Rudolf steiner



Yüklə 1,03 Mb.
səhifə9/22
tarix11.07.2018
ölçüsü1,03 Mb.
#55019
1   ...   5   6   7   8   9   10   11   12   ...   22
blauen Himmels, dann ist diese durch etwas anderes gewissermaßen

überzogen. Wenn man aber die reine Wirkung des blauen Himmels


hat, dann hat man eine Kältewirkung. Der blaue Himmel als solcher
wirkt kalt. Und das, was Sie empfinden können bei einem kalten
blauen Himmel, der nicht gemildert ist durch Erdenschwüle, das ist
im weiten Umkreise das Ahrimanische. Man möchte sagen, das
Ahrimanische bewirkt, daß der Raum in die Bläue erstarrt. Beachten
Sie diesen Ausdruck! Er hat allerdings etwas Ungewöhnliches, aber
wenn Sie nach und nach fühlen lernen, was das heißt, der Raum er-
starrt in die Bläue, dann haben Sie für die äußere Natur den ahrima-
nischen Einschlag.

Die Kontrastwirkung haben Sie, wenn Sie rötlich oder gelblich die


ziehenden Wolken erblicken. Es ist genau die entgegengesetzte Wir-
kung. Es hat etwas Warmes. Das kann natürlich auch da wiederum
durch die Kälte der Erdenumgebung kaschiert sein; aber im ganzen
hat die rötlich umsäumte Wolke, die gelbliche Wolke etwas Warmes.
Das ist die entgegengesetzte Wirkung; sie ist eine Luftwirkung. Zwi-
schen beiden polarischen Gegensätzen spielt sich dann ab, was eigent-
lich dem Erdenleben des Menschen frommt. So daß man sagen kann:
Der mittelalterliche Mensch dachte sich in dem Wirken des zur Bläue
erstarrten Raumes auf die Erde die kosmische Wirkung des Fürsten
dieser Welt.

Sehen wir dann in den Menschen hinein, dann haben wir in ihm


einen Zustand zu verzeichnen, durch den der Mensch blaß wird. Sie
wissen, das Blasse des Menschen hat immer etwas Fahles, Bläuliches.
Dieses Blaßwerden des Menschen, dieses Sich-Erfühlen in der Kälte,
das ist das Erfühlen der ahrimanischen Wirkung im Menschen, wäh-
rend die Gerötetheit das Luziferische in der Menschennatur ausmacht.
Erst wenn man aus allen diesen Einzelheiten zusammensetzt, was die
ahrimanische Wesenheit, die Wesenheit des Fürsten dieser Welt
eigentlich ist, bekommt man eine vollständige Vorstellung davon.
Dann wiederum, wenn man die blassen, manchmal so gescheiten, aber
immer linienhaften Gedanken des Menschen nimmt, wenn man das
eigentlich Intellektualistische nimmt, dann hat man wiederum in be-
zug auf die Kopfwirkung des Menschen das Ahrimanische, das des
Fürsten dieser Welt.

Diese Dinge müssen heute vom Geistig-Seelischen aus durchschaut


werden. Man muß fühlen in der Bläue, in dem menschlichen Blaß-
werden, in dem Sich-innerlich-Verzehren, Sich-kalt-Erfühlen, in dem
Durchdrungensein mit blassen abstrakten Gedanken, in all dem muß
man fühlen das Ahrimanische, die Herrschaft des Fürsten dieser Welt.
Und man muß die wärmende Wirkung des Christus-Impulses fühlen.

