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4.1.4.
Kompromiss
Kompromiss stellt eine bereits ziemlich reife und fortgeschrittene Form der Konflikt-
bearbeitung dar. Hier geht es darum, dass die Beteiligten in etwa im gleichen Ausmaß
ihre Einzelinteressen „zurückstecken“ und so zu einer für beide annehmbaren Ent-
scheidung finden. Diese Entscheidung sollte von beiden gleichermaßen akzeptiert
werden. Kompromisse, oft auch als „Minimalkonsens“ bezeichnet, stellen bereits eine
gute Basis für kooperatives Handeln dar. Allerdings bleibt auch diese Form der Kon-
fliktbearbeitung noch in den jeweiligen Einzelinteressen verhaftet, von denen eben
freiwillig „Abstriche“ gemacht werden. Zu einem neuen „allgemeinen Interesse“ wird
dadurch nicht vorgedrungen. Zusätzlich besteht beim Kompromiss ähnlich wie beim
Kampf die Gefahr, dass es einen Sieger und einen Besiegten gibt. Die Abstriche des
einen müssen nicht so groß sein wie die des anderen, und damit ist latent wiederum
Unzufriedenheit angelegt.
4.1.5.
Konsens
Konsens ist die reifste Form der Konfliktbearbeitung. Nur bei Erreichen eines Konsens
kann von echter Konfliktlösung gesprochen werden. Konsensfindung bedeutet einen
dialektischen Prozess, in dessen Verlauf sich die KonfliktpartnerInnen mit den
Interessen des/r anderen echt identifizieren und durch einen oft langwierigen Konsens
zu einer Lösung auf einer neuen Stufe finden. Auf dieser neuen Stufe sind sowohl die
Interessen des/r einen wie auch des/r anderen maximal enthalten. Als „potentielle/r
Andere/r“ erkennt man die Beschränktheit des Eigeninteresses und findet so eine
Lösung, bei der die Interessen ineinander verschmelzen und beide zur effektiven
Lösung des Problems wirksam einen Beitrag leisten.
Der Nachteil dieser Strategie ist, dass sie einen oft langwierigen Prozess
voraussetzt, der nie ganz abgeschlossen sein wird. Weiters erfordert sie hohe
menschliche Reife, d.h. die Fähigkeit zum Umgang mit irrationalen Ängsten, Zwängen,
Abhängigkeiten und nicht zuletzt mit Herrschaft. Echter Konsens verlangt weitest
gehendst den Abbau von Herrschaftsbeziehungen und wird so auch nur schwer
erreichbar sein. Konsensuelle Konfliktlösung ist freilich die optimale Voraussetzung für
eine gelungen Zusammenarbeit, da jeder einzelne voll motiviert an der Bearbeitung
der jeweiligen Aufgabe bzw. an der Erreichung des gemeinsamen Zieles arbeiten
wird.
4.2. Vor-
und
Nachteile der fünf
Konfliktlösungsarten
•
Flucht
Vorteile:
rasch, einfach, schmerzlos, kein Verlierer
Nachteile:
keine Lösung, unbefriedigend, konfliktverschärfend, keine
Weiterentwicklung, kommt immer wieder, hinterlässt Depressionen
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•
Kampf
• Vernichtung
Vorteile:
Dauerlösung, einmalig, gründlich, Auslese, sauber, unkompliziert,
geistig anspruchslos, wenigstens einer überlebt
Nachteile:
inhuman, verbreitet Schrecken, nicht korrigierbar, nur einer
überlebt, auch miese Auslese, Weiterentwicklung gefährdet
• Unterwerfung
Vorteile:
Umkehrbarkeit, längerfristige Auseinandersetzung, relativ schnell,
Überleben, Sicherheit, klar wiederholbar, Unterworfener weiter
verwendbar, Besserer setzt sich durch, Auslese,
entwicklungsfähig, klare Verantwortung, neue Konflikte,
Arbeitsteiligkeit, Hierarchie
Nachteile: Umkehrbarkeit, oft nicht beste Lösung, ewiges Elend, willenlos,
nicht regierbar, riskant, nur einer setzt sich durch, Unbeständigkeit,
starre Rollenverteilung, neue Konflikte, Abhängigkeit, starre
Heiligkeit (konservative Verhärtung)
•
Delegation
Vorteile:
gemeinsame Rechtsverbindlichkeit, Objektivität, Sachlichkeit,
Kompetenz, endgültig, Sicherheit, Risikovermeidung, unparteiisch,
Sieg/Niederlage überwunden, neutral
Nachteile:
keine Identifikation mit Ergebnis möglich, Beteiligte werden
inkompetent, dauert lang, revidierbar, Parteien desinteressiert
•
Kompromiss
Vorteile:
Teileinigung, Prestigebewahrung, Teilverantwortung der Betroffenen
Nachteile: Teilzufriedenheit
Aus der schematischen Übersicht der Konfliktmodelle zeigt sich, dass wir für die Kon-
fliktaustragung im wahrsten Sinne des Wortes zahlreiche Schlepper vorfinden. Das
Kampfmodell ist geeignet, die Spannungen zu steigern und über Machtverhältnisse
Handlungsimpulse zu setzen, die sonst dem Kampfgetümmel zum Opfer fallen
würden.
Organisationen sind durch ihre Entscheidungsebenen so konzipiert, dass einzelne
Verantwortliche (An-)Weisungsbefugnisse haben, die eine zerstrittene Abteilung
wieder zu der Organisation dienlichen Handlungen zwingt. Das Fluchtmodell wird in
der bewussten Handhabung verbissenen Streitparteien oder stagnierten Wiederho-
lungsermüdern erlauben, einen neuen Zeitpunkt für die Konfliktaustragung zu setzen.
Zweifellos geht es bei den drei Modellen um die bewusste, auch wertschätzende An-
wendung und Vermittlung, neue Wege zur Befriedigung oder für neue Entwicklungen
aufzutun.