Hinterpommern das gelobte Land der Kartoffelzüchtung



Yüklə 117,04 Kb.
Pdf görüntüsü
tarix04.02.2018
ölçüsü117,04 Kb.
#23511


Hinterpommern - das gelobte Land der Kartoffelzüchtung

"K

ARTZ  VON 



K

AMEKE


  Streckenthin,  der  als  genialer  Pflanzenzüchter  den  traditionellen  Rahmen  seines

Berufsstandes als Landwirt weit überschritt" **



Volker Janke

Inhalt


1. Kurze Kulturgeschichte der Kartoffelzüchtung ...................................................................21

1.1 Die Kartoffelzucht ................................................................................................23

2. Streckenthin – der Wallfahrtsort für Kartoffelexperten im 20. Jahrhundert ........................23

2.1 Das Gut Streckenthin ..........................................................................................24

2.2 Pflanzenzucht und Saatgutschutz .......................................................................25

2.3 Vertreibung, Flucht und Neubeginn.....................................................................25

3. Zusammenfassung.............................................................................................................26

4. Literatur- und Quellenverzeichnis.......................................................................................26

Schloß Streckenthin (aus D

ADE 


1913)

1. Kurze Kulturgeschichte der Kartoffel-

züchtung

Die  Kartoffel  (Solanum  tuberosum  L.)  hat  von

der  Nutzpflanze  südamerikanischer  Hochebe-

nen  bis  zur  europäischen  Kulturpflanze  ersten

Ranges einen weiten Weg zurückgelegt

1

. Hier-



bei spielt die Pflanzenzüchtung eine besondere

Rolle. Ohne die züchterischen Leistungen hätte

sie  nicht  den  heutigen  Stellenwert  in  der

menschlichen  Ernährung,  nicht  die  Ertragslei-

stung,  nicht  den  Geschmack  und  nicht  die

Kochfähigkeit. Über 3000 verschiedene Kartof-

felsorten  machen  die  Kartoffel  zu  einem  der

wichtigsten Nahrungsmittel des Menschen.

Als Heimat der wilden Kartoffel werden die pe-

ruanisch  -  bolivianischen  Hochebenen  mit  bis

                                                     

**Deutsches Familienarchiv, 49/1972, Neustadt

a.d. Aisch, S. 248f.

1

  Vgl.:  G



RIES

,  W.:  Geschichte  der  Kartoffel-

züchtung,  unveröffentl.  Hausarbeit  zum  Di-

plomexamen,  Halle  1955,  S.  7  u.  8.;  vgl.  auch

K

OLBE


,  W.:  Kulturgeschichte  der  Kartoffel  und

anderer  Knollenfrüchte,  Burscheid  1994.  und

                                                                            

Z

IESSOW



,  K.-H.:  Kolumbus’  spätes  Erbe,  in:

Rund  um  die  Knolle,  Beiträge  zur  Geschichte

und Zukunft der Kartoffel 1, Stuttgart 1994.

Samensurium 12/2001

- 21 -



zu  4000  Metern  angenommen.  Von  hier  ver-

breiteten sich die ersten Kulturformen bis nach

Chile,  von  wo  aus  sie  um  1560  über  Spanien

und  gegen  1600  über  England  nach  Europa

gelangten.  “Obwohl  die  Kartoffel  bereits  1587

im  Deutschen  Reich  zu  finden  gewesen  ist,

bedurfte  es  doch  Jahrhunderte,  bis  sie  sich

allgemein durchgesetzt hatte. Zu einer Zeit, da

sie  in  anderen  Ländern  bereits  feldmäßig  an-

gebaut  wurde,  blieb  die  Kartoffel  in  Deutsch-

land als Sehenswürdigkeit in Botanischen oder

als  Gemüsepflanze  in  Küchengärten  reicher

Leute beschränkt"

2

.

In  Folge  des  dreißigjährigen  Krieges  ist  eine

zögernde  Ausbreitung  der  Kartoffel  von  Süd-

deutschland  ausgehend  in  die  nördlichen  und

östlichen Provinzen des Deutschen Reiches zu

erkennen. Der Schwerpunkt des Kartoffelbaues

war  dann  im  18.  Jahrhundert  in  Preußen  zu

finden.  “Infolge  der  Kriege,  Teuerungen  und



Not  sowie  mittels  Gratisverteilungen  von  Saat-

kartoffeln  und  Kabinettsorder  der  preußischen

Könige  Friedrich  Wilhelm  I.  und  besonders

Friedrich  II.,  gelang  um  etwa  1770  der  Durch-

bruch zum allgemeinen Nahrungsmittel"

3

.



