Die Liebenröhre- forschung und Entwicklung in Wien und Berlin



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Entwurf eines Aufsatzes zu einem Vortrag an der Tagung „Geschichte der Physik“ in Pöllau. Steiermark ca 2012

Die Liebenröhre- Forschung und Entwicklung in Wien und Berlin

von Franz Pichler, Linz




  1. Einleitung

In diesem Aufsatz sollen wichtige und zum Teil auch neue Fakten zur Forschung und Entwicklung der „Liebenröhre“, der ersten Vakuumröhre zur Erzielung einer elektronischen Verstärkung von Signalen, behandelt werden. Den Anlass dafür bildet das erste Patent dafür ( von mehreren daran anschließenden Patenten), das deutsche kaiserliche Patent „Kathodenstrahlenrelais“, das am 4. März 2006 gerade sein 100-jähriges Jubiläum begangen hat. Die darauf aufbauende Forschung und Entwicklung in Wien, und Berlin, die schließlich zum Erfolg führte, erscheint interessant genug um sie in einem Aufsatz in ihren wichtigsten Punkten darzustellen. In Buchform wurde dies in größerer Ausführlichkeit und auch im Vergleich zu den das „Audion“ des amerikanischen Erfinders Lee de Forest betreffenden Arbeiten und der ab dem Jahre 1913 zur Verfügung stehenden Hochvakuumröhre, kürzlich dargestellt ( Pichler 2006 ). Von den bereits früher zum Thema der Entwicklung der Liebenröhre erschienenen Aufsätzen seien vor allem die Arbeiten ( Skowronnek 1931) und (Walz 1987) hier angeführt.





  1. Vorarbeiten von Robert von Lieben

Nach Absolvierung seines Militärdienstes als Einjährig-Freiwilliger in der k.k. Armee und einem anschliessenden technischen Praktikum bei den Schuckert Werken in Nürnberg nahm Robert von Lieben eine Einladung von Professor Walter Nernst an, um am Institut für Physikalische Chemie an der Universität Göttingen seine Interessen an verschiedenen technischen und physikalischen Problemen verfolgen zu können. Ein Interessengebiet betraf den von Prof. Nernst vorgeschlagenen elektrochemischen Phonographen, ein weiteres Problem lag im experimentellen Nachweis einer Polarisation der Röntgenstrahlen. Bei der praktischen Arbeit am elektrochemischen Phonographen, die er ab 1902 gemeinsam in Wien mit seinem Mitarbeiter Eugen Reisz durchführte, wurde Robert von Lieben auch auf die Notwendigkeit einer Verstärkung elektrischer Signale aufmerksam. Beim Problem betreffend die Untersuchung von Röntgenstrahlen verlangte die dafür notwendige experimentelle Anordnung Kenntnisse die Kathodenstrahlen betreffend und praktischen Erfahrung mit den zugehörigen Glasarbeiten und der Vakuumtechnik ( von Lieben 1903). Es ist anzunehmen, dass damit Robert von Lieben die Motivation für seine spätere Erfindung des „Kathodenstrahlenrelais“ und wichtige praktischen Kenntnisse für dessen praktische Realisierung erhalten hat. Seit dem Jahre 1902 war bereits die Vakuumdiode von Fleming bekannt und mit der von Prof. Wehnelt erfundenen mit einem Alkalimetall beschichteten Glühkathode stand ab 1903 eine starke Quelle zur Erzeugung von Kathodenstrahlen ( d.h. von Elektronenstrahlen) zur Verfügung.





  1. Das Patent „Kathodenstrahlenrelais“

Mit 4. März 1906 wurde an Robert von Lieben in Deutschland das Kaiserliche Patent Nr. 179807 „Kathodenstrahlenrelais“ erteilt. Darin wird einleitend ausgeführt dass „die vorliegende Erfindung bezweckt, mittels Stromschwankungen kleiner Energie solche von großer Energie auszulösen, wobei Frequenz und Kurvenform der ausgelösten Stromschwankungen denen der auslösenden entsprechen“. Um dies zu erreichen, sollte die zu verstärkenden Strom mittels Elektromagneten den von einer als Hohlspiegel geformten Wehneltkathode austretenden fokussierten Kathodenstrahl ablenken, wobei dieser damit mehr oder weniger von einer Anode aufgefangen wird und so einen verstärkten Strom erzeugen. Die Patentschrift betont das Kathodenstrahlen praktisch kein Trägheitsmoment besitzen und somit die Verstärkung bis zu höchsten Frequenzen geschehen kann, des weiteren, dass „langsame“ Kathodenstrahlen verwendet werden ( durch Verwendung einer heissen Kathode, wodurch die relativ geringe Anodenspannung von etwa 200 Volt möglich wurde) so dass diese auch mit relativ geringen magnetischen oder elektrischen Feldern abgelenkt werden konnten.


