38
Sammelatlanten
des Schottenstifts, die mit dem Konflikt um Schlesien in Verbindung stehen,
sind unter den Signaturen 99.a.1.-50, 99.a.1.-50a, 99.a.1.-51, 99.a.1.-51a zu finden (siehe Kapitel
6. Kataloge). Bei der Karte 99.a.1.-50a handelt es sich um eine Umgebungskarte der Stadt Nysa,
wo Friedrich II. eine Festung erbauen ließ. Die Karte 99.a.1.-51a stellt eine Schlachtenkarte der
Schlacht von Liegnitz im August 1760 dar. Bei dieser Karte ist keine Angabe von Verleger oder
Erscheinungsort vermerkt. Der Name des Kupferstechers Ramis und
die durchwegs französische
Sprache der Karte lassen Paris als Erscheinungsort der Karte durchaus in Frage kommen. Da am
Kartenrand die Anmerkung
Planche
131
zu finden ist, liegt die Vermutung nahe, dass diese Karte,
ebenso wie die restlichen enthaltenen Schlachtenkarten und Schlachtordnungspläne ohne Angabe
von
Verlag und Erscheinungsort
132
, aus einem Buch entnommen wurde.
133
Informationen über
den Konflikt um Schlesien zu bekommen, muss in diesem Fall als Grund für den Erwerb der
Landkarten gesehen werden.
Die ständigen Grenzveränderungen und die wechselnden Besitzverhältnisse wurden anhand von
Landkarten für das Zielpublikum anschaulich gemacht, was man auch an den Karten der fünf
aufgenommenen Atlanten ablesen kann. Besonders deutlich wird
dieser Informationsbedarf an
Karten von Polen. Rund 20 Jahre nach der ersten von den Nachbarstaaten 1772 erzwungenen
Gebietsabtrennung musste Polen-Litauen weitere Grenzverschiebungen zu seinen Ungunsten in
Kauf nehmen. 1793 kam es nach einer Niederlage gegen Russland zur Zweiten Polnischen
Teilung; 1795 wurde Polen endgültig zwischen Preußen, Russland und Österreich, das
Westgalizien erhielt, aufgeteilt.
134
Direkt mit der Dritten Polnischen Teilung in Verbindung zu
bringen, sind die Karten mit den Signaturen 108.9-82, 99.a.1.-57 und 108.8.-63.
135
Wie
stark und
131
Frz. Tafel, Brett.
132
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-51a, Plan de La Bataille De Lignitz (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-24a, Plan de l'action de maxen (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-25a, Plan de la Bataille de süptitz (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-32a, Plan de la Bataille de prague (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-60a, Carte du cours du Dniester (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-72a, Ordre Oblique par le Centre (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-72b, Attaque par les Ailes en ordre perpendiculaire (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-73a, [Schlachtordnungsplan] (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-73b, Marche de flanc (s.l., s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 2, 99.a.15-32, Divers changemens de front (s.l., s.a.).
133
Kraack, Flensburg, 21. Kraack sieht vor allem im kleineren Format der Karten einen Hinweis auf die Entnahme
aus einem Buch.
134
Kozica, Ritter,
Zeit- und Verlagsgeschichte, 5-7.
135
Schottenstift, Sammelatlas 4, 108.9-82, Polen Unter Oesterreich Russland und Preussen getheilt (Wien, s.a.).
Schottenstift, Sammelatlas 1, 99.a.1.-57, Mappa Geographica Regni Poloniae (Nürnberg 1773).
