Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



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Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Dietmar Schulz (fraktionslos): – Jawohl, Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

… die Gelegenheit gehabt – allerdings beschränkt durch den Koalitionsvertrag –, ein bisschen auf die Tube zu drücken. Und jetzt wollen Sie alles richten, und zwar sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im Bund. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und freue mich vor allen Dingen auf die Debatte im Haushalts- und Finanzausschuss.

(Britta Altenkamp [SPD]: Und wir erst!)

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für den krankheitsbedingt abwesenden Finanzminister spricht jetzt Herr Minister Groschek für die Landesregierung.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung findet den Antrag gut, weil er den Mangel an Steuergerechtigkeit präzise beschreibt und darauf hinweist, dass ein Mangel an Akzeptanz entsteht, wenn Lasten ungerecht verteilt bleiben. Außerdem betont der Antrag, dass Steuerhinterziehung rigoros auszuschließen ist und die Gestaltungsmöglichkeiten im legalen Bereich eingedämmt werden müssen, wenn sie illegitim erscheinen.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Das hättet ihr doch schon längst machen können!)

In Abwesenheit des Finanzministers möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Landesregierung zu Recht zugutehält, beim Thema Steuergerechtigkeit und einer Steuerpolitik, die die Menschen mitnimmt und nicht abstößt, ein gutes Urteil bestätigt zu bekommen. Dieses Urteil muss man aber personifizieren, weil es Norbert Walter-Borjans persönlich ist, der hier darum streitet und dafür kämpft, eine gewaltige Gerechtigkeitslücke zu schließen, die viele Menschen in unserem Land auch als eklatantes Staatsversagen betrachten. Deshalb schulden wir ihm Dank; das ist jedenfalls meine Überzeugung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und wenn es tatsächlich so wirkt, Herr Abgeordneter Schulz, als wären dabei auch Ihre Anregungen aufgegriffen worden, dann ist es doch umso besser. Dann könnte doch der finanzpolitische Teil dieses Hohen Hauses ein deutliches Ausrufezeichen setzen und sagen: Ja, wir haben verstanden. Steuergerechtigkeit ist konsensfähig in Nordrhein-Westfalen. Da stehen wir zusammen.

(Zuruf von Kai Schmalenbach [PIRATEN])

Stattdessen nehme ich hier nur Wegducken und Untertauchen wahr. Das ist keine Politik.

Herr Kollege Witzel, Sie sind der König der Kleinen Anfragen und mündlichen Nachfragen. Aber warum befleißigen Sie sich nicht, in gleicher Weise mit Anträgen die Diskussion in diesem Hohen Haus ganz formal und plenar zu bereichern? Leider kommt da nur relativ wenig von den Oppositionsfraktionen. Da müssen die regierungstragenden Fraktionen selbst dafür sorgen, dass pointiert darauf hingewiesen wird, wo Verbesserungsnotwendigkeiten im Steuerrecht bestehen.

Ja, wir müssen die Gerechtigkeitslücke schließen. Was sind die Schwerpunkte? Wir brauchen die Harmonisierung und Mindeststeuersätze in der EU. Wenn Großbritannien jetzt droht, sich den Brexit mit Dumpingsteuern zu erkaufen, dann ist das bedrohlich. Das ist nicht internationalistisch, sondern nationalistisch. Wenn in den USA darüber geredet wird, dass Strafzölle und Dumpingsteuern eingeführt werden sollen, dann ist das eben nicht globalisierungsfördernd, sondern abschottend und abschreckend. Deshalb muss sich gerade dieser Landtag dazu bekennen, die Europäisierung wieder populär zu machen, bei den Menschen zu beheimaten und nicht die Menschen mit der Überschrift „Europa droht ...“ in Aufregung zu versetzen.

Das funktioniert vor allen Dingen dann, wenn wir die Steuerschlupflöcher in Europa schließen und die Oasen austrocknen. Das Karthago von heute findet sich, steuerpolitisch gesehen, in Irland, in den Niederlanden, aber auch in Monheim. Deshalb gehört das zusammen, und ich sage: Das Karthago von heute muss in der Tat zerstört werden. Das ist eine steuerpolitische Herausforderung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Zurufe)

– Steuerpolitisch zerstört werden, natürlich.

