Rudolf steiner



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man es durchdringen müssen mit demjenigen Geiste, der bisher sich
eben nur über die Naturwissenschaft mit ihrer sozialen Konsequenz
durch die Kräfte des Westens ergossen hat. Man ist nicht befriedigt,
wenn man aus diesen Kräften des Westens heraus irgend etwas Welt-
anschauungsgemäßes faßt, ohne es in klar umrissene, scharf kon-
turierte ideelle Begriffe gebracht zu haben. Der Mensch wird für die
Erdenzukunft solche klare, scharf umrissene Begriffe brauchen. Er
wird dazu kommen müssen, das höchste Geistige in ebenso klar um-
rissenen Begriffen vor die Menschheit hinzustellen, wie es gelungen
ist, aus den Kräften des Westens das Naturalistische und Naturali-
stisch-Soziale hinzustellen.

Und sehen wir nach den Kräften des Ostens, so tritt uns als Klar-


stes das zutage, daß, wenn wir den Versuch machen wollen, aus den
Kräften des Ostens heraus mit solch klaren, scharfen Begriffen das
Christliche oder überhaupt das Göttlich-Geistige zu charakterisieren,
dies ein vergebliches Unternehmen sein wird. Schon von Rußland an
genommen und durch Asien dann weiter hindurch bringt der ganze
Osten solche Volkskräfte hervor, welche nicht in der Lage sind, in
scharf konturierten Begriffen sich zu dem Göttlich-Geistigen zu er-
heben, welche aber dazu veranlagt sind, aus den Gefühlstiefen heraus
diese Erhebung zu den geistigen Kräften zu vollziehen.

Will man im Sinn des Westens das Christentum charakterisieren,


so braucht man Philosophie, braucht man eine in moderne Gedanken-
formen gekleidete Weltanschauung. Will man das Christentum mit
den Kräften des Ostens charakterisieren, so findet man solche Gedan-
kenformen nicht, wenn man beim Volkstümlichen stehenbleibt. Man
muß da, wenn man im äußeren sinnlichen Leben bleibt, zu anderem

greifen. Man muß etwa die Empfindungen charakterisieren, die man


sogleich findet, wenn man von dem Westen nach dem Osten immer
weiter und weiter kommt, und die man schon in den Gegenden Mittel-
europas, die an den Osten angrenzen, finden kann. Man muß sich die
Stuben der einfachen Leute ansehen, welche in einer Ecke einen Altar
mit dem Muttergottesbilde haben; man muß sich ansehen, wie dieses
Muttergottesbild behandelt wird von den Besuchern, die da ankom-
men. Der erste Gruß, der da überall gegeben wird, ist der an das
Muttergottesbild; dann werden erst die Menschen, die etwa in der
Stube sind, begrüßt. Es ist etwas, das aus allen ändern Kräften der
menschlichen Wesenheit hervorgeht, als etwa aus den abstrakt-ideel-
len Kräften. Es ist ein radikaler Gegensatz vorhanden zwischen dem
innersten Empfinden gegenüber dem Göttlich-Geistigen, wie es im
Westen auf der einen Seite, im Osten auf der ändern Seite ist. Aber
alle diese Kräfte sind Wurzelkräfte, die sich weiter entwickeln kön-
nen, die Blätter und Triebe und zuletzt Früchte treiben können, wenn
sie sich nur gründlich selber verstehen.

Der Westen ist in der Lage, in einer dem neueren Menschengeiste


angemessenen Form wiederum eine solche Vorstellung, eine solche
Empfindung vom Vatergotte zu erlangen, neben welcher die ändern
göttlich-geistigen Wesenhaftigkeiten des Sohnes und des Geistes ste-
hen können. Aber vor allen Dingen ist es die Aufgabe des Westens,
jenen Beitrag zu liefern, der die Vorstellungen, die Empfindungen
über den Vatergott in anderer Weise hinzufügt, als das frühere Zeiten
gekonnt haben, die nur Ahnungen in dieser Beziehung erweckt
haben. Und wenn diejenigen Kräfte sich ausbilden, welche im
Osten vorzugsweise vorhanden sind, und die man nur in jener,
man möchte sagen unverstandesmäßigen Art charakterisieren kann,
daß man eine äußere Gebärde anführen muß, wenn man sie treffen
will, diese Empfindungen, diese Gefühle, und die Willensimpulse, die
sie im Gefolge haben, die werden, wenn sie sich weiter entwickeln,
wenn sie aufnehmen die Kräfte, die ihnen vom Westen her zustrahlen,
einen angemessenen Begriff, eine angemessene Empfindung von dem
Sohnesgott entwickeln können. So daß man die Entwickelung in die
Zukunft hinein nur richtig verstehen kann, wenn man das, was auf

einzelnen Erdengebieten geleistet werden kann, als Beiträge auffaßt


zu einem Gesamtergebnis.

