Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



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Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schemmer, Sie bekommen vielleicht keine Rede aus dem Ministerium, aber wie überzeugt Sie von Ihrem Redestoff sind, das haben wir wieder gemerkt, als Sie jedes Wort abgelesen haben. Irgendeiner schreibt ja die Reden – vielleicht ein Fraktionsreferent. Sie lesen das eins zu eins ab. Das war wieder ganz großes Kino.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Respekt für diese Leistung! Hausintern gemacht und komplett abgelesen.

Lieber Kollege Christof Rasche, man kann ja unterschiedlicher Auffassung über das Thema sein, aber bei dem, was Sie hier gerade abgeliefert haben, ist es gut, dass die FDP keine Verantwortung im Land hat und hoffentlich auch nicht bekommen wird; bei Ihren Koalitionsaussagen ist die Gefahr ja relativ gering. Die Gigaliner-Geschichte hier zu 100 % über den grünen Klee zu loben und überhaupt keine Gefahren zu sehen, das ist eine wirklich bemerkenswerte Leistung.

(Beifall von Dieter Hilser [SPD])

Das kann man sonst nur in Kirchen erleben, aber selbst die sind heutzutage selbstkritischer. Da ist nur die FDP …

(Dietmar Brockes [FDP]: Nicht zugehört!)

– Ich habe ganz genau zugehört, lieber Dietmar Bockes, bei jedem Wort. Ich fand es wirklich erschreckend, weil es absolut unverantwortlich war.

Warum sagen denn auch heute noch über 70 % der Verkehrsteilnehmer in jeder Umfrage – egal ob infratest oder Forsa fragt –, dass sie den Einsatz von Groß-Lkw oder Gigalinern ablehnen? – Weil sie sich Sorgen machen: über die Verkehrssicherheit, wegen der Überholvorgänge, Einfädelungen, Blockaden von Ein- und Zufahrten, wegen der Parkplatzsituation auf Raststätten usw.

Wenn Sie sich dann in einer Art Ex-cathedra-Umsetzung für die großen Speditionen – die wahrscheinlich den Redetext von Herrn Rasche zugeschickt bekommen – hier hinstellen ...

(Christof Rasche [FDP]: Das war jetzt ziemlich dreckig, Herr Klocke!)

– Jetzt rede ich!

(Christof Rasche [FDP]: Ziemlich dreckig!)

– Jetzt rede ich. Sie können mir gerne eine Zwischenfrage stellen, aber jetzt bin ich dran. – ... und sagen: „Es gibt überhaupt keinen Grund, den Einsatz von Gigalinern überhaupt infrage zu stellen“,

(Christof Rasche [FDP]: Wo habe ich das gesagt? Wo habe ich das gesagt?)

dann ist das eine bemerkenswerte Glanzleistung,

(Beifall von den GRÜNEN)

für die die FDP hier zur Verantwortung zu ziehen ist.

(Christof Rasche [FDP]: Lüge! Lüge! – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Weitere lebhafte Zurufe)

Lieber Herr Präsident, es ist zwar Ihre Fraktion, aber meine Frage ist, ob die Zwischenrufe in dieser Lautstärke geduldet werden müssen oder ob ich vielleicht fortfahren kann.

(Zurufe von der FDP: Oh!)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Lieber Herr Kollege Klocke, es ist parlamentarische Übung, dass Zwischenrufe zu einer Debatte gehören. Das hier ist ja nicht der Raum der Stille.

(Beifall von der FDP)



Arndt Klocke (GRÜNE): Nein, nein, keineswegs. Ich bin ja seit sieben Jahre Abgeordneter und habe schon viele Zwischenrufe ertragen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich möchte das nicht mit Ihnen debattieren. Verlassen Sie sich darauf, dass ich darauf achten werde, dass Sie Ihre Rede ungestört von übermäßiger Geräuschentwicklung zu Ende bringen können.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Nur zu, nur zu!

Arndt Klocke (GRÜNE): Gut. Ich fahre also in der Rede fort.

Wir haben uns für diesen Entschließungsantrag entschieden, weil wir natürlich sehen, dass es aufgrund der Genehmigung, die der Bundesminister zum 1. Januar dieses Jahres erteilt hat, im größten Bundesland zu einer Situation kommen kann, in der es Schwierigkeiten bei der Durchfahrt von Lkws gibt. Wir möchten nicht, dass Speditionen dadurch in eine schwierige Situation geraten.