Es ist für die Gegenwart dieses Erkennen der einerseits ganz anders-


artigen Einweihung der alten Zeiten gegenüber unserem Einweihungs-
prinzip in einem gewissen Sinne lehrreich und auch notwendig. Es
ist ja einmal so, daß es durchaus schon Menschen in der Gegenwart
gibt, die nur noch nicht den Mut haben, zur anthroposophischen Be-
wegung heranzukommen, die aber eine tiefe Sehnsucht haben nach
demjenigen, was zuletzt doch nur die anthroposophische Bewegung
geben kann, nach dem Verwandeln der Seele, um erst nach der Ver-
wandlung zu den maßgebenden Erkenntnissen zu kommen. Natürlich
lehnt der größte Teil der heutigen Menschheit dieses Verwandeln der
Seele ab und glaubt, man könne zu dem, was der Mensch überhaupt
an Wissen erlangen kann, durch die gewöhnliche Seelenverfassung
kommen, die man durch die gewöhnliche Erziehung und durch das
gewöhnliche Leben erlangt. So sagte mir während meiner letzten Reise
ein Mann, der sich viel bemüht, aus den philosophischen Möglichkei-
ten der Gegenwart heraus, aber ohne Anthroposophie, zu einer Art
Erkenntnis zu kommen: Ja, es wäre doch an der Anthroposophie vor
allen Dingen interessant und wäre wichtig darzutun, wie diese höhe-
ren Erkenntnisse erlangt werden, denn überall - dieses «überall» ist
natürlich sehr relativ zu nehmen - träte in den heutigen Weltanschau-
ungen die Erkenntnis auf, daß es nicht allein vom Intellekt, sondern
vom Willen abhänge, ob der Mensch wirkliche Erkenntnisse erlangen
könne oder nicht. Und um die Umarbeitung des Willens handelte es
sich ja auch bei den alten Mysterien.

Wenn Sie nun nachsehen, was ich beschrieben habe von den alten


Mysterien in meinem Buche «Das Christentum als mystische Tat-
sache», dann werden Sie sehen, daß der durchgreifende, der radikale
Unterschied dieses alten Erkenntnisstrebens gegenüber dem heutigen
darin besteht, daß beim alten Erkenntnisstreben durchaus Vorberei-

tungen des Willens notwendig waren. Der Wille mußte eine andere


Richtung einnehmen, als er sie im gewöhnlichen Leben hatte. Der
Wille mußte gereinigt, geläutert werden, er mußte gewissermaßen sich
umwandeln und auf eine höhere Stufe kommen. Der Mensch mußte
sein weltliches Wollen, das unter der Herrschaft des Fürsten dieser
Welt steht, in eine andere Richtung bringen. Er mußte also erst durch
eine Willenskultur hinkommen an denjenigen Ort, wo man dann Er-
kenntnisse gewinnen kann, während der heutige Mensch glaubt, man
könne da stehenbleiben, wo man eben durch die gewöhnliche Erzie-
hung steht. Und das intellektuelle Leben ist ja nur vorhanden durch
die gewöhnliche Konfiguration des Gehirnes. Wird diese verweicht,
wie ich es angedeutet habe, dann tritt vor allen Dingen im Gehirn die
starke Möglichkeit auf, die Gedanken zu wollen, überall die Gedan-
ken zu wollen. Und wiederum wird das Wollen bewußt, indem der
Leib erstarrt; das heißt, es treten im Wollen selber Gedanken auf. Das
tritt auch heute auf, wenn auf den Wegen, wie sie von mir geschildert
worden sind, eben Erkenntnisse höherer Welten möglich geworden
sind.

