"Nein! Heut ist mir das Glück erbost!" "Du sattle gut und reite getrost!"



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Also fragen wir beständig,

Bis man uns mit einer Handvoll

Erde endlich stopft die Mäuler -

Aber ist das eine Antwort?


Heinrich Heine 1853

Die Gedanken sind frei


Die Gedanken sind frei!

Wer kann sie erraten?

Sie fliegen vorbei wie naechtliche Schatten.

Kein Mensch kann sie wissen,

kein Jaeger erschiessen

mit Pulver und Blei.

Die Gedanken sind frei!
Ich denke, was ich will und was mich begluecket,

doch alles in der Still und wie es sich schicket.

Mein Wunsch und Begehren

kann niemand verwehren,

es bleibet dabei:

Die Gedanken sind frei!


Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,

das alles sind rein vergebliche Werke,

mit Pulver und Blei.

Die Gedanken sind frei!


Ich liebe den Wein, mein Maedchen vor allen,

sie tut mir allein am besten gefallen.

Ich bin nicht alleine

bei meinem Glas Weine,

mein Maedchen dabei:

Die Gedanken sind frei!


Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen

und will mich auch nimmer mit Grillen mehr plagen.

Man kann ja im Herzen

stets lachen und scherzen

und denken dabei:

Die Gedanken sind frei!!

Die Hoffnung der Welt
1

Ist die Unterdrückung so alt wie das Moos an den Teichen?

Das Moos an den Teichen ist nicht vermeidbar.

Vielleicht ist alles natürlich, was ich sehe, und ich bin krank und will weghaben, was nicht wegzubringen ist?

Ich habe Lieder gelesen der Ägypter, ihrer Leute, die die Pyramiden gebaut haben. Sie beschwerten sich über die Lasten und fragten, wann die Unterdrückung aufhört. Das ist viertausend Jahre her.

Die Unterdrückung ist wohl wie das Moos und unvermeidlich.


2

Wenn ein Kind unter den Wagen kommt, reißt man es auf den Gehsteig. Nicht der Gütige tut das, dem ein Denkmal gesetzt wird. Jeder reißt das Kind vor dem Wagen weg.

Aber hier liegen viele unter dem Wagen, und es gehen viele vorüber und tun nicht dergleichen.

Ist das, weil es so viele sind, die leiden? Soll man ihnen nicht mehr helfen, da es viele sind? Man hilft ihnen weniger.

Auch die Gütigen gehen vorüber und sind hernach ebenso gütig, wie sie waren, bevor sie vorbeigegangen sind.
3.

Je mehr es sind, die leiden, desto natürlicher erscheinen ihre Leiden also. Wer will verhindern, daß die Fische im Meer naß werden?

Und die Leidenden selber teilen diese Härte gegen sich und lassen es an Güte fehlen sich selbst gegenüber.

Es ist furchtbar, da§ der Mensch sich mit dem Bestehenden so leicht abfindet, nicht nur mit fremden Leiden, sondern auch mit seinen eigenen.

Alle, die über die Mißstände nachgedacht haben, lehnen es ab, an das Mitleid der einen mit den anderen zu appellieren. Aber das Mitleid der Unterdrückten mit den Unterdrückten ist unentbehrlich.

Es ist die Hoffnung der Welt.


B.Brecht
Die Internationale
Wacht auf, verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt!

Das Recht wie Glut im Kraterherde nun mit Macht zum Durchbruch dringt.

Reinen Tisch macht mit dem Bedränger! Heer der Sklaven, wache auf!

Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger, alles zu werden, störmt zuhauf.


Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!

Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.


Es rettet uns kein hö´hres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun.

Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!

Leeres Wort: des Armen Rechte! Leeres Wort: des Reichen Pflicht!

Unmündig nennt man uns und Knechte, duldet die Schmach nun länger nicht!


Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!

Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.


In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute, wir sind die stärkste der Partei´n.

Die Müßiggnger schiebt beiseite! Diese Welt wird unser sein;

unser Blut sei nicht mehr der Raben und der nächt´gen Geier Fraß!

Erst wenn wir sie vertrieben haben, dan scheint die Sonn' ohn' Unterlaß


Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!

Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!

Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.