Wie seriös die Erteilung der Genehmigung seitens des Bundesministers tatsächlich ist, konnte man schon in der Abfolge sehen; denn das BASt-Gutachten war zu dem Zeitpunkt, zu dem sich Herr Dobrindt in Berlin vor die Presse gestellt und die Genehmigung erteilt hat, weder veröffentlicht, noch war es im Haus oder durch die Fraktionen oder im Ausschuss ausgewertet. Das heißt, das Urteil, das der Bundesverkehrsminister hier getroffen hat, stand schon lange vor dem Gutachten fest. Es war klar, dass es eine entsprechende Genehmigung geben würde.

Wenn man sich das Gutachten durchliest, dann findet man eine ganze Reihe offener Fragestellungen, denen nachzugehen ist. Es gibt auch etliche weitere Gutachten von Hochschulen, die sich im Bereich der Verkehrswissenschaft mit der gleichen Thematik beschäftigt haben; hier sind die Universität Potsdam und die Universität Duisburg-Essen zu nennen. Darin werden Fragestellungen aufgeworfen, die wir in unserem Antrag aufgreifen, wonach keine Eins-zu-eins-Genehmigungen auf allen Straßen erteilt werden sollen. Dort werden vielmehr die Gefahrenstellen benannt.

Deswegen haben wir diesen Entschließungsantrag vorgelegt, um aufzuzeigen, dass man Gigalinern nicht guten Gewissens für alle Streckenführungen auf nordrhein-westfälischen Autobahnen eine Genehmigung erteilen kann. Es gilt, sehr, sehr zu sorgfältig prüfen, auf welchen Streckenabschnitten im Land dies überhaupt möglich ist.

(Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Wir bitten das Ministerium um entsprechende Prüfung und darum, den Ausschuss zu informieren. Außerdem sollten die entsprechenden Genehmigungen sehr sorgfältig abgewogen werden, damit es nicht zu einer Blockade kommt. Sicher kann es nicht sein, dass alle anderen Bundesländer solche Fahrten ermöglichen und Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahre mit einer Insellösung bestehen kann; diese Argumentation können wir nachvollziehen, und wir teilen diese Auffassung.

Wir bitten jedoch, sehr sorgfältig darauf zu achten, dass die Verkehrssicherheit gewährleistet bleibt und dass die Straßentauglichkeit überprüft wird. Angesichts unserer teilweise maroden Brücken muss sehr genau darauf geachtet werden, welche Streckenabschnitte freizugeben sind. Das Ministerium sollte seine Ergebnisse dem Ausschuss zur Information vorlegen, bevor entsprechende Genehmigungen erteilt werden. Das ist der Hintergrund unseres Entschließungsantrags.

Den FDP-Antrag können wir im Grunde nur ablehnen. Wir werden heute beide Anträge zur Debatte an den Ausschuss überweisen. Für irgendwelche Urteile nach dem Motto: „Es ist alles gut, es ist alles richtig, wir können es einfach freigeben“, gibt es aber überhaupt keinen Grund. Da gibt es noch eine ganze Reihe von Gefahrenstellen, die noch nicht abgeräumt sind.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Diese Debatte sollten wir miteinander führen; denn es geht um Verkehrssicherheit, um das Leben von Menschen und um die Teilnahme von Personen am Straßenverkehr. Die Menschen haben ein ganz gutes Gespür dafür, was richtig und was falsch ist.

(Christof Rasche [FDP]: Das glaube ich auch!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Lkw-Fahrende! Wir haben die Monstertrucks, die Lang-Lkw, die Riesenlaster – die Gigaliner, wie sie ein Hersteller nennt – bereits in einem Antrag der Piraten aus dem Jahr 2013 – „Keine europaweite Einführung von Gigalinern ‚durch die Hintertür‘„ – behandelt. Am 7. Januar 2014 fand dazu auch eine Anhörung statt, in der alle Argumente auf den Tisch gebracht wurden. Diese waren durchaus differenziert, haben aber gezeigt, wo die Nachteile dieser Riesenlaster liegen.

Seitdem hat sich an den Argumenten nichts geändert, auch nicht durch das Fazit des Feldversuchs. Wir Piraten bleiben bei der Ablehnung. Dafür gibt es viele Gründe.