Das ist ein sehr bedeutsames Zeichen, daß es heute schon wiederum


Menschen gibt, die davon durchdrungen sind, daß man mit dem
bloßen Intellektualismus nicht ausreicht, daß man eine Willenskultur
nötig hat, um zu den den Menschen möglichen Erkenntnissen zu kom-
men. Und so sieht man, wenn man auf die im großen einem ent-
gegentretenden Erscheinungen blickt, daß eben zahlreiche Menschen
herankommen, um von geistigen Dingen zu hören. Auch aus den
Dingen, die einem, ich möchte sagen, in den Zwischenzeiten vor das
Seelenauge treten, sieht man, daß es Menschen gibt, die nun wiederum
glauben, daß eine Willenskultur notwendig ist, um zur Erkenntnis zu
kommen. Alles das zeigt aber, daß heute ein starkes Bedürfnis nach
geistigem Leben vorhanden ist. Die Menschen glauben freilich, weil
sie nicht den Mut haben, zur Anthroposophie heranzukommen, weil
sie die Anthroposophie für etwas Absonderliches halten, auf allerlei
ändern Wegen das erreichen zu können, was sie eigentlich erstreben.
Es wird sich aber die Welt überzeugen müssen, daß es eben nur auf
anthroposophischem Wege erreicht werden kann. Das heißt, mißver-

stehen Sie mich nicht: Was bis heute schon als Anthroposophie her-


vorgetreten ist, will ich durchaus nicht als ein allgemein Gültiges, als
ein Selbstverständliches ansehen. Nur die Richtung, in der sich diese
Anthroposophie bewegt, die möchte ich als das Bedeutsame hinstellen
und als dasjenige, was eben zur Befriedigung der stark vorhandenen
Sehnsuchten in der Gegenwart führen kann, Sehnsuchten, ohne deren
Befriedigung einfach die Zivilisation der Menschheitsentwickelung
nicht weitergehen kann.

SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 12. Februar 1922

Wenn man solche Auseinandersetzungen macht, wie sie gestern hier


gepflogen worden sind, hat man natürlich nicht etwa immer im Sinne,
daß darin eine Aufforderung zur Übung nach der Richtung liegen
soll, auf die gedeutet wird in Hinsicht von Erlangung höherer über-
sinnlicher Erkenntnisse. Selbstverständlich liegt das auch darinnen,
aber indem solche Dinge mitgeteilt werden, handelt es sich auch
darum, daß sich eine Erkenntnis verbreitet von dem, was durch solche
Übungen zu höherer Erkenntnis erlangt werden kann. Und wer nun
erklärt, dies oder jenes ist möglich in bezug auf die Entwickelung des
Menschen, der erklärt ja dadurch etwas über das Wesen des Menschen
selbst. Hört man, daß ein Mensch, der eine Einweihung sucht, das
Seelisch-Geistige loslösen kann von dem Physisch-Leiblichen - ent-
weder in der Art, wie ich es gestern dargestellt habe, wie es in den
alten Mysterien geschehen ist, oder so, wie ich es, für die heutige Zeit
geeignet, gleich nachher andeutungsweise darstellen will -, hört man,
daß so etwas möglich ist, dann kann man eben wissen, daß das See-
lisch-Geistige ein selbständiges Wesen ist, welches sein Dasein über
das Leibliche hinaus hat. Man erlangt also aus den Mitteilungen, daß
es höhere Erkenntnisse gibt, Erkenntnisse über die menschliche Wesen-
heit selbst, und das ist es, was zunächst wesentlich ist für die Verbrei-
tung anthroposophischer Weistümer.

Ich habe gestern dargestellt, wie in den alten Mysterien das Kör-


perliche behandelt worden ist, damit dieses Körperliche die Seele nach
den beiden verschiedenen Richtungen hin freigeben konnte. Ich habe
gesagt, die beiden wesentlichen Dinge, auf die es ankam in den alten
Mysterien, waren: der Vergessenheitstrunk auf der einen Seite und
das Hervorrufen von angstartigen, furchtartigen, schreckartigen Zu-
ständen auf der ändern Seite. Der Vergessenheitstrunk bewirkte ja
allerdings, daß man die Erinnerung tilgte für alles, was zunächst aus
dem gewöhnlichen Erdenleben in dem Gedächtnisse darinnen war.
Aber dieses Negative war nicht die Hauptsache, sagte ich, sondern

die Hauptsache war, daß das Gehirn während des Mysterien-Erkennt-


nisprozesses gewissermaßen wirklich leiblich verweicht wurde, und
daß dadurch das Geistige, das sonst aufgehalten wird, nicht aufgehal-
ten wurde durch das Gehirn, daß es durchgelassen wurde, und daß
der Mensch dadurch gewahr wurde: Ja, ich habe ein ewiges Seelisch-
Geistiges, das vor der Geburt beziehungsweise vor der Konzeption
von mir vorhanden war.

