Männer haben's schwer, nehmens leicht,
außen hart und innen ganz weich.
Sind als Kind schon auf Mann geeicht.
Doch wann ist ein Mann ein Mann?
Männer haben Muskel,
Männer sind furchtbar stark,
Männer können alles,
Männer kriegen Herzinfarkt.
Männer sind einsame Streiter,
müssen durch jede Wand, müssen immer weiter.
Männer haben's schwer, nehmens leicht,
außen hart und innen ganz weich.
Sind als Kind schon auf Mann geeicht.
Doch wann ist ein Mann ein Mann?
Männer führen Kriege,
Männer sind schon als Baby blau.
Männer rauchen Pfeife,
Männer sind furchtbar schlau.
Männer bauen Raketen,
Männer machen alles ganz ganz genau.
Männer kriegen keine Kinder,
Männer kriegen dünnes Haar.
Männer sind auch Menschen,
Männer sind einfach wunderbar!
Männer haben's schwer, nehmens leicht,
außen hart und innen ganz weich.
Sind als Kind schon auf Mann geeicht.
Doch wann ist ein Mann ein Mann?
Wann ist ein Mann ein Mann?
Herbert Grönemeyer
Marie A.
An jenem Tag, im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum,
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah.
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei.
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: ich kann mich nicht erinnern.
Und doch gewiss, ich weiß schon was du meinst.
Doch ihr Gesicht, ich weiß es wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: ich küsste es dereinst.
Und auch den Kuß, ich hätt ihn längst vergessen,
Wenn nicht die Wolke dagewesen wäre
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind.
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
Bertold Brecht 1898 – 1956
Marmor, Stein und Eisen bricht
1. Weine nicht wenn der Regen fällt,
dam dam, dam dam,
es gibt einen der zu Dir hält,
dam dam, dam dam!
Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber unsere Liebe nicht!
Alles, alles geht vorbei,
doch wir sind uns treu!
2. Kann ich einmal nicht bei Dir sein,
dam dam, dam dam,
denk daran Du bist nicht allein,
dam dam, dam dam!
Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber unsere Liebe nicht!
Alles, alles geht vorbei,
doch wir sind uns treu!
3. Nimm den goldenen Ring von mir,
dam dam, dam dam,
bist Du traurig, dann sagt er Dir,
dam dam, dam dam!
Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht!
Alles, alles geht vorbei,
doch wir sind uns treu!
Maskenball im Hochgebirge
Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt,
und sie rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.
Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge..
So etwas sah er zum erstenmal.
Manche Frauen trugen nichts als Flitter.
Andere Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.
Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.
Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.
Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.
Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andere Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.
Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,y
(Erich Kästner)
Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs
Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut
hat, heute noch son dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut
Darüber, daß son abgefuckter Kacker
Mich mittels seiner Wichsereien blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.
Robert Gernhardt, 1937 - .....
Meer des Irrtums
O glücklich, wer noch hoffen kann,
aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen.
Was man nicht weiss, das eben brauchte man,
und was man weiss, kann man nicht brauchen!
Faust, Goethe
Meine Göttin
Welcher Unsterblichen
soll der höchste Preis sein?
Mit niemand streit ich,
aber ich geb ihn
der ewig beweglichen,
immer neuen
seltsamsten Tochter Jovis,
seinem Schoßkinde,
der Phantasie.
Denn ihr hat er
alle Launen,
die er sonst nur allein
sich vorbehält,
zugestanden
und hat seine Freude
an der Törin.
Sie mag rosenbekränzt
mit dem Lilienstengel
Blumentäler betreten,
Sommervögeln gebieten
und leichtnährenden Tau
mit Bienenlippen
von Blüten saugen;
oder sie mag
mit fliegendem Haar
und düsterm Blicke
Im Winde sausen
Um Felsenwände,
Und tausendfarbig
Wie Morgen und Abend,
immer wechselnd,
wie Mondesblicke
den Sterblichen scheinen.
Laßt uns alle
den Vater preisen!
Den alten, hohen
der solch eine schöne
unverwelkliche Gattin
dem sterblichen Menschen
gesellen möge!
Denn uns allein
hat er sie verbunden
mit Himmelsband
und ihr geboten,
in Freud und Elend
als treue Gattin
nicht zu entweichen.
Alle die andern
armen Geschlechter
der kinderreichen,
lebendigen Erde
wandeln und weiden
in dunkelm Genuß
und trüben Schmerzen
des augenblicklichen
beschränkten Lebens,
gebeugt vom Joche
der Notdurft.
Uns aber hat er
Seine gewandteste,
verzärtelste Tochter,
Freut euch! gegönnt.
Begegnet ihr lieblich,
wie einer Geliebten!
Laßt ihr die Würde
der Frauen im Haus!
