Seminar für allgemeine pädagogik


Begriffsklärungen im Umfeld von Kommunikation



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1.2 Begriffsklärungen im Umfeld von Kommunikation


Zeichen“ - „Symbol“ - „Mitteilung“(„Nachricht“) - „Botschaft“: Eine Mitteilung (Nachricht) ist, inhaltlich gesehen, Information; formal gesehen besteht die mündliche Mitteilung aus einer Kette von aneinandergereihten Zeichen (Lauten), die in ihrer Gesamtheit eine bestimmte (grammatikalische) Struktur besitzen. Sprachliche Zeichen werden durch die ihnen zugewiesenen oder unterlegten Bedeutungen, die dem unerschöpflichen Reservoir unserer Sprache entstammen, zu Symbolen. Alle gesprochenen Worte sind sprachliche Symbole.

Das Symbol ist ein einzelnes bedeutungshaltiges Zeichen. Mehrere solcher Zeichen, die zu einer Gesamtstruktur in einem oder mehreren Sätzen angeordnet sind, nennen wir Mitteilung (die, inhaltlich gesehen, eine bestimmte Information enthält). Man kann als Synonyma für die gesprochene Mitteilung auch von Rede oder von Nachricht sprechen, muß aber sicherstellen, daß die spezielle Bedeutung dieser Begriffe nicht Berücksichtigung findet (also z.B. Rede nicht als nur einseitige Kommunikation, Nachricht nicht als nur technisch übermittelte Kommunikation verstanden wird).



Das englische Wort message kann im Deutschen sowohl mit Nachricht als auch mit Botschaft übersetzt werden. Anders als im Englischen läßt sich im Deutschen die „Botschaft“ von der „Nachricht“ noch einmal in einem besonderen Sinn unterscheiden. In diesem engeren Verständnis ist die „Botschaft“ die bedeutungsvolle Nachricht, d.h. eine Nachricht, der ein besonderer Kontext zu Grunde liegt oder die über einen besonderen Aufforderungscharakter verfügt, der die normale Bedeutung der Aussage übersteigt. Ein Beispiel: Die Frage: „Wollen wir mal Blindekuh spielen?“ weckt auf einer Kinder-Geburtstagsparty“, die mit den entsprechenden Spielhandlungen verbundenen Erwartungen. Derselbe Satz während eines Flirts von einem jungen Mann an eine etwa gleichaltrige junge Dame gerichtet (man denke an den Primaner Hans Pfeiffer in dem Film „Die „Feuerzangenbowle“), weckt Empfindungen, die über ein Kinderspiel weit hinausgehen; die Frage enthält die Botschaft: „Willst du dich auf diese Weise etwas näher mit mir einlassen?“ In diesem speziellen Fall bedeutet Botschaft die besondere Qualifizierung einer Nachricht. Das kann ambivalente, aber auch positive Reaktionen hervorrufen. Werbespots (die einem anderen Kommunikationstypus angehören, als wir ihn hier behandeln) verkünden ihre Botschaften erfolgreich, wenn das beworbene Produkt dadurch höheren Absatz erzielt.

Sinn, Geltung und Erwartungswidrigkeit von Aussagen: Jede Mitteilung hat einen bestimmten Sinn, dessen Verständnis allerdings erst in einem Gesamtzusammenhang (einer Situation, eines Sachverhaltes, einer Idee u.a.) offenbar wird. Eine Mitteilung, die aus einem oder aus mehreren Sätzen bestehen kann, besitzt gegenüber einem einzelnen sprachlichen Symbol eine höhere Komplexität.

  • Sprachliche Symbole werden zu Aussagen, indem sie in Sätzen formuliert bzw. verstanden werden, d.h. selbst wenn der „Sender“ gleichsam in verkürzter Form ein „Au!“ oder den Ruf „Vorsicht!“ von sich gibt, setzt das Verständnis dieser Aussage die Satzstruktur voraus.

  • Aussagen erheben einen bestimmten Geltungsanspruch, der im allgemeinen von den Kommunikationspartnern nicht in Frage gestellt wird, aber ebenso Anlaß zur Diskussion bieten kann; auch Nonsens-Sätze haben einen Geltungsanspruch, nämlich nicht als „normale“ Sätze zu gelten!

Der Sinn einer Information wird nicht nur durch die Gesamtheit der übermittelten Symbole und deren Bedeutungshintergrund definiert, er erschließt sich auch durch die Art des Verhaltens, die der „Sender“ an den Tag legt. Ist dieses Verhalten diskrepant zu der „normalen“ Vorerwartung des „Empfängers“ (ist der „Sender“ z.B. besonders liebenswürdig, boshaft oder ängstlich), dann muß der Empfänger davon ausgehen, daß der Sinn der Information eine besondere „Botschaft“ offenbart, die eine andere als die normale Deutung (Entschlüsselung, „Decodierung“) des Gesagten verlangt. Im schlimmsten Fall muß der „Empfänger“ davon ausgehen, daß das vom „Sender“ Gemeinte das Gegenteil des Gesagten sei.

Ein besonderes Augenmerk wird der „Empfänger“ bei einem solchen Verdacht auf die Körpersprache des „Senders“ legen, also jenes Ausdrucksverhalten (Körperhaltung, Bewegung, Mimik, Gestik, Stimme), das die sprachliche Mitteilung begleitet. Es muß „stimmig“ sein mit der Vorerwartung des „Empfängers“ und der Bedeutung des Gesagten, wenn die Nachricht „normal“ verstanden werden soll. Ist die festgestellte Diskrepanz zwischen dem Was und dem Wie einer Mitteilung nicht ein einmaliger, jedenfalls in seiner Ambivalenz noch tolerierbarer Vorgang, sondern tritt wiederholt ein und ist ein chronisch gewordener Zustand, muß von einer Kommunikationsstörung gesprochen werden. Kommunikationsstörungen sind oft dadurch bedingt, daß Sinngebung des Senders und Sinnentschlüsselung des Empfängers diskrepant sind.



Was heißt Verstehen? Unsere Sprache besitzt Zeichen, die, mit Bedeutungen aufgeladen, in einer bestimmten Weise angeordnet und grammatikalisch korrekt, zu Aussagen in Form von Sätzen geformt werden. Von daher kann man Kommunikation auch als Austausch von sprachlichen Symbolen betrachten, der Verständigung ermöglicht. Was ist Verständigung? Auch dieser Begriff bedarf einerseits der Klärung, kann andererseits beim Versuch einer Definition sehr schnell einem infiniten Regreß, einer sich im Kreis drehenden Begriffsbegründung, zum Opfer fallen. Versucht man den Begriff des Verstehens auf verschiedene Alltagssituationen anzuwenden, ergeben sich vier verschiedene Bedeutungsakzente. Verstehen betrifft:

  1. Sprachliches Verstehen (einschließlich des Verstehens nonverbal übermittelter Bedeutungen);

  2. Zusammenhangsverstehen = Sachzusammenhänge einordnen können in die Wissensstrukturen, die unser Verständnis vom „Funktionieren“ der Realität prägen;

  3. Identifikation unter seinsbestimmtem Anspruch = einfühlendes Verstehen, d.h. sich Hineinversetzenkönnen in Personen, Sachverhalte, Situationen;

  4. Identifikation unter sollensbestimmtem Anspruch = sich identifizieren mit (oder distanzieren von) Werten, Normen, ethische Prinzipien, die das Handeln in der sozialen Welt bestimmen.

Im nachfolgend dargestellten Spiel „Sprachverwirrung“ (das von einer studentischen Seminargruppe durchgeführt werden kann) geht es um die Störung der Kommunikation lediglich auf der Ebene des sprachlichen Verstehens, während in der anschließend in Abschnitt 1.3 dargestellten Geschichte „Das Roastbeef“ insbesondere das Zusammenhangsverstehen und das einfühlende Verstehen durch eine Kette sich steigernder Mißverständnisse außer Kraft gesetzt werden.