Das andere ist, daß der übrige Organismus gewissermaßen erstarrte


unter dem Einfluß der schreckhaften Tatsache. Wenn aber der Orga-
nismus erstarrt, dann saugt er nicht, wie das sonst der Fall ist, das
Seelisch-Geistige auf, insofern sich dieses durch den Willen äußert.
Es zieht sich das erstarrte Körperliche sozusagen einerseits zurück von
dem Seelisch-Geistigen, und es wird andererseits das Seelisch-Geistige
dem Menschen wahrnehmbar. Durch die Erweichung des Gehirnes
wurde die Gedankenseite des Seelischen für die alten Mysterienschüler
wahrnehmbar. Durch die Erstarrung des übrigen Organismus wurde
die Willensseite wahrnehmbar. Und auf diese Weise bekam der
Mensch durch die Einweihung eine Vorstellung von seinem See-
lisch-Geistigen. Aber diese Vorstellung hatte einen durchaus traum-
haften Charakter. Denn was war es denn eigentlich, was einer-
seits nach der Gedankenseite, andererseits nach der Willensseite frei
wurde? Es war dasjenige, was aus geistig-seelischen Welten herunter-
steigt und sich mit dem Physisch-Leiblichen des Menschen verbindet.
Das wird erst durch den Besitz des Leibes fähig, sich der Sinne, sich
des Verstandes zu bedienen, denn dazu ist der Leib notwendig. Ohne
daß es sich des Leibes bedient, bleibt es traumhaft, bleibt es durchaus
dumpf, dämmerig. So daß also der Mensch, indem er durch die ge-
schilderten Vorgänge sein Seelisch-Geistiges losgelöst erhielt, dadurch
eben ein Traumhaftes erhielt, allerdings ein Traumhaftes, in welchem
in einer gewissen Weise durchaus ein gedankliches Element enthal-
ten ist.

Ich sagte schon gestern, würde der Mensch dies heute wiederum


ausführen, oder noch so ausführen wie früher, so würde das einen
krankhaften Zustand herbeiführen. Denn der Mensch ist im wesent-
lichen nach dem Mysterium von Golgatha in seiner Organisation so

fortgeschritten, daß das intellektuelle Leben sich gegenüber den frü-


heren, instinktiven Erkenntniszuständen verstärkt hat. Diese beson-
dere Verstärkung des intellektuellen Lebens ist insbesondere seit dem
15. Jahrhundert über die Menschheit gekommen. Es ist außerordent-
lich bedeutsam, daß auch noch während des ganzen Mittelalters die
Menschen gewußt haben, wenn sie zu höheren Erkenntnissen kommen
wollen, wenn sie überhaupt ein in gewissem Sinne höheres mensch-
liches Leben führen wollen, so ist dazu ein Loslösen des Seelischen
von dem Leiblichen notwendig.

