeit“ natürlich ganz entscheidend ist.

Wir haben aber auch gesagt, dass wir die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen wollen, wenn es darum geht, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle anzubieten. Auch hier hat der Abschlussbericht ganz konkret aufgezeigt, an welchen Punkten wir genau an diesem Thema arbeiten müssen.

Noch stärker sollten wir in den Blick nehmen, wie uns die Digitalisierung, wenn wir über Vereinbarkeit reden, eigentlich die Chancen eröffnen kann, um genau das stärker zu einem Erfolg zu führen. Die Themen „mobiles Arbeiten“ und „Homeoffice“ spielen in Ihrem Bericht eine entscheidende Rolle. Ich freue mich sehr darüber, dass Sie in dem Bericht eine Bitte an den Bund geäußert haben, das Recht auf Homeoffice zu prüfen. Das kann eine gute Chance sein, um dort eine größere Dynamik hineinzubringen; denn wir stellen fest, dass eine große Diskrepanz zwischen dem Anteil der Beschäftigten, die schon im Homeoffice tätig sind, und dem Anteil derer, deren Arbeitsplätze sich eigentlich gut für das Homeoffice eignen, besteht. Deshalb ist es gut, diesem Thema eine neue Dynamik zu geben und es noch einmal anzustoßen.

Ein weiteres Thema ist die väterfreundliche Familienpolitik. Auch hierzu gibt es in Ihrem Bericht Ausführungen. Das ist ebenfalls ein wichtiges Zukunftsthema. Wir haben im Jahr 2016 die Väterkampagne angestoßen. Angesichts der Rückmeldungen, die von ganz vielen Vätern aus Nordrhein-Westfalen kamen, habe ich gemerkt, dass dies wirklich ein Thema ist, das Vätern auf den Nägeln brennt; denn viele Väter müssen mit beruflichen Nachteilen rechnen, wenn sie zum Beispiel ihr Recht auf Elternzeit einfordern. Deshalb sind wir gut beraten, Väter in diesem Recht weiter zu stärken, sie zu ermutigen und ihnen auch die entsprechende Unterstützung zukommen zu lassen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

– Herr Kern ist meiner Meinung. Das ist ganz fantastisch.

Bei einem weiteren Ziel, auf das wir uns auf dem Gipfel geeinigt haben und das auch wichtig ist, weil diesbezüglich noch nicht besonders viel passiert ist, handelt es sich um das Thema „Führen in Teilzeit“. Die meisten in Teilzeit arbeitenden Menschen sind im Moment noch Frauen. Ich glaube, dass bei diesem Thema noch großes Potenzial besteht, dem wir uns stärker widmen sollten und bezüglich dessen wir in Zukunft noch stärker Maßnahmen anstoßen sollten, damit wir auch hier das gesamte Potenzial ausschöpfen können.

Ein wichtiges Thema – das kam auch im Kinder- und Jugendbericht zum Tragen, den ich vor wenigen Tagen vorgestellt habe; das spielt natürlich auch Abschlussbericht der Enquetekommission eine wichtige Rolle – ist immer noch die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche. Im Bericht wird noch einmal das Programm „Ungleiches ungleich behandeln“ angesprochen. Wir versuchen es immer wieder gegen alle Widerstände zu verteidigen und weisen darauf hin, dass wir zum Beispiel in Kitas, die sich in sozialräumlich schwieriger gelagerten Quartieren befinden, mehr investieren wollen und es stärker verfestigen wollen.

In diese Richtung wollen wir auch mit dem neuen Kitagesetz gehen; denn wir wissen, dass diese Maßnahmen wirklich wirksam sind, weil sie Kinder zum Beispiel dabei unterstützen, Sprache besser zu lernen – und Sprache ist immer noch der wichtigste Schlüssel für eine gelingende Bildungsbiographie. Das gilt nicht nur für Flüchtlingskinder, sondern auch für alle anderen Kinder. Deshalb war ich sehr froh darüber, auch diesen Grundsatz in Ihrem Abschlussbericht zu lesen.

Wenn wir über Chancengerechtigkeit reden, kommen wir um ein Thema nicht herum, das auch weiterhin ein wichtiges Thema der Landesregierung sein wird. Dabei handelt es sich um das Thema „Kein Kind zurücklassen“. Wie Sie wissen, haben wir dieses Programm gerade mit 22 weiteren Kommunen aus ganz Nordrhein-Westfalen, die jetzt noch dazugekommen sind, ausgeweitet; denn wir wissen: Wenn wir in Zukunft wirkliche Chancengerechtigkeit herstellen wollen, ist das ein wichtiges Präventionsprogramm.