Bild 1: Kathodenstrahlenrelais des Patentes vom Jahre 1906



  1. Forschung und Entwicklung in Wien 1905 – 1911

Es ist anzunehmen, dass die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten am Kathodenstrahlenrelais bereits im Laufe des Jahres 1905 im Privatlaboratorium von Robert von Lieben in Wien, Oppolzergasse 6, im Hause seiner Eltern begonnen wurden. Als Mitarbeiter stand dafür Eugen Reisz, der bereits seit dem Jahre 1902 von Robert von Lieben beschäftigt wurde, zur Verfügung. Im Januar 1906 nahm Robert von Lieben zusätzlich Kontakt mit dem Chemiker Dr. Richard Leiser von der Universität Wien auf, der bei der Entwicklung der Hohlspiegelkathode helfen sollte. Leiser probierte dafür die verschiedensten mechanischen Konstruktionen aus ( Platinschicht auf Porzellankörper, Platinblech mit getrenntem Heizkörper, Zusammensetzung des Spiegels aus einzelnen Teilen von Platinblech ) bis schließlich mit einem entsprechend dünnen Platinblech eine befriedigende Konstruktion gefunden wurde. Sehr schwierig war die Präparierung des Spiegels mit einem Alkalioxyd um damit die Funktion einer Wehneltkathode zu erreichen. Leiser versuchte zuerst Kalcium-Oxyd ( CaO ) pulverförmig aufzubringen, später eine Präparierung mit organischen Kalksalzen. Schließlich stellte sich mit einem Kalzium-Nitrat der Erfolg ein und es konnte mit magnetischer Steuerung die Stromschwankungen von 5 mA auf 50mA gesteigert werden (Leiser 1910). Prof. Nernst berichtete aus Anlass des 10ten Todestages von Robert von Lieben im Jahre 1923, dass im Jahre 1907 mit dem Versuchsaufbau des Kathodenstrahlenrelais eine deutliche Verstärkung von Telephonströmen erreicht wurde ( Nernst 1923). Robert von Lieben war offenbar mit der Zusammenarbeit mit Dr. Leiser sehr zufrieden. Im September 1908 schloss er mit ihm einen äußerst großzügig gehaltenen Vertrag, der vorsah, dass Dr. Leiser zu 40% an der Erfindung beteiligt wird. Mit die Übersiedlung von Dr. Leiser nach Karlsruhe war aber Robert von Lieben in Wien mehr oder weniger auf sich allein gestellt und er übersiedelte deshalb im Jänner 1909 mit dem Versuchsaufbau nach Berlin um dort an der Physikalisch-Chemischen Reichsanstalt bei Prof. Nernst die Arbeit fortzusetzen. Wie der Briefwechsel mit Dr. Leiser zeigt, war noch immer die Präparierung der Kathode zur Erzielung eines genügend starken fokussierten Kathodenstrahles das Hauptproblem. Mitte des Jahres 1909 war er, wie er in einem Brief an seinen Vater ausdrückte „auf einen todten Punkt angekommen“ und er beschloss die Arbeit in Berlin aufzugeben.


Bild 2: Versuchsaufbau des Kathodenstrahlenrelais im Wiener Laboratorium


Das „Kathodenstrahlenrelais“ wurde mit Zubehör im August 1908 nach Olmütz gebracht, wo