In  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  war  für  die

Kartoffel  lediglich  in  den  Gärten  der  Höfe  und

Bauernhäuser  etwas  Platz.  Sie  diente  zur  Er-

gänzung der einseitigen Ernährung mit Hülsen-

früchten oder Kohl. Die bauernfeindliche Politik

der Zeit sorgte auch für einen allgemeinen Ver-

fall  der  bäuerlichen  Gartenkultur.  Der  Garten

des  leibeigenen  Bauern  oder  der  anderen

unterbäuerlichen  Schichten  verwahrloste  zum

Ende  des  18.  Jahrhunderts  zunehmend.

Warum  sollte  man  Obstbäume  pflanzen  oder

einen  Garten  pflegen,  wenn  die  Zukunft  in  der

unberechenbaren  Hand  der  Herrschaft  lag?

Die  zunehmende  Last  der  Hand-  und  Spann-

dienste tat ihr übriges, um für die Gartenpflege

keine Zeit zu lassen.

Die  Kartoffel  hinterließ  außerdem  auf  Grund

der  hohen  Solanin-Gehalte  noch  einen  kratzi-

gen Geschmack und ein Brennen im Hals, was

sie für die Ernährung nicht sehr beliebt machte.

Der eigentliche Grund für die letztendliche Ver-

breitung  der  Kartoffelkultur  und  deren  feldmä-

ßigen  Anbau  ist  allerdings  woanders  zu  su-

chen.  Die  Aufhebung  der  Feldgemeinschaft

und  des  Flurzwanges  sowie  die  Aufgabe  der

damit verbundenen Dreifelderwirtschaft ermög-

lichten  erst  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts

den  Anbau  der  Kartoffel  in  größerem  Maße.

Bisher  waren  zwei  Schläge  dem  Winter-  bzw.

Sommergetreide vorbehalten und auf dem drit-

ten, also dem Bracheschlag, wurde oft Viehhal-

tung  betrieben.  Erst  als  man  die  Brache  auch

ackerbaulich  für  Hackfrüchte  zu  benutzen  be-

gann, wurde diese frei für Kartoffeln, Kohl oder

Rüben.

Insbesondere  die  Hungersnöte  in  Folge  des



siebenjährigen 

Krieges, 

die 

anhaltende



schlechte  Witterung  der  Jahre  1770/1771  und

der  daraus  resultierende  Getreidemangel  tru-

gen zur Ausweitung des Kartoffelanbaues bei.

Ein  allgemeiner  Getreidemangel  wurde  auch

durch die Revolution in Frankreich bewirkt. Das

teuer  gewordene  Getreide  wurde  exportiert.

Der  Gewinn  brachte  insbesondere  dem  meck-

lenburgischen  Landadel  Reichtum  und  der

ländlichen  Bevölkerung  Hunger.  Neben  der

Verwendung als Tierfutter war die Kartoffel nun

vor allem zum Brot des armen Mannes gewor-

den.


Die “Dienstbauer- und Wirtschaftsordnung” des

Gutes  Rövershagen  vom  10.  März  1767  gibt

uns  einen  ersten  Hinweis  auf  die  herrschaft-

liche Förderung des Kartoffelbaues und dessen

Verbreitung.  Nach  ihr  sollte  jeder  Untertan  ...

seinen  Garten  fleißig  mit  Kartoffeln,  Kohl,  Rü-

ben,  Wurzeln  u.  dgl.  Bestellen...

4

.  Jedenfalls



dort, wo die Bauern noch nicht gelegt, die Häu-

ser  der  gelegten  Bauern  noch  nicht  abgebro-

chen  und  die  Gärten  zur  Vergrößerung  der

Schläge  und  des  Ackerlandes  vereinnahmt

wurden.

