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3.2.2 Politische Ereignisse der Zeit auf Landkarten
In diesem Kapitel werden die Karten der fünf aufgenommenen Sammelatlanten
mit politischen
Ereignissen der Zeit in Verbindung gebracht. Da die Auswertung des gesamten Kartenmaterials
in Bezug auf die zeitgenössische Ereignisgeschichte den Rahmen des Möglichen in einer
Diplomarbeit gesprengt hätte, und da der Schwerpunkt auf der Produktion und der Benutzung
von Landkarten liegt, werden einzelne Karten und Ereignisse herausgegriffen.
Dass dabei Lücken
bleiben, wurde in Kauf genommen. Dennoch gibt das ausgewählte Material ein Bild davon, dass
Landkarten als Spiegel der Zeit eine wertvolle Quelle für Historikerinnen und Historiker
darstellen.
„Die Bedeutung von alten Karten beruht nicht nur darauf, dass sie den geographischen
Kenntnisstand oder räumliche Sachverhalte vergangener Jahrhunderte dokumentieren, sie sind
selbst in Inhalt, Gestaltung und technischer Ausführung aussagekräftige Zeugnisse ihrer
Entstehungszeit.“
122
In den fünf Atlanten aus dem Schottenstift befinden sich Kriegstheater und Festungspläne, die
das Interesse der Abtei an den aktuellen Konflikten und Ereignissen dokumentieren.
123
Im Polnischen Thronfolgekrieg von 1733 bis 1735 kämpfte die kaiserliche Armee gemeinsam mit
Russland gegen Frankreich, Spanien und Sardinien. Nach dem Tod
des polnischen Königs und
Kurfürsts von Sachsen, August II., 1733 unterstützte Frankreichs Ludwig XV. seinen
Schwiegervater Stanislaus Lesczyński in der Thronfolge, während die Habsburger,
Russland und
Preußen lieber August III. von Sachsen auf dem Thron gesehen hätten, da dieser mit einer
Habsburgerin verheiratet war. Lesczyński gewann die Wahl, die in der Folge von der
antifranzösischen Allianz nicht anerkannt wurde. Die Russen griffen Polen an und ein zweiter
Wahldurchgang fand statt. Frankreich reagierte – jedoch nicht mit einer militärischen
Unterstützung Polens, sondern mit einem Angriff auf die Habsburger. 1735
kam es zum
Vorfriedensschluss, dem sog.
Wiener Frieden, der neue Gebietsaufteilungen zwischen den
Mächten zur Folge hatte. August III. wurde als König bestätigt, allerdings behielt Lesczyński den
polnischen Königstitel und bekam die Gebiete Bar und Lothringen zugesprochen. Karl VI.
122
Kozica, Ritter, Zeit- und Verlagsgeschichte, 3.
123
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-24a, Plan de l'action de maxen (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-25a, Plan de la Bataille de süptitz ou de torgau (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-51a, Plan de La Bataille De Lignitz ou de Panten (s.l., s.a.).
Dörflinger, Landkarten und Atlanten, 67.
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musste Neapel und Sizilien an Spanien abgeben, erhielt dafür aber Piacenza und Parma.
124
Im
Rahmen dieses Konflikts wurden zahlreiche Karten der Kriegsschauplätze
in Oberitalien und am
Rhein gedruckt. Dieser Konflikt könnte der Anlass für die 1735 bei den Homännischen Erben
erschienene zweiblättrige Karte „Cursus Fluminis Padi vel Po“ gewesen sein, die in Sammelatlas
4 mit der Signatur 108.9 enthalten ist.
125
1737 bis 1739 startete Karl VI. einen Krieg gegen das Osmanische Reich, was die Produktion
von Landkarten steigen ließ, die Osteuropa zum Thema hatten.
126
Nach dem Tod Karl VI. 1740, dem Maria Theresia in der Regierung der habsburgischen Länder
nachfolgte, stellte Friedrich II. Erbansprüche auf Schlesien und besetzte das Gebiet. Auch
Bayern, das die Pragmatische
Sanktion nicht anerkannt hatte, wollte das Gesamterbe Karl VI.
antreten. Bescheidener trat Sachsen auf, das sich mit der böhmischen Kurwürde zufrieden
gegeben hätte.
127
Gemeinsam mit England bildeten die Truppen der Habsburger die
„Pragmatische Armee“. 1741 drangen französisch-bayrische Truppen nach Oberösterreich vor,
die aber zurückgedrängt werden konnten. 1743 kapitulierte Prag
und Maria Theresia wurde
Königin von Böhmen. Im selben Jahr wurden die Franzosen aus dem deutschen Gebiet verdrängt.
1745 wurde der Verlust Schlesiens im Frieden von Dresden festgelegt. Diese Kriegsereignisse
wurden natürlich in der zeitgenössischen Kartographie aufgenommen.
128
Der Konflikt um Schlesien war mit Sicherheit der Grund für die Publikation der Karte „Silesia
Ducatus tam Superior quam Inferior” aus dem Verlag Matthäus Seutter in der Zeit zwischen 1731
und 1758, die in Sammelatlas 1 mit der Signatur 99.a.1. enthalten ist.
129
Im Titel der von den Homännischen Erben 1749 herausgebrachten Karte “Ducatus Silesia Tabula
geographica generalis, statui hodierno, ei nempe qui post pacem Dresdensem locum obtinet,
adapta” wird der Frieden von Dresden ausdrücklich erwähnt.
130
Weitere
Karten aus den fünf
124
Karl
Vocelka, Geschichte der Neuzeit. 1500-1918 (Wien-Köln-Weimar 2010) 469f. Der Vertrag wurde
schließlich 1738 unterzeichnet. Im Rahmen dieses Friedensschlusses erkannte Frankreich die Pragmatische Sanktion
an, in der die Unteilbarkeit der habsburgischen Erbländer geschrieben steht.
125
Schottenstift, 108.9-36 + 108.9-39, Cursus Fluminis Padi vel Po (Nürnberg 1735). Sammelatlas 4 ist nach
Regionen geordnet – die Karte befindet sich im Kapitel Italia. Die Ordnung der Karten sowie die Kennzeichnung der
einzelnen Kapitel durch Register legen nahe, dass dieser Atlas zum Nachschlagen gedacht war.
126
Beispiele bei:
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 44-47.
127
Vocelka, Neuzeit, 470.
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 50.
128
Dörflinger, 18. Jahrhundert, 50-55.
129
Schottenstift, 99.a.1.-48, Silesia Ducatus tam Superior quam Inferior (Augsburg, s.a.). Auch wenn es sich bei den
Karten zum größten Teil um Kopien und Neuauflagen handelt, liegt der Grund für die Neuauflage in der Aktualität
des Konflikts und der damit verbundenen Nachfrage des Publikums.
130
Schottenstift, 99.a.1.-49, Tobias
Mayer, Ducatus Silesia Tabula (Nürnberg 1749).