Die Kassenärzte
Es waren zwei Mädchen, weiß wie die Wand

Eine hatte eine verbundene Hand.

Sie gingen hinunter, gradeaus

Die Straße hinab und dann in ein Haus

Mit einem Arztschild, und dabei

Stand ausdrücklich, daß der Arzt praktisch sei.


Da warteten wir mal vor dem Haus

Und bald kamen die Mädchen wieder heraus.


Alles in Ordnung? fragten wir vor dem Tor.

Nein, sagte das eine Mädchen, wir müssen zuvor

Den Krankenschein holen. - Sonst sagt die Blasse

Kriegt der Arzt nicht sein Geld von der Krankenkasse.


Und da seid ihr wieder gegangen? fragten wir drei

und gerieten sogleich in Zorn dabei.

Und einer von uns schrie: Zeig mal her die Hand!

Und riß ihr ab den dünnen Verband.


Sie war nämlich nur mit einem schmutzigen Lappen verbunden.

Da nahm er die Hand und hielt sie nach unten.

Und weil sie wirklich ganz und gar

Von der Zupfmaschine zerrissen war,

Floß ihr ganzes Blut aus ihr heraus

So daß sie starb vor dem Arzt seinem Haus.


Daß die Kassenärzte so etwas machen

Das sind Tatsachen.

Die Leute in den Krankenkassen

Müssen es sich gefallen lassen.

Bertold Brecht

Die Krücken


Sieben Jahre wollt kein Schritt mir glücken.

Als ich zu dem großen Arzte kam

Fragte er: Wozu die Krücken?

Und ich sagte, ich bin lahm.


Sagte er: Das ist kein Wunder.

Sei so freundlich, zu probieren!

Was dich lähmt, ist dieser Plunder.

Geh, fall, kriech auf allen vieren!


Lachend wie ein Ungeheuer

Nahm er mir die schönen Krücken

Brach sie durch auf meinem Rücken

Warf sie lachend in das Feuer.


Nun, ich bin kuriert: ich gehe.

Mich kurierte ein Gelächter.

Nur zuweilen, wenn ich Hölzer sehe

Gehe ich für Stunden etwas schlechter.


Brecht.

Die Liebe


Die Liebe war nicht geringe.

Sie wurden ordentlich blaß,

Sie sagten sich tausend Dinge

Und wußten noch immer was.


Sie mußten sich lange quälen,

Doch schließlich kams dazu,

Daß sie sich konnten vermählen.

Jetzt haben die Seelen Ruh.


Bei eines Strumpfes Bereitung

Sitzt sie im Morgenhabit.

Er liest in der Kölnischen Zeitung

Und teilt ihr das Nötigste mit.


W. Busch

Die Pappel


Eine Pappel steht am Karlplatz

Mitten in der Trümmerstadt Berlin.

Und wenn die Leute gehen über den Karlsplatz

Sehen sie ihr freundlich Grün.


In dem Winter sechsundvierzig

Fror'n die Menschen und das Holz war rar,

Und es fielen viele Bäume

Und es wurd ihr letztes Jahr.


Doch die Pappel dort am Karlsplatz

Zeigt uns heute noch ihr grünes Blatt:

Seid bedankt, Anwohner vom Karlsplatz

Daß man sie noch immer hat.


Bertold Brecht

Die Philister,

die Beschränkten

diese geistig Eingeengten,

darf man nie und nimmer necken,

aber weite, kluge Herzen

wissen stets in unseren Scherzen

Lieb und Freundschaft zu entdecken!

H. Heine

Die Riesendame der Oktoberwiese


Die Zeltwand spaltete sich weit,

Und eine ungeheure Glocke wuchtete

Herein. "Emmy, das größte Wunder unserer Zeit"!

Dort, wo der Hängerock am Halse buchtete,

Dort bot sich triefenden Quartanergelüsten

Die Lavamasse von alpinen Brüsten,

Die majestätisch auseinanderfloß.

"Emmy, der weibliche Koloß"

Hilflose Vorderschinken hingen

herunter, die in Würstchen übergingen.

Und als sie langsam wendete: - Oho! -

Da zeigte sich der Vollbegriff Popo

In schweren erzgegeossenen Wolkenmassen.