Kleine und mittlere Einkommen sind zu entlasten, und deshalb müssen Betrug und Trickserei unterbunden werden. Wer Otto Normalverdiener entlasten will, ohne „Privat vor Staat“ zu wiederholen, muss sich dazu bekennen, dass Megaeinkommen und Megavermögen mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen müssen, als das heute der Fall ist. Insofern ist es eine Frage von Wahrhaftigkeit, heute darauf hinzuweisen, wer entlastet und wer belastet werden muss.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gehört auch eine Reform der Familienbesteuerung; denn es ist nicht einzusehen, warum gerade im Steuerrecht das antiquierte Familienbild Bestand haben soll. Wir brauchen ein Steuerrecht, bei dem das Kind, aber nicht der Trauschein im Mittelpunkt steht. Das ist eine angemessene, moderner Familienpolitik geschuldete Steuerpolitik, die längst überfällig ist.

Noch einen letzten Punkt möchte ich ansprechen: Die Abgeltungsteuer hat ausgedient. Es reicht eben nicht, zu sagen: 25 % vom Realvermögen sind besser als 40 % von nichts. – Nein, es ist in unserer Gesellschaft nicht mehr vermittelbar, dass Menschen, die ihr Geld arbeiten lassen, besser behandelt werden als Menschen, die für ihr Geld arbeiten müssen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist die große Herausforderung. Deshalb ist der Antrag gut und beratenswert.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. Bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult stehen. Herr Witzel hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der hat ein Benehmen! Das ist unglaublich!)

Bevor er für 90 Sekunden das Wort erhält, möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Ihr Aufruf zur Gewalt gegen Karthago auch von allen richtig verstanden wurde.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Ich meinte das natürlich steuerpolitisch.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja, das ist schon klar. Davon gehen wir alle aus. – So, jetzt hat Herr Kollege Witzel für 90 Sekunden das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Groschek, Sie haben uns direkt angesprochen. Selbstverständlich nehmen wir gerne Ihre Aufforderung an, auch noch in dieser Legislaturperiode Anträge zu wichtigen Fragen im Kontext dieses Politikfeldes zu stellen.

Sie haben richtig bilanziert, dass wir auch weiterhin zu dem Grundsatz „Privat vor Staat“ stehen. Umso interessanter finde ich allerdings das, was Sie als Vertreter des Finanzministers – zugleich sind Sie Bauminister – hier zum Punkt „Share-Deals“ gesagt bzw. nicht gesagt haben. Schließlich haben Sie vorhin in Ihrer Rede eine Gerechtigkeitslücke im Steuerrecht kritisiert, aber überhaupt nicht Bezug genommen auf die Diskussion, die wir hier geführt haben, in der es um die Frage ging, warum gerade diese Landesregierung die Grunderwerbsteuer nahezu verdoppelt hat.

Das Ergebnis – das wird Ihnen als Bauminister bekannt sein – ist, dass die Share-Deals massiv zugenommen haben und institutionelle Investoren wie Blackstone und andere

(Stefan Zimkeit [SPD]: Und deshalb hat die Landesregierung Vorschläge gemacht, wie man sie abschaffen kann!)

völlig steuerfrei von Transaktionen profitieren. Aber wer sich quasi bei Ihnen um die Ecke im Quartier in Oberhausen eine Eigentumswohnung erlauben will, der zahlt jetzt fast doppelt so viel an Grunderwerbsteuer. Wie ist es da um die Verhältnismäßigkeitsabwägung bestellt, wenn Sie auf der einen Seite mehr Steuergerechtigkeit fordern, auf der anderen Seite jedoch mit den Entscheidungen dieses Landtags und den Empfehlungen dieser Regierung dafür sorgen, dass der einfache Bürger für selbst genutztes Wohneigentum stärker belastet wird, die großen Investoren hingegen nicht?

Warum hat gerade die Landesregierung mit ihren Landesunternehmen diesen Trend forciert, indem sie nicht mit gutem Beispiel vorangegangen ist, sondern ausdrücklich Verträge auch grunderwerbsteuerfrei abgeschlossen hat, zum Beispiel bei Portigon, EAA etc.?