Und daß die alte
Schwiegermutter Weisheit
das zarte Seelchen
ja nicht beleidige!
Doch kenn ich ihre Schwester,
die ältere, gesetztere,
meine stille Freundin:
O daß die erst
Mit dem Lichte des Lebens
Sich von mir wende,
die edle Treiberin,
Trösterin Hoffnung!
1780
J.W.v.Goethe, 1749-1832
Merseburger Zauberspruch (zweiter)
Phol und Wuodan fuhren zi holza.
Du wart demo Balderes volon sin vuoz birenkit.
Thu biguol en Singunt, Sunna era swister,
thu biguol en Friia, Volla era swister;
thu biguol en Wuodan, so he wola conda;
sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki:
ben zu bena, bluot zu bluoda,
lid zi geliden, sose gelimida sin.
Mich zu stillen
An der sonngewohnten Straße, in dem
hohlen, halben Baumstamm, der seit lange
Trog ward, eine Oberfläche Wasser
in sich leis erneuernd, still' ich meinen
Durst: des Wassers Heiterkeit und Herkunft
in mich nehmend durch die Handgelenke.
Trinken schiene mir zu viel, zu deutlich;
aber diese wartende Gebärde
holt mir helles Wasser ins Bewußtsein.
Also, kämst du, braucht ich, mich zu stillen,
nur ein leichtes Anruhn meiner Hände,
sei's an deiner Schulter junge Rundung,
sei es an den Andrang deiner Brüste.
Rainer Maria Rilke
Mignon
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?
Kennst du es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!
Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach.
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?-
Kennst du es wohl?
Dahin, dahin
Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn!
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg.
In Hoehlen wohnt der Drachen alte Brut.
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.
Kennst du ihn wohl?
Dahin, dahin
Geht unser Weg.
O Vater, lass uns ziehn!
Goethe
Mit der Uhr in der Hand
Wir leben in 'ner eiligen, hastigen Zeit
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
der eine, der schiebt heut den andern beiseite
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Wir drängen alle vorwärts, ob Hinz oder Kunz,
sind stets außer uns, und wir kommen nie zu uns,
denn wir werden mit uns ja nur flüchtig bekannt
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Der Tag beginnt schon in eiligem Lauf
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
der Wecker, der weckt uns, wir stehen schon auf
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Schnell ziehen wir uns an, und wir schlingen unseren Schmaus,
der ist noch nicht runter, da treten wir aus
und sitzen selbst dort an der hinteren Wand
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Wir turnen, wir trainieren, zum Masseur gehen wir hin
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
mal sind wir zu dick, mal sind wir zu dann
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Wir gehn nie, sind auf dem laufenden stets,
wenn wir mal wen treffen, dann fragen wir: Wie gehts?
Und eh der es uns sagt, sind wir weitergerannt
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Wir fahren in die Ferien und sitzen am Strand,
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
erwarten die Post, den geschäftlichen Stand
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Ein Buch mal zu lesen, das wär ein Genuß -
wir lesen den Anfang und schauen nach dem Schluß,
durchblättern den Goethe, durchfliegen den Kant
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Wir machen ne Reise im Automobil
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
wir reisen nicht mehr, wir rasen zum Ziel,
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Fragt man uns: Die Gegend, die war wohl sehr schön
Dann sagen wir ja und wir haben nichts gesehen,
denn wir fuhren bloß vorbei ohne Sinn und Verstand
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Die Liebe, die Ehe betreiben wir als Sport
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
wir finden uns, verbinden uns und - pflanzen uns fort
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Will sie ihn mal küssen, dann stellt er sich froh -
und denkt sich: Nun mach schon, ich muß ins Büro -
Und er drückt sie ans Herz und küßt sie galant
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
So eilen wir durchs leben ohne Freud und Pläsier,
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand,
da, plötzlich steht einer, ist mächtiger als wir,
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Der sagt: Du brauchst nicht auf die Uhr mehr zu sehn,
denn meine geht weiter und deine bleibt stehen
und er winkt uns hinüber ins andere Land
mit der Uhr in der Hand, mit der Uhr in der Hand.
Otto Reutter 1928
Mit vierzig
Mit vierzig ist der Berg erstiegen,
wir stehen still und schaun zurück,
dort sehen wir der Kindheit stilles liegen
und dort der Jugend lautes Glück.
Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
erhebe deinen Wanderstab!
Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter,
und hier nicht, drüben geht's hinab.
Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen,
die Ebne zieht von selbst dich fort;
dann wird sie sich mit dir unmerklich neigen
und eh' du's siehst, bist du im Port.
Friedrich Rückert 1788 - 1866
Mondnacht
Es war als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.
Eichendorff
Morgens und abends zu lesen
Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht.
Darum gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte.