Eugen Reisz und Siegmund Strauß ( der letztere war im Jahre 1907 als technischer Leiter der inzwischen in Olmütz aufgebauten „Telephonfabrik Robert von Lieben“ angestellt worden) die Versuche fortsetzten. Mit einer kleiner gehaltenen Glasform konnte dabei der erforderliche Heizstrom der Glühkathode von 20 A auf 2 A herabgesetzt werden und auch ein einigermaßen konstantes Vakuum erreicht werden (Strauß 1938). Durch diese Erfolge bestärkt beschloss Robert von Lieben in Wien die Arbeit fortzusetzen. Zu diesem Zwecke wurde im März 1910 das „Laboratorium Reisz und Strauß“ dort gegründet. Die weiteren Erfolge ließen nicht auf sich warten. Wie das Laborbuch des Laboratoriums uns zeigt, wurde bereits im Juli 1910 die Möglichkeit der Steuerung des Kathodenstrahles durch ein zwischen Kathode und Anode eingebautes Metallgitter entdeckt ( Skowronek 1931). Die Entdeckung kam dadurch zustande, dass Reisz zur Vermeidung des Glimmlichtes, analog zur Davy´schen Sicherheitslampe, ein Sieb einsetzte und sich herausstellte, dass sich dieses zur elektrostatischen Steuerung eignete. Die technische Lösung, die schließlich zur Liebenröhre führte war damit erreicht. Mit den beiden wichtigen Patenten „Relais für undulierende Ströme, bei welchem durch die zu verstärkenden Stromschwankungen ein Ionisator beeinflusst wird“ vom 4. September 1910 und „Relais für undulierende Ströme (Zusatz)“ vom 20. Dezember 1910, die von Robert von Lieben, Eugen Reisz und Siegmund Strauß eingereicht wurden, konnte dieses Forschungsergebnis gesichert werden. Die Erfinder entdeckten, dass für eine stabile Funktion das Vorhandensein eines geringen Anteils von Quecksilberdampf in der Röhre notwendig war. Um dies sicherzustellen, wurde in einem kleinen Glasstutzen ( dem sogenannten „Wurmfortsatz“ ) ein Amalgam in die Röhre eingebaut, eine Maßnahme, die man sich auch durch ein entsprechendes Patent vom13. Juli 1911 sicherte.

Bild 3: Zeichnung vom Juni/Juli 1910 aus dem Laborbuch des Lieben Teams




  1. Vertrag mit der deutschen Industrie und Entwicklung der Liebenröhre in Berlin

Über Vermittlung von Prof. Nernst wurde im August 1911 in Berlin für Vertreter der deutschen Industrie eine Demonstration des nunmehr, ausgehend vom Kathodenstrahlenrelais, entwickelten „LRS-Relais“ organisiert. Dies gelang sehr zufriedenstellend, wie im Rückblick Siegmund Strauß zu berichten wusste. Er schrieb „ die ( mittels des LRS- Relais) verstärkte Sprache war in voller Deutlichkeit, Klarheit und solcher Lautstärke zu vernehmen, dass sie noch in der letzten Reihe des großen Hörsaales des Physikalisch-chemischen Institutes genau verstanden werden konnte. Die. Vorführung machte ungeheuren Eindruck Alle Anwesenden waren verblüfft, man konnte sagen, außer sich“ ( Strauß 1938 ). Im Februar 1912 wurde bereits von Robert von Lieben mit dem „Lieben Consortium“ bestehend aus der Allgemeinen Elektrizitäts- Gesellschaft Berlin ( AEG ), der Siemens & Halske Aktiengesellschaft Berlin, der Felten & Guilleaume Aktiengesellschaft Mülheim am Rhein und der Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie Berlin ( Telefunken ) ein Vertrag zur Verwertung der Patente geschlossen.

Bild 4 : Produktion der Liebenröhre im Labor der AEG in Berlin

Die Entwicklung der „Liebenröhre“, ausgehend vom LRS-Relais, bis zur industriellen Produktionsreife wurde in Berlin für die Firmen AEG, Felten & Guilleaume und Telefunken im AEG Kabelwerk Oberspree in einem eigenen Labor durchgeführt, an dem Eugen Reisz angestellt wurde. Robert von Lieben erhielt dort einen unbezahlten Arbeitsplatz eingeräumt. Siemens & Halske, wo bereits vorher an Verstärkerschaltungen mit Gasentladungsröhren gearbeitet wurde

( Patente von Dr. Gerdien ), führte diese Entwicklung in seinem „Pupin Labor“ durch. Bereits im Jahre 1912 war die Entwicklung der Liebenröhre abgeschlossen und mit Beginn des Jahres 1913 konnte die Produktion und die Erzeugung geeigneter Verstärker aufgenommen werden. Dabei wurde der Version der Liebenröhre, wie diese im AEG Kabelwerk Oberspree entwickelt wurde, gegenüber der Version von Siemens & Halske der Vorzug gegeben.



