Nach A. und S. Brendler unterscheidet man drei Grundtypen von Klassifikation, die ersten zwei, klassischen, je nach dem gewählten klassifizierenden Merkmal und die dritte als eine prototypische Klassifikation. Die sog. natürliche Klassifikation, wo die Einteilung durch ein natürliches Wesensmerkmal der Namen durchgeführt wird und die sog. künstliche Klassifikation, wo das Klassifikationsmerkmal künstlich zu einem bestimmten Zweck ausgewählt wird (Klassifikation der Eigennamen nach syntaktischen oder semantischen Merkmalen). Bei der prototypischen Klassifikation wird „eine grobe Vorstellung von einem typischen Vertreter einer Klasse erarbeitet, der dann als Prototyp dient.“9
Im Laufe der Zeit wurden viele Klassifikationen verschiedener Sprachwissenschaftler geschaffen. Jede dieser entspricht mehr oder weniger den oben genannten Grundprinzipien:
Beispiele von umfassenden natürlichen Klassifikationen:
Adolf Bach (Deutsche Namenkunde):10 Namen für lebende oder als lebend gedachte Wesen
Namen für Sachen
Namen für Einrichtungen
Namen für Handlungen
Namen für Gedankliches
Name für Musikalisches
Hans Walther (Zu den gesellschafts-
Wissenschaftlichen Grundpositionen
der Namenforschung):11 Personen-und Personengruppennamen
geographische und topographische Namen
Institutionsnamen
Erzeugnis und Erzeugnistypennamen
Namen von literarischen Werken, Zeitungen, Zeitschriften und
Werken der bildenden Kunst
Ereignisnamen
Andrea Brendler und Silvio Brendler (Namenarten und ihre Erforschung):12
Namen von Himmelskörpern Warennamen
Berg- und Gebirgsnamen Institutionsnamen
Talnamen Naturereignisnamen
Gewässernamen Namen politischer Ereignisse
Flurnamen Personennamen
Siedlungsnamen Familiennamen
Hofnamen Stammes- und Völkernamen
Wehrbautennamen Tiernamen
Hausnamen Pflanzennamen
Namen von Verkehrswegen und Plätze Zeitnamen
Kunstwerknamen
Siedlungsnamen sind also, wie oben beschrieben wurde, immer Eigennamen, die sich zu einem von Menschen besiedelten Ort beziehen. Im Fall eines nicht mehr bewohnten Ortes, spricht man von der sog. Wüstung, deren Name jedoch immer als ein Siedlungsname zu verstehen bleibt (man spricht dann über die sog. Wüstungsnamen). Auch Flurnamen, die eine ehemalige Siedlung bezeichnen, aber zum heutigen Zeitpunkt unbewohnt sind, können als Siedlungsnamen gelten. Mit anderen Eigennamen, die einen bestimmten geographischen Ort bezeichnen, fallen die Siedlungsnamen unter die Ortsnamen (im weiteren Sinn), Toponymen.
Je nach dem Klassifikationsmerkmal lassen sich die Toponymen wieder in verschiedenen Klassen einzuteilen:
Einteilung von Toponymen13
(nach Greule):
-
Oikonyme (Siedlungsnamen, das geographische Objekt ist besiedelt/bewohnt)
-
Flurnamen (das geographische Objekt ist nicht besiedelt/unbewohnt)
-
Hydronyme (Gewässernamen)
-
Landschafts- und Raumnamen
-
Wege- und Straßennamen
(nach N. V. Podolskaja in Slovar russkoj
onomastičeskoj terminologii):14
-
Oronyme (Namen von Objekten des Reliefs)
-
Choronyme (Namen von Gebieten)
-
Agronyme (Namen von landwirtschaftlich genutzten Landstücken)
-
Hydronyme (Namen von Gewässern)
-
Ekklesionyme (Namen von Klöstern und Kirchen)
-
Oikonyme (Namen von Siedlungen)
-
Dromonyme (Namen von Wegen)
-
Nekronyme (Namen von Friedhöfen)
Auch die Siedlungsnamen kann man dann nach unterschiedlichen Kriterien weiter in andere Subklassen einteilen:
Einteilung von Siedlungsnamen nach ihren Größe (Greule)15 -
Mehrzahl von Siedlungen (Städte, Dörfer, Weiler)
-
Einzahl von Siedlungen (Höfe, Häuser, Burgen, Schlösser, gewerbliche Einrichtungen)
-
Sakrale Siedlungen oder Einrichtungen (Klöster, Kirchen, Kapellen, Einsiedeleien, Kultstätten)
Jeden Siedlungsnamen kann man nach seiner morphologischen Struktur zerlegen. Er kann aus einem einfachen Wort gebildet werden, Simplex (Köln, vom lateinischen Colonia, „Kolonie“), weiter als eine Ableitung, Derivat (Dresden, vom slawischen Appellativum „drezga“, „Wald“ mit Suffix „-jane“) oder Zusammensetzung, Kompositum (Hamburg, wahrscheinlich vom germanischen Appellativum „ham-“, „Winkel, Bucht“ und „-burg“, also „eine an einer Flussbiegung liegende Burg/Stadt“). Im Fall der Zusammensetzungen unterscheidet man zwischen den echten, bzw. eigentlichen Zusammensetzungen, Kompositen ohne Flexionsendung in der Kompositionsfuge und den unechten, bzw. uneigentlichen Zusammensetzungen, Komposita ohne Flexionsendung in der Kompositionsfuge (Michaelnbach, ursprünglich aus „ze dem michelen pache“, „beim großen Bach“). Bei Komposita mit einem Substantiv als Basis ist es i.d.R. so, dass Appellativa echte und Eigennamen unechte Zusammensetzungen bilden. Andere übliche Erscheinung ist die Hinzufügung von verschiedenen unterscheidenden Zusätzen (Böhmisch Budweis).16
Wortbildung der meist vorkommenden Siedlungsnamen
Es können folgende Wortbildungsformen und entsprechende Elemente unterschieden werden: 17
-
Simplizia
-
Siedlungsnamen mit unterscheidenden Zusätzen
-
Unechte Komposita
-
Echte Komposita: a) Bestimmungswörter: a) Personennamen: a) männlich
b) weiblich
b) Appellative, Adjektive
b) Grundwörter
5.) Derivate: a) Basen
b) Suffixe
Bei den Siedlungsnamen gibt es auch manche Formen, die sich durch ihre Wortbildung von den meisten anderen abheben. Es geht um die sog. Zusammenrückungen, ein Prozess, wenn die Siedlungsnamen aus kurzen Sätzen und syntaktischen Gruppen gebildet werden (Hungerwehrdich, Reg.-Bez. Frankfurt an der Oder), weiter Zusammenbildungen, die ein Beispiel gleichzeitiger Komposition und Derivation darstellen (Vierwaldstätter See, nach den vier Waldstätten, Kantonen Uri, Unterwalden, Schwyz und Luzern), Klammerformen, wo ein Teil der zusammengesetzten Wörter ausgeklammert – ausgelassen wird (Salzburg aus Salz(ach)burg) oder die echten und unechten genitivischen Siedlungsnamen. Die echten genitivischen Siedlungsnamen weisen eine genitivische Form eines Personennamens auf (Riedweis – Rodvínov, von dem Personenamen Ruodwin, Gen. Rüedwini, Bez. Neuhaus), die unechten werden durch ein Appellativum gebildet und zwar oft nach dem Muster Appellativ + Deminutivsuffix + Genitivsuffix „-s“ (Hosterschlagles – Hostějeves, Gottschallings – Košťálkov, heute verschwunden, Bez. Neuhaus).18
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