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Herr Minister, bitte.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Witzel, da sind wir unbedingt einer Meinung. Die Steuerlücke hinsichtlich der Share-Deals müsste längst geschlossen werden. Dass das nicht der Fall ist, liegt daran, dass die Aufforderung des Landtags an die Landesregierung, weitergetragen durch den Landesfinanzminister in die Finanzministerkonferenz, noch nicht mehrheitsfähig ist.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: So ist das!)

Ich gehe davon aus, dass der Landtag seine Aufforderung aufrechterhält und die Landesregierung nach wie vor gefordert ist, diese in ihrer Wirkung unsoziale Steuerlücke zu schließen.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist nicht akzeptabel, dass dieses Loch nicht gestopft wird.

Der Hinweis auf die Finanzierungs- und Finanzsystematik ist nicht ausreichend. Nur zu sagen: „Wir wollen keine Ausnahmetatbestände durch Eingriffe in die geltende Steuersystematik erzielen“, reicht nicht. Ja, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bekennt sich dazu, dass die Gestaltungsmöglichkeit „Share-Deal“ so schnell wie möglich durch eine rechtliche Anpassung des deutschen Steuerrechts verunmöglicht werden soll.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – So weit Kurzintervention und Replik darauf. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/13997 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen. – Herzlichen Dank.

Ich rufe auf:

5 Landesregierung muss endlich zumindest die Eckpunkte für eine Kibiz-Reform vorlegen!

Antrag
der Fraktion der FDP


Drucksache 16/14009

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Kollegen Hafke das Wort. Bitte schön.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kinderbildungsgesetz liegt nun seit fast sieben Jahren in der Verantwortung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Bilanz ist jedoch ernüchternd. Weder die Elternbeitragsfreiheit noch plusKITA oder die Verfügungspauschalen haben die finanzielle Situation der Kindertageseinrichtungen verbessern können.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Im Ergebnis wurde mit elf zusätzlichen Pauschalen mehr neue Bürokratie geschaffen.

Wir diskutieren nun seit fast sieben Jahren über die Auskömmlichkeit der Kindpauschalen. Seit 2010 gibt es die dynamische Anpassung von 1,5 %, vor Kurzem erhöht auf 3 %. Auch das lindert die Not in den Kindertageseinrichtungen kaum.

(Beifall von der FDP)

Uns erreichen Berichte aus verschiedensten Anhörungen, dass die finanzielle Lage der Träger extrem schwierig geworden ist. 80 % der Träger arbeiten defizitär. Wir beobachten Trägerabgaben, teilweise sogar Kita-Schließungen.

Jetzt frage ich die Landesregierung an dieser Stelle: Was machen Sie dagegen? Seit 2010 kündigen Sie an, ein neues Kinderbildungsgesetz vorlegen zu wollen. Diese Ankündigung haben Sie bis heute nicht realisiert und nicht auf den Weg gebracht. Die Situation in den Kindertageseinrichtungen ist leider extrem schlimm geworden. Deswegen erwarte ich von der Landesregierung, dass sie jetzt endlich ihrem Versprechen nachkommt.

Frau Ministerin, Sie haben Anfang letzten Jahres im Ausschuss angekündigt, bis zum Ende des Jahres 2016 Eckpunkte für ein neues Kinderbildungsgesetz vorzulegen. Wo sind diese Eckpunkte? Wann wird die Öffentlichkeit darüber informiert? Machen Sie daraus kein Wahlkampfgetöse! Informieren Sie bitte hier und heute die Öffentlichkeit über die Zukunft der Kinderbildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP)

Anstatt aber die Öffentlichkeit darüber zu informieren, beschäftigt sich die SPD in der letzten Zeit mit der Beitragsfreiheit im Kindergarten – ein Projekt, das den Steuerzahler voraussichtlich noch einmal 688 Millionen € kosten wird.

(Ralf Witzel [FDP]: Irre!)

Das ist die Prioritätensetzung dieser Landesregierung. Wir sind bundesweites Schlusslicht bei der U3-Betreuung. Wir haben unflexible Öffnungszeiten in den Kindertageseinrichtungen.



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie, Herr Kollege Hafke. Ich möchte alle Kollegen noch einmal darauf aufmerksam machen, dass das Fotografieren im Plenum nicht zulässig ist. – Herr Kollege Hafke, bitte.