Wir hätten wahrscheinlich eine Dichtung innerhalb der deutschen


Literatur über dieses mittelalterliche Wissen von dem Übersinnlichen,
über dieses mittelalterliche Verhältnis zu dem Übersinnlichen, wenn
Schiller dazugekommen wäre, sein von ihm projektiertes großes
Drama «Die Malteser» auszuführen. Es ist eine außerordentlich inter-
essante Erscheinung innerhalb des deutschen Geisteslebens, daß Schiller
vorhatte gerade in den Jahren, in denen der Malteserorden durch
Napoleon zugrunde gerichtet worden ist, ein Malteserdrama zu schrei-
ben, nämlich die Belagerung der Insel Malta durch die Türken und
die Verteidigung dieser Insel durch den Großmeister des Malteser-
ordens, La Valette. Schiller konnte offenbar dieses Drama nicht aus-
führen. Er hat dann den «Wallenstein» geschrieben, und die «Malte-
ser» liegen lassen. Wir würden, wenn die «Malteser» von Schiller aus-
geführt worden wären, ein Drama haben, aus dem deutlich ersichtlich
wäre, wie in einem solchen Orden - und die Malteser sind noch aus
den Vorgängen während der Kreuzzüge hervorgegangen -, der nach
außen hin eigentlich auf humanitäre Handlungen, auf Gemeinwirk-
samkeit, auf Wohltätigkeitswirksamkeit und so weiter eingerichtet
war, durchaus die Meinung herrschte, daß man so etwas nur vollfüh-
ren könne, wenn man zu gleicher Zeit in einem gewissen Sinne zu
einem höheren Leben aufsteigt.

Man hatte in der Zeit, in welcher der Tempelherrenorden und der


Johanniterorden - aus dem dann der Malteserorden geworden ist -
gestiftet worden sind, ja, auch noch während des ganzen Mittelalters
durchaus das Gefühl: der Mensch muß sich verwandeln, bevor er in
der richtigen Weise so etwas unternehmen kann. Es ist dieses ein Ge-

fühl gegenüber dem Menschenwesen, das eigentlich in der neueren


Zeit vollständig verlorengegangen ist, und das ist darauf zurück-
zuführen, daß eben der Intellekt des Menschen wesentlich intensiver,
stärker geworden ist, so daß der neuere Mensch ganz und gar intellek-
tuell ist, daß das Intellektuelle bei ihm ganz besonders vorliegt.

In unserer Zeit ist wiederum eine starke Sehnsucht bei den Men-


schen vorhanden, das Intellektualistische zu überwinden. Was heute
in der Literatur, namentlich im Journalismus hervortritt, spricht aller-
dings noch das Gegenteil aus, aber in den breiten Massen ist durchaus
eine Sehnsucht vorhanden, das intellektualistische Element zu über-
winden. Das zeigt sich insbesondere auch dadurch, daß nicht nur das
Reden über Spirituelles heute in den weitesten Kreisen außerordent-
lich gut einschlägt, sondern daß auch so etwas, was - wie unsere
Eurythmie - nicht aus Intellektuellem, sondern aus dem, was imagina-
tiv dem Menschenwesen zugrunde liegt, hervorgeholt wird, wenn es
auch noch nicht völlig verstanden wird, doch auf die weitesten Kreise
heute schon einen Eindruck macht. Denn das hat sich ja bei den letz-
ten Reisen, insbesondere aber bei der letzten Eurythmiereise gezeigt,
daß die Eurythmie einen außerordentlich starken Eindruck auch auf
diejenigen Kreise macht, die sie natürlich beim ersten Sehen, auf den
ersten Anhub, nicht in ihrem tiefsten Wesen durchschauen können,
die aber fühlen, daß da etwas ist, was aus tieferen Untergründen der
menschlichen Natur herausgeholt worden ist, was mehr ist als das
bloß Intellektualistische.

Nun, worauf beruht nun dieses Intellektualistische, das heute ganz


besonders dem Menschen eigen ist? Ich möchte Ihnen das wiederum
durch eine Art schematischer Zeichnung klarmachen. Ich sagte ge-
stern: Wenn wir das menschliche Gehirn nehmen (weiß), so können wir
uns vorstellen, daß durch dasjenige, was als der Vergessenheitstrunk
aufgefaßt worden ist, eben das Geistig-Seelische, das sonst vor dem In-
neren halt macht, das Gehirn durchdrang (rot), und daß durch den
alten Eingeweihten von innen herauf aufstieg das Geistig-Seelische durch
das präparierte Gehirn. -Der Intellektualismus von heute beruht ja dar-
auf, daß gegenüber dem älteren Menschen, sagen wir vor dem Myste-
rium von Golgatha, das Seelisch-Geistige beim heutigen Menschen