Übung „Sprachverwirrung“: Es bilden sich vier Parteien A, B, C und D zu zwei Personen, die sich nochmals aufteilen in Sender und Empfänger (jeder Empfänger benötigt ein Blatt Papier und ein Schreibgerät); es bestreiten also vier Sender und vier Empfänger das Spiel, wobei vorausgesetzt wird, daß der - möglichst nicht zu kleine - Raum vier Ecken hat. Ein Sender und ein Empfänger von Partei A stellen sich in diagonal entgegengesetzten Raumecken auf. Ein Sender und ein Empfänger von Partei B stehen sich in derselben Raumdiagonalen ebenfalls gegenüber, und zwar so, daß der Sender von B neben dem Empfänger von A steht, während in der gegenüberliegenden Raumecke der Empfänger von B neben dem Sender von A steht. Die zweite Raumdiagonale wird vom Sender-/Empfängerpaar der Parteien C und D in gleicher Weise besetzt, so daß sich in allen vier Raumecken jeweils ein „feindlicher“ Sender und Empfänger nebeneinander befinden. Jetzt teilt der Spielleiter an die vier Sender einen Text (von etwa gleicher Länge) aus. Auf das Zeichen des Spielleiters („Los!“) soll jeder Sender seinen Text so laut und deutlich (mit Satzzeichen!) dem in der diagonal entgegengesetzten Raumecke befindlichen Empfänger zurufen, daß dieser ihn möglichst fehlerfrei aufschreiben kann. Die schnellste Partei, die zuerst mit dem Diktat fertig ist, erhält einen Bonus von 10 Punkten. Ist auch der vierte Sender fertig mit Diktieren, kommen alle acht Mitspieler zusammen. Anhand des Vergleichs mit den Originaltexten werden die Diktat-Fehler festgestellt, die bei der schnellsten Partei allerdings doppelt zählen. Ziel des Spiels ist eine möglichst geringe Fehlerzahl. Das ohrenbetäubende Tohuwabohu, das mit dem Übermitteln der vier verschiedenen Texte verbunden ist, löst deren Sinnstrukturen auf, führt zu Verfremdung, neuen Kontexten und Zusammenhängen.

Beispiel-Texte

(Text A) Triebmäßige Bedürfnisse und Forderungen der Umwelt prägen Bewußtsein und Verhalten der Menschen. Bedürfnisse und Forderungen bestehen jedoch nicht losgelöst voneinander, sondern sind von Beginn an miteinander verwoben. In der Interaktion zwischen Kind und Mutter bilden sich Einigungsformen heraus, wie das Kind seine Körperbedürfnisse einbringen und anmelden darf. Die Lebensgeschichte des Kindes wird zu einem Vorgang zunehmender Kanalisierung der kindlichen Bedürfnisse; die triebmäßigen Bedürfnisse werden durch Vermittlung der Mutter in die Forderungen der Umwelt eingefädelt. [J. Fritz, Methoden des sozialen Lernens. München 1978, S. 166]

(Text B) Wenn jemand zufällig in die kleine, kleine Stadt kommen und sich vielleicht, ehe er sich’s versieht, etwas zu weit in einen der Außenbezirke verirren sollte, da würde er die Villa Kunterbunt zu sehen kriegen. Nicht, daß etwas Besonderes an dem Haus zu sehen wäre, es war eine sehr baufällige alte Villa inmitten eines verwahrlosten alten Gartens: Aber der Fremde würde wohl stehen bleiben und wissen wollen, wer dort wohnt. Alle Menschen, die in der kleinen Stadt lebten, wußten natürlich, wer in der Villa Kunterbunt wohnte, und sie wußten auch, warum ein Pferd auf der Veranda stand. Aber jemand, der aus einer anderen Gegend kam, konnte es ja nicht wissen. [Astrid Lindgren, Pipi geht an Bord.]

(Text C) Auf dem furchtbaren Rückzug aus Rußland gelangte Napoleon an einem rauhen Wintertag an den Njemen. Er saß neben seinem Großstallmeister im Schlitten, und niemand von der Bevölkerung erkannte ihn. Es war Anfang Dezember, der schnell fließende Fluß war noch nicht zugefroren, der Schlitten des Korsen machte bei der Fähre halt. „Sind schon viele französische Deserteure über den Fluß?“ fragte der geschlagene Kaiser den Fährmann in galligem Ton. „Nein Herr“, entgegnete der, „Sie sind der erste!“ [H. Bethge, Napoleon. Berlin 1969]

(Text D) In der Zeit, als es noch Drachen gab, lag solch ein grausiges Untier im Schatterwalde zwischen Feldberg und Altkönig. Das Wild hatte sich längst aus dem Bergwinkel verzogen, denn das Ungeheuer fraß alles, was ihm in die grausamen Fänge geriet. Die Bauern ließen die Waldweiden unbenutzt liegen, weil immer wieder ein Rind oder ein Schaf verschleppt wurde. Als eines Tages sogar der Hirte verschwand, und man nur die furchtbare Fährte des Drachens am Weideplatz fand, wollte niemand mehr in den Wald gehen. Die Leute trieben ihr Vieh lieber im Tal auf die Weide. Von da an hielt sich der Lindwurm an die fremden Wanderer, die arglos über die Höhe kamen. [Aus: Taunussagen, von August Verleger, „Der Drachen im Schatterwald“]


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