Wenn wir heute gerade die hervorragendsten westlichen Geister be-


trachten, so sehen wir sie, wenn sie sich auch oftmals oder meistens
dessen selbst nicht bewußt sind, in einem Ringen nach dem Begriff des
Vatergottes, der sich aus den naturwissenschaftlichen Untergründen
heraus ergibt. Wenn wir nach dem Osten hinüberschauen, sehen wir,
man möchte sagen aus den äußeren Gebärden der Menschen heraus,
aus dem was aus Gemüt und Wille kommt, ein Ringen nach einem
Erfassen des Sohnesgottes, des Christus. Die Mitte ist hineingestellt
zwischen diese beiden Extreme. Und gerade das, was im Laufe der
neueren Zeit in der Kultur der Mitte sich entwickelt hat, zeigt uns
dieses Hineingestelltsein. Das Charakteristische gerade der modern-
sten Theologie der europäischen Mitte ist dieses, daß sie überall
schwankt sowohl in bezug auf eine Vater-Auffassung wie in bezug auf
eine Sohnes- oder Christus-Auffassung. Es wird das Streben nach
einer solchen Auffassung ungeheuer ernst genommen. Aber gerade der
Ernst dieses Strebens hat dieses Streben selber in zwei gesonderte Glie-
der auseinander getrieben. Wir sehen auf der einen Seite das Wissen
sich entwickeln, und auf der ändern Seite sehen wir den Glauben. Wir
sehen, wie dem Wissen nur zugeteilt werden soll, was sich auf die
Sinneswelt und alles, was zur Sinneswelt gehört, erstreckt; und wir
sehen, wie einem Glauben, der nicht Wissen werden soll, zugeteilt
wird alles, was des Menschen Verhältnis zum Göttlich-Geistigen aus-
macht. In diesem zwiespältigen Streben drückt sich das aus, was auf
der Suche ist, was aber ohne die Vereinigung mit den ändern Gebieten
der Erde, mit Ost und West, weder die ihnen adäquate Vorstellung
und Empfindung des Vatergottes noch des Sohnesgottes bekommen
kann.

Wie auf dem geistigen Gebiete ein solches Zusammenarbeiten über


den Erdkreis stattfinden soll, zeigt sich ganz besonders in den Anfän-
gen, die damit gemacht worden sind bei dem russischen Philosophen
Wladimir Solowjew. Dieser russische Philosoph hat aufgenommen in
sein Denken die Gedankenformen des Westens. Wer sich eingelebt hat
in die Gedankenformen des Westens, der findet bei Solowjew überall

diese Form; aber er findet sie anders gehandhabt, als sie im Westen


gehandhabt wird. Er muß, wenn er mit den Vorbereitungen des We-
stens an Solowjew herankommt, zunächst nicht in bezug auf den Ge-
dankeninhalt, wohl aber auf die Stellung des Menschen zu diesem
Gedankeninhalt, umlernen. Er muß eine vollständige innere Metamor-
phose durchmachen.

Man nehme einmal einen, ich möchte sagen, Kardinalsatz Solowjews,


in den er hineingelegt hat vieles vom menschlichen Streben nach einer
Erkenntnis des Menschenwesens selber und seines Verhältnisses zur
Welt. Er sagt: Der Mensch muß streben nach Vollkommenheit. Und
dieses Streben drückt sich in seinem Wahrheitsstreben aus. Indem der
Mensch die Wahrheit immer mehr und mehr mit seiner Seele vereini-
gen wird, wird er immer vollkommener und vollkommener werden.
Und ohne dieses Vollkommenerwerden wäre das Leben des Menschen
wertlos. Der Mensch muß die Aussicht haben, zu den höchsten Spit-
zen der Vollkommenheit durch die Wahrheit vordringen zu können,
sonst wäre das Leben eine Nichtigkeit, eine Wertlosigkeit. Aber der
Mensch muß zugleich teilhaftig werden der Unsterblichkeit, denn ein
Sich-Vervollkommnen, das dem Tode verfallen würde, wäre ein gro-
ßer Weltbetrug.