Marcel Hafke (FDP): Wir haben unflexible Öffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen. Die Kindertageseinrichtungen stehen, wie ich gesagt habe, vor einem finanziellen Kollaps. Bei den Erzieherinnen und Erziehern herrscht ein hoher Krankenstand. Das heißt, hier in Nordrhein-Westfalen werden die falschen Prioritäten gesetzt.

Deswegen möchte ich die Landesregierung heute ganz konkret befragen. Frau Ministerin Kampmann, beantworten Sie mir heute bitte folgende Fragen: Wie kann man eine auskömmliche Kita-Finanzierung ausgestalten und auf den Weg bringen? Welche Förderinstrumente im aktuellen Kinderbildungsgesetz haben sich bewährt? Welche Mehrbelastungen gibt es für Träger, Kommunen und Eltern in Ihren zukünftigen Planungen?

Wie sieht zukünftig eine individuelle Förderung von Kindern aus? Wie sehen für Sie bedarfsgerechte Öffnungszeiten aus, und wie können Sie sie fördern? Wie soll in Zukunft die Ausbildung von Erzieherinnen aussehen, und wie können wir sie verbessern? Wie können wir eine vernünftige, faire Bezahlung von Erziehern gewährleisten? Wie sieht die Zukunft der Kindertagespflege in Nordrhein-Westfalen aus? Wann soll das neue Gesetz endlich in Kraft treten?

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Meine Damen und Herren, ich finde es extrem unverantwortlich, wenn man sich seit Wochen und Monaten hinstellt und darauf verweist, dass bis zum Ende der Legislaturperiode schon noch irgendetwas vorgelegt werde. Das ist zu wenig. Bei diesem Thema haben wir es mit einem der zentralen Probleme des Landes zu tun. Die Situation vor Ort ist wirklich nicht in Ordnung. Da kann man es sich nicht einfach so machen wie bislang und einfach sagen, das habe die Landesregierung unter Herrn Rüttgers eingeführt und wir müssten es jetzt ausbaden. Das ist etwas zu einfach.

Seit 2010 schlage ich Ihnen vor, beispielsweise bei der Konnexität die dynamische Anpassung vorzunehmen. Da hat die vorherige Landesregierung immer gesagt, das wäre alles nicht möglich, das wäre konnexitätsrelevant – bis dann diese Landesregierung endlich mal ein eigenes Gutachten auf den Weg gebracht hat, worin es hieß, dass das doch machbar sei.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Deswegen sage ich Ihnen hier und heute: Haben Sie den Mut, endlich die Reformen auf den Weg zu bringen. Wenn Sie dieses Thema aus dem Wahlkampf heraushalten und zukünftig ein Parlament hinter sich haben wollen, das für die Kinder in Nordrhein-Westfalen gemeinsam ein Gesetz auf den Weg bringt, dann wäre es jetzt an der Zeit, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Sie sollten das nicht einfach mit irgendwelchen Sprechblasen aussitzen. Sie sind nun in der Verantwortung. Also handeln Sie auch.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Altenkamp.

Britta Altenkamp (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Das Handy von Angela Tillmann [SPD] klingelt.)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigung, Frau Kollegin. – Vielleicht kann irgendjemand …

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Hat den Hammer nicht gefunden!)

Es hat gefruchtet. – Bitte, Frau Kollegin Altenkamp.

Britta Altenkamp (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hat sich heute mit einem Antrag zum Thema „Kinderbildungsgesetz“ und mit der Bitte um Vorlegen von Eckpunkten an die Landesregierung gewandt.

Lassen Sie mich zunächst – mit Erlaubnis des Präsidenten – mit einem Zitat beginnen:

„Die Koalitionsfraktionen SPD und Grüne treffen mit den Kommunalen Spitzenverbänden im Hinblick auf die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung und den Ausbau und die weitere Finanzierung der Kindertagesbetreuung folgende Vereinbarungen: …“

Dort ist im Punkt I.2 dann unter anderem vereinbart:

„Die Unterzeichnenden verständigen sich ferner, unverzüglich Gespräche für eine grundlegende Überarbeitung des KiBiz und der ihm zugrunde liegenden Finanzierungsstrukturen aufzunehmen. Hierbei sollen alle mit der Finanzierungsstruktur zusammenhängenden Fragestellungen Berücksichtigung finden. Bis zum Ende der 16. Wahlperiode soll eine Verständigung auf Eckpunkte für ein neues Gesetz erfolgen.“

