Rudolf steiner



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seit dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts gegenüber früheren Zei-
ten ein durch und durch anderes geworden, und wir stehen heute vor
der Notwendigkeit, in einer gewissen Weise, aber vollbewußt und be-
sonnen, wiederum zurückzukehren zu dem Durchschauen des geistigen
Teiles unseres Weltzusammenhanges. Der geistige Teil unseres Welt-
zusammenhanges wurde ja von alter instinktiver Geistesschau durch-
drungen, und am meisten in den ältesten Zeiten der irdischen Zivili-
sationsentwickelung. Es trat dann immer mehr und mehr die Fähig-
keit der Menschen zurück, in dieser instinktiven Weise zum Geistigen
vorzudringen, und in der Zeit, in welcher der Rückgang so stark be-
merkbar war, daß die Menschheit einen neuen Einschlag brauchte,
kam dann das Mysterium von Golgatha.

Nun möchte ich heute erwähnen, daß vor dem Mysterium von Gol-


gatha die Menschen, insofern sie auf das geistige Leben hingesehen ha-
ben, zu gleicher Zeit auch auf jene Institutionen hingesehen haben, die
wir in der allgemeinen Menschheitszivilisation als die Mysterien ken-
nen. Man konnte sich gewissermaßen in diesen ältesten Zeiten der
Menschheit nicht denken, daß eine geistige Anschauung, daß ein gei-
stiges Wissen sich anders ausbreiten könne, als indem es aus den My-
sterien seinen Ursprung nahm. Und wenn wir das Bewußtsein unter-
suchen, das die Menschen gehabt haben, die in dieser Zeit, wenn sie
überhaupt Wissen haben wollten, zu den Mysterien hinschauten, so
ergibt sich uns etwa das folgende Bild: Alles, was äußeres, nicht aus
den Mysterien stammendes, sondern von den Menschen selbst errun-
genes Verstandeswissen ist, das kam ja eigentlich erst in der späteren
griechischen Zeit auf. Da erst geschah es, daß die Menschen aus sich

selbst heraus, ohne Zuhilfenahme der Mysterien, zu gewissen Wahr-


heiten kommen wollten. Daher rechnet man ja auch, wenn man die
Sache richtig versteht, den Gang der wissenschaftlichen Entwickelung
erst von der Zeit des Thaies an. Ich habe das Nötige in meinen «Rät-
seln der Philosophie» auseinandergesetzt. Alles, was vorher liegt,
sucht Wissen durchaus mit Hilfe der Mysterien. Nun, wenn man die-
ses Bewußtsein, das da zugrunde lag, untersucht, so kommt man dar-
auf, daß innerhalb der Mysterien von denjenigen, die die Mysterien
leiteten und von ihren Schülern ein Wichtigstes in dem gesehen wurde,
was man den «Fürsten dieser Welt» nannte - damit meinte man die
Erde -, im Gegensatz zu den Fürsten, das heißt zu den Geistwesen an-
derer Welten.

Wenn wir heute in unserer Sprache von dem Fürsten dieser Welt,


wie er im Bewußtsein der alten Welt lebte, sprechen, so würden wir
etwa von der ahrimanischen Wesenheit sprechen. Wir würden also
mit der ahrimanischen Wesenheit etwa diesen Fürsten des irdischen
Lebens treffen. Wenn wir auf die Offenbarung im Geistigen sehen,
die von der Seite des Fürsten dieser Welt hergeleitet werden kann, so
müssen wir gerade auf das Intellektualistische des menschlichen Er-
kennens hinweisen. Die Mysterienleiter würden das, was im grie-
chischen selbständigen, außerhalb der Mysterien entstandenen Wissen
lebte, durchaus bezeichnet haben als ein Wissen, eingegeben von dem
Fürsten dieser Welt. Dagegen haben sie die Aufgabe der Mysterien
darin gesehen, den Menschen in eine geistige Anschauung einzuführen,
die von dem Fürsten dieser Welt abbringt und die menschliche Seele
zu einem Sich-Einleben in Welten führt, die nicht von dem Fürsten
dieser Welt beherrscht werden. Man muß, wenn man die Dinge, um
die es sich da handelt, in der richtigen Weise sehen will, sich solcher
Ausdrücke bedienen, und es sollte niemand irgend etwas Abergläu-
bisches oder dergleichen mit dem Gebrauche solcher Ausdrücke ver-
binden.