"Nicht anfassen!"

Und flüchtig unter hochgerafften Segeln

Sah man der Oberschenkel Säulenpracht.

DA war es aus, da wurde grell gelacht.

Ich wußte jeden Witz zu überflegeln,

Und jeder Beifall stärkte meinen Schwung.

Die Dicke schwieg. Ich gab die Vorstellung.


Besonders lachten selbst recht runde Leute.

Ich wartete, bis sich das Volk zerstreute.


Nacht war es geworden. Emmy ließ sich dort,

Wo sie gestanden, dumpf zum Nachtmahl nieder.

Sie schlang mit Gier, doch regte kaum die Glieder.

"Sag, Emmy, würdest du ein gutes Wort,

Das keinen Witz und keine Neugier hat,

von einem, der dich tief betrauert, hören?"

Sie sah nicht auf. Sie nickte kurz und matt:

"Nur zu, beim Essen kann mich gar nichts stören.!


"Emmy! Du armes Wunderwerk der zeit!

Du trittst dich selbst mit ordinären REden,

Mit eingelerntem hohlen Vortrag breit.

Du läßt die schlimme Masse dienes Fettes

Von jedem Buben, jeder Dirne kneten.

Man kann den Scherz vom Umfang deines Bettes,

Der Badewanne bis zum Ekel spinnen.

Und so tat ich. Und konnte nicht von hinnen.

Ich dachte mich beschämt in dich hinein..

Esd müßte doch in dir, in deinem Leben

Sich irgendwo das Schmerzgefühl ergeben:

Ein Dasein lang nicht Mensch, nicht Tier zu sein."

Da hielt ich inne, dachte zaghaft nacht.

Bis ein Geräusch am Eingang unterbrach.

Es nahte sich mit wohlgebornen Schritten

Der Elefant vom Nachbarzelt

Und sagte: »Emmy, schwerste Frau der Welt,

Darf ich um einen kleinen Beischlaf bitten?«

Diskret entweichend konnte ich nur hören:

»Nur zu! Beim Essen kann mich gar nichts stören!«


Ringelnatz

Die Schritte


Klein ist, mein Kind, dein erster Schritt,

Klein wird dein letzter sein.

Den ersten gehen Vater und Mutter mit,

Den letzten gehst du allein.


Seis um ein Jahr, dann gehst du, Kind,

Viel Schritte unbewacht,

Wer weiß, was das dann für Schritte sind

Im Licht und in der Nacht?


Geh kühnen Schritt, tu tapfren Tritt,

Groß ist die Welt und dein.

Wir werden, mein Kind, nach dem letzten Schritt

Wieder beisammen sein.


Albrecht Goes
Die Seeräuber-Jenny
1

Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen

Und ich mache das Bett für jeden.

Und sie geben mir einen Penny und ich bedanke mich schnell

Und Sie sehen meine Lumpen und dies lumpige Hotel

Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.

Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen

Und man fragt: Was ist das für ein Geschrei?

Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern

Und man sagt: Was lächelt die dabei?

Und ein Schiff mit acht Segeln

Und mit fünfzig Kanonen

Wird liegen am Kai.
2

Man sagt: Geh, wisch deine Gläser, mein Kind

Und man reicht mir den Penny hin.

Und der Penny wird genommen, und das Bett wird gemacht!

(Es wird keiner mehr drin schlafen in dieser Nacht.)

Und Sie wissen immer noch nicht, wer ich bin.

Aber eines Abends wird ein Getös sein am Hafen

Und man fragt: Was ist dies für ein Getös?

Und man wird mich stehen sehen hinterm Fenster

Und man sagt: Was lächelt die so bös?

Und ein Schiff mit acht Segeln

Und mit fünfzig Kanonen

Wird beschießen die Stadt.
3

Meine Herren, da wird wohl ihr Lachen aufhören

Denn die Mauern werden fallen hin

Und die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich

Nur ein lumpiges Hotel wird verschont von jedem Streich

Und man fragt: Wer wohnt Besonderer darin?

Und in dieser Nacht wird ein Geschrei um das Hotel sein

Und man fragt: Warum wird das Hotel verschont?