39
schnell die Kartenverlage auf die Grenzverschiebungen reagierten, zeigt die Karte “Polen nach
seiner ersten, und lezten, oder gaenzlichen Theilung“, die 1796 bei
Johannes Walch in Augsburg
erschienen ist. Die Karten von Johannes Walch wiesen für Zeitgenossen einen hohen
Informationswert auf, da sie regelmäßig aktualisiert wurden, was nicht bei allen publizierten
Karten der Zeit der Fall war. Verleger mussten die richtige Balance zwischen inhaltlicher
Aktualität sowie Qualität und Wirtschaftlichkeit der Kartenproduktion halten,
um weder ihren
Ruf zu verlieren, noch das Unternehmen in den Bankrott zu führen. Walch reagierte erfolgreich
auf Grenzveränderungen und passte Titel, Inhalt und Legenden der Karten umgehend an neue
Situationen an.
136
Kazimierz Kozica und Michael Ritter konnten für Walchs Karte von Polen in
der Zeit von 1793 bis 1830 genau 13 Plattenzustände nachweisen.
137
Auf
der Karte ist die Dritte
Polnische Teilung
„fälschlich als zweite [sic!] od. lezte Theilung Polens im Iahr 1796“
138
genannt.
Regionale Schwerpunkte der österreichischen Privatkartographie fasst Johannes Dörflinger in
seiner Publikation „Österreichische Karten des frühen 19. Jahrhunderts“ anschaulich zusammen.
„Regionale Schwerpunktbildungen in einzelnen Zeitabschnitten sind in der Regel eng mit aktuellen
politischen Ereignisse, insbesondere mit kriegerischen Auseinandersetzungen verknüpft: Zunächst
wirkte sich der Österreichisch-Russisch-Türkische Krieg (1787/1788-1791) sehr stark auf die
österreichische Kartenproduktion aus. Unmittelbar daran anschließend ließ dann der 1.
Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich (1792-1797) zahlreiche Karten der militärischen
Operationsgebiete von Flandern bis Oberitalien auf den Markt gelangen. Daneben lenkten die
Vorgänge in Polen vor der endgültigen Aufteilung des Staates und die 3. Polnische Teilung selbst
(1795) das Interesse des Kartenverlegers und des Käufers kurzfristig auf diesen Raum. Der 2.
Koalitionskrieg (1799-1801) sowie die folgenden Kriege der Napoleonischen Zeit hingegen fanden
ihren Niederschlag zum Teil weniger in völlig neugestochenen Karten als in mehr oder weniger
gründlichen Umarbeitungen und Montagen vorhandener Kupferplatten („versteckte“ Neuauflagen);
ähnliches gilt auch für die zahlreichen, rasch aufeinanderfolgenden territorialen Veränderungen der
Zeit (vor allem in Mitteleuropa), da kein kommerzielles Unternehmen in der Lage war, allen
Grenzverschiebungen sowie Gründungen, Umbenennungen und Auslöschungen politischer und
administrativer Einheiten jeweils durch teure Neuanfertigungen von Karten Rechnung zu tragen –
man begnügte sich eben häufig mit (zum Teil notdürftigen) Korrekturen des Kartentitels und des
politischen Inhalts oder stellte die gerade aktuellen Territorialverhältnisse überhaupt nur mittels des
mit der Hand ausgeführten Grenzkolorits dar.“
139
Schottenstift, Sammelatlas 3, 108.8.-63, Polen nach seiner ersten, und lezten, oder gaenzlichen Theilung (Augsburg
1796).
Kozica, Ritter, Zeit- und Verlagsgeschichte, 7.
136
Kozica, Ritter, Zeit- und Verlagsgeschichte, 4-5.
Heinz, Zweck und Verwendung, 162. Heinz, „allerneueste
Landkarten“, 78-87.
137
Die im Schottenstift vorhandene Karte stammt nach Kozica und Ritter von der Kupferplatte im Zustand 3 bzw. 4
aus dem Jahr 1796.
Schottenstift, Sammelatlas 3, 108.8.-63, Polen nach seiner ersten, und lezten, oder gaenzlichen Theilung (Augsburg
1796).
138
Kozica, Ritter, Zeit- und Verlagsgeschichte, 7.
139
Dörflinger, 19. Jahrhundert, 791.