Wörtliches Protokoll


Hatzl (unterbrechend): Herr Landeshauptmann, bitte beachten Sie: Sie haben noch zwei Minuten Redezeit! Lhptm Dr Michael Häupl



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Hatzl (unterbrechend): Herr Landeshauptmann, bitte beachten Sie: Sie haben noch zwei Minuten Redezeit!

Lhptm Dr Michael Häupl (fortsetzend): Ich denke, sehr viel: Wien hat sich seit Beginn aktiv an der Debatte über die Zukunft Europas beteiligt und sich sowohl innerösterreichisch als auch auf europäischer Ebene engagiert. Wien hat seine Positionen in einer großen Zahl gemeinsamer Zusammenarbeitsmöglichkeiten und gemeinsamer Arbeiten eingebracht. Anzuführen sind etwa die Landeshauptleutekonferenz und die Landtagspräsidentenkonferenz in Österreich; auf europäischer Ebene der Ausschuss der Regionen, der Rat der Gemeinden und Regionen Europas, die Konferenz der europäischen regionalen gesetzgebenden Parlamente, die Versammlung der Regionen Europas, das Städtenetzwerk "EUROCITIES" sowie die Vereinigung der Hauptstädte der Europäischen Union, in der Wien die Initiative ergriffen hat, einen eigenen Beschluss über gemeinsame Positionen zur Debatte über die Zukunft der Europäischen Union zu verabschieden. Die Europakommission hat darüber hinaus im Sinne einer öffentlichen Debatte am 8. Oktober 2002 eine Enquete mit österreichischen Vertretern im Konvent durchgeführt. Weitere Veranstaltungen werden folgen.

Wir - und da meine ich die Vertreter der Wiener Landesregierung - als politisch Verantwortliche werden uns, so wie wir das schon bisher getan haben, weiterhin mit unseren Partnern und Freunden in den anderen Mitgliedstaaten insbesondere für folgende Anliegen einsetzen: die Schaffung - und dies ist aufgrund meiner bisherigen Ausführungen wohl nicht verwunderlich - einer Sozialunion und damit einhergehend die Absicherung der Leistungen der Daseinsvorsorge, um den Zugang aller Bürger und Bürgerinnen zu qualitativ hohen Leistungen auch künftig zu gewährleisten; die Anerkennung des Prinzips der lokalen Selbstverwaltung und damit die stärkere Einbindung der Städte und Regionen in die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union mit dem Ziel der weiteren Demokratisierung der Union; die Anerkennung und Förderung der Städte als die Motoren der Wirtschaftsentwicklung, gerade im Hinblick auf die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Wien und der Sicherung des europäischen Gesellschaftsmodells; die Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; die Sicherstellung des Respekts vor der nationalen Identität und damit auch vor den regionalen und lokalen Identitäten - und damit die Anerkennung der Vielfalt der Kulturen Europas; und schließlich eine Rechtsvereinfachung der bestehenden Verträge und damit einhergehend eine nachvollziehbare Kompetenzordnung, damit ersichtlich ist, wer wofür politisch verantwortlich ist.

Präsident Johann Hatzl (unterbrechend): Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen!

Lhptm Dr Michael Häupl (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich freue mich daher besonders, dass es nach intensiven Beratungen in der Europakommission gelungen ist, erstmals eine gemeinsam von allen Fraktionen getragene Europadeklaration auszuarbeiten. Ich brauche daher nicht näher auf die Inhalte dieser Europadeklaration des Wiener Landtags einzugehen. Ich möchte an dieser Stelle den Damen und Herren Abgeordneten aller Fraktionen, die daran mitgewirkt haben, dass diese Europadeklaration gemeinsam zustande gekommen ist, insbesondere dem Vorsitzenden der Europakommission, Abg Mag Andreas Schieder, danken und deutlich hervorheben, dass dieser gemeinsame Konsens und die, wie ich hoffe, einstimmige Verabschiedung durch den Wiener Landtag ein deutliches Signal nicht nur gegenüber der Wiener Bevölkerung ist, sondern auch vor allem ein deutliches Signal an unsere Partner und Freunde in den anderen Mitgliedsländern, dass Wien und die politisch Verantwortlichen in dieser Stadt bereit und willens sind, auch weiterhin, wie bisher, aktiv und engagiert am europäischen Einigungswerk im Rahmen unserer Möglichkeiten mitzuwirken. - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP, bei Abgeordneten der GRÜNEN sowie des Abg Mag Hilmar Kabas.)

Präsident Johann Hatzl: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für den Bericht.

Wie Sie wissen, bestimmt die Geschäftsordnung, dass bei der nun folgenden Besprechung kein Redner öfter als zweimal und mehr als insgesamt 20 Minuten sprechen darf. Ausgenommen von dieser Beschränkung sind der Landeshauptmann und die zuständigen Mitglieder der Landesregierung; deren Redezeit ist pro Wortmeldung mit 20 Minuten beschränkt.

Wir kommen nun zur Besprechung der Mitteilung. Als erster Rednerin erteilte ich Frau Abg Dr Vana das Wort.

Abg Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Die GRÜNEN freuen sich, dass wir heute nach monatelanger Vorlaufzeit eine Europadeklaration verabschieden können. Wir freuen uns auch über die Einstimmigkeit in dieser Frage. Diese Einstimmigkeit in europapolitischen Fragen ist ja keine selbstverständliche. Die Einstimmigkeit soll auch nicht über die grundsätzlichen Unterschiede in unseren europapolitischen Positionen hinwegtäuschen, zum Beispiel in der Frage der Erweiterungsvorbereitung, in der Frage der Zuwanderung von Arbeitskräften, aber auch in wirtschaftlichen Fragen, in Fragen der Liberalisierungstendenzen in Europa. Aber diese Deklaration ist sicher ein Beispiel für eine sehr gelungene interfraktionelle Zusammenarbeit, die von Konsens getragen ist. Wir sehen zwar, dass sie der kleinste gemeinsame Nenner ist, der hier möglich war, sie ist aber trotzdem eine Deklaration mit Substanz: mit Substanz, weil sie Wien im europäischen Einigungsprozess nicht nur geographisch, sondern auch politisch in ein Zentrum rückt beziehungsweise rücken will, weil sie ein Bekenntnis zu einer aktiven Stadtaußenpolitik ist und weil wichtige Punkte, auch solche, die die GRÜNEN eingebracht haben, darin vorkommen. - Ich glaube, ich muss ein bisschen leiser reden, denn das Mikrophon ist sehr schlecht. Es hallt sehr wider - jedenfalls höre ich das so. Ist das nicht unangenehm für Sie? - Okay.

Ich möchte auch wegen dieser Einstimmigkeit heute das Gemeinsame über das Trennende stellen und die Punkte, die uns GRÜNEN europapolitisch wichtig sind und die sich auch in unserer Deklaration wieder finden, kurz ansprechen.

Wir verabschieden diese Deklaration zu einem aktuellen Zeitpunkt. Sie haben sicher die Medienberichte seit gestern verfolgt: Es tagt heute und morgen der EU-Konvent, der ja auch für Wien - das hat der Herr Bürgermeister schon angesprochen - essentielle Bedeutung hat, weil er die Rolle der Städte essentiell aufwerten will, aber auch, weil er sich sehr für eine europäische Demokratie und eine europäische Sozialunion einsetzt. Dieser Konvent tagt aber unter sehr turbulenten Vorzeichen, denn der Konventspräsident Giscard d' Estaing hat gestern Vorschläge präsentiert, die die großen Staaten eindeutig bevorzugen, die einen Rückfall in das 19. Jahrhundert bringen würden, die das Europäische Parlament, auch die Europäische Kommission, von der eigentlich wesentliche europapolitische Impulse ausgehen, wesentlich entmachten, und er will einen hauptamtlichen Ratspräsidenten und ein so genanntes Politdirektorium einsetzen, was dem Geiste dessen, von dem der Konvent eigentlich getragen ist, nämlich eine Vereinfachung der Verträge und eine größere Handlungsfähigkeit in einer erweiterten Union zu bringen, völlig widerspricht und eigentlich von einer breiten Mehrheit nicht nur der Konventsmitglieder, sondern auch der Mitgliedstaaten abgelehnt wird.

Dass diese Vorschläge des Konventspräsidenten gestern so in Bausch und Bogen abgelehnt wurden, ist eigentlich ein europapolitischer Eklat und zeigt, in welch tiefer Krise diese Europäische Union steckt, in einer tiefen Krise, die mit dem Debakel um die nicht gemeinsame Irak-Politik, dem Nichtfinden einer gemeinsamen Stimme gerade in der Außen– und Sicherheitspolitik offensichtlich wurde.

Wir finden diese Entwicklung sehr, sehr schade, wir finden sie sehr, sehr besorgniserregend, und wir stehen auch nicht an, hier den deutschen Außenminister Joschka Fischer zu kritisieren, der eigentlich auch dem Geiste der zunehmenden Integration widerspricht, weil er gerade in Militärfragen und Sicherheitsfragen ein so genanntes Kerneuropa propagiert und Initiativen gesetzt hat, wonach einige wenige Staaten unter Federführung von Deutschland und Frankreich eigentlich nicht mehr Integration, sondern weniger Integration wollen.

Die GRÜNEN lehnen diese Pläne des Auseinanderdriftens der Staaten, gerade auch des Auseinanderdriftens mit den Erweiterungsstaaten, ab und sehen das als sehr, sehr besorgniserregend an. Wir wollen, dass Europa mit einer Stimme spricht. Wir wollen, dass es auch in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme spricht. Wir wollen, dass es nicht nur in Wirtschafts- und Währungsfragen, wie es bisher der Fall ist, mit einer Stimme spricht, sondern dass es vor allem auch in sozialen Fragen mit einer Stimme spricht.

Deshalb ist uns GRÜNEN auch die Entwicklung einer Sozialunion und einer europäischen Demokratie das wesentlichste Anliegen. Wenn wir das nicht schaffen, wenn der Konvent hier nicht erfolgreich ist – und es steht an der Kippe –, dann werden unsere Bemühungen um eine weitere Integration scheitern, und wir werden einen Rückfall erleiden. Das ist schlecht für Europa, das ist schlecht für Wien, vor allem ist es schlecht für die 450 Millionen Bürger und Bürgerinnen, die eigentlich von der Europäischen Union vertreten werden sollten.

Ich würde mir hier auch mehr Reformeifer der Bundesregierung wünschen, die, so scheint es, im europapolitischen Koma liegt, wahrscheinlich deshalb, weil sie seit der Hereinnahme der Freiheitlichen in die Bundesregierung nicht gerade ernst genommen wird auf europäischer Ebene. Man hat hier völlig versagt, nicht nur in der Erweiterungsvorbereitung, sondern auch in den Fragen der Beneš-Dekrete, in der Frage von Temelin und jüngst in der Frage des Transitvertrages. Hier wäre in jedem Fall mehr drinnen gewesen, doch hier hat die Bundesregierung wieder einmal – um es sehr freundlich auszudrücken, denn, wie gesagt, ich will ja heute das Gemeinsame über das Trennende stellen und nicht polemisieren; das wäre nicht dem Anlass entsprechend – eine Chance vertan, gerade im Hinblick auf die Erweiterungsvorbereitung, bei der Österreich sich nicht nur geographisch, sondern eben auch politisch ins Zentrum hätte rücken sollen und ein positiver politischer Dialog mit den neuen Beitrittsländern geführt hätte werden sollen. Das Gegenteil ist leider passiert. Alte Gräben wurden aufgerissen, und es ist sehr schade, dass Österreich so überhaupt keine Rolle spielt in diesem Erweiterungsprozess und überhaupt im Prozess der Reform der Europäischen Union.

Ich möchte aber nun kurz auf die Punkte eingehen, die wir in die Deklaration eingebracht haben, die den GRÜNEN sehr wichtig sind. Da steht an erster Stelle die Bildung einer europäischen Sozialunion und die Entwicklung von europaweiten sozialen Mindeststandards. Hier hat es nicht immer Einigkeit gegeben unter unseren Fraktionen, deshalb freue ich mich besonders, dass die sozialen Mindeststandards in die Deklaration aufgenommen werden konnten, denn wir denken, dass Europa ohne eine Sozialunion nicht denkbar ist. Eine politische Union ist nicht denkbar ohne eine Sozialunion. Wir sehen Rekordarbeitslosigkeit in fast allen europäischen Ländern, wir sehen steigende Armut, vor allem von Frauen in allen europäischen Ländern, wir sehen auch gemeinsame arbeitsmarktpolitische Probleme.

Das heißt, hier unterstützen wir massiv die Anliegen des Arbeitskreises Europas, der sich im Rahmen des EU-Konvents gebildet hat. Er wurde unter Federführung von Johannes Voggenhuber propagiert und eingesetzt und sieht die Hereinnahme der Vollbeschäftigung als Ziel der Beschäftigungspolitik der Europäischen Union vor. Wir unterstützen das sehr. Wir halten das Ziel der Vollbeschäftigung allerdings für ein bisschen mangelhaft, weil Vollbeschäftigung nichts darüber aussagt, ob Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Ich weise da auf die wachsende Tendenz zur Atypisierung von Beschäftigungsverhältnissen in ganz Europa hin, was vor allem ein ernsthaftes Problem für Frauen ist und die Grundlage für steigende Armut in Europa bildet.

Aus diesem Grund war uns auch wichtig, das Ziel der Existenzsicherung von Arbeitsplätzen in dieser Deklaration zu verankern und insbesondere auch für forcierte Maßnahmen für Frauenbeschäftigung und für die Beschäftigung älterer Menschen zu sorgen und dies in der Deklaration zu verankern.

Leider sieht ja die Realität in Österreich anders aus. Obwohl wir gerade hier so klare Worte gefunden haben, ist die Politik der Bundesregierung bekanntermaßen eine andere, und auch in Wien schaut es nicht immer ganz so gut aus mit Wien als sozialer Stadt, wenn ich zum Beispiel an die Tariferhöhungen, die wir gestern im Bäderbereich oder vor kurzer Zeit im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs erlebt haben.

Der zweite uns wichtige Punkte – das wurde auch von Bgm Häupl angesprochen – ist eine Intensivierung der Beitrittsvorbereitungen. 2004 werden zehn Länder der Europäischen Union beitreten, an vier davon grenzt Österreich. Die Unterzeichnung der Beitrittsakte am 16. April 2003 war nicht der Schlusspunkt in einer langen Reihe von Verhandlungen, von jahrelangen schwierigen Verhandlungen, sondern ist für Wien eigentlich der Anfang, der Anfang dafür, sich jetzt bewusst zu werden, dass eine schwierige harte Phase realpolitischer Integration bevorsteht, in der eine politische und auch soziale Demarkationslinie überwunden werden muss, in der ein Wohlstandsgefälle zu unseren Beitrittsnachbarn und  nachbarinnen überwunden werden muss. Und dies wird nicht gehen ohne forcierte Bemühungen, ohne verstärkte Bemühungen, hier Netzwerke zu bilden, Kooperationen zu bilden, vor allem im Arbeitsmarktbereich, vor allem im Sozialbereich, vor allem auch im Frauenbereich, damit Frauen und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht wieder die Ersten sind, die unter die so genannten Räder kommen.

Denn manchmal kommt mir schon vor, wir diskutieren jetzt im Vorfeld der Erweiterung in einer Art Goldgräberstimmung, in der wir nur die Aktienkurse und die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer heimischen Betriebe im Auge haben – es ist sicher auch wichtig, hier auf den Wirtschaftsstandort Österreich, auf den Wirtschaftsstandort Wien zu achten, keine Frage –, aber das Soziale und das Arbeitsmarktpolitische verlieren wir dabei total aus den Augen. Es hat auch in den jahrelangen Beitrittsverhandlungen überhaupt keine Rolle gespielt, weil eben das Gemeinschaftsrecht hier leider zu wenig Grundalge bildet. Wenn Wien sich als soziale Stadt jedoch ernst nimmt, wenn wir den positiven politischen Dialog und die Sozialunion, wie es Bgm Häupl angesprochen hat, ernst nehmen, müssen wir auch in diesem Bereich die Kooperationen verstärken.

Ich finde es deshalb sehr schade, dass gerade die sozialdemokratische Fraktion den damaligen grünen Vorschlag eines grenzüberschreitenden territorialen Beschäftigungspaktes abgelehnt hat. Ich denke, das wäre sehr wichtig gewesen, insbesondere deshalb, weil wir zur Vorbereitung der Beitritte, zur Vorbereitung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dringend in Arbeitsmarkt und Bildung, insbesondere in den Grenzregionen – und Wien ist eine Grenzregion – investieren müssen. Ich freue mich, dass ansatzweise diese Idee in der Deklaration jetzt vorkommt, finde es aber trotzdem schade, dass die Sozialdemokratie hier anscheinend auch dem Druck der Gewerkschaften – sagen wir, der eigenen Gewerkschaft – nachgibt und die Arbeitskräfte, die im Zuge der Erweiterung zu uns kommen werden, eher als Eindringlinge sieht und nicht auch als Chance für die Wienerinnen und Wiener.

Die GRÜNEN haben ja bekanntlich in der Frage der Übergangsfristen am Arbeitsmarkt einen abweichenden Standpunkt zu allen anderen Parteien hier im Haus. Wir sind gegen die sieben Jahre Übergangsfrist, wir halten diese für zu lang.

Wir halten es auch für schade, dass die Chance vertan wird, ein Grundrecht, das die Menschen in der Europäischen Union eigentlich seit 1957, seit den Römer-Verträgen, genießen sollten, nämlich die Freizügigkeit in diesem so genannten vereinten Europa, durchzusetzen, und dass man zwar Waren aller Art, Autos, LKWs und alle diese Dinge mit der EU-Erweiterung hereinlässt und hereinbittet – das ist auch gut so –, aber die Menschen und vor allem die Arbeitskräfte eigentlich draußen lässt. Das finden wir schade, das finden wir nicht richtig. Wir würden uns wünschen, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus verschiedenen Ländern nicht gegeneinander ausgespielt würden, sondern dass mehr in Arbeitsmarkt und Bildung investiert würde, um diese Übergangsfristen verkürzen zu können. Wir Grünen denken, es ist möglich, wir Grünen denken, es würde keine – wie sagte Arbeiterkammerpräsident Tumpel – Überrollung – von Völkerwanderung hat er auch unlängst gesprochen – über uns hereinbrechen, wenn wir die Grenzen auch für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen schon mit Inkrafttreten der Beitritte öffnen würden.

Es muss eben nur mehr getan werden, und zwar gerade für jene Menschen, die – zu Recht oder zu Unrecht – glauben oder befürchten, Verlierer oder Verliererinnen des Beitritts zu sein, nämlich vor allem natürlich für ArbeitnehmerInnen in bestimmten Branchen in den Grenzregionen wie Bau, Handel, Gastronomie. Da müssen wir uns gar nichts vormachen. Aber glauben Sie, dass Sie das Problem lösen, indem Sie die Grenzen abschotten und bis 2011 warten und hoffen, dass dann alles vorbei ist oder dass Sie es politisch nicht mehr verantworten müssen, weil Sie dann ja nicht mehr im Amt sind?

Wir Grüne halten das für die falsche Strategie und werden alles dazu tun, dass der Wiener Arbeitsmarkt so weit gerüstet ist, dass wir die Übergangsfristen von sieben Jahren gegebenenfalls verkürzen können, wie es ja das Europarecht dankenswerterweise vorsieht. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt, von dem uns sehr freut, dass er in dieser Deklaration, die wir heute verabschieden, so prominent und so ausführlich vorkommt, ist das Bekenntnis zur öffentlichen Daseinsvorsorge, die Kritik an den GATS-Verhandlungen und auch die Kritik an den europäischen Wettbewerbsregeln. Wir sagen hier heute sehr klar – und der Satz gefällt mir sehr gut –, dass europäische Wettbewerbsregeln und auch GATS die Möglichkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht in Frage stellen dürfen und dass Wien alles dazu tut, auch im Rahmen seiner Stadtaußenpolitik alles dazu tun wird, um diese Verhandlungen zu stoppen und die öffentliche Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand auch zu sichern.

Wir halten die Frage von GATS nicht nur für eine wesentliche wirtschafts- und sozialpolitische Frage, sondern überhaupt für eine der wesentlichen demokratiepolitischen Fragen, vor denen wir stehen – und das gilt auch für die Zukunft –, denn wenn wir dieses "Match um die Welt" – so haben es die Grünen einmal genannt und dazu auch eine Kampagne gemacht – verlieren, dann brauchen wir uns um eine Demokratisierung der Europäischen Union nur mehr sehr wenige Gedanken zu machen, denn dann läuft die Politik einfach ganz woanders, und zwar nicht gerade unter demokratischen Vorzeichen, sondern in der WTO, in der Welthandelsorganisation, wo eigentlich jetzt schon die wesentlichen politischen Weichenstellungen, wie eben GATS, vorgenommen werden, und dann sind EU-Konvent und Europäische Union eigentlich ein Nebenschauplatz.

Denn wenn es so weit ist, dass die öffentliche Hand, dass ein Staat, dass Regionen, dass Kommunen nicht mehr Auflagen – sagen wir im sozialpolitischen Bereich, im beschäftigungspolitischen Bereich, im umweltpolitischen Bereich – für Unternehmen, für private Unternehmen zum Beispiel, erteilen dürfen, dann hat sich die ganze Politik ad absurdum geführt, und ich glaube, dass diese Gefahr real immer noch sehr, sehr unterschätzt wird und dass darüber öffentlich leider sehr, sehr wenig diskutiert wird.

Die Grünen haben versucht, dieses Thema in der Öffentlichkeit gemeinsam auch mit den Globalisierungskritikerinnen und  kritikern zu forcieren. Es ist leider immer noch viel zu wenig bekannt, was die realen Folgen von GATS und den weitergehenden europäischen Wettbewerbsregeln wären. Wir würden uns daher auch wünschen, dass die Stadt Wien hier noch mehr tut, um die Bevölkerung darüber zu informieren.

Allerletzter Punkt – der Herr Bürgermeister hat es schon angesprochen, und es hat auch sehr prominenten Raum in der Deklaration – sind die Handlungsspielräume der Städte, sind die Handlungsspielräume von Wien und die Aufwertung der Städte im erweiterten Europa. In Städten leben zwar 80 Prozent der Menschen, und die meisten sozialen Probleme, verkehrspolitischen Probleme, Integrationsprobleme manifestieren sich in den Städten. Städte haben aber an sich als Gremium keinerlei oder wenig Mitwirkungsrechte im Rahmen des Institutionengefüges der Europäischen Union. Daher unterstützen wir alle Bemühungen des Bürgermeisters – wie wir es zum Beispiel in der Frage des öffentlichen Personennahverkehrs getan haben –, Städtekooperationen, Städtenetzwerke zu bilden, um hier gemeinsame Städtepositionen zu vertreten.

Wir würden uns nur wünschen, dass auch im Landtag, im Gemeinderat, auch in der Europakommission lebendigere, vor allem häufigere Debatten zu diesen Themen stattfinden würden, denn wir haben ein bisschen den Eindruck, dass die Stadtaußenpolitik des Bürgermeisters – die wir, und das möchte ich noch einmal betonen, in den meisten inhaltlichen Fragen durchaus unterstützen – ein bisschen hinter verschlossenen Türen gemacht wird und dass zum Beispiel zu den stadtaußenpolitischen Leitlinien, die verabschiedet werden, eigentlich keinerlei Debatte im Landtag oder im Gemeinderat stattfindet, dass diese Leitlinien zum Beispiel nur von der Landesregierung verabschiedet, aber nicht im Landtag diskutiert werden.

Wir würden uns auch wünschen – wir haben das schon einmal angeregt –, dass wir, ähnlich wie es auf nationaler Ebene im Rahmen des Mitbestimmungsrechtes des Hauptausschusses des Nationalrates geschieht, Sie, Herr Bürgermeister, und gegebenenfalls natürlich auch die anderen Stadträte und Stadträtinnen an europapolitische Positionen binden können, zum Beispiel bevor Sie entsprechende Positionen im Ausschuss der Regionen oder in den Städtenetzwerken vertreten. Sie wissen, wir haben eine ähnliche Regelung auf nationaler Ebene, wir haben ähnliche Regelungen und Möglichkeiten auch in anderen Landtagen, es wäre schön, wenn wir das in Wien auch vorsehen könnten. Die Grünen werden in Kürze eine Initiative dazu starten, weil auch das der sogenannten ...

Landtagspräsident Johann Römer (unterbrechend): Frau Dr Vana, Sie haben noch eine Minute, bitte.

GRin Dr Monika Vana (fortsetzend): ... Demokratisierung, der Sie, natürlich auch von uns unterstützt, das Wort reden und die Sie forcieren, sicher gut tun würde und generell zu einer Belebung der europapolitischen Debatte führen würde.

Ich komme daher zum Schluss. Wir unterstützen die einstimmige Deklaration vorbehaltlos. Ich habe deshalb, trotz der fundamentalen Unterschiede, die es in europapolitischen Positionen gibt, heute auch auf billige Polemiken verzichtet. Wir unterstützen das klare Bekenntnis zu einer aktiven Stadtaußenpolitik und hoffen, dass den schönen deklaratorischen Worten auch Taten folgen werden – nicht nur in Wien, sondern auch von der Bundesregierung. Ich hoffe, dass Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, die Sie hier diese wunderschöne Deklaration auch unterzeichnen, das auch an die eigenen Mitglieder in der Bundesregierung weitertragen. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

Landtagspräsident Johann Römer: Als nächster Redner ist Herr Abg Prochaska gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Abg Johannes Prochaska (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Wiener Landtages!

Nach diesem zeitweiligen Ausflug ins Reich der Phantasie darf ich Sie aufrufen: Zurück zur Zukunft!, denn es erübrigt sich im Allgemeinen, die Wunschvor-stellungen der Frau Dr Vana über eine Pariarolle Österreichs in Europa im Einzelnen zu widerlegen. So erfolgreich waren Ihre Sanktionsdenunziationen denn doch wieder nicht, dass sie uns in diese Rolle gebracht hätten.

Ganz im Gegenteil. Österreich hat in den letzten Wochen beim Sammeln der Kleinen gegen die Hybris der Großen beachtliche Erfolge erzielen können und auch in den Reisen in die Nahostländer vor Ausbruch des bedauernswerten Irak-Krieges hat Österreich durchaus nicht die Rolle des Statisten, sondern die Rolle des Tragenden dort innegehabt. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber das ist nicht Gegenstand der heutigen Debatte. Reden wir wieder einmal über Europa, meine Damen und Herren. In Abständen von durchschnittlich drei Jahren, einmal kürzer, befasst sich der Landtag, manchmal auch der Gemeinderat, mit diesem wichtigsten Zukunftsprojekt. Nicht dass ich glaube – seien wir ehrlich –, dass die Staatskanzleien von London bis Rom jetzt in nervenzerreißender Spannung auf unsere Enunziationen warten werden, aber es ist gut, weil wir uns selbst zwingen, über Europa nachzudenken und Europa auch zu definieren, denn nur im Gespräch befassen wir uns wirklich mit dem Begriff Europa, mit dem Umfang und mit dem Inhalt, was gemeint ist.

Was verkörpert dieses Europa? Ist es ein Sammelsurium von bald 25 Staaten, eine Kakophonie, wo jeder etwas anderes will und dann traurig ist, dass wir keine einheitliche Politik zusammenbringen, oder ist es doch mehr, dieses Europa? Wo endet dieses Europa, meine Damen und Herren? Bald an der polnischen Ostgrenze oder doch beim Ural? Endet es an den Mittelmeerküsten oder geht es bis in den Mittelmeerraum hinaus? Lässt es sich geographisch festmachen oder ist Europa auch dort, wo unsere Geisteswelt, unsere ethischen Normen und unsere Wertvorstellungen mitgetragen werden und zum Teil vorherrschen? – All das sind Fragen, die wir nicht hier, und schon gar nicht in einer zeitbegrenzten Debatte lösen und beantworten werden können, die aber schlagend werden, je weiter der Erweiterungsprozess fortschreitet.

Widmen wir uns, meine Damen und Herren, diesen Fragen wirklich oder steckt auch bei uns noch das Teilungsdenken zumindest im Hinterhirn, das Teilungsdenken einer tatsächlich sehr lange existierenden Grenze des 20. Jahrhunderts, wo der westliche Teil Europas sich freiwillig einer Supermacht über dem Atlantik verbunden gefühlt hat, von dort materiell gestützt und militärisch geschützt wurde, der andere Teil Europas unfreiwillig dem realen Sozialismus unterworfen worden war, politisch und militärisch, nicht in den Köpfen, wie die Aufstände von Berlin 1953, von Budapest 1956, von Prag 1968 und in Polen ab den achtziger Jahren zeigen? Sind diese Grenzen wirklich aus unseren Köpfen verschwunden oder prägt der unglückselige Ausdruck – er ist heute Gott sei Dank noch nicht gefallen, aber in den früheren Deklarationen war er vielfach drinnen – "Osterweiterung", dieser Ausdruck, der auch ein wenig Überheblichkeit beinhaltet, nicht immer noch unser Denken? Ostgrenzen, Furcht, Minenfelder, Stacheldraht, Schussbefehl, Wachhunde, Wachtürme – all das ist mit diesem Begriff verbunden, und ich glaube, dass wir es nicht ganz überwunden haben.

Ich habe hier einen hervorragenden Zeugen, den sehr anerkannten und sehr klugen tschechischen Botschafter Jirí Gruša, der anlässlich einer sehr gelungenen Veranstaltung der Europäischen Akademie in Floridsdorf gesagt hat: Also wenn sich wirklich der Osten erweitern wollte, müsste ich ein Gegner dieses Projekts sein.

Oder lassen Sie mich – gerade weil die Verhältnisse zu unserem nördlichen Nachbarn nicht immer ganz komplikationslos und einfach sind – einen anderen tschechischen Politiker zitieren, den Christdemokraten Cyril Svoboda, der auch Außenminister der Tschechische Republik ist, der gesagt hat, er möchte weder von Ost- noch von Westerweiterung etwas hören, es ist einfach die Heimkehr in die Familie der entwickelten, zivilisierten Staaten.

Ich glaube, das alles sollten wir in uns aufnehmen und wirklich jedweden Schritt vermeiden, der die unglückselige Spaltung in den Hirnen irgendwie noch in einer anderen Form festschreibt oder tradiert.

Auch Versuche aus Übersee, meine Damen und Herren, zwischen einem alten müden und einem neuen kriegslüsternen Europa zu unterscheiden, sind zurückzuweisen. Es muss diesem Kontinent gestattet sein, aus der blutigen Geschichte von zwei Weltkriegen, von sieben-, dreißig- und hundertjährigen Kriegen, die wir geführt haben, gelernt zu haben, dass der Krieg kein sonderlich glückhaftes Mittel der Fortsetzung der Politik jemals war oder sein wird. (Beifall bei der ÖVP sowie von Lhptm Dr Michael Häupl und Abg Heinz Hufnagl.)

Zum Konvent möchte ich mich nicht im Einzelnen äußern. Wir sind dort sehr bunt vertreten. Ich möchte ein Zitat des Herrn Landeshauptmannes aufgreifen, der von der kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält, gesprochen hat. In diesem Fall stimmt es vielleicht sogar, dass in unserer kleinen EU-Konvents-Welt die große EU-Konvents-Welt, also in der internen die externe ihre Probe halten kann.

Meine Damen und Herren! Nun zur Deklaration selbst. Diese hält ausdrücklich fest an der Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten. Ich halte das für besonders betonenswert, und wir können es nicht oft genug und nicht laut genug sagen. Sie hält fest an der Verbesserung der Mitentscheidungsverfahren. Sie haben auch unsere volle Unterstützung für die Stärkung der Rolle der Städte. Städte, Kommunen sind wichtige, sind unverzichtbare Partner – auch schon aus demographischen Gründen, lebt doch bei weitem der Mehrheit der Europäer in ihnen – in der Verwirklichung eines echt vereinten Europas. Daher ist jede Initiative zu fördern, die dem Subsidiaritätsprinzip auf allen Ebenen zum Durchbruch verhilft.

Ich freue mich – das sei mir durchaus erlaubt –, dass ein grundlegendes Prinzip der Christdemokratie, nämlich die Subsidiarität, völlig unbestritten Eingang in Dokumente findet. Ich erinnere mich an frühere Zeiten im Bundesjugendring, als ein gewisser Josef Cap immer höhnend gesagt hat: Wie heißt das Subserl, das ihr da immer habt? – Also heute ist es bekannt und wird von allen mitgetragen.

Nicht ganz so freudig, wie Sie sich vorstellen können, stimmen wir jenem Teil der Deklaration zu, der sich mit der Sozialunion befasst. Nicht, weil wir etwas gegen eine Sozialunion hätten, sondern weil in diesem Kapitel, meine Damen und Herren, mehrheitlich die Sorgen und Ängste der Gemeinwirtschaft wiedergegeben werden und zum Teil ein Popanz aufgebaut wird und Ängste geschürt werden – ohne Rücksicht auf die reale Situation. Das erinnert mich ein bisschen an die Unart nach den ersten Jahren des Beitritts, als alle Benefits und Goodies hausgemacht waren, und alles, was grauslich war, ist von diesen Brüssler Bürokraten hereingekommen. Man hat das sehr geschickt gespielt: Wir waren immer die Guten, und die dort waren immer die Bösen, und man hat sie ganz gern auch als Alibi gebraucht. (Lhptm Dr Michael Häupl: Das kennen wir in Österreich auch!) Ja freilich, darum sind wir auch gute Europäer. (Lhptm Dr Michael Häupl: Ja, eben!)

Meine Damen und Herren! In diesem Kapitel wird alles und jedes als gefährdet erklärt. Wenn man den Wasserhahn aufdreht, wird wahrscheinlich irgendein böser Konzernherr herausträufeln, wenn man die Tramway erklettert, ist der Sitzplatz schon von einem gewissen Shareholder Value weggenommen. Und so ist alle gefährdet: der Zugang zur Naherholung, der Kindergarten, die Sicherheit, der Katastrophenschutz, die Freizeit, die Bildung, die Entsorgung von Müll und Abwasser und so weiter und so fort. Also für den freien Zugang zu den Erholungsflächen bedurfte es nicht der Segnungen des Kommunalsozialismus, das hat schon Kaiser Joseph II. getan, indem er den Prater nicht nur seinesgleichen vorbehalten hat.

Meine Damen und Herren! Nichts – nichts! – ist unantastbar und tabuisiert in einer modernen Gesellschaft, abgesehen davon, dass einiges von dem zum Mörderbegriff hochstilisierten Kürzel GATS gar nicht berührt ist, abgesehen davon, dass etliches ohne die Einbringung privater Anbieter, ohne die Mitwirkung verschiedenster Organisationen, Vereine und Verbände von der Kommune allein flächendeckend gar nicht mehr geleistet werden könnte. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass nur der den Leistungswettbewerb scheuen muss, der nicht wettbewerbsfähig führen kann. Oder sagen wir es ein bisschen deutlicher: Lassen Sie sich nicht selbst ins Bockshorn jagen von ein paar Privilegienstadln, und die sich in den Winkerln der Kommunalmonopolisten eingenistet haben. Der einzige wirkliche Gegner – das hat einmal ein Vertreter bei einer gemeinwirtschaftlichen internationalen Konferenz gesagt – der öffentlichen Daseinsvorsorge ist die Gemeinwirtschaft selbst oder – sagen wir es noch konkreter – sind ihre reflexartigen und dabei trotzdem unreflektierten Verteidiger.

Das einzige Ziel, meine Damen und Herren, das wir anerkennen, das alleinige Ziel, das wir anerkennen, ist die bestmögliche Versorgung der Bürger und sonst gar nichts! Wer immer sie auch leistet. (Beifall bei der ÖVP.)

Darum habe ich mich ein bisschen ärgern dürfen, dass ganze drei Seiten unserer Deklaration für die Pflichtübung für die Parteilinke bereitgestellt wurden, während den Hausaufgaben gerade die Hälfte davon vorbehalten war. Dabei umfasst diese Preparity-Studie 24 Seiten der Auswirkungen für Wien, und sie enthält drei Seiten Hausaufgaben, die wir auch noch zu leisten haben, Empfehlungen, was wir leisten könnten. Es ist mir nun schon klar, dass bei einem nach außen gerichteten Dokument keiner hineinschreibt, was er selber schon alles hätte tun können oder tun sollen, zumindest nicht in großer Ausführlichkeit, ich glaube aber doch, dass es eine etwas geglücktere Gewichtung der beiden Kapitel geben hätte können, als es tatsächlich der Fall ist.

Jedenfalls ist – und darauf können wir stolz sein – seit 1967, als die letzte Europadeklaration verabschiedet wurde, einiges geschehen, und Sie werden einsehen, dass ich vor allem meiner Stadträte dabei gedenke. Ich darf an Peter Marboe erinnern, der die bisher einzige Konferenz aller Kulturverantwortlichen aller europäischen Großstädte eingeladen hat, ich darf daran erinnern, dass Bernhard Görg bei der Städtekooperation nicht nur an Bratislava, sondern auch an Brünn gedacht hat, was mir jetzt ein wenig vernachlässig vorkommt, um das sehr sanft auszudrücken. Es wurde nicht angeknüpft.

Und noch etwas ist wichtig, meine Damen und Herren. Wir sollten nicht in der Arroganz des Hauptstadtdenkens verharren. Prag und Budapest bemühen sich ununterbrochen in einer anderen Liga zu spielen, und zum Teil haben sie den Eingang in Berlin und London und Paris schon gefunden. Für die Mittelstädte – und das sind nach österreichischen Begriffen ohnehin schon riesige Großstädte, denn was bei uns eine Mittelstadt ist, ist mancherorts eine Marktgemeinde – in Europa sind wir immer noch das goldene Tor zum Westen. Die setzen sich wirklich in einen Bus und fahren 20 Stunden, um hier dann auszusteigen und dieses Wien, das ihnen ein tradierter Begriff ist und immer war, dieses Wien, das in Köpfen und Herzen sozusagen auch den Kommunismus überdauert hat, voll aufzunehmen.

Daher würde ich mich freuen, wenn auch von anderen Parteien – den Sozialdemokraten brauche ich es nicht zu sagen, sie sind international ziemlich rührig – Kontakte zu ähnlich gelagerten Gruppierungen in diesen Städten der Region und darüber hinaus geknüpft werden könnten.

Mein Klub, der Klub der Volkspartei, wird Anfang Mai eine zweitägige Konferenz in Bratislava abhalten. Der Kollege Walter Strobl leitet heuer wieder eine bildungspolitische Europakonferenz, die nahezu alle zwei Jahre in Wien stattfindet und bei der Träger dieser Bildungseinrichtungen aus allen Beitrittswerberländern, auch aus jenen, die erst 2007 oder 2010 dazustoßen werden, in Wien anwesend sind.

Seien wir also nicht zaghaft und warten wir nicht, bis wir geholt werden, um dann gnadenspendend – und dazu neigen wir auch, Herr Landeshauptmann – ein paar Weisheiten als Know-how herunterbröseln zu lassen, weil wir als ehemalige Hausherren Europas doch immer sehr gefragt sind. Gehen wir aktiv auf die neuen Partner zu! Hören wir ihnen genau und ohne Überheblichkeit zu! Wir werden schauen, denn wir können auch von ihnen eine Menge lernen, Vergessenes lernen und von Neuem profitieren.

Was das Kapitel Arbeitsmarktpolitik betrifft, glaube ich – und da meine ich, dass wir, wenn es auch nicht offen gesagt wird, doch in einigem übereinstimmen –, wird es nicht genügen, sich auf die entsprechenden vorhandenen Einrichtungen zu verlassen. Die Medienberichterstattung hat dem AMS in den letzten Wochen kein sonderlich positives Zeugnis ausgestellt, und was die Recherche beim WAFF betrifft, bietet dieser auch keinen Grund zur satten Selbstzufriedenheit.

Es gibt zwar bezüglich der Migration keine seriösen Schätzungen – es gibt 42 an der Zahl und genauso viele Ergebnisse –, und die Schwankungsbreite der Zahl der Migranten reicht von 41 000 bis zu 680 000, also kann man sich ungefähr vorstellen, was von diesen Studien zu halten ist, aber eines haben sie übereinstimmend: 77 Prozent der Migranten werden nach Deutschland und Österreich kommen und von denen, die nach Österreich kommen, bei weitem die Mehrheit nach Wien. Nun sind diese grundsätzlich besser ausgebildet als die bisherigen, sie sind zum Teil technisch spezialisiert, es wird aber dennoch Probleme am Arbeitsmarkt und Verdrängungsprobleme geben.

Ich wiederhole daher: Mit dem herkömmlichen Instrumentarium werden diese Probleme nicht bewältigt werden können. Ein Zurücklehnen und ein Abwarten ist kein Erfolgsrezept. Wir sollten auch nicht so viel Hoffnungen – auch eine österreichische Leidenschaft – in Defensivstrategien setzen. Defensivstrategien greifen nur dort, wo nach EU-Rechtsbestand echte Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.

Was wir wirklich vorbehaltlos, fast begeistert begrüßen – auch wenn man mit der Begeisterung in der Politik vorsichtig sein soll –, ist das Kulturkapitel. Nicht nur deshalb, weil wir es 1967 selbst noch mühsam haben hineinreklamieren müssen, auch nicht deshalb, weil wir uns letztlich über die Diktion nicht einigen konnten, ob die Kultur Europa eine Seele verleiht, aber gerade in Zusammenhang mit Kultur und Europa wird klar, dass es andere Dimensionen als wirtschaftliche, monetäre und vielleicht auch sicherheitspolitische gibt und dass sie spürbar werden.

Meine Damen und Herren! "Kultur ist abhängig vom Gedächtnis und von der Tradition." – Das stammt nicht von mir, aber wenn ich einmal Erhard Busek zitiere, dann muss es einen besonderen Grund haben, und ich möchte Ihnen dieses Zitat auch nicht ersparen:

"Kultur ist abhängig vom Gedächtnis und der Tradition. Eine Bildungspolitik der jüngsten Vergangenheit" – es geht hier um ein SPD-regiertes deutsches Bundesland – "meinte, nur vermitteln zu müssen, wie man technisch mit dem Wissen umgeht, wo man nachschlagen muss. Wer aber die Zusammenhänge nicht kennt, kann auch mit einem Lexikon, einer Bibliothek oder mit Internet nichts anfangen. Wenn wir in die Zukunft gehen wollen, müssen wir wissen, woher wir kommen.

Offensichtlich ist der Mangel am heutigen Bildungssystem die Ursache dafür, dass so viele Menschen die Museen aufsuchen." – Was auch nicht schlecht ist – "Es ist die Suche nach der eigenen Geschichte, wohl auch die Angst vor der Zerstörung des kulturellen Gutes, die angesichts der technischen Möglichkeiten unserer Zeit jederzeit geschehen kann." – Und wir wissen, was gerade im Irak auf diesem Gebiet passiert ist.

Nach diesem Zitat komme ich wieder auf Hannes Prochaska zurück. Umso mehr freut uns aber auch, dass letztendlich die Kompromissformel von der geistig-spirituellen Tradition gefunden werden konnte, die geistig-spirituelle Tradition Europas als Begründung eines Wertekanons, meine Damen und Herren, ist doch die gesamte europäische Philosophie eine Verbindung von griechisch-hellenistischen und von biblischen, sprich jüdisch-christlichen Welt- und Wertvorstellungen.

Warum auch hätten wir auf diesen Minimalkonsens verzichten sollen, wenn doch selbst der Entwurf zur vorläufigen Europäischen Verfassung noch viel deutlicher sagt: "In dem Bewusstsein ihres geistigen, religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität."

Alles in allem, meine Damen und Herren, können wir diesen Vier-Parteien-Kompromiss – und ich freue mich auch, dass es heute ein Vier-Parteien-Kompromiss ist; ich muss mich wie der Herr Bürgermeister neben allen Partnern in der Verhandlung besonders beim Kollegen Ebinger bedanken, der wirklich konstruktiv mitgearbeitet hat und dem ich gelegentlich Unrecht getan habe (Lhptm Dr Michael Häupl: Ach, lieb! Was Europa alles bewirkt!), das kann man sagen – guten Gewissens mittragen, hat doch der lange Weg der Entstehung ebenfalls das Motto von der Einheit in der Vielfalt widergespiegelt.

Wenn es nun auch gelingt, meine Damen und Herren, all die Punkte darin, die keine Realisierungsbestätigung darstellen, sondern eine noch zu nutzende Potenti-


alanalyse sind, rasch aufzugreifen, bleibt auch nicht der Beigeschmack des bloß deklamatorischen Charakters. Ich kann Ihnen versichern, dass die ÖVP als die Europapartei von der ersten Stunde an den Mut dazu hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Johann


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