So etwas ist ausgedrückt durchaus in Wort- und Gedankenformen,


die dem Westen nachgebildet sind, die Gedankenform entlehnt, die
Wortform nachgebildet. Aber so, wie es ausgesprochen wird, und so,
wie der Impuls da ist, um es auszusprechen, so ist es im Westen un-
möglich. Man kann das nicht bei irgendeinem Philosophen des We-
stens in derselben Weise ausgesprochen finden. Man stelle sich nur
einmal vor, daß Mill oder Bergson so etwas aussprechen sollten! Man
kann es sich nicht vorstellen. Und für solche Dinge muß man heute
eine Empfindung haben. Man muß eine Empfindung dafür haben, aus
welchen Lebensquellen irgendwelche Worte hervorkommen. Der Wort-
inhalt wird immer bedeutungsloser gegenüber einer Weltanschauung.
Die Empfindung, aus welchen Lebensquellen die Dinge herauskom-
men, das ist es, was eine Bedeutung hat.

Heute kann man sich ein Sprechen, wie es Solowjew tut, nur bei


einem Menschen vorstellen, der noch leibhaftig gewußt hat, was im

Grunde genommen jeder seiner Volksgenossen der Ikona, dem Mutter-


gottesbilde gegenüber übt, der drinnensteht in diesem Volkstum, aus
dem heraus man ohne abstrakt-logische Gründe beweisen darf; in je-
nem Volkstum, dem die Beweise aus bloßer abstrakter Logik heraus
ein Geringeres gelten als solche Beweise aus dem ganzen Menschen
heraus.

Bis in diese Zeilen des Solowjew hinein fühlt man, daß es vom Osten


herüber aus dem ganzen Menschen herausklingt, nicht nur aus dem
bloßen intellektuellen menschlichen Verstande. Weil Solowjew aus sei-
nem Volkstum heraus spricht und denkt und empfindet, trägt seine
ganze Weltanschauung den Zug hin zu dem Christus. Weil er, ich
möchte sagen, wie ein Äußerliches aufgenommen hat die Gedanken-
formen des Westens, trägt seine Weltanschauung zu gleicher Zeit ne-
ben dem Christus-Zug den Zug hin zum Vatergotte. Daher finden wir
bei ihm, was wir sonst in der Gegenwart fast nirgends mehr finden,
eine ursprüngliche, klare Scheidung im menschlichen Empfinden zwi-
schen dem Wege zum Vatergott und dem Wege zum Christus, zum
Sohnesgott. Man kann schon in einem solchen Geiste wie Wladimir
Solowjew eine Andeutung finden zu dem, was für die Zukunft kom-
men muß. Denn kommen muß ein Zusammenarbeiten der verschie-
densten Lebensgebiete über die Erde hin. Das kann aber nicht kom-
men, wenn irgendein Lebensgebiet glaubt, das Ganze zu haben.

Die Menschheit ist ausgegangen von einer Einheit. Und gehen wir


zurück in die dunklen grauen Urzeiten der Menschheitsentwickelung,
finden wir eine Urweltweisheit, die allerdings noch instinktiv war,
die aber gerade als solche instinktive Weisheit den ganzen Menschen
erfüllte. Über die ganze Erde hin verständigte man sich noch nicht
durch den logischen Gehalt der Sprache, sondern man verständigte
sich in der Urweltweisheit äußerlich, weil man noch die innere Fähig-
keit hatte, sich, ich möchte sagen, in Gebärden zu verstehen, von de-
nen der heutige Mensch keine Ahnung mehr hat. Man verständigte
sich durch etwas, was heute höchstens erhalten geblieben ist in jenen
Resten unserer Sprachschätze, die wir als Interjektionen, als Emp-
findungswörter bezeichnen. Natürlich, wenn der Mensch seufzt: Ach!,
wenn der Mensch äußert: Oh!, dann versteht man ihn überall! Solch

einem Verstehen war das Verstehen zur Zeit der instinktiven Urweis-


heit ähnlich. Heute haben wir verlernt, in der ganzen Sprache so zu
empfinden, wie die Urweltweisheit empfunden hat, und geblieben ist
ein solches Empfinden nur gegenüber den Interjektionen, den Emp-
findungswörtern, welche wir ja nur ausnahmsweise gebrauchen.