Herr Hafke, an dieser Stelle könnte ich sagen: Da Sie für Ihren Antrag die falschen Adressaten gewählt haben, könnte ich es dabei belassen. In der Tat können Sie sich nach dieser Vereinbarung an die regierungstragenden Fraktionen oder die kommunalen Spitzenverbände wenden, aber nicht an die Landesregierung; denn diese haben die Vereinbarung getroffen und unterschrieben, wie Sie auch wissen. Ich will es aber nicht dabei belassen, weil mir das am Ende doch etwas zu wenig wäre.

Man muss wirklich sagen, dass man in Ihrem Antrag – schließlich und endlich; die Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuss haben es in den letzten Jahren fast nicht mehr für möglich gehalten – eine aufsteigende Lernkurve bei Ihnen erkennen kann. Im Antrag sind Feststellungen enthalten, die Sie vor zwei bis drei Jahren in dieser Form noch nicht getätigt hätten.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Ist das nicht ein bisschen oberlehrerhaft?)

Aber was soll’s! Am Ende ist entscheidend, wie glaubhaft das ist. Wer glaubt Ihnen denn, dass es Ihnen mit den von Ihnen gemachten Feststellungen und den damit verbundenen Konsequenzen tatsächlich ernst ist?

Sie richten sich an die Landesregierung. Das haben Sie gerade noch einmal wiederholt. Sie soll Ihre Fragen beantworten. Sie selber beantworten diese Fragen für sich offensichtlich nicht.

Das ist ein bisschen komplexer als die Angebote, die wir hier bekommen. Der Kollege Tenhumberg erzählt seit mehreren Monaten, …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Wo Sie ihn …

Britta Altenkamp (SPD): … dass es nun endlich an der Zeit sei, …

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie erwähnen ihn. Das ist perfekt. Er hat sich gerade zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Britta Altenkamp (SPD): Nein, ich will mir den Kollegen Tenhumberg erst mal ein bisschen zur Brust nehmen. Danach kann der Kollege Tenhumberg ja überlegen, ob er noch Fragen hat.

(Bernhard Tenhumberg [CDU] nickt.)

Das ist doch parlamentarischer Brauch. – Der Kollege Tenhumberg fordert seit mehreren Monaten, dass es dringend an der Zeit wäre, dass die Pauschalen angehoben würden. Das werden wir in dieser Form sicherlich nicht machen, Kollege Tenhumberg. Ich sage Ihnen ganz offen: Das wäre nämlich der falscheste Weg.

(Zuruf von der FDP: Der falscheste?)

Wir erkennen im Moment bei diesem Gesetz: Wir können die Pauschalen noch mehr anheben und noch mehr Geld in das System stecken – so, wie es aufgebaut ist, wird es in den Gruppen und bei den Kindern nicht ankommen.

Der Kollege Düngel hatte schon mehrfach gefordert, einfach mehr Geld draufzusatteln, ungefähr 1 Milliarde €, dann werde alles gut. Auch das ist mit Sicherheit ein falscher Weg. Wir wollen tatsächlich zu völlig neuen Strukturen kommen. Darüber diskutieren und verhandeln wir mit den Beteiligten.

Immerhin wird eingeräumt, dass es zu Mehrbelastungen sowohl für Träger als auch für Kommunen kommen wird. Das wissen Sie auch. Deshalb ist es notwendig, dass wir mit allen Beteiligten reden. Das müssen wir. Dazu gibt es in der Zukunft auch zahlreiche Gelegenheiten.

Sie reden im Punkt 4 Ihrer Forderungen von der Erzieherinnen-Kind-Relation. Wir reden hingegen vom Fachkraft-Kind-Schüssel. Ich will Ihnen ganz offen sagen: Es ist an der Zeit, dass wir das Thema „Fachkraft“ noch einmal miteinander diskutieren und überlegen, wer in der Kita arbeitet. Wir sind uns im Ausschuss sicherlich schnell einig, dass wir multiprofessionelle Teams brauchen. Deshalb greift der Punkt „Erzieherinnen-Kind-Schlüssel“ an der Stelle zu kurz. Aber das ist vielleicht mehr oder weniger nur Semantik.