innerlich stärker, intensiver geworden ist. Der ältere Mensch hat über-


haupt nicht so viel Intellektualismus gehabt. Sein Seelisch-Geistiges
prägte sich nicht zu solchen scharfen Gedankenlinien aus, wie das
beim heutigen Menschen der Fall ist. Denn wenn man Intellektualist
ist, so denkt man ja alles in geraden Linien. So dachte der ältere
Mensch nicht. Der ältere Mensch dachte bildhafter, traumhafter, wei-
cher, möchte ich sagen. Beim heutigen Menschen sind die Gedanken
eckig, sind mit scharfen Konturen begabt. Aber dieser heutige Mensch
könnte, trotzdem sein Seelisch-Geistiges stärker geworden ist, als es in
älteren Zeiten war, dennoch nicht vom Seelisch-Geistigen aus diese
Gedanken fassen.

Verstehen wir uns recht, meine lieben Freunde. Der heutige Mensch


hat schon gegenüber dem älteren ein gut Stück seelisch-geistiger
Stärke. Er träumt nicht mehr so, wie der ältere Mensch geträumt hat,
er strafft sich in seinen Gedanken. Dennoch würden diese Gedanken
abgedämpft bleiben, wenn nur das Seelisch-Geistige beim modernen
Menschen wirken müßte. Eigentlich kann jetzt der Mensch noch
immer nicht von seiner Seele aus denken.

Was dem Menschen die Kraft des Denkens abnimmt, das ist der


Leib. Wenn wir zum Beispiel eine Sinneswahrnehmung haben, so ha-
ben wir sie allerdings mit dem Seelisch-Geistigen. Wenn wir sie dann
aber denken wollen, diese Sinneswahrnehmung, dann muß uns der
Leib helfen. Der Leib ist eigentlich der Denker. So daß also heute die
Sache so ist: Die Sinneswahrnehmung wirkt auf den Menschen, das
Seelisch-Geistige (rot oben) durchsetzt die Sinneswahrnehmung; aber
der Leib wirkt wie ein Spiegel und wirft fortwährend die Gedanken-
strahlen zurück (Pfeile). Dadurch werden sie bewußt. Also der Leib ist
das, was dem Menschen die Mühe des Denkens abnimmt, nicht aber die
Mühe der Sinneswahrnehmungen. Und wenn nach dieser Gedanken-
seite hin der Mensch heute nach einer Einweihung streben will, dann
muß er durch seine Übungen, die wir ja kennen aus «Wie erlangt man
Erkenntnisse der höheren Welten?» und aus dem zweiten Teil der
«Geheimwissenschaft im Umriß», das Seelisch-Geistige noch mehr ver-
stärken; dann bringt er es allmählich dahin, dieses Seelisch-Geistige in
sich so selbständig zu machen, daß es den Leib nicht mehr braucht.

Also verstehen wir uns richtig: Wenn heute im gewöhnlichen Leben


gedacht wird, dann ist allerdings das Seelisch-Geistige tätig. Vor allen
Dingen nimmt es die Sinneswahrnehmungen auf, aber es könnte nicht
diejenigen Gedanken entwickeln, die heute entwickelt werden. Daher
kommt der Leib und nimmt dem Menschen die Mühe des Denkens ab.
Im gewöhnlichen Leben denkt man durchaus mit dem Leib, der Leib
ist der Gedankenapparat. Wenn man die Übungen macht, von denen
in den genannten Büchern die Rede ist, dann wird die Seele durch
diese Übungen so stark, daß sie nicht mehr den Leib zum Denken
braucht, daß sie selbst denkt. Und das ist im Grunde die erste
Etappe der Entwickelung zum höheren Erkennen hin, daß das See-