Nur in Parenthese soll gesagt werden, daß es jetzt gerade charak-


teristisch ist, daß aus der Unbefriedigtheit der Menschen, die aus dem
ganzen Chaotischen unseres Geisteslebens heraus erwächst, die Roman-
schriftsteller anfangen, in Interjektionen zu schreiben. Man kann es
heute schon antreffen, und ich zitiere dabei nicht, sondern ich charak-
terisiere nur, wie es sein könnte. Man kann heute schon in irgend-
einem Prosawerke etwa finden: Ah! Oh! Au! Jeh! Und dann beginnt
es: Wer - dann kommen wieder einige Interjektionen. Wenigstens
manche neuere Romanprodukte zeigen, daß wir auf diesem Wege sind.
Sie sind symptomatisch nicht ohne Bedeutung. Das, wie gesagt, sei nur
in Parenthese gesagt.

Aber wir haben verlernt, in die Sprache hineinzutragen dasjenige,


was wir heute nur in die Empfindungswörter hineintragen. Denken Sie
nur einmal, wenn wir «Anthropos» sagen - es bedeutet «Mensch».
Ich will jetzt die Untergründe nicht hervorheben, warum es «Mensch»
bedeutet. Wenn wir «Anthropoiden» sagen, so sind das die höheren,
menschenähnlichen Tiere. Es hängt das zusammen mit demjenigen
Worte, welches «ähnlich sein» bedeutet, ein Dem-Menschen-ähnlich-
Sein. In der Endsilbe «oiden» drückt sich das Ähnlichsein aus. Nun
besteht ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen dem Griechischen
und zum Beispiel dem Deutschen. Nur ist im Deutschen dieses, was
sich hier in dem Ähnlichsein ausdrückt, in der Nachsilbe «ig» oder
«ich» enthalten. Wenn wir also zum Beispiel «Wicht» haben, was zu-
sammenhängt mit «Gewicht», mit demjenigen, was schwer ist: wenn
wir es spöttisch sagen, sagen wir es auch durch die Kontrastwirkung
für das besonders «Leichte»; wenn wir es aber anwenden wollen in
Eigenschaftsform, so daß die Eigenschaft ähnlich ist demjenigen, was
im «Gewicht» liegt, dann sagen wir «wichtig». Wir drücken also in
diesem «wichtig» etwas aus wie: ähnlich dem Gewichte.

Aber denken Sie, wenn wir das «ig», das wir ja so aussprechen wie

«ich», wenn wir dieses «ich» für sich aussprechen, so haben wir die
deutsche Bezeichnung für das Ego, für das eigene Wesen, wenn wir es
bezeichnen wollen. Und das ist durchaus auch eine etymologische
Wahrheit. In dem Ich liegt das Hinstreben nach demjenigen Wesen in
dem Menschen, das durch seine Totalität weltähnlich werden kann. Ich
ist allem ähnlich, Mikrokosmos gegenüber dem Makrokosmos. Man darf
allerdings, wenn man solche Dinge einsehen will, nicht bloß auf jene
Oberflächenbetrachtung eingehen, die heute als Etymologie oder
Sprachwissenschaft getrieben wird, sondern man muß um eine
Schichte, um eine Stufe tiefer gehen und sich für die Lautzusammen-
hänge einen gewissen Sinn erwerben können.

Das führte ich nur an, um einen der Züge zu charakterisieren, die


uns dahin bringen müssen, in die Sprache wiederum unterzutauchen
nach einem viel lebendigeren Inhalte, als wir ihn heute in den Spra-
chen der Welt haben. Wir müssen eben dahin kommen, die Worte
nicht als Worte zu nehmen, sondern sie aufzusuchen in ihren Lebens-
wurzeln. Wir müssen verstehenlernen, daß zwei das vollständig
gleiche sagen können, und daß es dennoch verschieden ist, je nachdem
es aus der einen oder der ändern Lebensweise stammt. Eine solche
Vertiefung der Empfindungen werden wir aber brauchen, wenn wir
in jenes Zusammenarbeiten der Menschheit über den Erdball hin ein-
gehen wollen, das notwendig sein wird, wenn die Menschheit wie-
derum einen Aufstieg erleben soll.