  1. Praktischer Einsatz der Liebenröhre

An einem praktischen Einsatz der Liebenröhre war vor allem Telefunken interessiert. In Empfangsschaltungen für die drahtlose Telegraphie konnte sie zur Verstärkung der Morsesignale für den Hörempfang eingesetzt werden. Ebenso konnte sie dort zur Verstärkung von hochfrequenten Signale dienen. In einer Oszillator-Schaltung war die Liebenröhre zur Schwingungserzeugung auch für den Überlagerungsempfang brauchbar. Von Alexander Meißner wurde mit der Liebenröhre bei Telefunken auch zum ersten mal auch eine Sendeschaltung für die Drahtlose Telegraphie und für die Drahtlose Telephonie realisiert. Die Sendeleistung blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Mit einer Anodenspannung von etwa 1000 Volt erzielte man wohl eine Sendeleistung bis zu 20 Watt, die Lebensdauer der Röhren lag jedoch bei diesen Betriebsbedingungen nur bei wenigen Stunden (Meißner 1928). Neben der Drahtlosen Telegraphie wurde die Liebenröhre natürlich auch in der gewöhnlichen Telephonie bei Weitverbindungen eingesetzt. Dies besonders bei militärischen Einsätzen im 1. Weltkrieg. Hier kam sie auch in Horchverstärker für feindliche Erdtelegraphie und Erdtelephonie zum Einsatz.


In einem als „vertraulich“ bezeichneten Dokument der Fa. Telefunken wurde eine Schaltung für einen „aperiodischen Universalverstärker“ angegeben, mit dem es möglich sein sollte, mit einer Liebenröhre zugleich eine Hochfrequenz- Verstärkung als auch eine Niederfrequenz-Verstärkung zu erreichen ( Pichler 2006 )

Bild 5: Verstärker mit zwei Liebenröhren von Telefunken (1913)

Bild 6: Schaltung für einen „aperiodischen Universalverstärker“ von Telefunken

Eine weitere Quelle um Details zu Schaltungen mit Liebenröhren zu erfahren ist auch der von der US Navy im Jahre 1918 angefertigte Bericht über die Funkausrüstung des deutschen Dampfschiffes „Vaterland“, das vom Beginn des Eintritts der Vereinigten Staaten in den 1. Weltkrieg an ( 1. August 1918 ) im Hafen von New York festgehalten wurde ( Tyne 1977 ).


Ab dem Jahre 1915 wurde die Liebenröhre jedoch von den inzwischen bei Telefunken entwickelten Hochvakuumröhren EVN 94, EVN 171 und EVE 173 und bei Siemens und Halske entwickelten Hochvakuumröhren mit Messerkontakten Type A und Mc in den Militärgeräten verdrängt.

  1. Schluss

Die Liebenröhre, deren Forschung und Entwicklung in den Jahren 1905- 1911 in Wien und ab 1912 in Berlin durchgeführt wurde, hat ab 1911 zu den ersten elektronischen Verstärkerschaltungen geführt und wurde ab 1913 praktisch eingesetzt. Im Herbst1913 wurde aber bereits die von Western Electric entwickelte Hochvakuumröhre A ( später als 101-A bezeichnet), die auf das Audion von de Forest aufbaute, für Telephonverstärker praktisch erprobt. In Deutschland wurde im Jahre 1914 bei Telefunken im Verstärker EV89 zum ersten mal eine Hochvakuumröhre ( EVN 94 ). Der Siegeszug der Hochvakuumröhre für die Telephonie und Funk war damit eingeleitet. Trotz der schnellen Ablöse infolge des erzielten technischen Fortschritts hat die Liebenröhre jedoch den Verdienst, dass damit zum erstenmal eine elektronische Verstärkung gelang, die international bekannt wurde und dass sie damit auch die weitere Forschung, die zur Hochvakuumröhre und damit zu den späteren „Radioröhren“ führte befruchtete.



Schrifttum


  1. Leiser, R.: Information an Kanzlei Dris Ludwig Strauss,20. April 1910, Nachlaß Friederike Thim




  1. Meißner, A.: Über Röhrensender. 25 Jahre Telefunken 1903-1928. berlin 1928, S. 63-72.




  1. Nernst, W.: Zur Erinnerung an Robert v. Lieben. Telefunkenzeitung, Sept. 1923, S. 5-7.




  1. Pichler,F.: Robert von Lieben. 100 Jahre Patent Kathodenstrahlenrelais. Trauner Verlag, Linz 2006




  1. Skowronnek, K.: Zur Entwicklung der Elektronenverstärker-Röhre (Lieben Röhre). Archiv für Geschichte der Mathematik, der Naturwissenschaften und der Technik (1931), S.225-276.




  1. Strauß,S.: Aus der Geschichte der Liebenröhre. Radio Amateur, März 1938, S. 125-128.




  1. von Lieben, R. : Zur Polarisation der Röntgenstrahlung. Physik. Zeitschrift (1903), S.469-472




  1. Tyne, G.: The Saga of the Vacuum Tube. Indianapolis 1977




  1. Walz, R. : Die Entwicklung der Lieben-Röhre. Funkgeschichte, Jan/Feb 1987, S. 7-28.

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