Das ist auch ein Thema des Abschlussberichts. Es geht darum, dass wir noch weiter in dieses Programm investieren. Wir möchten „Kein Kind zurücklassen“ in das ganze Land tragen. Ich freue mich darüber, dass sich 22 weitere Kommunen an diesem Programm beteiligen.

Das Thema „Jugendpolitik“ steht vielleicht nicht immer so prominent im Vordergrund, wie es das an vielen Stellen tun sollte. Im Abschlussbericht der Enquetekommission kommt es aber, wie ich finde, in sehr angemessener Art und Weise vor. Gerade beim Thema „einmischende Jugendpolitik“ besteht meines Erachtens noch Luft nach oben. Ich glaube, dass wir da noch mehr erreichen können. Denn alles, was wir heute beschließen und worüber wir heute diskutieren, wird früher oder später Jugendliche treffen; es wird ihre Lebenswirklichkeit und ihren Alltag darstellen.

Deshalb glaube ich, dass es mehr strukturelle Möglichkeiten gibt, Jugendliche noch stärker zu beteiligen und zum Beispiel an die, wie ich finde, sehr erfolgreiche Aktion des Landesjugendrings anzuknüpfen, nämlich mehr Freiräume für Jugendliche zu schaffen, damit sie mehr Autonomie für ihre eigene Zeit haben.

Insgesamt kann man wirklich sagen, dass die Enquetekommission sehr erfolgreich und sehr gelungen konstruktiv zusammengearbeitet hat. Vielleicht lässt sich dieses gute Klima ja auf unseren Familienausschuss übertragen. Das würde mich sehr freuen.

Was mich besonders freut, ist, dass es die Enquetekommission wirklich geschafft hat, die Gesamtsituation von Familien in den Blick zu nehmen und damit einen fundierten, einen wirklich tiefgehenden Abschlussbericht zu erstellen, der für uns alle eine gute Grundlage für die Familienpolitik der Zukunft darstellt. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam daran weiterzuarbeiten. Wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, dann habe ich überhaupt keine Zweifel daran, dass das auch gelingt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Kampmann. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Dr. Maelzer.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich finde es eine gute Leistung der Enquetekommission, fast 170 Handlungsempfehlungen weitestgehend im Konsens zu beschließen.

Allerdings hat mir die Arbeit in dieser Kommission auch gezeigt, wie unterschiedlich doch die Blickwinkel auf Familien bei den unterschiedlichen Parteien sind. Das hat auch die Diskussion ein Stück weit zum Ausdruck gebracht.

Warum tut sich zum Beispiel die FDP mit einem Fachbegriff wie der „strukturellen Rücksichtslosigkeit“ so schwer? Für mich gibt es darauf nur eine Antwort, denn wenn man seine Richtigkeit anerkennt, ist man auch zum Handeln gezwungen. Aber genau diese Konsequenz will die FDP nicht. Denn in Ihrem Sondervotum führen Sie ja aus, das Letzte, was Sie wollten, seien Vorgaben für Arbeitgeber. Leider waren Ihnen da die Interessen der Wirtschaft wichtiger als die Interessen der Familien.

Stattdessen sagen Sie, man solle den Familien selbst mehr Lösungskompetenz zutrauen. Was heißt das übersetzt? Da, wo wir Sozialdemokraten und auch die Mehrheit der Enquetekommission zu Familien sagen: „Wir wollen euch helfen“, sagt die FDP: „Ihr schafft das schon“. Ich bin froh, dass die Mehrheit da deutlich ambitioniertere Ziele verfolgt.

Aber auch mit der CDU hatten wir unsere Reibungspunkte, wenn es um Begriffe ging. Ich kann mich daran erinnern, dass die CDU immer wieder echte Wahlfreiheit einforderte, eine genaue Definition aber bis heute schuldig geblieben ist. Das wäre aber deshalb so wichtig, weil gerade die Befürworter eines Betreuungsgeldes echte Wahlfreiheit immer wieder als Kampfbegriff gebraucht haben und wir nicht wollen, dass über Begrifflichkeiten Konzepte durch die Hintertür eingeführt werden, die von der Mehrheit der Familien abgelehnt werden.

Walter Kern, du hast eben ausgeführt, ihr wolltet keine Empfehlung Richtung Bundesebene aussprechen. Nun war aber der ausdrückliche Auftrag dieser Enquetekommission, Fragwürdigkeiten beispielsweise bei der Besteuerung von Familien, bei der sozialen Sicherheit für Kinder, bei der Gleichberechtigung von Familien ohne Trauschein oder auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren und bei Arbeitszeitmodellen in den Blick zu nehmen. Das geht eben nicht ohne die Bundesebene. Ich glaube, der Grund war vielmehr, dass ihr wisst, dass ihr für eure Positionen weder politische noch gesellschaftliche Mehrheiten habt, und es deswegen lieber ausgespart habt.