Es genügt nicht, daß man den Christus nur anspricht als: Herr,


Herr! - Der Christus muß etwas werden, was den ganzen Menschen
ausfüllt. Das kann nur geschehen, wenn man sich eben mit seinem
Verstande an etwas anlehnt, das uns etwa dann entgegentritt, wenn
wir hinblicken zu der Urweltweisheit und uns sagen: Sie machte die
Menschheit zu einer Einheit. - Das war aber eine Einheit, innerhalb
welcher die Individualität des einzelnen verlorenging. Dann ging die
Evolution weiter. Immer mehr und mehr trat die Individualisierung
der Menschheit ein. Immer mehr fühlten sich die Menschen jenem
Punkte entgegengehend, wo jeder sich als einzelner fühlen mußte,
denn das ist allein die Gewähr für das Erfühlen der Freiheit. Da
mußte in die Menschenentwickelung sich etwas ergießen, was nun

wiederum über die ganze Erde hin Einheit bringen kann, und das, was


sich da ergossen hat, das ist die Christus-Wesenheit. Erst dann wird
man die Christus-Wesenheit richtig verstehen, wenn man im Hin-
blicke auf sie fühlen wird den Impuls zu einer sozialen Menschheits-
vereinigung über die ganze Erde hin. Und auch umgekehrt kann man
sagen: Zu einem richtigen sozialen Impuls über die ganze Erde hin
führt nur die richtig verstandene Christus-Wesenheit.

Wir blicken hin auf die Urweltweisheit, die sich aus instinktiven


Untergründen heraus zu gewissen Höhen des Schauens - nicht unseres
heutigen, sondern des alten Schauens - entwickelt hat. Wir finden
dieses Schauen in seinem letzten Ausbildungsstadium wie durch ein
Weltsymbolum ausgedrückt bei demjenigen, was die drei Weisen aus
dem Morgenlande, die Magier aus dem Morgenlande zu dem Christus
Jesus hin getragen haben. Was sie zu dem Christus Jesus führte, ist
urälteste und damals höchste Menschenweisheit. Und wir finden zu
gleicher Zeit durch einen ändern Evangelisten ausgedrückt die Art,
wie der einzelne Mensch einfach aus den innersten Kräften seiner
Seele heraus, wie im Traume, wo der einzelne auch mit sich allein
ist — auch wenn er in Gesellschaft ist, allein ist —, wir finden, wie aus
der Einsamkeit ihrer Seele träumend die Hirten auf dem Felde nun
auch zu dem Christus Jesus hingeführt werden: der erste Aufgang
eines neuen Zeitalters. Die Menschheit hatte schon vom 4. nachchrist-
lichen Jahrhundert ab nicht mehr die Weisheit der Magier aus dem
Morgenlande. Und in dem Zeitpunkte des Mysteriums von Golgatha
haben wir Urweltweisheit in ihrer höchsten Ausbildung, die dann
verglimmt, sich begegnend, verschlungen mit demjenigen, was zu-
nächst in höchster Weisheitsarmut auftritt, was aber immer weitere
Ausbildung erfahren muß, so daß es zuletzt in jedem einzelnen Men-
schen wurzeln kann, aber auch alle Menschen miteinander verbindet.

Diejenige Weisheit, welche die Magier aus dem Morgenlande hin-


geführt hat zu dem Christus Jesus, sie hat in seiner Jugend Augustinus
noch versucht, aus ihren letzten Resten zu erhalten. Aber Augustinus
hat sie bereits in einer Form empfangen, in der er sich auf die Dauer
nicht zu ihr bekennen konnte. Sie war eben in den vollständigen Nie-
dergang gekommen. Und Augustinus mußte sich wenden zu dem,

was im Anfange der Entwickelung da war, was immer weiter und


weiter gehen muß, was gesucht werden muß, damit die Menschheit
wiederum zur Vereinigung über den ganzen Erdkreis kommen kann.
Wenn wir diese Andeutungen — denn Andeutungen sollen es zu-
nächst nur sein - in der richtigen Weise verfolgen, dann werden sie
Kräfte abgeben, die tiefer und immer tiefer in das Verständnis der
Christus-Wesenheit, in das Verständnis des Mysteriums von Golgatha
hineinführen. Das ist es, was ich zu den Betrachtungen über die
Christus-Wesenheit heute noch habe hinzufügen wollen.