Riesenlaster sind gefährlicher, zum Beispiel beim Überholen. Der Überholvorgang dauert eben wesentlich länger, und wenn man nicht gerade auf einer Autobahn ist, gerät man möglicherweise in den Gegenverkehr. Das Einfädeln – das hat auch Herrn Klocke angesprochen – birgt Gefahren, die nicht einfach so ausgeräumt werden können. Riesenlaster stehen in Konkurrenz zum Güterschienenverkehr und sind mitnichten umweltfreundlich. Das kann nicht einfach so wegwischen.

Über die Größenordnung mag man streiten. Entweder ist sie, wie beim Feldversuch, nicht relevant – gut, man hat da keine besondere Relevanz festgestellt; aber wozu dann die Riesenlaster? –, oder wir erleben einen Boom. Dann sind sie eine echte Konkurrenz.

So oder so würden wir den politischen Zielen, die wir eigentlich verfolgen, entgegenlaufen. Riesenlaster werden niemals zum Umweltschutz oder zum Klimaschutz beitragen. Mir kann niemand erzählen, dass durch den Einsatz von Riesenlastern nachher weniger Laster auf der Straße rollen werden und man statt drei Lastern nur noch zwei fahren lassen kann.

Riesenlaster verlangen nach neuer Infrastruktur. Matthias Pippert von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sagte in der Anhörung, er rechne mit Kosten im zweistelligen Milliardenbereich, die von der öffentlichen Hand zu tragen wären. Die Rechnung würde dann lauten: Steuerzahler zahlen und große Unternehmen verdienen.

Das Gewicht bei den Gigalinern bzw. den Riesenlastern ist die eine Sache. Selbst wenn die Gewichtsvorgabe von 40 t bis 44 t dauerhaft einhalten würde – wie es in anderen europäischen Ländern ja nicht der Fall ist – ist der Riesenlaster natürlich schwerer als ein kleinerer Laster, der das gleiche Produkt geladen hat. Das ist klar; das ist Fakt.

Noch klarer wird der Infrastrukturbedarf bei Abbiegespuren, Verkehrsinseln usw., selbst wenn man von Positivrouten ausgeht. Das alles muss ja auch noch den entsprechenden Anforderungen gerecht werden.

Selbst die größten Befürworter – das gilt auch für die FDP in ihrem Antrag – geben zu: Lkw-Parkplätze, gerade an Autobahnen, sind bereits jetzt Mangelware. Das entwickelt sich zu einem echten Problem; da herrscht eklatanter Notstand. Warum soll die Gesellschaft Geld aufwenden, um Exklusivparkplätze für Riesenlaster zu schaffen? Das ist kein nebensächliches Problem, wie es lapidar im Antrag darstellt wird. Sonst gäbe es ja auch die aktuellen Parkplatzprobleme nicht, die sogar Menschenleben kosten, weil Autos auf die falsch abgestellten Laster auffahren.

Riesenlaster sind sicherlich kein Teufelszeug. Die Frage muss aber lauten: Wozu brauchen wir sie überhaupt? Wozu der Aufwand? Wozu die Investitionen, die die Gesellschaft tragen muss? – Verkehrspolitisch ist das alles kontraproduktiv; das ist ganz bewusst die entgegengesetzte Richtung zur Verkehrswende. Das macht schon politisch keinen Sinn, es sei denn, man möchte die Staupolitik der letzten Jahrzehnte feiern oder die Idee der Lagerhaltung auf der Straße. Riesenlaster lösen jedenfalls keine Verkehrsprobleme.

Es geht allein um die Effizienz und die Möglichkeit, damit auch weniger Fahrpersonal einzusetzen, also die Einsparung von Fahrpersonal. Da frage ich mich: Muss die Gesellschaft so etwas unterstützen, wenn ansonsten keinerlei Fortschritt damit verbunden ist?

Apropos Fortschritt: Da nenne ich die Stichworte „Assistenzsysteme“ und „autonomes Fahren“. Müssen wir uns nicht mittelfristig in der Lkw-Logistik eher auf gekoppelte Lkw einrichten, die in Kolonne fahren und somit zum Teil auch auf reines Fahrpersonal verzichten können? Gibt es nicht viel größere Entwicklungen in der Logistikbranche, mit denen wir es zu tun haben werden? Warum sollen wir unsere NRW-Unternehmen jetzt auf diese Riesenlaster bringen? Wir sollten unsere NRW-Logistikunternehmen besser in andere Bereiche investieren lassen.