Daran hat auch euer Sondervotum nicht viel geändert. Denn etwa 50 % des Sondervotums haben wir in der Enquetekommission gemeinsam beschlossen. Darauf hat die CDU kein Copyright. Und was die anderen 50 % angeht, hätten wir uns gefreut, wenn ihr das in die Kommissionsarbeit eingebracht hättet. Dann hätten wir das miteinander diskutieren können. Aber da konnten wir natürlich nicht mitgehen, ohne selber die Möglichkeit zu haben, dazu Stellung zu beziehen.

Bei allem Kritischen, was ich an den Anfang gestellt habe, möchte ich aber auch sagen, was mich an dieser Kommission besonders gefreut hat. Das hat auch mit Definitionen zu tun. In unserem Kommissionsbericht kommt ein Väterbild zum Ausdruck, das sich sehr stark an einer modernen und aktiven Vaterrolle im Familienleben und bei der Kindererziehung orientiert. Mütter und Väter – das zeigt auch der Familienbericht des Landes NRW – wünschen sich eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben und an der Fürsorgearbeit. Um es klar zu sagen: Sie wünschen sich nicht nur eine partnerschaftliche Diskussion darüber; Sie wollen mehrheitlich eine partnerschaftliche Aufteilung.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist bereits angeklungen: Wenn wir das auch als Politik wollen, ist es wichtig, dass die Arbeitswelt familiengerechter und nicht die Familien arbeitsmarktgerechter werden. Das wird aber nicht nur mit freundlichen Appellen an die Arbeitgeber gelingen. Freiwillige Lösungen allein werden uns nicht entscheidend voranbringen.

Für uns Sozialdemokraten steht deshalb fest, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen muss. Wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Mütter und Väter gleichermaßen die Chance haben, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Eine flexible Familienarbeitszeit, wie sie im Kommissionsbericht angelegt ist, würde eben nicht nur mehr Frauen die Chance auf Erwerbsbeteiligung und damit eigene Existenz- und Alterssicherung ermöglichen; nein, auch Väter hätten durch vollzeitnahe Teilzeitarbeit die Möglichkeit, mehr Zeit mit der Erziehung ihrer Kinder zu verbringen. Genau das ist es, was moderne Väter sich wünschen.

Meine Damen und Herren, wirkliche Wahlfreiheit gibt es aus Sicht der SPD erst dann, wenn Väter und Mütter nicht mehr dazu gezwungen werden, sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden. Da sind familiengerechte Arbeitszeitmodelle ähnlich wichtig wie eine gebührenfreie, ausreichende und qualitativ hochwertige Kitabetreuung.

Eine aktive Vaterschaft beginnt übrigens bereits, bevor das Kind auf der Welt ist. Es muss selbstverständlich werden, dass Krankenkassen die Teilnahme von Vätern an Geburtsvorbereitungskursen erstatten. Und für Väter muss es einen verbindlichen Sonderurlaubsanspruch zur Begleitung der Partnerin bei der Geburt des Kindes geben.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass ich Vater bin. Meine Tochter ist gerade 14 Monate alt. Sie ist also jung genug, damit ihr Leben von dem geprägt sein kann, was wir in der Enquetekommission empfehlen. Sie wird dann in eine Kita gehen, die qualitativ und personell besser ausgestattet ist als heute, eine Kita, die sie und ihre Familie bei der Erziehung und Bildung des Kindes partnerschaftlich begleitet. Und ihre Eltern werden für den Kita-Besuch nichts bezahlen müssen, weil die SPD dafür sorgen wird, dass Gebührenfreiheit nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

(Beifall von der SPD)

Kinderarmut wird durch eine Kindergrundsicherung zurückgedrängt sein. Armut wird sich in Familien nicht mehr vererben, weil wir präventiv und rechtzeitig eingreifen. Sie wird eine Grundschule besuchen, die ähnlich wie Kitas heute als Familienzentren im Sozialraum wirken. Und in der weiterführenden Schule wird es flächendeckende Ganztagsangebote geben, aber auch Freiräume, um den Alltag eigenverantwortlich und gemeinsam mit der Familie zu gestalten.

Wenn meine Tochter erwachsen ist, wird sie sich nicht nur aussuchen können, ob und wen sie einmal heiratet, sondern der Staat wird jede Ehe als Partnerschaft gleichwertig anerkennen und unterstützen. Und sie wird in einer Welt leben, die den Wert einer Ehe weiterhin anerkennt, die finanzielle Förderung von Familien aber in erster Linie am Vorhandensein von Kindern und nicht an einem Trauschein ausrichtet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn meine Tochter wirklich in einer solchen Welt aufwachsen wird, dann hat sich die Arbeit in dieser Enquetekommission wirklich gelohnt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)


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