Und man wird mich sehen treten aus der Tür gen Morgen

Und man sagt: Die hat darin gewohnt?

Und ein Schiff mit acht Segeln

Und mit fünfzig Kanonen

Wird beflaggen den Mast.
4

Und es werden kommen hundert gen Mittag an Land

Und werden in den Schatten treten

Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür

Und legen ihn an Ketten und bringen ihn vor mir

Und fragen: Welchen sollen wir töten?

Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen

Wenn man fragt, wer wohl sterben muß.

Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle!

Und wenn der Kopf fällt, sage ich: Hoppla!

Und ein Schiff mit acht Segeln

Und mit fünfzig Kanonen

Wird entschwinden mit mir.
Brecht

Die Sorge


Wen ich einmal mir besitze

Dem ist alle Welt nichts nütze:

Ewiges Düstre steigt herunter

Sonne geht nicht auf noch unter,

Bei vollkommnen äußren Sinnen

Wohnen Finsternisse drinnen.


Und er weiß von allen Schätzen,

Sich nicht in Besitz zu setzen.

Glück und Unglück wird zur Grille,

Er verhungert in der Fülle,

Sei es Wonne, sei es Plage,

Schiebt ers zu dem andren Tage.


Soll er gehen? Soll er kommen?

Der Entschluss ist ihm genommen;

Auf gebahnten Weges Mitte

Wankt er tastend halbe Schritte.

Er verliert sich immer tiefer,

Siehet alle Dinge schiefer,


Sich und andre lästig drückend,

Atemholend und erstickend,

Nicht erstickt und ohne Leben,

Nicht verzweifelnd, nicht ergeben.

So ein unaufhaltsam Rollen,

Schmerzlich lassen, widrig Sollen,


Ist der Zukunft nur gewärtig

Und so wird er niemals fertig

Bald Befreien, bald Erdrücken,

Halber Schlaf und schlecht Erquicken,

Heftet ihn an seine Stelle

Und bereitet ihn zur Hölle.


In diesem Gedicht schafft Goethe ein

erschreckend präzises Bild der Depression.

Die unmögliche Tatsache
Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.


"Wie war" (spricht er, sich erhebend

und entschlossen weiterlebend)

"möglich, wie dies Unglück, ja

daß es überhaupt geschah?


Ist die Staatskunst anzuklagen

in bezug auf Kraftfahrwagen?

Gab die Polizeivorschrift

hier dem Fahrer freie Trift?


Oder war vielmehr verboten,

hier Lebendige zu Toten

umzuwandeln, - kurz und schlicht:

Durfte hier der Kutscher nicht?"


Eingehüllt in feuchte Tücher,

prüft er die Gesetzesbücher

und ist alsobald im klaren:

Wagen durften dort nicht fahren!


Und er kommt zu dem Ergebnis:

"Nur ein Traum war das Erlebnis.

Weil", so schließt er messerscharf,

"nicht sein kann, was nicht sein darf."


Morgenstern

Die Weihnachtsfeier

des Seemanns Kuttel Daddeldu

Die Springburn hatte festgemacht

Am Peterskai.

Kuttel Daddeldu jumpte an Land,

Durch den Freihafen und die stille heilige Nacht

Und am Zollwächter vorbei.

Er schwenkte einen Bananensack in der Hand.

Damit wollte er dem Zollmann den Schädel spalten.

Wenn er es wagte, ihn anzuhalten.

Da flohen die zwei voreinander mit drohenden Reden.

Aber auf einmal trafen sich wieder beide im König von Schweden.

Daddeldus Braut liebte die Männer vom Meere,

denn sie stammte aus Bayern.

Und jetzt war sie bei einer Abortfrau in der Lehre,

Und bei ihr wollte Kuttel Daddeldu Weihnachten feiern.

Im König von Schweden war Kuttel bekannt als Krakeeler,

Deswegen begrüßte der Wirt ihn freundlich: "Hallo old sailer!"

Daddeldu liebte solch freie, herzhafte Reden,

Deswegen beschenkte er gleich den König von Schweden.

Er schenkte ihm Feigen und sechs Stück Kolibri

Und sagte: "Da nimm, du Affe!"

Daddeldu sagte nie "Sie".