lisch-Geistige anfängt, den Leib für die höhere Erkenntnis als das


eigentliche Denkorgan abzusetzen. Es muß nur immer wieder betont
werden, daß der Mensch, indem er zur höheren Erkenntnis, also zur
Imagination aufrückt, immer neben sich mit seinem gesunden Men-
schenverstand bleibt als einer, der sich selber kontrolliert, sich selber
kritisiert. Also man bleibt daneben derselbe, der man sonst auch im ge-
wöhnlichen Leben ist. Es entwickelt sich nur der zweite Mensch aus
dem ersten heraus, der dann fähig ist, nicht mehr mit Hilfe des Leibes,
sondern ohne die Hilfe des Leibes zu denken.

Also das, was sich als Geistig-Seelisches dem alten Mysterienschuler


offenbarte, das kam aus dem Leibe heraus, drang durch das Gehirn

durch und im Herausquillen gewissermaßen nahm es der Mensch


wahr. Das aber, was der Mensch heute wahrnimmt als ein Eingeweih-
ter, das ist verstärktes Denken, das nun ganz und gar nicht das Gehirn
in Anspruch nimmt. Während also der alte Mensch das, was er als
Geistig-Seelisches wahrnahm, aus seiner Organisation herauszog,
nimmt der Mensch heute das Seelisch-Geistige nach der Gedankenseite
hin so wahr, daß es in ihn hereindringt, wie Sinneswahrnehmungen in
ihn hereindringen. Der Mensch, indem er diese erste Stufe der höheren
Erkenntnis erklimmt, muß sich daran gewöhnen, zu sagen: Ich be-
ginne, mich selber meinem ewigen Seelisch-Geistigen nach wahrzuneh-
men, denn das dringt durch mein Auge, das dringt überhaupt von
außen in mich herein.

Ich habe bei einem öffentlichen Vortrag im Basler Bernoullianum


gesagt: Die Geisteswissenschaft in anthroposophischem Sinne muß das
Sinneswahrnehmen als ihr Ideal betrachten. Man muß vom Sinnes-
wahrnehmen weiterschreiten. Man darf nicht zurück zum traumhaf-
ten Erkennen gehen, sondern man muß zu einem klareren Erkennen
schreiten, als es dieses Wahrnehmen ist. Daher muß unser eigenes We-
sen an uns herankommen, wie die Farben und wie die Töne an die
Sinne herankommen.

Nun habe ich aber eigentlich zweierlei gezeichnet in dieser schema-


tischen Zeichnung. Also soll sowohl dies (siehe Zeichnung S. 101 unten),
wie dies (oben), das Seelisch-Geistige, eigentlich ein und dasselbe sein.
Das ist es auch, nur von zwei verschiedenen Seiten her. Wenn der
Mensch aus der geistig-seelischen Welt heruntersteigt zur physischen
Verleiblichung, dann ist sein Seelisch-Geistiges so, daß es gewissermaßen
für die seelisch-geistige Welt stirbt; indem der Mensch konzipiert wird,
sich zur Geburt anschickt, stirbt er für die geistige Welt. Wenn der
Mensch hier für die physische Welt stirbt, so wird er, indem er durch
die Pforte des Todes geht, für die geistige Welt geboren. Das sind nur
relative Begriffe. Stirbt man für die geistige Welt, wird man physisch
geboren; stirbt man für die physische Welt, wird man geistig geboren.
Tod in der physischen Welt bedeutet geistige Geburt, Geburt in der
physischen Welt bedeutet geistigen Tod. Das sind, wie gesagt, ja nur
relative Begriffe. Was da in der Seele auftritt, wenn sie hin zur Ge-

burt schreitet, das ist in der Tat etwas, was in der geistigen Welt nicht


Yüklə 1,03 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   5   6   7   8   9   10   11   12   ...   22




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə