Schizophrenie
Schizophrenie - Übersicht Was ist Schizophrenie ? Symptomatik Varianten Verlauf der Erkrankung Morphologie und Physiologie der Schizophrenie Auslöser Behandlung Empfehlungen für Literatur und andere Medien
Was ist Schizophrenie ? Benennung von Eugen Bleuler 1911, Schweizer Arzt Alternativ oft auch Psychose genannt Zusammengesetzt aus den Wörtern: - Schizo [griechisch], spalt..., gespalten
- Phrenos [griechisch] der Geist, das Bewusstsein
Fehlverstanden oft als gespaltene Persönlichkeit oder multiple Persönlichkeit - Unterscheidung:
- Multiple Persönlichkeiten haben 2 oder mehr Identitäten, die aber jede für sich gut angepasst und unauffällig ist
- Schizophrene haben nur eine Persönlichkeit die sich aber durch die Krankheit so verändert, dass die Person auffällig und unfähig wird ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen
Auftretenshäufigkeit: - 1% in allen Kulturen
- Männer erkranken leicht häufiger
- Höhere soziale Schichten seltener
Bedeutung der Schizophrenie 60 Mio Menschen Weltweit daran erkrankt 9 Mio davon werden durch die Erkrankung sterben !!!
Variantenreichtum: 3 Beispiele aus der klinischen Praxis - Ann 26 Jahre
- Richard 23 Jahre
- Laura 40 Jahre
Schizophrenie - Symptomatik
Symptombereiche der Schizophrenie Frühstadium Emotional Motorisch Denken Aufmerksamkeit und Wahrnehmung Alltagsfertigkeiten Residual- / Alterssymptome
Frühsymptome (Prodromalsymptome) einer Schizophrenie Gefühle von sozialer Unsicherheit, Sozialer Rückzug Über Wochen gedrückte Stimmung Schlafstörungen Gefühle von Lustlosigkeit, Antriebsstörungen Anspannung, Nervosität, innere Unruhe Gedanken geraten durcheinander, werden von anderen Gedanken unterbrochen Konzentrationsstörungen Erhöhtes Misstrauen, Reizbarkeit, vermehrte Konflikte Gefühle von Unwirklichkeit ("alles wie im Film") Erhöhte Licht- und Geräuschsempfindlichkeit Tendenz belanglose und zufällige Gegebenheiten auf sich zu beziehen Trugwahrnehmungen
Symptome aus dem emotionalen Bereich flacher Affekt unangebrachter Affekt Anhedonie (Unfähigkeit zum Genießen) Antriebsarmut Probleme beim Erkennen von emotionalen Gesichtsausdrücken und bei der Einschätzung von zu erwartendem Verhalten Widersprüchlichkeit der verschiedenen Ausdrucksebenen von Emotionen
Motorische Symptome einer Schizophrenie Verlust der Bewegungsspontaneität Gesten und Manierismen rituelle oder magische Handlungen katatone Rigidität bis Stupor Haltungsstereotypien Flexibilitas carea (wächserne Biegsamkeit) Aber auch katatone Erregung (hypermotorisch)
Katatone Symptome bei Schizophrenen
Störungen der Sprache und des Denkens Schnelle Themawechsel Unzusammenhängende Bemerkungen Gedankenabriss bis Blockierung Neologismen (Traurig + grausam = trauram) Perseverationen (Wiederholungen) Wahnvorstellungen Suizid bei 15% der Patienten
Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen Erhöhte Empfindlichkeit für Geräusche und optische Eindrücke - Überflutet werden der Sinne
- Es fällt schwer die Aufmerksamkeit auf etwas wichtiges zu richten
Halluzinationen - Meist auditorisch
- Stimmen die kommentieren, warnen oder anweisen
- Aber auch alle anderen Sinne
Gedankeninduktion, Gedankenentzug Störungen der Augenfolgebewegungen
Ausfall sozialer Fertigkeiten und Wegfall sozialer Kontakte Ausfall von Exekutiv- und Planungsfähigkeiten Schwere Verwahrlosung ist oft die Folge
Residual- (Rest-) Symptome einer Schizophrenie Meist Rückkehr zum Stadium der Frühsymptome Flacher Affekt „Merkwürdiges“ Verhalten Soziale Zurückgezogenheit Aber keine akuten Wahn- oder Halluzinationssymptome
Andere Unterteilung der Symptome Unterteilung in positive und negative Symptomatik Positiv = Produktiv also etwas das über das normale hinaus geht: - Halluzinationen, Wahn, inadequater Affekt
Negativ = Verlust von Funktionen im Vergleich zum Normalen: - Flacher Affekt, Konzentrationsstörungen, Spracharmut
Unterteilung für Diagnose und Medikation von Bedeutung
Varianten der Schizophrenie selten alle Symptome auf einmal evtl. nicht eine einzelne Erkrankung Schizophrenie mit vielen Varianten sonder verschiedene Erkrankungen gängige Unterteilung heute: - Paranoider Typus (Wahn + Halluzinationen)
- Desorganisierter Typus (Sprechen und Denken)
- Katatoner Typus (vor allem motorisch)
- Residualer Typus (Restsymptomatik)
Alternative Einteilung Typ I (positive Symptomatik) Typ II (negative Symptomatik) Unterscheidung gewinnt an Bedeutung für Prognose Behandlung und Ursachenforschung - Prognose bei Typ-I besser
- Typ I reagiert besser auf Medikamente
- Typ I eher biochemische Auffälligkeiten
- Typ II eher hirnanatomische Normabweichungen
Evtl. also zwei getrennte Erkrankungen
Verlauf der Erkrankung Krankheit verläuft immer in Schüben (floride Episoden) unterbrochen von relativ ruhigen Phasen (Residualphasen) 4 Verläufe - 25 % eine einzelne Episode ohne weitere Erkrankun
- 32 % mehrere Phasen ohne akute Residualsymptomatik
- 8 % mehrere Phasen mit konstanter Residualsymptomatik
- 35 % mehrere Phasen mit sich verschlechternder Residualsymptomatik
- Letzte Gruppe ist praktisch Lebenslang beeinträchtigt und muss i.d.R. hospitalisiert werden
Neurophysiologie der Erkrankung 1 Dopamin Aber bei Erkrankten wohl eher eine Überfunktion der Dopamin-Rezeptoren oder zu große Anzahl nicht zu viel Dopamin Dopamin-Unterfunktion führt zu Parkinson-Symptomen (Problem bei der Therapie) Kausaler Zusammenhang Dopamin -> Symptome ist noch nicht geklärt daher ist eine kausale Therapie noch nicht möglich
Neurophysiologie der Erkrankung 2 NMDA Relativ neue Theorie NMDA ist wichtigster Botenstoff im Gedächtnis- und Bewusstseinssystem des Gehirns NMDA und Dopamin stehen in reziprokem Zusammenhang (NMDA-Theorie beinhaltet auch die Dopamin-Theorie) Belege ergeben sich aus Beobachtungen: - Bei einer Narkose werden primär die NMDA-Rezeptoren ausgeschaltet Narkose kann Episode bei erkrankten auslösen
- NMDA-Agonisten lösen Krampfanfälle aus aber Krampfbehandlung ist wirksam bei Schizophrenie
Vorteile: - Erklärung des Zusammenhangs zu Stress und Erkrankung
- Erklärung sowohl negativer als auch positiver Symptome
- Neue Pharmakologische Therapien
Neuroanatomie der Erkrankung Vergrößerung des 3. Hirnventrikel vor allem bei Typ-II-Schizophrenie sowie Volumenverlust des Vorderhirns
Auslöser der Erkrankung 1 Endogene Ursachen: Hoher Anteil genetischer Verursachung - 1% Erkrankung in Grundpopulation unabhängig von Kultur spricht für genetische Ursachen
- 33-50% Erkrankung bei eineiigen Zwilligen schizophrener Patienten
- Weitere Belege aus der Endophänotypforschung:
- Aber keine 100%ige Vererbung also auch andere Auslöser nötig
Viruserkrankung - Januar und Februar sind überdurchschnittlich häufig die Geburtsmonate von Schizophrenen Patienten, also die Monate mit erhöhtem Infektionsrisiko
Auslöser der Erkrankung 2 Diathese-Stress-Modell: Man erbt ein Risiko für Schizophrenie Ob die Krankheit ausbricht wird von äußeren Faktoren vor allem von Stress bestimmt Belege: - Expressed Emotions sind bester Rückfallprädiktor bei Schizophrenen Patienten: In Familien ohne EE 12-15% Rückfall In Familien mit hohem EE 53-90% Rückfall
- Episoden einer Erkrankung geht häufig eine Zeit mit erhöhtem Stress voraus
- Kann gut mit der NMDA-Theorie erklärt werden, da Stresshormon Cortisol die Produktion von NMDA hemmt
Ältere Ansätze: - Schizophrenogene Mutter
- Double Bind
- Eigentlich alle wissenschaftlich widerlegt
Auslöser der Erkrankung 3 Drogen: Halluzinogene wie LSD, Cannabis oder Magic-Mushrooms shütten Dopamin im Gehirn aus und lösen so Halluzinationen und verfälschte Sinneswahrnehmungen aus Auch Amphetamine wie Speed oder Extacy wirken auf den Dopamin-Haushalt Bei Personen mit erhöhtem genetischem Schizophrenie-Risiko können diese Drogen eine Episode auslösen mit massiven Symptomen Bei regelmäßigem oder massivem Konsum kann es auch ohne genetisches Risiko zu Ausbruch einer drogeninduzierten Schizophrenie kommen Besonders gefährlich: Cannabis - Während Drogenpsychosen bei LSD von relativ kurzer Dauer sind können Cannabis-Psychosen bis zu einem Jahr anhalten und anschließend zu einer Residualsymptomatik führen
Behandlung 1 Psychopharmaka: Müssen in den meisten Fällen lebenslang genommen werden Vorsichtige Eindosierung ist immer nötig Problem ist die Mitarbeit der Patienten bedingt durch die Symptome der Krankheit Typika (Haldol, Chlorpromazin) - Wirken auf D2-Rezeptor
- Wirken vor allem bei Typ I
- Starke Nebenwirkungen (Tremor bis Rigor)
- Malignes Neuroleptisches Syndrom
- Spätdyskinesien (sehr ähnlich der Parkinsonkrankheit) bereits nach wenigen Jahren der Einnahme
Atypika (Clozapin, Risperdal) - Wirken jeweils zur Hälfte auf D1 und D2 Rezeptor aber blockieren diese nicht vollständig
- Weniger motorische Nebenwirkungen auch keine Spätdyskinesien
- Aber Gefahr von Agranulozytose (mehrere Todesfälle)
- Wirken auch bei Typ II
Behandlung 2 Aussichten für Psychopharmaka Zusammen mit der NMDA-Theorie hat man auch nach pharmakologischen Umsetzungen gesucht NMDA-Agonisten bergen zu hohes Krampfpotential daher für Behandlung unbrauchbar Zum Funktionieren der NMDA-Rezeptoren ist ein Stoff namens D-Glycoserine notwendig Gabe von D-Serine hat sehr große Erfolge bei der Behandlung von Schizophrenie gezeigt mit minimalen Nebenwirkungen Marktreife solcher Präparate in 5-10 Jahren
Behandlung 3 EKT – Elektrokrampftherapie Sehr umstrittene Therapie Unter Vollnarkose Auslösung eines epileptischen Anfalls Evtl. so eine Art „Reset“ des Gehirns Wirkt bei Schizophenie und Depressionen Kann aber zu kurzen Amnesien führen
Behandlung 4 Psychotherapie Nur in Maßen erfolgreich Am ehesten noch begleitend zu einer Pharmakotherapie Hospitalisation und Betreuung notwendig Suizidprävention Arbeit mit Angehörigen sehr wichtig
Weitere Informationen Gehirn und Geist, Ausgabe 4/2002 Meine Psychose, mein Fahrrad und ich – Zur Selbstorganisation der Verrücktheit (Fritz B. Simon) http://www.zebb.de http://www.kompetenznetz-schizophrenie.de http://www.psychosenetz.de Das weiße Rauschen (DVD/Video/Buch) A beautifull Mind (DVD/Video/Buch)
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