Spoon river project



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fand sie gar kein Vergnügen, es ist wahr.

Sie sprach bloß immer wieder von der gewaltigen Kraft

Willard Shafers, von seiner Heldentat,

als er einmal bei George Kirbys Grundstück

eine Zugmaschine aus dem Graben hob.

So kam es, dass Jenny mein Vermögen erbte und Willard zum Mann nahm –

diesen Haufen Muskelfleisch mit der Seele eines Clowns!

58 Griffy der Küfer
Ein Küfer sollte sich mit Fässern auskennen,

Ich habe auch das Leben kennen gelernt.

Ihr, die ihr um diese Gräber herumsteht,

meint das Leben zu kennen,

meint vielleicht, dass eure Augen alles überblicken bis zum weiten Horizont.

Aber in Wirklichkeit seht ihr euch nur im Inneren eures Fasses um.

Ihr könnt euch nicht hinaufhieven bis zum Rand,

nicht die äußere Welt der Dinge sehen

und gleichzeitig euch selbst.

Ihr seid untergetaucht in dem Fass, das ihr seid. -

Tabus, Regeln, die äußere Erscheinung,

das sind die Dauben eures Fasses. -

Brecht sie auf und sprengt die verhexte Idee,

zu denken, euer Fass sei das Leben

und ihr wüsstet, was euer Leben sei.

59 A.D. Blood


Ein jeder hier denkt doch, dass ich gute Werke vollbrachte,

wenn ich die Kneipen schließen ließ, alle Kartenspiele verbot

und die alte Daisy Fraser vor Richter Arnett schleifte.

Manchen Kreuzzug habe ich geführt, der die Menschen reinigen sollte von ihren Sünden.

Warum lasst ihr zu, dass Dora, die Tochter der Hutmacherin

und der nichtswürdige Sohn Benjamin Pantiers

in der Nacht sich auf meinem Grab unheilig vergnügen, als wäre es ihr Kissen?

60 Dora Williams


Als Reuben Pantier abhaute und mich wegwarf,

ging ich nach Springfield. Da traf ich einen Säufer,

dessen Vater, eben gestorben, ihm ein Vermögen hinterließ.

Er heiratete mich im Suff.

Mein Leben war verpfuscht.

Ein Jahr verging, eines Tages fand man ihn, tot.

Das machte mich reich. Ich zog nach Chicago.

Später traf ich Tyler Rountree, diesen Schuft.

Ich zog nach New York. Ein Finanzhai mit grauem Haar

war verrückt nach mir, und mit ihm sein Vermögen.

Eines Nachts starb er in meine Armen, wisst ihr, -

(Jahre noch sah ich sein purpurfarbenes Gesicht vor mir) -

Das war beinahe ein Skandal.

Ich zog weiter, nach Paris dieses Mal. Ich war jetzt eine Frau,

voll Raffinesse und intrigant, ich kannte mich aus im Leben.

Meine schnuckelige Wohnung in der Nähe der Champs-Elysees

zog alle möglichen Leute an,

Musiker, Dichter, Dandys, Künstler, Leute von Adel,

da wurde Französisch und Deutsch, Italienisch und Englisch gesprochen.

Ich heiratete Graf Navigato, der aus Genua stammte.

Wir zogen nach Rom. Ich glaube, er hat mich vergiftet.

Jetzt liege ich auf dem Campo Santo, schaue hinaus

aufs Meer, wo der junge Kolumbus von Neuen Welten träumte.

Schaut, was sie eingemeißelt haben: Contessa Navigato,



flehe um ewige Ruhe!

61 Mrs. Williams


Ich war die Hutmacherin.

Man tratschte und log, was mich betraf.

Bin Doras Mutter.

Dass sie auf so seltsame Weise verschwand,

schrieb man ihrer Erziehung zu.

Ich habe den fixen Blick für die Schönheit,

habe manches gesehen, nicht nur Schleifen,

Locken und Federn,

Stroh und Filz,

um ein schönes Gesicht zur Geltung zu bringen,

schwarzes und goldenes Haar.

Eines sag ich euch

und eines frag ich euch:

Frauen, die Ehemänner ausspannen,

nutzen Puder und Strass

und modische Hüte.

Ihr Ehefrauen, tragt sie doch selber!

Hüte können zur Scheidung führen,

aber sie auch verhindern!

Und jetzt, lasst mich eine Frage stellen:

Wenn alle hier in Spoon River geborenen Kinder

der Bezirk hätte aufziehen lassen, irgendwo auf einem Hof,

und den Vätern und Müttern die Freiheit gegeben hätte,

zu leben und zu genießen, Partner zu tauschen nach Gusto,

denkt ihr, in Spoon River

wären wir schlechter dran?

62 William und Emily
Der Tod – er hat etwas

von der Liebe.

Wenn ihr mit jemand die Leidenschaft kennen gelernt habt

und die Glut jugendlicher Liebe,

dann empfindet ihr auch nach langen Jahren

zusammen das Niederbrennen des Feuers

und zusammen treibt es euch,

sachte und sanft, unmerklich zeitab,

als ob ihr aus eurem vertrauten Zimmer

Arm in Arm hinausginget.

So entsteht ein machtvoller Einklang zwischen den Seelen

wie in der Liebe.


63 Der Mobile Richter


Habt ihr beim Vorbeigehn bemerkt, wie Wind und Regen

in meinen Grabstein scharfkantige Löcher fraßen, so als ob

die unangreifbare Nemesis oder Hass

verewigt hätten, was gegen mich ging,

um Erinnerungen an mich nicht zu bewahren, sondern zu tilgen.

Im Leben war ich der Mobile Richter, entschied über Fälle

nach der Punktzahl, die die Anwälte jeweils erreichten,

nicht danach, was recht war und unrecht.

Wind und Regen, lasst doch meinen Grabstein, wie er ist!

Denn schlimmer als der Ärger dessen, dem Unrecht geschah,

schlimmer als die Flüche all dieser armen Teufel

war es, mit klarem Blick, aber der Sprache beraubt, hier zu liegen

und zu sehen, dass Hod Putt sogar, der Mörder,

den mein Spruch an den Galgen schickte,

verglichen mit mir in der Seele unschuldig war.

64 Der blinde Jack


Gefiedelt hatte ich den ganzen Tag auf dem Jahrmarkt.

Auf der Heimfahrt aber, ließen mich Macho Weldy und Jack McGuire,

beide sternhagelvoll, fiedeln und fiedeln, während sie

Susie Skinners Lied sangen und auf die Pferde einpeitschten,

bis sie ausbrachen. Blind, wie ich war, versuchte ich, gerade

als der Wagen in den Graben kippte, hinauszukommen,

fing mich in den Rädern und fand den Tod.

Hier unten gibt s einen anderen Blinden

mit einer Stirn so hoch und weiß wie eine Wolke.

Und wir alle, Musiker, Fiedler, Geschichtenerzähler,

berühmt oder nicht, sitzen zu seinen Füßen

und hören, wie er vom Untergang Trojas singt.

65 John Horace Burleson
Hier in der Schule,

gewann ich den Preis für den besten Aufsatz,

veröffentlichte einen Roman mit noch nicht fünfundzwanzig.

Ging in die Stadt, Themen zu finden, meine Kunst reicher zu machen,

heiratete eine Bankbesitzerstochter,

wurde später selbst Direktor der Bank. -

Immer suchte ich nach Muße,

wollte einen historischen Roman schreiben über den Krieg.

War derweil mit den Großen befreundet, liebte die Schönen Künste,

hatte Matthew Arnold und Emerson bei mir zu Gast.

Ich hielt Ansprachen nach einem Dinner, schrieb Aufsätze

für ortsansässige Vereine, zuletzt ... brachte man mich hierher,

in die Heimat meiner Kindertage ...

In Chicago gedenkt meiner nicht die winzigste Tafel,

um meinen Namen am Leben zu halten. -

Wie großartig ist es, diesen einzigen Verses erdacht zu haben:



Schick deine Wellen, du tiefer, dunkler, blauer Ozean, schick deine Wellen!

66 Nancy Knapp


Ja, seht, so ist es gekommen:

Mit seinem Erbteil kauften wir den Hof.

Seine Geschwister beschuldigten ihn, seinen Vater

gegen sie eingenommen zu haben mit Arglist.

So hatten wir mit unserem Schatz nie Ruhe.

Die Rinderpest kostete uns das Vieh, Missernten kamen

und in den Kornspeicher schlug ein Blitz.

Um weiterzumachen, verpfändeten wir den Hof.

Da wurde er schweigsam, kam nicht mehr heraus aus den trüben Gedanken.

Manche Nachbarn wollten mit uns nicht mehr sprechen,

ergriffen Partei für seine Geschwister.

Ich konnte nirgendwohin, so wie man früher im Leben

zu sich gesagt hätte:

Was solls? Irgendeiner wird mir schon helfen. Oder: Weg damit,

ich fahr dann mal nach Decatur!

Eine Ausdünstung von Panik breitete sich nun im Haus aus.

Da zündete ich die Betten an, und das alte Hexenhaus

ging auf in einem Feuersturm.

Und ich tanzte im Hof und schwenkte die Arme.

Er aber stand starr wie ein Ochse und weinte.


67 Barry Holden


Gerade im Herbst legte meine Schwester Nancy Knapp

Feuer an ihr Haus.

Man machte Dr. Duval den Prozess

wegen des Mordes an Zora Clemens.

Ich saß zwei Wochen bei Gericht

und hörte jeden Zeugen an.

Es war klar, er hatte nicht nur sie, sondern die Familie geheiratet.

Und ein Kind zur Welt kommen zu lassen,

das genügte eben nicht.

Was sollte ich da sagen, mit meinen acht Kindern,

und eines unterwegs, und der Hof

soll an Thomas Rhodes verpfändet werden?

Als ich heimkam an jenem Abend

(und mir die Geschichte von der Kutschfahrt angehört hatte

und wie Zora im Graben gefunden wurde),

sah ich als erstes direkt bei den Stufen,

wo meine Jungen nach Angelwürmern gehackt hatten,

die Axt!


Und als ich hineinging, stand da meine Frau,

direkt vor mir, hochschwanger,

und fing an über die verpfändete Farm zu reden:

Da brachte ich sie um.


68 Staatsanwalt Fallas


Ich schwang die Geißel, ließ die Waage kippen,

schlug zu mit Peitsche und Schwert;

Ich hasste alle Gesetzesbrecher,

stand unerbittlich und unversöhnlich zum Gesetz.

Ich brachte das Gericht so weit, Barry Holden, diesen Verrückten, zu hängen.

Aber ich war wie tot, geblendet vom allzu hellen Licht,

wachte auf und sah ins Gesicht der Wahrheit, das blutig war:

Eines Arztes Hand zog und zerrte mit einer stählernen Zange

an meines Sohnes Kopf, als er zur Welt kam.

Er blieb behindert. Ich wälzte wissenschaftliche Bücher,

damit ich mich um ihn kümmern konnte.

So wurde die Welt der geisteskranken Menschen

zu meiner Lebensarbeit, die mich ganz erfüllte.

Armer, um dein Leben betrogener Junge! Schließlich bist du Töpfer gewesen,

und all meine guten Taten

sind Gefäße von deiner Hand.


69 Wendell P. Bloyd


Zuerst warfen sie mir vor, ich störe die öffentliche Ordnung,

aber es gab kein Gesetz gegen Blasphemie.

Später sperrten sie mich ein, abgestempelt als verrückt.

Und ich wurde von einem katholischen Aufseher

solange geschlagen, bis ich tot war.

Woran er Anstoß nahm, war Folgendes:

Ich sagte: Gott belog Adam und bestimmte ihn

zu einem Leben als Narr,

da er nicht wissen sollte, dass das Böse genauso in der Welt ist wie das Gute.

Und als Adam Gott austrickste und den Apfel aß

und die Lüge durchschaute,

vertrieb ihn Gott aus dem Paradies, um zu verhindern,

dass er die Frucht des Ewigen Lebens pflückte.

Um Christi willen, Leute, die ihr hören könnt, hört,

was Gott selbst dazu sagte im Buche Genesis:

Und der Herr sprach: Siehe, der Mensch

ist geschaffen nach meinem Bilde (Habt ihr bemerkt, dass er ein bisschen neidisch ist?),

so wird er Gut und Böse erkennen (Da sieht man die Lüge, es gebe nur das Gute),

und damit er nicht die Hand ausstrecke und ebenso

nehme vom Baum des Lebens und davon esse und ewig lebe,

deswegen sandte ihn Gott hinaus aus dem Garten Eden.

(Ich glaube, der Grund, warum Gott seinen eigenen Sohn kreuzigte,

ist der, herauszukommen aus dieser elenden Verstrickung, denn das sieht ihm ähnlich)

70 Francis Turner


Als Kind

konnte ich weder rennen noch spielen.