Riesenlaster fördern nur die Konzentration in der Branche, wo dann viele kleinere Betriebe das Nachsehen haben könnten, obwohl sie nicht weniger innovativ oder schlechter aufgestellt sind, sondern allein wegen unfairer Rahmenbedingungen durch die Politik. Investitionen in die Fahrzeuge und in die Infrastruktur in NRW sollten sich wirklich nicht bei den Riesenlastern verzetteln. Dabei sollten wir nicht mitmachen!

Ich komme zum Schluss. Riesenlaster bringen nur Nachteile. Wir brauchen sie nicht. Wir brauchen auch keine doppelt so breiten Pkw, sogar wenn das praktisch wäre. Die Ablehnung des Antrags ist daher nicht Starrsinn, sondern einfach nur logisch. Wir brauchen eine zukunftsfähige Verkehrspolitik, einen konsequenten Weg zur Verkehrswende und innovative Unternehmen, die die technologischen Entwicklungen nutzen. Den Aufwand für ein Konzept von gestern können wir uns an dieser Stelle dann sparen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Groschek das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der FDP-Antrag ist in der Tat – mit Verlaub – ein wenig von euphorischer Wundergläubigkeit geprägt. Dazu besteht kein Anlass, und im Entschließungsantrag wird ja auch deutlich, worüber noch nachzudenken ist. Das – in Anführungszeichen – BASt-“Gutachten“ hat viel an Skepsis beseitigt und hat viele vermeintliche Probleme als nicht vorhanden deklariert. Es bleiben aber grundsätzliche Bedenken, die noch ausgeräumt werden müssen, die erläuterungsbedürftig sind.

Die Zukunft des Güterverkehrs darf nicht allein auf der Straße liegen. Wir sind in Deutschland insgesamt seit Jahrzehnten auf einem Holzweg, indem wir viel zu viel Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verfrachtet haben. Wir müssen zusehen, was wir tun können, um die Schiene zu stärken. Das Stärken der Schiene als Güterverkehrsstraße muss die Kehrseite der Medaille „Gigaliner“ sein.

Natürlich sind schon Zweifel an der Plausibilität des gesamten Konzeptes angebracht, wenn im Gutachten deutlich wird, dass durch die Gigaliner vermutlich nur 1 % des Volumens der Lkw kompensiert wird. Gleichwohl werden wir selbstverständlich dafür sorgen, dass die Verkehrswirtschaft in Nordrhein-Westfalen nicht benachteiligt wird. Wir sind nicht von dem Wunderglauben beseelt, wir seien ein gallisches Dorf, das sich im Römischen Reich isolieren könnte. Wir werden dem Ausschuss und dem Bundesverkehrsminister Straßenstrecken vorschlagen, auf denen in Punkt-zu-Punkt-Beziehungen in Nordrhein-Westfalen solche Gigaliner einsetzbar sind.

Wir müssen aber darauf achten, dass der Gigaliner hält, was er verspricht, und eben nicht das Einfallstor zum 60-Tonner ist, der Brücken kaputtfahren würde, statt sie über die Vielachsigkeit zu entlasten, wie es heute gepriesen wurde.

Außerdem müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Gigaliner kein neuer Hemmschuh ist; denn wir wollen Kombiverkehre von Schiene und Straße möglich machen und attraktiv halten. Beim Sattelauflieger, der ja länger ist als der übliche Sattelzug, haben wir gesehen, dass der Wunsch, Kombiverkehre zwischen München und Köln hinzubekommen, noch längst nicht Wirklichkeit ist, weil wirtschaftliche Hemmnisse bestehen. Diese Barrieren müssen wir abbauen. Demnächst werden wir eine Studie zu der Frage präsentieren, wie wir den Schienengüterverkehr stärken können.

In der beschriebenen Zwei-Komponenten-Perspektive ist der Einsatz von Gigalinern auch in NRW verantwortbar, wenn wir die Punkt-zu-Punkt-Beziehungen definieren und all die Bedenken, die die Kollegen Becker und Klocke hier geschildert haben, ausräumen können.

Ich kann nur davor warnen, an Patentrezepte und Wunder zu glauben. Die Verkehrspolitik braucht Nachhaltigkeit und Beharrlichkeit. Deshalb will ich noch anmerken, dass dies eigentlich auch für die viel zu häufigen Ministersesselwechsel gerade auf dieser Position gelten sollte.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Schemmer zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Präsident! In aller Kürze: Sie reden davon, Güterverkehr auf die Bahn statt auf die Straße zu bringen; das ist richtig, Herr Minister. Wir reden hier aber über Volumen, wir reden nicht über Massen. Insofern ist die Situation da eine andere.

Ich denke, dass die Fraktionen, die von 2007 bis 2017 hier immer die gleiche Position vertreten haben, heute erfahren, dass dieser Weg der richtige Weg ist und dass die grundsätzlichen Bedenken, die Rot und Grün hier äußern, eigentlich nur ein Vertuschen der Tatsache sein soll, dass man die Entwicklung in den letzten zehn Jahren verschlafen hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege Schemmer. – Für die FDP-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Rasche gemeldet. Bitte.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Herr Minister!

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

– Gerne, Herr Klocke, aber ich werde den Präsidenten nicht um Hilfe bitten. Ich kann mich schon allein wehren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Minister, Ihre Äußerungen zum Gigaliner waren recht oberflächlich. Sie haben auch mit Ängsten gespielt, mit Argumenten wie beispielsweise dem 60-Tonner, die in keiner Debatte mit Fachleuten eine Rolle spielen. Selbstverständlich soll es beim 40-Tonner bleiben. Bitte nicht mit Ängsten spielen!

Sie haben natürlich ein Problem. Die SPD-Fraktion hat sich hier völlig verrannt in ihrem Kampf gegen Gigaliner oder gegen Monstertrucks, wie sie die Grünen nennen.

(Zuruf: Quatsch!)

Und jetzt kommen Sie da nicht mehr ehrlich heraus. Ich prophezeie Ihnen: Bis zum 14. Mai wird nichts geliefert, weil sie das mit den Kollegen gar nicht hinbekommen.

(Beifall von der FDP)

Noch ein Wort zu den, wie ich schon sagen muss, dämlichen Vergleichen: Heute Morgen vergleicht Herr Römer die Opposition mit Herrn Trump. Vorhin vergleicht der Kollege Klocke die Opposition bzw. die FDP mit Vertretern der Kirche.

(Jochen Ott [SPD]: Aber das mit der Kirche ist doch keine Beleidigung!)

Alle diese Vergleiche wären unnötig, wenn Sie sich wirklich mal realistisch mit den Problemen in diesem Land auseinandersetzen. Das werden Sie tun müssen, sonst werden Sie am 14. Mai nicht gewählt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nunmehr nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/14012 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr. Die abschließende Abstimmung soll wie üblich dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Der Entschließungsantrag Drucksache 16/14076 soll ebenfalls überwiesen werden. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung des Antrags Drucksache 16/14012 und des Entschließungsantrags Drucksache 16/14076 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr einstimmig angenommen. – Herzlichen Dank.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe auf Tagesordnungspunkt 10

10 Anlasslose Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Jetzt Moratorium für Umsetzung in Deutschland einrichten

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/14004

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Herrmann das Wort. Bitte.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer zu Hause! Muss ich hier wirklich erklären, was Vorratsdatenspeicherung ist? Ich denke nicht. Für alle, die es noch nicht wissen, mache ich eine Kurzfassung: Das ist die Aufzeichnung und Speicherung, wer wann von wo wie lange mit wem spricht – und zwar von allen, nicht nur von Gefährdern und Terroristen, sondern tatsächlich von allen. Dass wir Piraten das nicht wollen, das wissen Sie.

Heute Morgen hatte ich ein Déjà-vu, als ich hörte, dass in Berlin gerade das Kabinett umgebaut wird und plötzlich wieder der Name Brigitte Zypries auf der Seite der Ministerinnen und Minister steht – eben jene Brigitte Zypries, die als Justizministerin im Herbst 2005 nach Brüssel gefahren ist und dort im Europarat die Zustimmung der Bundesregierung zur Europäischen Richtlinie zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung überbracht hat – und das entgegen einem Beschluss des 15. Deutschen Bundestages, der nämlich eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausdrücklich abgelehnt hatte.

Der 16. Deutsche Bundestag konstituierte sich zu diesem Zeitpunkt gerade, und so blieb das Handeln wider besseres Wissen der Bundesregierung damals weitgehend relativ folgenlos. Die GroKo hatte die Macht, und die kleinen Oppositionsparteien hat niemand mehr gehört.

Und eben diese Brigitte Zypries soll jetzt mal eben Wirtschaftsministerin werden?! Ich weiß schon, warum ich dieses durch und durch verkrustete System nicht so gern mag. Mich haben dieses Verfahren und dieses Umgehen und Ignorieren der Entscheidung der Volksvertreter im Bundestag und der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung damals dazu gebracht, mich zu engagieren. Die Mehrheit war damals gegen die Vorratsdatenspeicherung. Dann hat sich der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gebildet, an dem ich beteiligt war, und dann ging es bei den Piraten weiter.

Der Rest zum Verlauf der Vorratsdatenspeicherung in Europa ist Geschichte. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist in Kraft getreten. Wie gesagt, mitentscheidend war das Zutun von Frau Ministerin Zypries. Die deutsche Umsetzung der Richtlinie wurde stur durch das Parlament gepeitscht. Dagegen wurde unter anderem vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung geklagt, auch ich war dabei. Das Bundesverfassungsgericht erließ eine einstweilige Anordnung, die Daten nicht zu nutzen, und erklärte schließlich im Jahr 2010 das Gesetz für verfassungswidrig und nichtig.

Der Europäische Gerichtshof erklärte schließlich in 2014 die gesamte Richtlinie von damals für ungültig, da sie nicht mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar ist. Das ist bis heute der Stand.

Es gab aber auch in anderen EU-Ländern Gesetze auf Basis dieser Richtlinie. Einige Länder haben ihre Gesetze selbst zurückgenommen, zum Beispiel Bulgarien. Bei anderen musste noch einmal der EuGH nachhelfen, bei Großbritannien und Schweden zum Beispiel. Das hat er am 21. Dezember 2016 getan und geurteilt: Eine anlasslose und flächendeckende Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten – kurz: die Vorratsdatenspeicherung – ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar, und zwar auch, wenn nationale Parlamente das Ganze so verabschiedet haben.

Damit wäre eigentlich alles gesagt. Nur, die Bundesregierung hat es schon vorher nicht interessiert, wie Gerichte urteilen, und sie hat ein neues Gesetz zur anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsdaten auf den Weg gebracht, einschließlich der Zustimmung des Bundesrates mit besonders viel Einsatz unserer Ministerpräsidentin Frau Kraft, wie sich vielleicht der eine oder die andere erinnern mag.

Auch gegen dieses Gesetz ist eine Klage in Karlsruhe anhängig. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Dezember letzten Jahres ist die Feststellung der erneuten Nichtigkeit des deutschen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung eigentlich eine Formsache.

Es gibt aber aktuell ein Problem. Da das deutsche Gesetz noch gilt, sind die Internet- und Telefonprovider verpflichtet, die technischen Vorkehrungen für eine Umsetzung zur Speicherung zu treffen. Hierzu ist eine Frist dazu bis zum 1. Juli dieses Jahres gesetzt. Für gesetzestreue Unternehmen ist das nicht viel Zeit, vor allem wenn es um ein Investitionsvolumen von insgesamt ca. 600 Millionen € geht.

Ein solches Verfahren, eine solche Vergabe – das hat einen Vorlauf, und deswegen gibt es unter den Unternehmen große Aufregung. Vom eco-Verband und auch von anderen wird ein Moratorium für die Umsetzung gefordert, aber Berlin stellt sich bisher stur.

Gerade für NRW wäre es aber ein großer Schaden, wenn hier ansässige Unternehmen – und das sind immerhin die größten der Branche – mehrere Hundert Millionen Euro als Verlust abschreiben müssten. Es gibt für die Unternehmen nämlich keine Kompensation für die Fehlinvestition. Wenn das Verfassungsgericht in einigen Wochen oder Monaten das deutsche Gesetz für nichtig erklären wird, dann muss abgeschrieben werden. Ich denke, dass dies angesichts der fehlenden Einnahmen für den Haushalt schon eine spürbare Größenordnung wäre.

Es wären aber auch andere Gruppen betroffen: kleine Vereine, die von Ehrenamtlichen getragen werden, wie beispielsweise die Freifunker. Diese Vereine werden schließlich auch vom Landtag und seitens der Landesregierung begrüßt und gefördert.


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