seite 42
D E R M E D I Z I N E R
12/2007
M
ORBUS
P
ARKINSON
Fortbildung
Die Therapie des Morbus Parkinson
Die Behandlung des M. Parkinson soll-
te ganz anders beginnen, als man übli-
cherweise herangeht. Der Beginn der
Behandlung ist das Gespräch mit den
Betroffenen und deren begleitenden und
betreuenden Angehörigen. Die ersten
Minuten rund um die Diagnosemittei-
lung sind der entscheidende Faktor für
eine gute und gedeihliche gemeinsame
Arbeit an und mit dieser Erkrankung.
Und nach den Ergebnissen zweier
Umfragen unter Patienten ist der Bedarf
an Information beim Erstgespräch
bedeutend höher (89 resp. 92%), als der
sofortige Einsatz von Medikamenten (11
resp. 8%), wenn man nur diese beiden
Alternativen zur Wahl lässt.
Die uns heute zur Verfügung stehen-
den therapeutischen Möglichkeiten brin-
gen uns in die Lage, mit den motorischen
Symptomen des M. Parkinson über Jahre
gut fertig zu werden und auch in der
Spätphase stehen Methoden zur Verfü-
gung, die der Krankheit den Schrecken
genommen haben. Zu den üblichen Dar-
reichungsformen als Tablette sind Lyota-
blette, Pflaster und Pumpensysteme
gekommen.
Die „Tiefe Hirnstimulation“ gibt es
auch schon 20 Jahre und ist mittlerweile
eine gut etablierte Methode. An den
fortschrittlichsten Zentren erfolgt sie
bereits in Vollnarkose, was auch den
Komfort der Behandlung steigert.
Die Notwendigkeit der „Dritten Säule
der Therapie“ mit Bewegungstherapie,
Physiotherapie, Ergotherapie, logopädi-
schen Behandlungen, sowie auch die
psychologische Betreuung der Betroffe-
nen und deren Angehörigen oder die
Kombination dieser Maßnahmen in der
Klima- & Erlebnistherapie sind integrie-
render Bestandteil des Gesamtkonzepts
der Behandlung (Abb. 1).
Pathophysiologische Grundlagen
Probleme ergeben sich in der medika-
mentösen Therapie im Laufe der Zeit
durch das Fortschreiten der Erkrankung,
die zunächst höhere Dosen von Medika-
menten und kürzere Einnahmeintervalle
verlangt. In vielen Fällen setzen Kompli-
kationen ein. Die Kapazität der präsyn-
aptischen Dopamingranula hat sich dann
so stark verringert, dass sie nicht mehr
genug Dopamin speichern können, um es
bei Bedarf freizusetzen, es wird unwill-
kürlich freigesetzt und die Wirkungsdau-
er von Medikamenten auf die Bewe-
gungsfähigkeit und andere Symptome
wird dadurch verkürzt. Bei konventionel-
ler Therapie kommt es sehr häufig dazu,
dass die therapeutische Wirkung in
unvorsehbarem Ausmaß unter- oder
überschritten wird („On-Off“-Sympto-
matik). Die Folgen sind Steifheit oder
Fehl-/Überbeweglichkeit (Dys-/Hyperki-
nesie). Mit der Zeit nimmt die Speicher-
kapazität weiter ab und die Symptome
verschlimmern sich.
Therapeutische Möglichkeiten
Dopaminerge Therapien
Bei der Optimierung des Dopaminer-
satzes bei Mb. Parkinson stellt sich als
Schlüsselfrage, wie eine physiologische
kontinuierliche dopaminerge Stimulati-
on herbeigeführt werden kann. Es bieten
sich mehrere Möglichkeiten zur Linde-
rung der motorischen Fluktuationen an:
• Früher Einsatz oder die Beigabe von
Dopaminagonisten,
• Dosisfraktionierung (= häufigere
Gaben von niedrigeren Dosen),
• Einsatz von L-Dopa in Retard-For-
mulierung,
• Beigabe eines COMT-Hemmers,
• Beigabe eines MAO-B-Hemmers.
In den letzten Jahren wurde versucht,
mit kontinuierlicher dopaminerger Sti-
mulation eine akzeptable Lösung zu fin-
den. Dopaminagonisten stimulieren die
Rezeptoren gleichmäßig, Levodopa in
häufigeren Gaben und niedriger Einzel-
dosierung und im Bedarfsfall unter
Zusatz von COMT- und MAO-B-Hem-
mern ist ein häufig sehr wirksames
Behandlungsregime.
Dopa
Levodopa (Madopar®, Sinemet®)
sollte am Beginn in niedrigen Einzeldo-
sen, aber ausreichender Frequenz, das
sind mindestens vier Gaben in 24 Stun-
den, eingesetzt werden. Durch die
wesentlich kürzere Halbwertszeit wird
Prim. Dr. Dieter Volc
Abbildung 1
Klima-& Erlebnistherapie des M.Parkinson
Tai Chi am Toten Meer
seite 43
12/2007 D E R M E D I Z I N E R
Fortbildung
M
ORBUS
P
ARKINSON
bei seltenerer Gabe die pulsatile Stimula-
tion der Rezeptoren gefördert. Eine
höhere Einzeldosis bewirkt keine länge-
re Wirkdauer, nur einen kurzfristig höhe-
ren Plasmaspiegel nach der Einnahme.
Individuelle und schrittweise Steigerung
der Dosen ist empfehlenswert. Die Ein-
nahme mit einer Mahlzeit kann auf
Kosten der Wirksamkeit gehen. Übli-
cherweise ist die Wirkung am besten,
wenn die Medikation immer auf nüchter-
nen Magen eingenommen wird, dazu ein
großes Glas Wasser, so erreicht die Dosis
rasch den Resorptionsort im Duodenum
und wird nicht durch den postprandialen
Pylorusverschluss an der Passage gehin-
dert. Levodopa kann mit allen anderen
Parkinson-Medikamenten ohne Ein-
schränkungen kombiniert werden.
Für die manchmal behauptete Neuro-
toxizität liegen keine Ergebnisse vor, aus
Vergleichsuntersuchungen in SPECT
und PET ergibt sich ein gleichmäßiges
Fortschreiten der Erkrankung im glei-
chen Maße wie in der Placebogruppe, in
einer Vergleichsstudie verschiedener
Dopa-Dosierungen und Placebo sogar zu
einer dosisabhängigen Verbesserung in
den Therapiegruppen gegenüber Place-
bo. Interessant ist eine anhaltende Ver-
besserung der Symptomatik bis zu 14
Tage nach Absetzen von Dopa bei hohen
Tagesdosen.
Galenische Spezialformulierungen für
rasche (lösliche Tabletten) oder verzö-
gerte Wirkstofffreisetzung (CR-Kapseln)
komplettieren zusammen mit den nor-
malen Tabletten das Arsenal für individu-
elle Anpassungen.
Dopa- und COMT-Hemmer
(Stalevo
®
)
In dieser Präparation sind das wirksa-
me Levodopa und zwei den Abbau ver-
hindernde Enzyme in einer Pille vereint.
Levodopa kann die Bluthirnschranke
passieren, die beiden Hemmstoffe Car-
bidopa (DDC-I = Dopa-Decarboxylase-
Inhibitor) und Entacapone (COMT-I =
Catecholamin-O-Methyl-Transferase-
Inhibitor), das auch der Inhaltsstoff von
Comtan® für die freie Kombination mit
allen Dopa-Präparaten ist, sind aber nur
davor, also im Blutkreislauf, aktiv. Es
kommt so zu einer höheren Verfügbar-
keit von Dopa über einen längeren Zeit-
raum. Es handelt sich also um eine stabi-
lisierte Dopa-Wirkung, entgegen einer
häufigen Meinung ersetzt diese Dreier-
kombination aber nicht die Wirkung
von Dopaminagonisten oder MAO-B-
Inhibitoren.
Tolcapone (Tasmar
®
) ist auch ein
COMT-Inhibitor, der seit Jahren verfüg-
bar ist, aber wegen Lebertoxizität vom
Europäischen Markt genommen wurde.
In den USA war die Substanz unter
gewissen Auflagen immer im Handel
und ist nun auch wieder bei uns erhält-
lich. Allerdings müssen die Leberenzy-
me laufend überprüft werden und die
Verschreibung ist nur dann erlaubt,
wenn ein idiopathischer M. Parkinson
mit motorischen Fluktuationen besteht,
der auf andere COMT-Hemmer nicht
anspricht oder wenn die Behandlung
nicht vertragen wird. In den Switch-Stu-
dien (Probanden erhielten hintereinan-
der die eine oder die andere Substanz)
war Tolcapone dem Entacapone etwas
überlegen in der Verlängerung der On-
Zeit. Es ist aber immer auf die Entwick-
lung eines Leberversagens zu achten
und die regelmäßigen Blutuntersuchun-
gen müssen durchgeführt werden.
Dopaminagonisten
Dopaminagonisten sensibilisieren den
Wirkort (Rezeptor) für das Dopamin und
führen somit zu einer längeren, stabileren
und stärkeren Wirkung des Dopamins. Es
gibt zwei Gruppen, die älteren ergolinen
Substanzen Bromocryptin, Lisurid, Per-
golid und Cabergolin und die nichtergoli-
nen Dopaminagonisten Pramipexol
(Sifrol
®
) und Ropinirol (Requip
®
), dazu
kommt noch Rotigotin
®
(Abb. 2). Dieser
auch nichtergoline Dopaminagonist wird
über ein transdermales System appliziert.
Der lange oro-gastro-intestinale Weg
wird damit vermieden und vor allem wird
der Wirkstoff gleichmäßig freigesetzt, was
ein erklärtes Ziel der Parkinson-Therapie
ist: die kontinuierliche dopaminerge Sti-
mulation. Rotigotin hat ein Rezeptor-
Bindungs-Profil, das dem physiologischen
Dopamin sehr ähnlich ist.
Dopaminagonisten wurden anfangs
überwiegend in Kombination mit L-
Dopa eingesetzt und zwar sowohl in der
Frühphase, als auch in den fortgeschrit-
tenen Stadien der Erkrankung. Vor
allem bei jüngeren Patienten im frühen
Krankheitsstadium stellten die Dopa-
minagonisten heute Therapie der ersten
Wahl als Monotherapie dar. Dabei ist
auf ein Einschleichen der Dosierung zu
achten, besonders aber auch darauf, dass
die in zahlreichen Studien belegten
Dosen erreicht werden, in der Praxis
werden Dopaminagonisten zumeist
unterdosiert. Erst wenn die Wirkung –
nach einigen Jahren – wirklich nicht
mehr ausreicht, wird mit L-Dopa kom-
biniert.
Initiale Monotherapie
Die Dopaminagonisten-Monothera-
pie…
…ist mit signifikant niedrigeren Inzi-
denzen von Dyskinesien vergesellschaf-
tet. Dieser Vorteil besteht nicht nur für
die reine Monotherapie, sondern bleibt
auch nach einer im Verlauf erfolgten
Zusatztherapie mit L-Dopa erhalten. Die
motorische Wirksamkeit einer Monothe-
rapie mit späterer Addition von L-Dopa
ist über den untersuchten Fünfjahreszeit-
raum einer L-Dopa-Monotherapie prak-
tisch äquivalent.
Kombinationstherapie mit L-Dopa
Weiterhin bleibt mit den Dopamin-
agonisten die Möglichkeit der Kombina-
tionstherapie erhalten. Diese ist insbe-
sondere dann sinnvoll, wenn bei einer
schon über Jahre bestehenden L-Dopa-
Therapie Wirkungsfluktuationen und
Dyskinesien aufgetreten sind. Hier kann
man auf eine Dopa-Dosisreduktion hin-
Abbildung 2
Das Rotigotin-Pflaster
Ergoliner Dopamin-Agonist zur Mono- und Kom-
binationstherapie.
seite 44
D E R M E D I Z I N E R
12/2007
M
ORBUS
P
ARKINSON
Fortbildung
arbeiten und eine Verminderung der
On-Off-Phänomene und eine Verlänge-
rung der On-Zeit hoffen.
MAO-B-Hemmer
Der Inhaltsstoff Selegilin (Jumex
®
,
Amboneural
®
, Cognitiv
®
,
Xilopar
®
)
hemmt das Enzym Mono-Amin-Oxida-
se-B, sodass es Dopamin nicht mehr
abbauen kann. Außerdem verhindert
Selegilin, dass Dopamin zu schnell wie-
der in seinen Speichern verschwindet.
Es handelt sich bei Xilopar
®
um eine
neue Darreichungsform, denn das lange
bekannte Selegilin wird innerhalb weni-
ger Sekunden über die Mundschleim-
haut absorbiert, so dass der problemati-
sche First-Pass-Effekt umgangen wird.
Daher genügen 1,25 mg Wirksubstanz,
um zumindest den gleichen therapeuti-
schen Effekt wie mit 10 mg konventio-
nellem Selegilin zu erreichen. Die Bio-
verfügbarkeit schwankt in einem ca. 25-
fach geringeren Rahmen, womit die
Therapie deutlich kalkulierbarer wird.
Die unerwünschten Amphetamin-Meta-
boliten werden hierdurch um über 90%
reduziert, so dass kaum negative Auswir-
kungen auf den Nachtschlaf zu erwarten
sind.
Rasagilin (Azilect
®
) ist ein starker, irre-
versibler selektiver MAO-B-Hemmer.
Es ist zur Behandlung der idiopathischen
Parkinson-Krankheit als Monotherapie
(ohne Levodopa) oder als Zusatzthera-
pie (mit Levodopa) bei Patienten mit
End-of-Dose-Fluktuationen und Dyski-
nesien indiziert. Diese Fluktuationen
werden durch Rasagilin verkürzt. Es
kann vom Beginn an in einer festen ein-
mal täglichen Dosis von 1 mg gegeben
werden. Cheese-Effekt wurde bisher
nicht beobachtet. Die Zulassung beruht
auf den Ergebnissen von drei kontrol-
lierten Studien. Als Monotherapie wur-
de die Wirksamkeit von Rasagilin in der
TEMPO-Studie überprüft.
Die PRESTO-Studie lieferte den Hin-
weis auf die Wirksamkeit der täglich ein-
maligen Gabe. In der LARGO-Studie
wurde der Einfluss in Kombination mit L-
Dopa auf die Off-Phasen im Vergleich
zum COMT-Inhibitor Entacapone (Com-
tan
®
, Inhaltsstoff in Stalevo
®
) überprüft.
Da beide Substanzen etwa gleich gut
abgeschnitten haben (deutlich besser als
Placebo und in Kombination miteinander
noch besser), kam es zum großen Irrtum
Entacapone und Rasagilin seien aus-
tauschbar. Da es sich jedoch um gänzlich
verschiedene Wirkmechanismen handelt,
sind die beiden Substanzen gut kombi-
nierbar, ersetzen einander aber nicht!
Antiglutamaterge Therapien
Glutamat ist ein im Gehirn erregend
wirkender Neurotransmitter und der
Gegenspieler von Dopamin. Die Hem-
mung des Glutamats führt zu einer Bes-
serung der Symptome, weil der durch
den Dopaminmangel relativ erhöhte
Glutamatspiegel so wieder ins Gleichge-
wicht gebracht wird.
Amantadin
Der Glutamat-Antagonismus wird
durch eine Rezeptorblockade des
NMDA-Rezeptors hervorgerufen.Aman-
tadin wirkt in der Frühphase bei leichten
Symptomen, wobei hier vor allem die
rasche Wirkung auf alle Kardinalsympto-
me zu nennen ist, wenngleich auch beim
Tremor ein besonders gutes Ansprechen
zu verzeichnen ist, glücklicherweise, denn
im Gegensatz zu Akinese und Rigor
spricht der Tremor auf reine Dopa-Substi-
tution schlecht an. Die Gabe möglichst
früh zielt auch auf die Neuroprotektion
ab, da Glutamat selbst neurotoxisch wirkt
und gebremst werden muss. Der Einsatz
als Monotherapie am Anfang ist möglich,
oft wird aber eine Kombinationstherapie
gewählt.
Neben der Therapie in der Frühphase
ist auch die Gabe in späten Stadien von
Wichtigkeit, da Amantadin sehr gut die
Dyskinesien koupieren kann, was sonst
nur unter Reduktion der dopaminergen
Therapie erreicht werden kann, aller-
dings meist um den Preis der Symptom-
Akzentuierung. Dieser antidyskinetische
Effekt hält auch bei einer Nachkontrolle
nach mehr als einem Jahr noch an, es
kommt also zu keinem Wirkverlust.
Auch das die Dyskinesien oft begleiten-
de Symptom des wearing-off ist eine
gute Indikation für die Substanz.
Unter dopaminerger Therapie werden
außer den Wirkungsfluktuationen auch
akinetische Krisen beobachtet. Hier ist
der klassische Einsatz von Amantadin als
Infusionstherapie gegeben, da eine
rasche Wirkung angestrebt wird, um den
Zustand zu beenden, aber auch eine ora-
le Gabe gar nicht möglich ist. Ähnlich
verhält es sich auch bei Patienten mit
Schluckstörungen und im perioperativen
Zeitraum, wenn orale Therapien aus
diversen chirurgischen Gründen nicht
zum Einsatz kommen können. Auch bei
bestehendem Speichelfluss wirkt Aman-
tadin sehr günstig ohne eine massive
Mundtrockenheit, wie sie beim Einsatz
anticholinerg wirkender Substanzen stö-
rend hervortritt.
Spezielle Therapien
in der Spätphase
Apomorphin (APO-go
®
) (Abb. 3)
Apomorphin ist ein hochpotenter,
unspezifischer Dopaminagonist. Diese
subkutan gespritzte Substanz wird seit ca.
15 Jahren in England mit Erfolg durchge-
führt. Mitte der 80er-Jahre wurde ver-
sucht, die Therapie wieder aufleben zu
lassen, was aber an der mangelhaften
Infusionstechnik und dem Fehlen eines
geeigneten und zugelassenen Apomor-
phins scheiterte.
Die Anwendung bei plötzlichen Off-
Phasen erfolgt mittels Pen-Injektion mit
einem Ansprechen in wenigen Minuten.
Die Wirkung hält etwa eine Stunde an.
Erst durch die Anwendung der APO-
go
®
-Apomorphinampullen in Pen-Form
und der APO-go
®
-Crono-Pumpe konnte
die Therapie erstmals standardisiert wer-
den, um die Therapie auch für Patienten
wieder einfach und praktikabel zu
gestalten. Die Indikation ist das späte
Stadium des M. Parkinson, in dem eine
ausreichende Therapie mit Standardme-
dikamenten alleine nicht mehr erzielt
werden kann.
Abbildung 3
Apo-Go chrono Pumpe
Über eine kleine Pumpe wird der Dopamin-
agonist Apomorphin kontinuierlich subkutan
appliziert
seite 45
12/2007 D E R M E D I Z I N E R
Fortbildung
M
ORBUS
P
ARKINSON
Duodopa
®
Für Patienten, die oral austherapiert
sind, gibt es aber eine weitere praktikable
Lösung: ein automatisches, parenterales
Behandlungssystem zur Dopamingabe.
Dadurch, dass die Patienten eine konti-
nuierliche und gleichmäßige Dopamin-
substitution direkt in den Dünndarm
erhalten, können sie sich wieder normal
bewegen. Mit Hilfe einer außen getrage-
nen Pumpe wird das Medikament über
eine Sonde dem Darm zugeführt (die
übliche PEG-Sonde ist mit einem zusätz-
lichen Schlauch versehen [PEJ-Sonde],
der in den Dünndarm gelegt wird, die
Punktionsstelle ist wie bei der herkömm-
lichen PEG-Sonde, hat nur zwei Lumi-
na). Auf diese Weise wird, unabhängig
von Magenentleerungen, ein gleichmäßi-
ger Dopaminzufluss erreicht. Die positi-
ven therapeutischen Effekte sind in zahl-
reichen Studien belegt. So wurden in
einer randomisierten Crossover-Studie
24 Patienten mit schweren hyperkineti-
schen Fluktuationen jeweils drei Wochen
mit dem neuen Therapiekonzept behan-
delt. Bei diesen Patienten stieg die Zeit
der weitgehend normalen Beweglichkeit
um 81 bis 100%.
Duodopa
®
(Levodopa und der
Decarboxylase-Hemmer Benserazid in
einem Verhältnis von 4:1) gelangt über
die Sonde direkt in den Zwölffinger-
darm, wo Levodopa sehr schnell von
einem Hochleistungs-Transportsystem
für Aminosäuren aufgenommen wird.
Die direkte intestinale Bioverfügbarkeit
entspricht jener der Tabletten. Dank der
Ausschaltung der Magenpassage mit
ihrer intermittierenden Magenentlee-
rung fallen die Schwankungen der Plas-
maspiegel (Abb. 4) beim einzelnen
Patienten wesentlich geringer aus. Mit
den so erzielten, gleichmäßigeren Blut-
spiegeln bessern sich die motorischen
Fluktuationen, und die On-Phasen wer-
den verlängert. Trotz fortgesetzter
Behandlung fehlen nicht nur Hinweise
für ein Toleranzphänomen, sondern
man kann sogar die Levodopa-Dosis bei
gleichbleibender klinischer Wirksam-
keit senken. Der Vorteil der Duodopa
®
-
Therapie ist, dass eine sehr stabile Blut-
und damit Gehirnkonzentration von L-
Dopa erreicht wird. Dadurch verschwin-
den die bei anderen Parkinson-Medika-
menten häufig beobachteten Wirkungs-
fluktuationen, und die Patienten haben
einen erheblich größeren Teil des Tages
eine gute Beweglichkeit ohne Überbe-
wegungen.
Duodopa
®
beweist einmal mehr, dass
die vor mehr als 40 Jahren in Österreich
erstmals eingesetzte Substanz Levodopa
plus Benserazid als Dekarboxylasehem-
mer nach wie vor seinen Stellenwert hat
und ein unverzichtbarer Bestandteil
unserer Therapiekonzepte bleibt.
DBS deep brain stimulation/Tiefe
Hirnstimulation (Abbildung 5)
Es jährt sich dieses Jahr zum zwanzig-
sten Mal, dass die tiefe Hirnstimulation
zur Behandlung der Parkinson Krank-
heit durch den französischen Neurochir-
urgen Alim Louis Benabid erstmalig
durchgeführt wurde. Die hohe Wirksam-
keit der Methode hat rasch zu deren glo-
balen Beliebtheit geführt. Mittlerweile
wurden weltweit über 30,000 Patienten
mit dieser Methode behandelt und ist
heute zum fixen Bestandteil im Spek-
trum der Möglichkeiten in der Behand-
lung der Parkinson Krankheit gewor-
den. Die Implantationstechnik wurde in
den letzten Jahren stetig verfeinert. Die
bildgebenden Verfahren, allen voran die
Kernspintomographie und Bildfusionen
zwischen Kernspin- und Computerto-
mographie wurden immer mehr bei der
Operationsplanung eingesetzt. Neue
Geräte mit einem besonders starken
Magnetfeld (3 Tesla) liefern Bilder von
einer hervorragenden Güte und Schär-
fe. Auch physiologische Methoden wie
die Mikroelektrodenableitung, das heißt
die Ableitung von Hirnströmen aus den
betroffenen Hirnarealen während der
Operation, konnten die (Treff)-Sicher-
heit weiter verbessern. Diese Verbesse-
rungen in der Mikroelektronik zusam-
men mit den aus den gespeicherten
Daten vieler Patienten gewonnener
Zielpunkt-„Landkarten“ führt nun zur
Möglichkeit auf die aktive Mithilfe des
Patienten während der Operation und
damit auf seine Wachheit zu verzichten.
Einer Narkose für die gesamte Dauer
der Operation stand damit nichts mehr
im Wege.
Seit nunmehr einem Jahr wird die
Mehrzahl Eingriffe zur tiefen Hirnsti-
mulation an der Wiener Universitätskli-
nik für Neurochirurgie in allgemeiner
Narkose durchgeführt. Die funktionel-
len Ergebnisse sind im Wesentlichen
gleich geblieben, die Belastung für die
Patienten nahm dadurch deutlich ab. Es
können nun auch Patienten operiert
werden, bei welchen der Eingriff bisher
aus gesundheitlichen oder Altersgrün-
den nicht möglich war. Durch Verwen-
dung einer speziellen Technik wird diese
Art von Narkose auch von Parkinson
Patienten gut vertragen.
Aber auch wenn der Eingriff dadurch
sicherer und weniger belastend wurde,
zwanzig Jahre nach Einführung der tie-
fen Hirnstimulation gilt unverändert:
Die Operation sollte nur dann erfolgen,
wenn die medikamentöse Behandlung
nicht mehr ausreichend möglich ist oder
Nebenwirkungen auftreten welche eine
Abbildung 4
Plasmaspiegel von DOPA bei
verschiedenen Applikationsformen beim
selben Patienten
Orales DOPA
duodopa
Abbildung 5
Tiefe Hirnstimulation
Vorwiegend im Nucleus subthalamicus wird über
beidseitig implantierte Elektroden eine elektri-
sche Stimulation durchgeführt. Der Stimulator
wird ebenso wie die Verbindungskabel vollständig
subcutan implantiert. Die Parameter der Stimula-
tion sind mit Steuergeräten von außen änderbar.
seite 46
D E R M E D I Z I N E R
12/2007
M
ORBUS
P
ARKINSON
Fortbildung
ausreichende medikamentöse Behand-
lung verhindern.
Schlussbemerkung
Nichts ist so interessant wie Sensatio-
nen und Neuigkeiten. Das stimmt für
Gentherapie genauso wie für Nanotech-
nologie und sonstige „spacigen“ Neue-
rungen in der virtuellen Welt. In der
Realität scheitern dann diese Ideen oft
jahrelang.
Nicht, dass es nicht Fort-
schritte gäbe und die nicht in den Kon-
zepten der neueren Behandlungsmetho-
den enthalten wären! In den letzten Jah-
ren wurden verschidene Parkin-Gene
entdeckt. Man muss sich also von der
Vorstellung trennen, es gäbe EINE
Genveränderung, die Parkinson auslö-
sen würde, das Gegenteil ist bereits
bewiesen. Und die Anzahl der Parkin-
son-Familien hält sich im Gegensatz zu
den sporadischen Fällen sehr in Gren-
zen. In der Tat habe ich mehr Ehepaare
mit Parkinson, als Eltern/Kinder oder
Geschwister. Hier scheinen Umweltfak-
toren einen größeren Einfluss zu haben,
der direkte Erbgang tritt in den Hinter-
grund.
Parkinson gehört zu den neurodege-
nerativen Erkrankungen. Es ist zu
erwarten, dass in ein paar Jahren der
Krankheitsprozess gestoppt werden
kann, neuroprotektive (Nervenzellen
schützende) Therapiemöglichkeiten
haben wir ja schon heute, aber neurore-
storative (Nervenzellen wiederherstel-
lende) Ansätze lassen noch auf sich war-
ten. Es war aber immer so, dass eine Ent-
wicklung andere Fortschritte nach sich
zieht. Je mehr es krankheitsverzögernde
Möglichkeiten geben wird, desto wichti-
ger wird die Früherkennung werden,
Projekte, an denen derzeit abseits der
Sensationen intensiv gearbeitet wird.
Denn: Je früher ich den Ansatz einer
Neurodegeneration erkenne, desto mehr
funktionierende Nervenzellen kann ich
noch schützen und umso weniger Behin-
derung entwickeln die Betroffenen im
Laufe der Zeit. Seit einiger Zeit wissen
wir, dass Geruchs/Geschmacks-Störun-
gen einige Zeit VOR den motorischen
Beschwerden beginnen, dass vegetative
Störungen (Blutdruckabfall beim Auf-
stehen, bestimmte Veränderungen im
Schlafprofil, Obstipationen, Erektions-
störungen) auch VOR den ersten Anzei-
chen eines Parkinson-Syndroms begin-
nen.
Jeder chronisch Kranke ist auf der
Suche nach einem Heilmittel. Im Falle
neurodegenerativer Erkrankungen wer-
den wir uns wohl noch einige Zeit in
Geduld üben müssen. Wir haben aber ein
Arsenal von symptomatisch wirksamen
und zum Teil auch neuroprotektiven
Medikamenten zur Verfügung, die es gilt
sinnvoll einzusetzen. Bei guter Auswahl
der Patienten werden diese neuen
Methoden für eine gewisse Anzahl von
Menschen ein großer Gewinn an Lebens-
qualität und Lebensfreude sein. Das soll-
te auch das Ziel der Therapie sein, denn
die Anpassung der Lebenserwartung an
die der gleichaltrigen „Normalbevölke-
rung“ ist schon mit der Einführung der
DOPA-Therapie durch Birkmayer und
Hornykiewicz 1961 gelungen.
(Herzlichen Dank Herrn Univ. Prof.
Dr. Francois Alesch, Universitätsklinik
für Neurochirurgie, Wien, für seinen
Beitrag zur DBS)
Prim. Dr. Dieter Volc
Confraternität – Privatklinik Josefstadt
Neurologische Abteilung und Par-
kinsonzentrum
Skodagasse 32, A-1080 Wien
Tel.: 01/522 13 09-0, Fax-Dw: -20
dieter.volc@parkinsonzentrum.at
www.volc.at
Tabelle 1
DBS- deep brain stimulation
Einschlusskriterien
• Patienten mit idiopathischem M.Parkinson und
ausgezeichnetem Ansprechen auf L-Dopa
• Hoehn und Yahr Stadium im ON nicht schlech-
ter als III
• Wirkfluktuationen und L-Dopa induzierte Dys-
kinesien
• Therapierefraktärer Tremor
Tabelle 2
DBS- deep brain stimulation
Ausschlusskriterien
• Demenz: MMSE <24 Punkte/DSM IV Kriterien
• Major depression mit akuter Suizidalität
• schwere Persönlichkeits/Verhaltensstörung
(homeostatische hedonistische Dysregulation)
• non IPS
• strukturelle Hirnläsionen: Hirnatrophie, hyper-
tensive Vaskulopathie, Tumor, Fehlbildungen,
AV-Malformationen, Aneurysmen, Hydroce-
phalus
• internistische Kontraindikationen
24>
Dostları ilə paylaş: |