Als Mann konnte ich nur an der Tasse nippen,

nicht trinken: der Scharlach hatte mein Herz dauerhaft krank gemacht.

Hier liege ich.

Ein Geheimnis, das nur Mary kennt, macht es leicht.

Es gibt einen Garten von Akazien

und Catalpa-Bäumen, anmutige Schattenplätze zwischen Reben ...

An jenem Nachmittag im Juni, dort,

dicht neben Mary,

küsste ich sie. Meine Seele lag auf meinen Lippen –

Da flog sie plötzlich davon.

71 Franklin Jones
Wenn ich noch ein Jahr hätte leben dürfen,

hätte ich meine Flugmaschine fertig bauen können

und wäre reich und berühmt geworden.

So ist es passend, dass der Steinmetz,

der mir eine Taube hätte meißeln wollen,

nur etwas zustande brachte, was wie ein Huhn aussah.

Denn wozu ist ein Huhn gut, als dass man ihm den Kopf abhackt?

Es rennt im Hof hin und her

und rennt auf den Tag zu, wo es auf den Block muss.

Der Mensch andererseits hat ein Engelshirn

und sieht die Axt schon von Anfang an!

72 John M. Church


Ich habe die Quincy-Eisenbahn in Rechtssachen vertreten

und die Indemnity Company, die die Eigentümer

des Bergwerks versicherte.

Ich zog die Drähte zu Richtern und Geschworenen

und den übergeordneten Instanzen, um die Ansprüche

der Krüppel, der Witwen und Waisen abzuschmettern.

So habe ich ein Vermögen verdient.

Der Berufsverband sang ein Loblied auf mich

mit hochtrabenden Worten.

Die Blumenspenden waren beträchtlich.

Aber mein Herz fraßen die Ratten,

und eine Schlange baute in meinem Schädel ihr Nest.

73 Die russische Sonja
Ich bin in Weimar geboren.

Die Mutter Französin, der Vater Deutscher, ein sehr gescheiter Professor.

Mit vierzehn Waise.

Ich wurde Tänzerin, bekannt als die russische Sonja

straßauf straßab in Paris,

Geliebte, zu Zeiten, verschiedener Herzöge und Grafen,

später von armen Künstlern und Dichtern.

Mit vierzig, lassen wir‘s gut sein, zog es mich nach New York.

Auf dem Schiff traf ich den alten Patrick Hummer.

Der hatte ein rotes Gesicht und war in Form, obwohl über sechzig.

Er hatte in Deutschland eine Schiffsladung Vieh verkauft

und kehrte zurück aus Hamburg.

Er brachte mich nach Spoon River, wir lebten dort

zwanzig Jahre. – Die hier dachten, wir seien verheiratet.

Auf dieser Eiche hier, nah bei mir, da tummeln sich

blaue Häher besonders gern und plappern und tratschen den ganzen Tag.

Und warum auch nicht? Sogar mein Staub lacht,

wenn er an den Witz denkt, der Leben genannt wird.

74 Barney Hainsfeather
Wenn der Zug, mit dem ich den Ausflug nach Peoria machte,

bloß entgleist wäre, wäre ich vielleicht mit dem Leben davongekommen ...

Sicher hätte ich mich retten können.

Aber er ging in Flammen auf. Und dann verwechselten sie mich

Mit John Allen, der kam auf den Jüdischen Friedhof

von Chicago.

John, nicht ich. Darum liege ich hier.

Schlimm genug war es, hier ein Bekleidungsgeschäft zu führen –

jetzt auch noch hier begraben sein – oh je!

75 Petit der Poet


Samen in trockener Schote, tick tick tick,

tick tick tick, wie wenn Milben sich zankten –

schwächliche Jamben, die eine volle Brise aufweckt –

aber die Fichte macht daraus eine Symphonie.

Triolett oder Villanelle, Rondel oder Rondeau,

Ballade – alles haufenweise und immer mit demselben alten Gedanken:



Schnee und Rosen von gestern sind verschwunden,

was ist die Liebe, wenn nicht eine Rose, die verblüht?

Alles ist Leben um mich herum hier im Ort,

Tragödie oder Komödie, Wert oder Wahrheit,

Mut, Standhaftigkeit, Heldentum oder Versagen,

alles findet sich im Webstuhl und, Gott, was für Muster!