Er hatte auch Wanzen und eine Masse

Chinesischer Tassen für seine Braut mitgebracht.

Aber nun sangen die Gäste "Stille Nacht, Heilige Nacht".

Und da schenkte er jeden Gast eine Tasse

Und behielt für die Braut nur noch drei.

Aber als er sich später mal drauf setzte,

Gingen auch diese versehentlich noch entzwei,

Ohne daß sich Daddeldu selber verletzte.

Und ein Mädchen nannte ihn Trunkenbold

Und schrie: er habe sie an die Beine geneckt.

Aber Daddeldu zahlte alles in englischen Pfund in Gold.

Und das Mädchen steckte ihm Christkonfekt

Still in die Taschen und lächelte hold.

Und goß noch Genever zu dem Gilka mit Rum in den Sekt.

Daddeldu dachte an die wartende Braut.

Aber es hatte nicht sein gesollt,

Denn nun sangen sie wieder so schön und so laut.

Und Daddeldu hatte die Wanzen noch nicht verzollt,

Deshalb zahlte er alles in englischen Pfund in Gold.

Und das war alles wie Traum.

Plötzlich brannte der Weihnachtsbaum.

Plötzlich brannte das Sofa und die Tapete,

Kam eine Marmorplatte geschwirrt,

Rannte der große Spiegel gegen den kleinen Wirt.

Und die See ging hoch und der Wind wehte.

Daddeldu wankte mit einer blutigen Nase

(Nicht mit seiner eigenen) hinaus auf die Straße.

Und eine höhnische Stimme hinter ihm schrie:

"Sie Daddel Sie!"

Und links und rechts schwirrten die Kolibri.

Die Weihnachtskerzen im Pavillon an der Mattentwiete erloschen.

Die alte Abortfrau begab sich zur Ruh.

Draußen stand Daddeldu

Und suchte für alle Fälle nach einem Groschen.

Da trat aus der Tür seine Braut

Und weinte laut:

Warum er so spät aus Honolulu käme?

Ob er sich gar nicht mehr schäme?

Und klappte die Tür wieder zu

An der Tür stand: "Für Damen".

Es dämmerte langsam. Die ersten Kunden kamen,

Und stolperten über den schlafenden Daddeldu.


Joachim Ringelnatz 1883-1934

Die Wetterfahne


Der Wind spielt mit der Wetterfahne

Auf meines schönen Liebchens Haus.

Da dacht' ich schon in meinem Wahne,

Sie pfiff den armen Flüchtling aus.


Er hätt' es eher bemerken sollen,

Des Hauses aufgestecktes Schild,

So hätt' er nimmer suchen wollen

Im Haus ein treues Frauenbild.


Der Wind spielt drinnen mit den Herzen

Wie auf dem Dach, nur nicht so laut.

Was fragen sie nach meinen Schmerzen ?

Ihr Kind ist eine reiche Braut.


Winterreise Schubert

Die Zeit
Es gibt ein probates Mittel,

die Zeit zu halten am Schlawittel:

Man nimmt die Taschenuhr zur Hand

und folgt dem Zeiger unverwandt.
Sie geht so langsam dann, so brav

als wie ein wohlgezogen Schaf,

setzt Fuß vor Fuß so voll Manier

als wie ein Fräulein von Saint-Cyr.


Jedoch verträumst du dich ein Weilchen,

so rückt das züchtigliche Veilchen

mit Beinen wie der Vogel Strauß

und heimlich wie ein Puma aus.


Und wieder siehst du auf sie nieder;

ha, Elende! - Doch was ist das?

Unschuldig lächelnd macht sie wieder

die zierlichsten Sekunden-Pas.


Christian Morgenstern

Dies irae, dies illa

solvet saeculum in favilla

teste David cum Sibylla


Quantus tremor est futurus,

quando judex est venturus

cuncta stricte discussurus!
Wolfgang Amadeus Mozart

1756-1791

Requiem

Douleur majestueuse



La rue assourdissante autour de moi hurlait.

Betäubend heulte rings der Straßenraum.

Longue, mince, en grand deuil, douleur majestueuse,

Lang, schmal, in hohem Schmerz und großer Trauer

Une femme passa, d'une main fastueuse

Ging eine Frau vorbei. Die Hand, genauer

Soulevant, balanant le feston et l'ourlet;

Zu balancieren, hob des Kleides Saum;


Agile et noble, avec sa jambe de statue

Beweglich, vornehm, Beine, die sie höhten.

Moi, je buvais, crisp comme un extravagant,

Ich trank, verkrampft und spannend wie im Wahn

Dans son oeil, ciel liv'de o germe l'ouragan,

Ihr Auge grau, ein schlafender Orkan,

La douceur qui fascine et le plaisir qui tue.

Süße, die fesselt, Wonnen, die uns töten.


Un clair... puis la nuit! -Fugitive beaut

Ein Blitz, dann Nacht! Flüchtiger Schönheit Schau,

Dont le regard m'a fait soudainement rena"tre,

Die jäh mich neugeboren werden machte,

Ne te verrai-je plus que dans l'eternit?

Werd ich Dich nie mehr sehen, einzige Frau?


Ailleurs, bien loin d'ici! trop tard! jamais peut-etre!

Sehr fern! Zu spŠt! Nie vielleicht, wie ich's dachte!

Car j'ignore o tu fuis, tu ne sais o je vais,

Denn du entflohst, wir bleiben und Dich

O toi que j'eusse aimee, «˜ toi qui le savais!

hätte ich geliebt, die mich verstand!


Charles Baudelaire 1821 - 67

Drei Zigeuner


Drei Zigeuner fand ich einmal

liegen an einer Weide,

als mein Fuhrwerk mit müder Qual

schlich durch die sandige Heide.


Hielt der eine für sich allein

in den Händen die Fiedel,

spielte, umglüht vom Abendschein,

sich ein feuriges Liedel.


Hielt der zweite die Pfeif am Mund,

blickte nach seinem Rauche,

froh, als ob er vom Erdenrund

nichts zum Glücke mehr brauche.


Und der dritte behaglich schlief,

und sein' Harfe am Baum hing,

über die Saiten ein Windhauch lief,

über sein Herze ein Traum ging.


An den Kleidern trugen die drei

Löcher und bunte Flicken,

aber sie boten trotzig und frei

Spott den Erdengeschicken.


Dreifach haben sie mir gezeigt,

wenn uns das Leben umnachtet,

wie man's verraucht, verschläft und vergeigt

und wie man es dreimal verachtet.


Nach den Zigeunern lange noch schau'n

mußt' ich im Weiterfahren,

nach den Gesichtern dunkelbraun,

nach den schwarzlockigen Haaren.


(Nikolaus Lenau)

Du bist min


Du bist min, ich bin din

Des solt du gewis sin.


Du bist beslozzen

In minem herzen:


Verlorn ist daz slüzzelin

Du muost immer drinne sin.

Ehekrach

"Ja-!"


"Nein - !"

"Wer ist schuld?

Du!"

"Himmeldonnerwetter, laß mich in Ruh!"



-"Du hast Tante Klara vorgeschlagen!

Du läßt dir von keinem Menschen was sagen!

Du hast immer solche Rosinen!

Du willst bloß, ich soll verdienen, verdienen -

Du hörst nie. Ich red dir gut zu ...

Wer ist schuld - ?

Du."

"Nein."


"Ja."
-"Wer hat den Kindern das Rodeln verboten?

Wer schimpft den ganzen Tag nach Noten?

Wessen Hemden muß ich stopfen und plätten?

Wem passen wieder nicht die Betten?

Wen muß man vorn und hinten bedienen?

Wer dreht sich um nach allen Blondinen?

Du - !"

"Nein."


"Ja."

"Wem ich das erzähle...!

Ob mir das einer glaubt - !"

-"Und überhaupt -!"

"Und überhaupt -!"

"Und überhaupt - !"


Ihr meint kein Wort von dem, was ihr sagt:

Ihr wißt nicht, was euch beide plagt.

Was ist der Nagel jeder Ehe?

Zu langes Zusammensein und zu große Nähe.


Menschen sind einsam. Suchen den andern.

Prallen zurück, wollen weiter wandern ...

Bleiben schließlich ... Diese Resignation:

Das ist die Ehe. Wird sie euch monoton?


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