Brecht
Morning Has Broken
Morning has broken like the first morning.
Blackbird has spoken like the first bird.
Praise for the singing, Praise for the morning,
Praise for them springing fresh from the Word.
Sweet the rains new fall, sunlit from heaven,
Like the first dew fall on the first grass.
Praise for the sweetness of the wet garden,
Sprung in completeness where His feet pass.
Mine is the sunlight, mine is the morning,
Born of the One Light Eden saw play.
Praise with elation, Praise every morning,
God's recreation of the new day.
Bob Dylan
Nach Norden
Palmström ist nervšs geworden;
darum schläft er jetzt nach Norden.
Denn nach Osten, Westen, Süden
schlafen, heißt das Herz ermüden.
(Wenn man nämlich in Europen
lebt, nicht südlich in den Tropen.)
Solches steht bei zwei Gelehrten,
die auch Dickens schon bekehrten -
und erklärt sich aus dem steten
Magnetismus des Planeten.
Palmström also heilt sich örtlich,
nimmt sein Bett und stellt es nördlich.
Und im Traum, in einigen Fällen
Hört er den Polarfuchs bellen
Morgenstern
Nachtexpress nach St. Tropez, ohoho,
Bring mich schnell nach St. Tropez, jajaja.
Denn wenn ich am Fenster steh,
Im Nachtexpress nach St. Tropez, jajaja.
Träum ich vom weißen Sand,
wo die Liebe, die große Liebe ich fand.
Holiday in St. Tropez, ohoho,
Machen wir in St. Tropez, jajaja.
Und den Twist in St. Tropez,
Tanzen wir in St. Tropez, jajaja.
In zwei Stunden komm ich an,
Wo die Liebe, die große Liebe begann.
Ich bin kein reicher Mann,
Ich bin kein Alipan.
Doch schaut sie mich nur an,
Fühl ich wie ein König mich, ohohoho.
Nachtexpress nach St. Tropez, ohohoho, ...
Ich bin kein reicher Mann, ...
Nachtexpress nach St. Tropez, ohohoho, ...
Wo die Liebe, die große Liebe ich fand,
Wo die Liebe, die große Liebe ich fand.
Ne dites pas
Ne dites pas: la vie est un joyeux festin;
ou c'est d'un esprit sot ou c'est d'une âme basse.
sourtout ne dites point: elle est malheur sans fin;
c'est d'un mauvaois courage et qui trop tôt se lasse.
Riez comme au printemps s'agitent les rameaux,
pleurez comme la bise ou le flot sur la grève,
goûtez tous les plaisirs et souffrez tous le maux;
et dites: c'est beaucoup et c'est l'ombre d'un rêve.
(Jean Moréas 1856-1910)
Ne dites pas
Sag nicht...
Ne dites pas: la vie est un joyeux festin;
Sag nicht: das Leben ist ein heitres Fest;
ou c'est d'un esprit sot ou c'est d'une âme basse.
So spräche niedre Seele, enger Geist,
sourtout ne dites point: elle est malheur sans fin;
Vor allem schilt's nicht Unglück ohne Rest
c'est d'un mauvaois courage et qui trop tôt se lasse.
Was mindern Mut, der nachgibt, nur erweist.
Riez comme au printemps s'agitent les rameaux,
Lach, wie die Zweige schwanken, lenzbereit,
pleurez comme la bise ou le flot sur la grève,
Wein, wie der Wind, die Flut am Meeressaum,
goûtez tous les plaisirs et souffrez tous le maux;
Kost' alle Freuden, gib dich hin dem Leid,
et dites: c'est beaucoup et c'est l'ombre d'un rêve.
Und sag: Viel ist's - und nur flüchtiger Traum.
Nebel am Wattenmeer
Nebel, stiller Nebel über Meer und Land.
Totenstill die Watten, totenstill der Strand.
Trauer, leise Trauer deckt die Erde zu.
Seele, liebe Seele, schweig und träum auch du.
(Christian Morgenstern)
Nehm'n Sie nen Alten
Die Statistik zeigts dem Kenner:
s gibt mehr Frauen als wie Männer.
Drum rat ich allen Fraun
sich beizeiten umzuschaun,
aber, bitte, sich begnügen!
s kann nicht jede n Schönsten kriegen.
Schaun Sie nicht zu wählerisch
nur nach dem, der jung und frisch:
nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
Habn Se den etwas aufgefrischt,
ist er besser oft wie n Junger -
und stets besser als wie nischt!
Ist der Alte kein Adonis,
wenns man bloß ne Mannsperson is.
Zierte ihn auch Schönheit nie,
umsomehr schaut man auf Sie!
Hat er auch vielleicht ne Glatze,
einer kriegt se, einer hat se -
oder hat er n Doppelkinn,
gut, dann greift man doppelt hin.
Nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
Hat er auch schon einge Falten,
die sind bloß am Kopf zu sehn -
wo anders ists vielleicht sehr schön.
Nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
Ist der auch schon dick und breit,
n Jungen müssen Sie erst füttern
und den habn Sie schon so weit.
n Junger küßt zwar heiß und mächtig,
doch n Alter küßt bedächtig,
was ihm fehlt an Temprament,
das ersetzt er - durch Talent!
Und wie schön, beim Küsseschenken
braucht sie nicht an Folgen denken;
denn kommt in die Jahre er,
kommt sie nicht in Wochen mehr.
nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
Der versteht gut hauszuhalten.
n Junger küßt voll Unbedacht,
oft zu schnell -drum gebn Sie acht.
nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
der geht wenger aus sich raus,
küßt nicht häufig, aber länger,
dadurch gleicht sichs wieder aus.
n Junger läßt sich schwer bezwingen,
wenn Sie den Pantoffel schwingen.
n Ater wird gern drunter stehn,
um voll Demut aufzusehn.
n Junger kauft sich selber Kleider,
n Alter kauft Ihnen n Kleid beim Schneider.
Wenn Sies anziehn, freuts ihn sehr -
wenn Sies ausziehn, noch viel mehr.
nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
Der läßt schalten Sie und walten
Durch n Kuss wird der schon satt,
denkt dann wunder was er hat.
Kommt dann mal ein Junger her,
gönnt er dem sogar den Braten,
und begnügt sich am Dessert!
Habn Sie n jungen Mann, dann schauen
oft zu dem auch andre Frauen.
Nach nem Alten schaun sie nie -
der bleibt ganz und gar für Sie.
n Junger ist veränderlicher,
aber n Alter der ist sicher,
der küßt nur im eignen Raum -
s langt ja auch für eine kaum.
Nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
der ist froh, wenn Sie n behalten,
der bleibt treu in Ewigkeit,
beinah zu treu, mit der Zeit!
Nehmn Se n Alten, nehmn Se n Alten!
der küßt voller Liebesqual,
denn er denkt bei jedem Kusse:
s ist vielleicht das letzte Mal!
Otto Reutter
Nicht müde werden
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Hilde Domin
Niemals
Wonach du sehnlich ausgeschaut,
es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
jetzt hab ich endlich Frieden!
Ach, Freundchen, rede nicht so wild,
bezähme deine Zunge.
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
kriegt augenblicklich Junge.
W. Busch
Night song
Welcome, red and roundy sun,
Dropping lowly in the west;
Now my hard days work is done,
Im as happy as the best.
Joyful are the toughts of home,
Now Im ready for my chair,
So, til morrow-mornings come
Bill and mittens, lie ye there!
Day long I love the oaks,
But, at nights, our little cot,
Where I see the chimney smokes,
Is by far the prettiest spot.
Wife and children all are there,
To revive with pleasant looks,
Table ready set, and chair,
Supper hanging on the hooks.
Soon as ever I get in,
Where my faggot down I fling,
Little prattlers they begin
Teasing me to talk and sing.
Welcome, red and roundy sun,
Dropping lowly in the west;
Now my hard days work is done,
Im as happy as the best.
From the Wook-cutters Night Song,
by John Clare
No More a Roving
So we'll go no more a roving
So late into the night
Though the heart be still as loving
And the moon be still as bright
For the sword outwears ist sheath
And the soul wears out the breast
And the heart must pause to breathe
And love itself have rest.
Though the night was made for loving
And the day returns to soon,
Yet we go no more a roving
By the light of the moon.
Lord Byron
Nochmals
Du übersiehst dich nicht mehr?
Der Anfang ist vergessen,
die Mitte wie nie besessen
und das Ende kommt schwer.
Was hängen nun die Girlanden,
was strömt nun das Klavier,
was zischen die Jazz und die Banden,
wenn alle Abende landen
so abgebrochen in dir?
Du könntest dich nochmals treiben
mit Rausch und Flammen und Flug,
du könntest - : das heisst, es bleiben
noch einige Töpferscheiben
und etwa Ton im Krug.
Doch du siehst im Ton nur die losen,
die Scherben, den Aschenflug -
ob Wein, ob Öl, ob Rosen
ob Vase, Urne und Krug.
Gottfried Benn 2.5.1886 - 7.7.1956
Now winternights enlarge
The number of their hours
And clouds their storms discharge
Upon the airy towers.
Now let the chimneys blaze
And cups o'erflow with wine,
Let well tuned words amaze
With harmony divine.
T. Campione
O Fortuna velut Luna, statu variabilis
O Fortuna, wie der Mond bist du veränderlich
semper crescis, aut decrescis ständig zunehmend oder abnehmend
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