Waldland, Wiesen, Flüsse und Bäche,

für all das war ich blind mein Leben lang.

Triolett, Villanelle, Rondel, Rondeau,

Samen in trockener Schote, tick tick tick, tick tick tick, was für kleinmütige Jamben,

während in den Wipfeln der Fichten Homer und Whitman tönten!


76 Pauline Barrett


Nach dem Messer des Chirurgen war ich fast nur mehr die Hülse einer Frau

und brauchte fast ein Jahr um wieder hineinzukriechen in meine Kraft.

Da dämmerte unser zehnter Hochzeitstag herauf

und fand, was mir mein Selbst schien, wieder.

Wir gingen zusammen im Wald spazieren,

auf Moos und Gras, ohne den Widerhall unsrer Schritte.

Doch ich konnte dir nicht in die Augen sehen.

Und du konntest mir nicht in die Augen sehen.

Denn so groß war unser Leid – dein Haar begann grau zu werden

und ich war nur noch eine Hülse meiner selbst.

Und worüber sprachen wir? – Über den Himmel, das Wasser,

über so vieles, doch fast nur, um unsere Gedanken zu tarnen.

Dann schenktest du mir wilde Rosen,

sie standen auf dem Tisch,

erwiesen unsrem Mahl die Ehre.

Armes Herz, wie tapfer hast du gekämpft,

dich zu erinnern an deine Begeisterung damals, sie dir vorzustellen, sie zu leben!

Als es dann Nacht wurde, wurde mir das Herz schwer und schwerer,

und du ließest mich eine Weile in meinem Zimmer allein,

wie damals, als ich deine Braut war, armes Herz,

und ich sah in den Spiegel, und eine Stimme sagte zu mir:

Wer nur mehr halb lebendig ist, sollte ganz tot sein,

sollte nicht mehr das Leben als Spott, die Liebe als Schwindel betreiben.

Und als ich dort in den Spiegel schaute, tat ich es. -

Hast du das jemals verstanden, Lieber?

77 Mrs. Charles Bliss


Reverend Wiley redete mir ein, mich nicht von ihm scheiden zu lassen,

um der Kinder willen,

und Richter Somers redete ihm dasselbe ein.

So steckten wir beide fest am Ende des Wegs.

Aber zwei der Kinder dachten, er habe recht,

und zwei der Kinder dachten, ich hätte recht.

Und die beiden, die zu ihm hielten, sagten, ich sei schuld,

und die beiden, die zu mir hielten, sagten, er sei schuld.

Und sie litten mit dem, zu dem sie hielten.

Alle erdrückte die schwere Bürde, ein Urteil fällen zu müssen,

und es quälte ihre Seele, dass sie nicht in gleicher Weise

aufschauen konnten zu ihm und zu mir.

Jeder Gärtner aber weiß, dass Pflanzen, die in Kellern wachsen,

andere unter Steinen, krumm sind, gelb und schwächlich.

Und keine kranke Mutter ließe ihr Kind

Milch trinken von ihrer Brust.

Priester und Richter reden dir ein, du sollst die Seele erheben

wo keine Sonne scheint, wo nur Zwielicht herrscht,

wo keine Wärme ist, nur die Kälte eines Verlieses. -

Priester und Richter!

78 Mrs. George Reece
Der Generation nach mir möchte ich sagen:

Lern ein Verslein auswendig, aus dem Wahrheit spricht oder Schönheit.

Es kann im Leben nützlich sein.

Mein Mann hatte nichts zu schaffen damit,

dass die Bank Bankrott ging, er war bloß Kassier.

Thomas Rhodes war schuld an dem Fiasko, der Präsident,

und sein eitler, skrupelloser Sohn.

Sie steckten aber meinen Mann ins Gefängnis,

da stand ich mit den Kindern allein da,

musste sie ich ernähren, kleiden, zur Schule schicken.

Das habe ich getan und sie dann rein und stark

hinaus geschickt in die Welt.

Das alles verdanke ich der Weisheit des Dichters Pope:

Tue recht, was dein Teil ist, nur darin kannst du Ehre gewinnen!

79 Rev. Lemuel Wiley


Viertausendmal habe ich gepredigt,

vierzigmal Erweckungsfeiern geleitet

und so manche getauft, die sich bekehrten.

Und doch strahlt keine meiner Taten

heller im Gedächtnis der Welt

und keine schätze ich höher:

Seht, ich habe Familie Bliss vor der Scheidung bewahrt

und die Kinder gerettet vor solchem Unglück,

dass sie wachsen konnten zu glaubenstreuen Männern und Frauen,

zu ihrem Glück und zum Ruhm unserer Ortschaft.

80 Thomas Ross, Jr.
Ich habe es ich mit eigenen Augen gesehen: Eine Klippenschwalbe

baute sich ihr Nest in eine Höhle, in einem Hang aus Ton,

drüben, nahe Miller’s Ford.

Aber kaum waren die Jungen ausgeschlüpft,

kroch eine Schlange hinauf zum Nest,

um die Brut zu fressen.

Da kämpfte die Schwalbenmutter mit schnellem Flügelschlag

und schrillen Schreien

gegen die Schlange,

traf sie mit den Flügeln, blendete sie,

bis sie schließlich sich wand und den Kopf einzog,

rückwärts den Abhang hinunter kollerte

und im Spoon River ertrank.

Kaum eine Stunde war vergangen,

als ein Würger die Schwalbenmutter auf einem Dorn aufspießte.

So ging es mir: Ich überwand meine schwächere Natur,

nur um vom Ehrgeiz meines Bruders vernichtet zu werden.
81 Rev. Abner Peet
Ich hatte durchaus keine Einwände,

als mein Hausstand auf dem großen Platz

versteigert werden sollte.

Ich liebte meine Gemeinde und gab ihr Gelegenheit,

etwas von dem sich anzueignen, was vormals mir gehörte,

und sich so an mich zu erinnern.

Aber diese Truhe, die zu Burchard,

dem Schnapshändler weggebracht wurde, -

habt ihr gewusst, dass in ihr die Manuskripte

alle Predigten lagen, die ich jemals hielt? -

Er hat sie verbrannt, wie Abfall.

82 Jefferson Howard


Ich habe tapfer gekämpft! Ich sage: tapfer,

mit dem Glauben meines Vaters, der aus Alt-Virginia stammte:

er hasste die Sklaverei und genauso den Krieg.

Ich war voll Unternehmungslust, Mut und Kühnheit:

So fand ich mich mitten im Leben, hier in Spoon River,

wo andere Kräfte das Sagen hatten:

Neuengland-Leute, Republikaner, Kalvinisten, Kaufleute, Banker,

die mich hassten, aber immerhin Angst vor mir hatten, denn ich war stark.

Ich hatte Frau und Kinder, nicht immer leicht zu lenken,

und doch entsprungen meiner Leidenschaft zu leben.

Sie maßten sich seltsame Vergnügungen an, das schadete meinem Ruf,

Bosheit wuchs heran, die ich nicht gesät hatte.

Ich war der Kirche feind, dieser feuchten Gruft voller Leichen,

freute mich am Zusammensein mit anderen Menschen in der Kneipe,

war in Schicksale verstrickt, die mit mir nichts zu tun hatten,

wurde im Stich gelassen von Händen, auf die ich zählte.

Dann, gerade als ich merkte, dass ich, trotz meiner Riesenkräfte,

nur mehr stoßweise atmen konnte, da sah ich,

wie meine Kinder ihr Leben in fremden Gärten abspulten, ...

Da stand ich allein, so allein, wie ich war, als alles begann.

Tapfer habe ich gelebt! Aufrecht bin ich gestorben,

trotzte dem Schweigen und fand mich ab mit der Aussicht,

dass keiner meinen Kampf zu würdigen wüsste.

83 Albert Schirding


Jonas Keene dachte, er habe ein hartes Los,

weil seine Kinder alle Versager seien.

Ich aber kann erzählen von einem Schicksal, das noch schlimmer ist:

nämlich selbst ein Versager zu sein, während die Kinder erfolgreich sind.

Ich habe eine Schar Adler aufgezogen,

die schließlich weggeflogen sind, ich blieb zurück,

eine Krähe auf einem verlassenen Zweig.

Da erwachte mein Ehrgeiz, ein Honorable

vor meinen Namen setzen zu lassen

und mir so die Bewunderung meiner Kinder zu erkaufen.

Ich bewarb mich um die Stelle der Obersten Schulaufsicht,

gab alles Ersparte aus – es gelang mir nicht.

In jenem Herbst bekam meine Tochter einen ersten Preis

in Paris für ihr Gemälde Die Alte Mühle.


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