DRITTER VORTRAG


Dornach, 8. Januar 1922

Wir wollen heute von einem ändern Gesichtspunkte aus, als das ge-


stern geschah, die Differenzierung innerhalb der Menschheit betrach-
ten, und zwar heute von einem historischen Gesichtspunkte aus. Wir
wollen einmal mit dem ausgesprochenen Ziel, das Verständnis für die
Gegenwart zu fördern, die menschliche Entwickelung von dem Zeit-
punkte an betrachten, unmittelbar nachdem die atlantische Kata-
strophe vorüber war. Wenn wir innerhalb der menschlichen Evolution
überhaupt von Zivilisationsentwickelung sprechen, haben wir dann
die erste maßgebliche Entwickelungsperiode dieser Art zu suchen in
der alten indischen Kulturepoche. Und da finden Sie in meiner «Ge-
heimwissenschaft im Umriß» von einem gewissen Gesichtspunkte aus
eine Charakteristik dieser besonderen Kulturart, welche die des ur-
alten Indiens war, jener Kulturart, von der in den mit Recht bewun-
derten Veden und in der mit Recht bewunderten altindischen Philo-
sophie nur noch Nachklänge vorhanden sind; denn es gibt keine ge-
schriebenen Urkunden aus dem, was in dieser Beziehung als indische
Kultur genannt wird. Wenn wir unsere heutigen Worte gebrauchen,
so müssen wir diese uralt indische Kultur bezeichnen als eine im
eminentesten Sinne religiöse Kultur. Aber wir werden dann trotzdem
mit dieser Bezeichnung nur das Richtige treffen, wenn wir uns über
das, was eigentlich gemeint ist, mehr aussprechen.

Das religiöse Element dieser uralt indischen Kultur war ein solches,


daß es zu gleicher Zeit alles umfaßt hat, was wir von unserem heu-
tigen Gesichtspunkte aus in Wissenschaft und Kunst anerkennen. Das
gesamte Geistesleben des vollen Menschen wurde umfaßt von dieser
Kultur, die wir, weil es trotzdem die treffendste Bezeichnung ist, als
eine religiöse Kultur bezeichnen müssen. Diese religiöse Kultur erzeugt
in den Menschen das Gefühl, daß sie in den Tiefen ihres Wesens ver-
bunden sind mit einer göttlich-geistigen Welt. Und dieses Gefühl
wurde in einer so intensiven Weise ausgebildet, daß das ganze Leben
eigentlich durchleuchtet war von ihm, daß die helleren Bewußtseins-

zustände des Menschen, die unsere Wachzustände vorbereiteten, und


auch seine traumhaften Zustände, die sich dann in unser chaotisches
Traum- oder Schlafleben in der weiteren Evolution verloren haben,
daß diese beiderlei Zustände durchzogen waren von diesem intensiven
Bewußtsein der Verbindung des Menschlichen mit einem Göttlich-
Geistigen.

Aber wir dürfen nur diese allgemeine Charakteristik des Religiösen


von unseren Begriffen hernehmen. Denn unsere Begriffe verführen
uns zu stark dazu, das Religiöse als etwas Allgemeines, als etwas von
dem übrigen Leben in einer gewissen Weise abstrakt Ferneliegendes zu
betrachten. Bei denjenigen Menschen, von denen wir hier sprechen,
war das Religiöse so, daß sie in den Inhalten, die sie mit dem Religiö-
sen verbanden, zu gleicher Zeit ein bildhaftes Wissen hatten von dem
Wesen des Menschen, und daß sie ein ausgebreitetes bildhaftes Wissen
hatten von dem Bau des Weltenalls.

Wir müssen uns allerdings vorstellen, daß das, was in der Welt-


anschauung dieser Menschen an bildhaftem Wissen von dem Bau des
Weltenalls lebte, sich in keiner Weise vergleichen läßt mit dem, was
wir etwa heute in unseren astronomischen oder astrophysischen
Kenntnissen haben. In diesen astronomischen und astrophysischen
Kenntnissen haben wir eine Art Mechanismus des Weltenalls. Die alte
indische Bevölkerung hatte ein Weltenall, das in den bildhaften Vor-
stellungen dieser Menschen bewohnt war von göttlich-geistigen Wesen-
heiten. Von irgendwelchen in äußerlichen, bloß mechanischen For-
meln auszusprechenden Beziehungen von Gestirnen und von Bewegun-
gen von Gestirnen in unserem Sinne konnte eigentlich noch nicht die
Rede sein. Wenn diese Menschen aufblickten zum gestirnten Himmel,
dann war es ja für sie so, daß sie in den äußeren Sternkonstellationen
und Sternbewegungen nur etwas sahen, was ihnen in ihrem bildhaften
Bewußtsein gut bekannt war, was sie schauten. Es war etwa so, daß
man die Sache in der folgenden Art charakterisieren kann.

Nehmen wir an, wir haben irgendwo eine reichbelebte Szene gese-


hen, in der Menschen sich getummelt haben, in der Menschen allerlei
verrichtet haben. Wir waren etwa Teilnehmer irgendeines Festes, bei
dem man mancherlei vollbracht hat. Wir gehen nach Hause. Am

nächsten Tag bekommen wir eine Zeitung mit einem Bericht über die-


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