Ich will Ihnen ein Bild entwerfen, wie etwa ein in die griechischen


oder ägyptischen, in die persischen oder in andere Mysterien Einge-
weihter über den Fürsten dieser Welt in älteren Zeiten gedacht hat.
Da muß man sich schon klar darüber sein, daß, wenn die Betreffen-

den auch andere Namen gehabt haben, sie dennoch durchaus von dem


Christus-Wesen gesprochen haben. Man spricht ja nicht nur von dem
Christus-Wesen, wenn man den Christus-Namen ausspricht. Wenn
wir auch selbstverständlich den Christus-Namen aussprechen müssen,
indem wir von dem Christus-Wesen sprechen, bezeichnen wir doch
mit dem Christus eigentlich erst die in Betracht kommende Wesenheit,
nachdem sie durch das Mysterium von Golgatha durchgegangen ist
und sich mit der Erdenzivilisation verbunden hat. Sie war eben vor
dem Mysterium von Golgatha nicht mit der Erdenzivilisation verbun-
den. Sie lebte gewissermaßen als das große Sonnenwesen außerhalb
der irdischen Welt. Erst das Mysterium von Golgatha bezeichnet die
Verbindung dieses außerhalb der irdischen Welt lebenden Wesens mit
der Erdenwelt selber. Aber als solches außerirdisches Wesen kannten
es durchaus die in die Mysterien Eingeweihten. Als solches Wesen er-
kannte es auch derjenige, den man den Fürsten dieser Welt nannte,
das geistige Wesen ahrimanischer Natur. Er fühlte sich gewisser-
maßen - wie gesagt, ich schildere, was im Bewußtsein der Mysterien-
eingeweihten lebte - als Herr der Erde. Er konnte sich sagen: Was
die Menschen durch die Kräfte der Erde haben, das haben sie von
mir. - Dagegen wußte er auch, daß außerhalb der Erde der Christus
lebte und auf das menschliche Leben einen Einfluß hatte, und zwar
auf Umwegen durch die Mysterien, deren Lehren dann popularisiert
und hinausgetragen wurden unter die Völker.

Will man das, was da im Bewußtsein lebte, noch genauer beschrei-


ben, so muß man sagen, die Eingeweihten der Mysterien dachten sich:
Der Fürst dieser Welt hat seinen hauptsächlichsten Einfluß auf die
physische Leiblichkeit des Menschen; diese steht ganz in seiner Bot-
mäßigkeit, und er fühlt sich als Herr dieser physischen Leiblichkeit
des Menschen. Nicht konnte er sich als Herr dessen fühlen, was die
ätherische und astralische Wesenheit des Menschen, also der Lebens-
leib und das Seelische waren. Diesen Lebensleib und das Seelische sah
man unter dem Einflüsse einer außerirdischen Wesenheit stehen; da
sah man schon immer die Kräfte der Christus-Wesenheit in den Men-
schen einfließen. Nur konnte der Mensch das, was von der Christus-
Wesenheit in ihn einfließen sollte, überhaupt nicht durch die Kräfte

seiner Seele erhalten, sondern nur dadurch, daß er sich an dasjenige


wandte, was der Mysterieneingeweihte bekam, nachdem er in der
entsprechenden Weise vorbereitet war. Man stellte sich die Mysterien
eben so vor, daß durch sie das Außerirdische gewissermaßen aufgefan-
gen und zu dem Menschen geleitet wurde. So daß sich der Fürst die-
ser Welt sagte: Hier auf dieser Erde bin ich Herr. Hier aus dieser
Erde zieht der physische Leib des Menschen seine Kräfte, und zu die-
sen Kräften des physischen Leibes gehört auch der menschliche irdische
Verstand. Da bin ich Herr. Hier auf dieser Erde macht mir nichts
meine Herrschaft streitig. Es fließt ein auf diese Erde das Außer-
irdische auf dem Umwege durch die Mysterien. Das will ich dulden.

Aber gerade deswegen lehnte sich der Fürst dieser Welt auf gegen


das Mysterium von Golgatha, weil er nun seine Erdenherrschaft teilen
sollte mit dem Christus, der durch das Mysterium von Golgatha auf
die Erde heruntergestiegen war. Als einen Nebenbuhler in der Erden-
herrschaft empfand der Fürst dieser Welt den Christus. Er hätte sich
gut gefallen lassen gewissermaßen die Mitregierung von außerhalb der
Erde herein, aber er wollte sich nicht gefallen lassen die Nebenbuhler-
schaft hier innerhalb dieses Erdenbereiches selbst.

Und da haben wir aus dem Geiste der alten Mysterien heraus den


Hinweis auf die eigentliche Gegnerschaft des Fürsten dieser Welt
gegenüber dem Christus. Diese Gegnerschaft wurde wiederum stark
empfunden durch das ganze Mittelalter hindurch, bis in das 15. Jahr-
hundert herein, bei denen, die in diese Dinge eingeweiht waren. Wenn
man bis in das 15. Jahrhundert herein von dem Fürsten dieser Welt
und von dem Christus sprach, so geschah es durchaus in diesem
Sinne. Und man hatte ein gewisses Bewußtsein davon, daß sozusagen
zwei Herrschaften da sind: die eine, die früher, vor dem Mysterium
von Golgatha, in berechtigter Weise die menschliche Leiblichkeit be-
herrscht hat, die jetzt aber mit Bezug auf die menschliche Leiblichkeit
ihr Wirken teilen muß mit der ändern Herrschaft, mit dem Christus.
Denn der Christus strahlt nun nicht mehr bloß auf das Seelische, das
heißt auf das Astralische und das Ätherische, seine Wirkungen aus,
sondern er will nunmehr auch seine Wirkungen ausstrahlen auf die
physische Leiblichkeit des Menschen, das heißt auf das, was sich durch

die physische Leiblichkeit des Menschen äußert, nämlich auf das In-


tellektualistische, auf die eigenen Fähigkeiten des Menschen im wei-
testen Sinne. Der Christus sollte leben in der ganzen menschlichen
Natur. Das war es ja im Grunde genommen, was durch das Myste-
rium von Golgatha in die Menschheit gekommen ist.

Vor dem Mysterium von Golgatha ist denen, die um diese Dinge


wußten, gar nicht eingefallen, das Wissen von den ewigen Dingen
innerhalb des Bereiches dessen zu suchen, was der menschliche Kopf
ersinnen kann, oder was die ändern Seelenkräfte, auch die Gemüts-
kräfte, aus sich selbst heraus erlangen können. Das wurde den Myste-
rien überlassen. Es war also durchaus vor dem Mysterium von Gol-
gatha ein starkes Bewußtsein davon vorhanden: irdisches Wissen,
irdisches Empfinden ist etwas anderes als das Empfinden der über-
irdischen Mächte. Und man versteht die ersten Jahrhunderte des
Mittelalters nur in ihrer besonderen geistigen Konfiguration, wenn
man eben ein klares Bewußtsein von diesem Tatbestand hat.

Nun kann es vielleicht über diesen Tatbestand ganz besonders auf-


klärend sein, wenn man hinsieht auf etwas, das ja als eine Art von
Hauptsache innerhalb der verschiedensten Mysterienstätten angesehen
worden ist. Gewiß, die Vorbereitungen und die späteren Prüfungen
und so weiter, die der Mysterienschüler, der Einzuweihende, durchzu-
machen hatte, waren für die verschiedenen Mysterienstätten verschie-
den. Aber das Verschiedene nimmt sich auf diesen Gebieten auch nur
so aus, wie etwa, wenn man von verschiedenen Seiten auf einen Berg
hinaufsteigt und oben doch, trotz der verschiedenen Wege, auf dem
einen Gipfel ankommt. Zuletzt führte alles doch zu dem einen Myste-
rienziel. Nun kann man, wenn die Dinge auch modifiziert waren,
dennoch zwei Maßnahmen dieser Mysterien, denen sich jeder zu un-
terwerfen hatte, als die Hauptsache bezeichnen. Das war der soge-
nannte Vergessenheitstrunk, und als zweites etwas, was innerhalb der
Mysterienvorgänge so auf den Menschen wirkte wie ein starker
Schreck, wie das Hineinleben in eine starke Angst. Beide Dinge dür-
fen heute nicht mehr in derselben Weise durchgemacht werden zum
Behufe der Erlangung höherer übersinnlicher Erkenntnisse. Es muß
heute alles seelisch-geistig durchgemacht werden, während die Myste-

rienschüler der alten Zeiten die Dinge so durchgemacht haben, daß sie


dabei immer Physisches in Anspruch nehmen mußten. Aber bewirkt
wird doch etwas Ähnliches, nur, daß bei dem heutigen geistigen Er-
streben der höheren Erkenntnis alles in die Sphäre des Bewußtseins
hereinfällt, während es früher in die Sphäre des Instinktiven, des
Traumhaften hineingefallen ist. Denn dadurch, daß so etwas wie der
Vergessenheitstrunk in allen Mysterien gereicht worden ist und so
etwas herbeigeführt wurde wie ein physischer Schreck, dadurch wurde
in der Tat der Mensch abgedämpft in bezug auf seinen äußeren In-
tellektualismus, der zwar dumpfer war als der heutige, ihn aber doch
beherrschte in bezug auf dasjenige, was sich auf die äußere Welt
bezog.

In ein dumpfes Leben wurde also der Mensch sowohl durch den


Vergessenheitstrunk wie durch das andere, das einem Schreck, einem
Angsterregen verglichen werden kann, hineingeführt. Was hatte der
Vergessenheitstrunk denn für eine Bedeutung? Es kam dabei nicht
darauf an, daß der Mensch irgend etwas vergaß. Er vergaß allerdings
durch diesen Trunk. Aber die Wirkung, die dieser haben sollte, er-
hielt er dadurch, daß er in ein bestimmtes Zeremonial getaucht war,
daß er in einer bestimmten Weise zubereitet war, daß gewisse Vor-
bereitungen gemacht wurden, bevor man den Trunk bekam. Es war
aber durchaus ein physischer Trunk, der durch die Art und Weise,
wie er gereicht wurde, allerdings bewirkte, was man nennen kann:
der Mensch vergaß sein Leben seit der Geburt. Es ist das etwas, was
durch seelisch-geistige Entwickelung heute auch wiederum erreicht
wird. Nur wird es heute dadurch erreicht, daß zuerst ein deutliches
Bewußtsein von einem großen Lebenstableau hervorgerufen wird, das
alles umfaßt seit der Geburt. Dann wird das unterdrückt, und da-
durch wird der Mensch in die geistige Weise seines Lebens vor der
Geburt oder vor der Konzeption eingeführt. Das wurde in der mehr
physischen Weise erreicht im alten Vergessenheitstrunk.

Aber das ist ja nicht das Wesentliche, daß der Mensch vergißt; das


Negative ist überhaupt niemals das Wesentliche. Das Positive, was
dadurch erreicht wurde, das ist, daß das Denken beweglicher und
intensiver wurde. Aber dumpfer wurde es auch. Es wurde träume-

risch, weil eben an den physischen Organismus herangegangen wurde.


Die Wirkung dieses Vergessenheitstrunkes auf den physischen Orga-
nismus war - man kann sie ganz genau beschreiben -, daß das Gehirn,
wenn ich mich so ausdrücken darf, flüssiger gemacht wurde, als es im
gewöhnlichen Leben ist. Dadurch, daß das Gehirn flüssiger gemacht
wurde, daß also der Mensch mehr mit dem Gehirnwasser statt mit den
festen Bestandteilen dachte, dadurch wurde sein Denken beweglicher,
intensiver.

Heute muß das auf dem direkten Weg erreicht werden, nämlich


durch seelisch-geistige Entwickelung, wie das beschrieben ist in «Wie
erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und im zweiten Teil
meiner «Geheimwissenschaft im Umriß». Dazumal wurde aber das
Gehirn sozusagen durch äußere Einwirkungen flüssiger gemacht.
Damit aber wurde erreicht, daß des Menschen geistig-seelische Wesen-
heit, so wie sie ist, bevor der Mensch durch die Konzeption sich mit
einer physischen Leiblichkeit verbindet, wie sie also in der geistigen
Welt ist, als Geistig-Seelisches sich wiederum durchdrängen kann
durch das Gehirn. Das ist das Wesentliche.

Graphisch aufgezeichnet, würde das sich so ausnehmen: Nehmen


Sie an, das wäre die Konstitution des Gehirnes (siehe Zeichnung,
grün): dann ist das so für den Menschen, der geboren ist, daß das
Geistig-Seelische (rot) halt davor macht. Das Gehirn ist so konsti-
tuiert, daß dieses innere Geistig-Seelische, das der Mensch hat, nicht
durch das Gehirn durch kann. Der Mensch ist da drinnen nicht erfüllt
von diesem Geistig-Seelischen. Dafür aber können die äußeren Wahr-
nehmungen herein und können sich durch die Sinne - ich habe hier das
Auge gezeichnet - im Gehirn geltend machen. Ich möchte sagen, so ge-
artet ist das Gehirn in der heutigen Konstitution, daß dasjenige, was
im Menschen das Ewige ist, nicht herauf kann in das Gehirn. Dadurch
aber können die äußeren Eindrücke hinein. Indem der Mensch den
Vergessenheitstrunk bekam, erhielt er die Möglichkeit, in das Gehirn
dasjenige hineinzubekommen, was geistig-seelisch vor der Konzeption
oder vor der Geburt war (rot). Das ist das eine.

Das andere ist das, was ich nannte: eine Art Schreck wurde auf den


Menschen ausgeübt. Nun, nehmen Sie einmal, wie der Schreck auf den

Menschen wirkt: man erstarrt. Und es kann einen Schreck geben, der


wirklich eine Art Erstarrung des ganzen Menschen hervorruft. Beim
Menschen, so wie er im gewöhnlichen Leben ist, wo er herumlaufen
kann-der erstarrte, der kataleptische Mensch kann nicht herumlaufen,
bei dem sind eben die Muskeln erstarrt -, bei dem nicht erstarrten
Menschen also saugt der übrige Körper dieses Ewige auf (weiß mit

rot). Es wird in unserem Blute, in unseren Muskeln unten, das Geistig-


Seelische, das Ewige aufgesogen. Dadurch kann es wiederum nicht
wahrgenommen werden. Ins Gehirn kann es nicht herauf, da unten
wird es aufgesogen. Es kann also nicht wahrgenommen werden, aber
es tritt frei und selbständig heraus, wenn die Muskeln erstarren.

Diese Muskelstarre wurde hervorgerufen durch die Schockwirkung.


Und dadurch wurde nun von dem übrigen Organismus, außer dem
Gehirn, nicht aufgesogen das Geistig-Seelische, sondern es wurde frei.
So daß der Mensch im Gehirn drinnen das Geistig-Seelische hatte,
weil ihm sein Gehirn durch den Vergessenheitstrunk weich geworden
war, und der übrige Organismus wurde gewissermaßen verhindert an
dem Aufsaugen des Geistig-Seelischen. Dadurch wurde das Geistig-
Seelische wahrgenommen. Der Mensch bekam also von zwei Seiten
her die Möglichkeit, sein Geistig-Seelisches wahrzunehmen. Im ge-
wöhnlichen Leben konnte er es nicht wahrnehmen, denn durch das
Gehirn, durch das er sonst wahrnimmt, konnte er es nicht aufnehmen;
da kommt es nicht hinein. Aus dem übrigen Organismus, durch das
Wollen und so weiter, konnte es auch nicht wahrgenommen werden,
denn der übrige Organismus sog es auf. Nun wurde ihm sein Gehirn
verweicht, natürlich nur für die Momente der Erkenntnis. Dadurch
schoß das Geistig-Seelische in das Gehirn hinein. Der übrige Körper
wurde ihm erstarrt. Dadurch sog er das Geistig-Seelische nicht auf.
Und der Mensch stand gewissermaßen in seinem verweichten Gehirn
einerseits, und in seinem erstarrten Organsystem andererseits, wie in
einem Gehäuse da; er stand da im Geistig-Seelischen, das ihm nach
zwei Seiten gegeben war.

Sie sehen also, worauf diese Dinge, die so äußerlich beschrieben


werden, eigentlich hinausmünden. Ich bemerke ausdrücklich, daß
heute diese Dinge nicht nachgemacht werden können. Die Menschen
würden auch nicht wissen, wie sie sie nachmachen sollen. Es würde
ihnen heute auch nicht gut bekommen. Heute muß eben alles auf
geistig-seelische Weise erreicht werden. Aber man kann durchaus sa-
gen: Wenn so in den Mysterien die Menschen den Vergessenheitstrunk
bekommen hatten, und die andere Wirkung der physischen Erstar-
rung ihnen das Wahrnehmen des Geistig-Seelischen in sich ermög-

lichte, dann waren sie «Christen». In den Mysterien wurden sie


Christen.

Es ist das durchaus im Bewußtsein der ersten Kirchenväter vorhan-


den gewesen. Das wird nur heute den Leuten nicht gesagt, oder es
wird sogar geleugnet. Bei den ersten Kirchenvätern ist ein deutliches
Bewußtsein vorhanden gewesen, daß die Menschen durch die Myste-
rien Christen geworden waren. Daher finden wir Stellen bei den
ersten Kirchenvätern, daß Heraklit und Sokrates, trotzdem sie vor
dem Mysterium von Golgatha lebten, Christen waren, wenn sie auch
zu ihrer Zeit Atheisten genannt worden sind. Diese Stelle habe ich ja
öfter zitiert, sie findet sich bei den ersten Kirchenvätern.

So könnte man also sagen: Um diesen Menschen, der da herauskam


aus dem ändern, machte sich der Fürst dieser Welt nach der Ansicht
der älteren Mysterienleiter und Eingeweihten nichts zu tun; den über-
ließ er dem Christus. Aber er wollte nicht, daß der Christus auf die
Erde herunterkommt und vom ganzen Menschen Besitz ergreift. Das
ist in den Evangelien dadurch angedeutet, daß die Dämonen, das
heißt die unteren Diener des Fürsten dieser Welt, vernahmen: Der
Christus ist angekommen, er ist da. — Da lehnten sie sich auf. Das ist
in den Evangelien klar angedeutet. Sie erkannten ihn, und sie wurden
wild.

Wir müssen uns also durchaus klar sein, daß, wenn wir über


irdische Entwickelungsverhältnisse sprechen, wir ein Wesentliches
des Mysteriums von Golgatha darin sehen müssen, daß diejenige gei-
stige Macht, welche bis zum Mysterium von Golgatha hin den durch-
aus berechtigten Einfluß auf die menschliche Leiblichkeit hatte, in der
Folgezeit diesen Einfluß mit dem Christus zu teilen hatte. Daher
nennt das Mittelalter den Fürsten dieser Welt den «widerrechtlichen
Fürsten dieser Welt». Dieser Ausdruck ist eigentlich nicht gerechtfer-
tigt innerhalb der alten heidnischen Anschauung; aber er trat als eine
durchaus durch die Sache gerechtfertigte Bezeichnung dann innerhalb
des Mittelalters ein.

Das ist das Wesentliche in bezug auf die geistige Entwickelung der


Menschheit, daß für die älteren Zeiten gewissermaßen der Leib von
dem Geistig-Seelischen zurückgezogen worden ist. Die Gehirnwirkung

wurde aufgehoben, indem das Gehirn von dem Vergessenheitstrunk


weicher gemacht wurde. Die aufsaugende Kraft des übrigen Organis-
mus wurde aufgehoben, indem der übrige Organismus verhärtet
wurde durch den Schock. Also der Leib wurde zurückgezogen in die-
sen älteren Zeiten von dem Geistig-Seelischen.

Die neuere Bestrebung besteht darin, daß nun nicht der Leib zu-


rückgezogen wird, sondern daß der Geist herausgezogen wird, indem
die geistig-seelischen Kräfte verstärkt, erkraftet werden. Es muß also
durchaus das Umgekehrte in unserer Zeit stattfinden, es muß der
Geist herausgezogen werden. Es darf gewissermaßen keine Verände-
rung eintreten innerhalb des Physisch-Leiblichen. Denn der Mensch
ist, namentlich seit dem 15. Jahrhundert, so organisiert, daß eine Ver-
änderung in seiner Leiblichkeit in der Weise, wie sie durchaus üblich
war bei den alten Mysterienschülern, ein Krankhaftes bedeuten würde.
Es würde pathologisch sein, und das darf bei einer normalen Ent-
wickelung nicht eintreten.

Ich charakterisiere Ihnen das alles, um Ihnen eine Vorstellung da-


von zu geben, was unter dem immer wiederkehrenden Begriff älterer
Zeiten von dem Fürsten dieser Welt zu verstehen ist. Dieser Fürst
dieser Welt, der dann im Mittelalter zu dem «widerrechtlichen Für-
sten dieser Welt» geworden ist, ist eine ahrimanartige Wesenheit. Wir
können eine solche Wesenheit überall, in der äußeren Natur und im
Inneren des Menschen verfolgen. Und eigentlich erst dann, wenn wir
in die Lage kommen, eine solche Wesenheit in ihren Wirkungen so-
wohl in der äußeren Natur wie im Inneren des Menschen zu verfol-
gen, lernen wir allmählich eine solche Wesenheit verstehen.

Wenden Sie den Blick in die äußere Natur. Sie finden in der äuße-


ren Natur zwei Kontraste. Man muß diese Kontraste nur in ihrer
ganzen Eigentümlichkeit empfinden. Denken Sie einmal an den blauen
Himmel. Gewiß, der blaue Himmel kann, insbesondere in südlichen
Gegenden, in einer ganz ändern Weise beurteilt werden, als ich es
hier charakterisieren muß. Das ist dann der Fall, wenn die Erde ein-
gehüllt ist, gewissermaßen die Luftschichte der Erde durchdrungen ist
von Sonnenwirkung. Dann hat man nicht die reine Wirkung des bloß

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