Im Punkt 7 sprechen Sie von bedarfsgerechten Öffnungszeiten. Darum kümmern Sie sich ganz dringend. Dazu sage ich Ihnen: Die SPD ist der Auffassung, dass wir nicht jede Kita von 6 Uhr bis 18 Uhr offenhalten müssen. Wir glauben aber, dass es für Eltern notwendig ist, relativ gut und schnell eine ortsnahe Kita mit langen Öffnungszeiten erreichen zu können. Über die Mindestöffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen diskutieren wir dann in den nächsten Wochen und Monaten mit den Beteiligten.

Letzter Punkt – auf mehr Punkte kann ich jetzt nicht eingehen –: Sie reden von der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir in Nordrhein-Westfalen sehr, sehr gut ausgebildete Erzieherinnen haben, die ihren Job sehr, sehr gut machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Verbesserungen der Ausbildung reden, dann ganz sicher nicht in diesem Gesetz, sondern anderer Stelle.



Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Frau Altenkamp.

Britta Altenkamp (SPD): Denn da sind wir in der Tat in einem anderen Rechtskreis. Wir sagen aber heute schon: Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es nicht nur um eine Diskussion von Akademisierung gehen kann. Das wird am Ende auch eine der Fragestellungen sein, über die wir uns möglicherweise kontrovers auseinandersetzen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Britta Altenkamp (SPD): Zusammenfassend: falscher Adressat, aber trotzdem eine gute Gelegenheit, sich miteinander auseinanderzusetzen, worum wir in diesem System tatsächlich diskutieren und ringen.

Wenn der Kollege Tenhumberg immer noch eine Frage hat, könnte er sie jetzt stellen.



Präsidentin Carina Gödecke: Frau Altenkamp, vielen Dank, dass Sie meine Aufgabe übernehmen.

(Heiterkeit)

Ich wollte Herrn Tenhumberg gerade einen anderen Vorschlag machen, weil durch den Wechsel in der Sitzungsleitung die Frage nicht mehr gestellt werden konnte. Ich würde Ihre Anmeldung ausnahmsweise auch für eine Kurzintervention werten wollen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Sie sind so großzügig, Frau Präsidentin!)

Dann machen wir das jetzt so. Damit haben Sie 90 Sekunden Zeit und müssen nicht unbedingt das Fragezeichen am Ende mitsprechen.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin, für den konstruktiven Vorschlag, den ich gerne annehme. – Frau Kollegin Altenkamp, Sie hatten darauf hingewiesen, an wen die Aufforderung gerichtet sei, über eine Neukonzeption des Kinderbildungsgesetzes nachzudenken und diese zu verhandeln, und dabei deutlich gemacht, dass die Landesregierung nicht in erster Linie in der Verantwortung stehe.

Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie mit Ihrer Regierungsmehrheit am 17. Juni 2014 das Kinderbildungsgesetz insofern geändert haben, dass Sie in § 28 ausdrücklich Folgendes beschlossen haben:

„Die Landesregierung überprüft in einem weiteren Schritt unter Einbeziehung der Kommunalen Spitzenverbände, der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen, der Eltern, der Beschäftigten und ihrer Verbände weitere Punkte, insbesondere die Bedarfsgerechtigkeit der Angebotsstruktur, das Finanzierungssystem, die Auskömmlichkeit der Pauschalen, den Betreuungsschlüssel und die zusätzliche Sprachförderung.“

Dieser Paragraf ist ausdrücklich mit Ihrer Mehrheit am 1. August 2014 in Kraft getreten.

Finden Sie nicht, dass diese gesetzliche Bestimmung, die dieses Hohe Haus verabschiedet hat, als eine Aufforderung an die Landesregierung dahin gehend zu interpretieren ist, dass darüber seit dem 1. August 2014 dann auch mit den entsprechenden Gremien zu debattieren ist?

Das ist der Punkt, über den wir heute sprechen – und nicht über irgendwelche Abgeordneten, die irgendwelche Gespräche mit irgendwelchen Verbänden führen, die in diesem Parlament nicht bekannt sind.

(Beifall von der CDU)


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