November 2007
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Kulturjahr
Die größte Leistung von Konstantin dem Großen
war wohl neben der Einführung des Christen-
tums als Staatsreligion, wie sie noch bis Anfang
November in der großen Konstantin-Ausstellung
im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres bewun-
dert werden konnte, die Gründung der neuen
römischen Reichshauptstadt an der Stelle des grie-
chischen Byzantion im Jahre 330. Die zuerst „Nea
Roma“ (Neues Rom) genannte Stadt wurde so mit
Constantinus I. verbunden, dass man sie „Kon-
stantinopel“ nannte. Unter Konstantin wurde
auch das Constantinus-Forum errichtet. Im Zen-
trum des Forums befand sich die Konstantins-
säule. Auf der 35 m hohen Säule, die vom Apollon-
Tempel in Rom gebracht worden war, befand sich
eine Bronzestatue von Konstantin, die ihn als
Sonnengott Helios zeigte. Die Säule bestand aus
neun Trommeln des kostbaren ägyptischen Por-
phyrsteins, die durch skulptierte Lorbeerkränze
getrennt waren. Im Jahre 1105 wurde die Bronze-
statue bei einem Erdbeben zerstört und durch
ein Kreuz ersetzt. Die Säule, die mehrmals durch
Brände und Erdbeben zerstört worden war, wurde
Ende des 17. Jahrhunderts von Sultan Mustafa
II. mit eisernen Ringen umgeben. Die Konstan-
tinssäule gab auch dem heutigen Stadtviertel
Çemberlitas („die Säule mit den Ringen“) seinen
Namen. Bis heute sind die Reste der Säule mit
eisernen Reifen umgürtet und werden seit 2003
restauriert.
Konstantin, der dem Christentum zum Durch-
bruch als Staatsreligion des römischen Reiches
verholfen hatte, wurde selbst erst 337 auf dem
Totenbett im Palast in Anacirum, dem heutigen
Dorf Hereke bei Ízmit, 60 km südöstlich von
Istanbul , getauft. Bestattet wurde Konstantin auf
seinen Wunsch hin in der Apostelkirche in Kon-
stantinopel, die er selbst hatte errichten lassen.
Die Apostelkirche Hagios Apostolos war nach der
erst später fertig gestellten Hagia Sophia die erste
und bedeutendste unter den großen Kirchen des
Oströmischen Reiches. Bei der Eroberung Kon-
stantinopels durch die türkischen Osmanen 1453
verschwanden seine Reliquien. Sultan Mehmet II.
ließ die Apostelkirche 1461 abreißen und gab
den Auftrag, am selben Platz eine Moschee von
vergleichbarer Schönheit und Großartigkeit zu
errichten. Das Resultat war die Fatih-Moschee
(Moschee des Eroberers). Dass Konstantins Grab
dem muslimischen Eroberer der Stadt weichen
musste, war nicht so sehr eine persönliche Abnei-
gung gegenüber dem Stadtgründer von osmani-
scher Seite. Es sollte vielmehr den Machtanspruch
der Muslime über dieses Zentrum des alten Chris-
tentums und der Welt untermauern. Der Islam
als letzte der großen monotheistischen Religio-
nen war auch angetreten, das Christentum als bis
dahin letzte Offenbarungsreligion zu beerben.
Was die Rolle Konstantins als gleichzeitig weltli-
cher Herrscher und Kirchenoberhaupt anbelangt,
so lassen sich durchaus Parallelen zu Mohammed
und den muslimischen Herrschern ziehen, wo bis
heute Staat und Religion, „din wa daula“, untrenn-
bar zusammengehören. Wie Konstantin hat auch
300 Jahre später der Islamgründer Mohammed den
Islam nicht nur zur Staatsreligion seines Reiches
gemacht, sondern die Religion außerdem benutzt,
um seinen eigenen persönlichen Machtanspruch
zu legitimieren. Konstantin war also ein christ-
licher Herrscher ganz nach muslimischem Ge-
schmack. Dies gilt auch für die Art und Weise,
wie er mit Konkurrenten der Macht in seiner eige-
nen Familie umgegangen ist. Konstantin hat alle
Mitglieder seiner eigenen Familie, die an seinem
Machtanspruch rüttelten, umbringen lassen. Der
islamische Religionsgründer Mohammed hatte
bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass ihm trotz
seiner zahlreichen Ehen, aus der zahlreiche weib-
liche Nachkommen hervorgingen, erst gar kein
männlicher Nachkomme geboren wurde, sodass
die Nachfolgefrage erst nach dem Tode des Pro-
pheten des Islam geklärt werden musste.
Konstantin, ein Türke?
Bodo Bost
Der römische Kaiser mit Wurzeln in Trier könnte eine Brücke bilden zwischen
Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007, und Istanbul,
Kulturhauptstadt 2010.
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Im heutigen
Istanbul erinnert
nur noch
wenig an den
Stadtgründer, der
im Westen sogar
den Beinamen
der Große
erhalten hat.
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Kulturjahr
Im heutigen Istanbul erinnert nur noch wenig
an den Stadtgründer, der im Westen sogar den
Beinamen der Große erhalten hat. Neben der
Konstantinssäule, einzelnen Ruinenresten der
Stadtmauer, des Hippodroms und des Aquädukts
befindet sich noch ein Schwert des römischen Kai-
sers mit Wurzeln in Trier im Staatsmuseum Top-
kapi. Das Schwert steht hier vor allem als Symbol
dafür, dass auch das Christentum, wie der Islam,
einst mit dem Schwert verbreitet wurde. Auch
wenn in der Türkei die Tendenz besteht, wie in
vielen muslimischen Ländern, die Geschichte erst
mit der Hidschra des Propheten, die den Beginn
der islamischen Zeitrechnung markiert, beginnen
zu lassen, kann man in Istanbul auf Schritt und
Tritt den Spuren vorislamischer Zeit begegnen.
Allein die Tatsache, dass man in der osmanischen
Türkei, fast 500 Jahre lang den Namen des christ-
lichen Stadtgründers im Stadtnamen beibehalten
hat – die Stadt hieß offiziell Konstantinyye bis
1930 – zeigt, welchen Respekt man dem christlich-
römischen Herrscher entgegenbrachte. Erst unter
Kemal Atatürk nahm die Stadt am Bosporus end-
gültig den Namen Istanbul an. Seine laizistische
Revolution hat zwar dafür gesorgt, dass der Islam
seine Rolle als Staatsreligion verlor, allerdings hat
sich der Anteil der Christen an der Bevölkerung
der Stadt von einst 30% zu Beginn des letzten
Jahrhunderts auf heute nur noch 0,2% vor allem
unter seiner Präsidentschaft minimiert. Von daher
darf man gespannt sein, wie sich Istanbul im
Jahre 2010, wenn die Stadt neben Essen-Ruhr-
gebiet und Pécs/Fünfkirchen in Ungarn Kultur-
Peter Paul Rubens, Gründung von Konstantinopel, 1622
© Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
hauptstadt Europas sein wird, auch mit seinem
vorislamischen Erbe präsentieren wird. Vielleicht
wird es dann ja ebenfalls eine türkische Konstantin-
Ausstellung zum 1680. Jahrestag der Stadtgrün-
dung geben? Eine solche Ausstellung wäre dann
auch eine wichtige Wegmarke auf dem Weg des
Landes nach Europa, konkret in die EU.
Gutschein für die kommenden drei Ausgaben
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