In  den  70er  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  er-



langte  die  Kartoffel  zunehmend  wirtschaftliche

Bedeutung.  Es  entwickelte  sich  allmählich  ein

Absatzmarkt für Kartoffeln, so dass W

REDOW


 in

seiner  Oeconomisch–technischen  Flora  Meck-

lenburgs  im  Jahre  1811  schrieb:  “Es  ist  fast

unglaublich,  welche  ungeheure  große  Menge

Kartoffeln  in  Mecklenburg  angepflanzt  wird,

man sieht fast ebenso große Kartoffel- als Ge-

treidefelder. Aber die meisten Menschen leben

auch fast einzig und allein von Kartoffeln. Mor-

gens,  mittags  und  Abends.  Selbst  auf  den  Ti-

schen  der  Vornehmen  machen  sie  die  Haupt-

speise aus”.

                                                     

                                                     

2

 G



RIES

, W., S. 9.

3

 

K



ÖRBER

-G

ROHNE



U.: 


Nutzpflanzen 

in

Deutschland, Stuttgart 1994, S. 143.



4

  M


AGER

,  F.:  Geschichte  des  Bauerntums  und

der  Bodenkultur  im  Lande  Mecklenburg,  Berlin

1955, S. 293.

- 22 -

Samensurium 12/2001




1.1 Die Kartoffelzucht

Die  ständige  Reproduktion  der  Kartoffel  aus

sich  selbst  heraus  -  also  mittels  vegetativer

Vermehrung  durch  das  Teilen  von  Knollen  -

führte zu einer gewissen Degeneration der Sor-

ten.  Dieser  Umstand  ließ  nicht  nur  die  Erträge

sinken,  die  Kartoffel  wurde  auch  krankheitsan-

fälliger.  Neue  Sorten  mußten  her  und  dies

durch gezielte Züchtung auf Grund generativer

Vermehrung.

“Die  Blütennarbe  einer  auf  dem  Felde

ausgewählten  besonders  guten  Staude

wird  mit  dem  Pollen  einer  ebenfalls  be-

sonders  viel  versprechenden  Staude  ei-

ner  anderen  Sorte  bestäubt,  nachdem

vorher  der  Sortencharakter  der  zu  kreu-

zenden  Sorten  aus  den  Zuchtbüchern

festgestellt worden ist. Die im Herbst ge-

ernteten  Kreuzungsbeeren  werden  in

warmen  Räumen  so  lange  gelagert,  bis

das  Fruchtfleisch  weich  wird  und  einen

aromatischen  Geruch  bekommt.  In  die-

sem  Zustand  werden  die  Beeren  zer-

drückt,  die  Körper  ausgewaschen  und

getrocknet,  um  über  Winter  in  Papier-

beuteln aufbewahrt zu werden. In der er-

sten  Märzhälfte  erfolgt  sodann  die  Aus-

saat der Samen in Blumentöpfen, die im

Warmhaus  oder  Mistbeet  aufgestellt

werden.  Nach  ca.  10  Tagen  läuft  der

Same  auf.  Die  jungen,  dichtbehaarten

Pflänzchen  werden  sodann  nach  weite-

ren  8-10  Tagen  mit  dem  vierten  Blatt

zum ersten Mal in Kästen pikiert, um ca.

vier  Wochen  später,  sobald  sie  das  sie-

bente Blatt gebildet haben, in Frühbeete

verpflanzt  zu  werden,  die  allmählich  im-

mer  mehr  gelüftet  werden,  um  die

Pflänzchen  abzuhärten.  Nach  drei  bis

vier  Wochen  haben  die  Pflänzchen  eine

Höhe von 15-20 cm erreicht,  weisen  zu-

weilen  beim  Auspflanzen  auf  das  Feld

auch  schon  kleine  Knöllchen  an  den

Stollonen  auf.  In  der  Regel  geschieht

dieses Auspflanzen anschließend an das

Pflanzen  der  übrigen  Kartoffeln,  selten

jedoch vor dem 1. Juni und  erfolgt  in  ei-

nem  Reihenabstand  von  60x60  cm.  Im

Herbst werden von vornherein alle Stau-

den  mit  nicht  befriedigendem  Ansatz

ausgemerzt,  und  auch  von  den  verblei-

benden guten wird nur eine beschränkte

Zahl  mit  besonders  vielversprechendem

Aussehen ausgewählt und staudenweise

in  Säckchen  gefüllt,  um  über  Winter  im

Keller  aufbewahrt  zu  werden.  Im  näch-

sten  Frühjahr  wird  jede  Staude  für  sich

getrennt  ausgelegt  und  durch  Stauden-

auslese mehrere Jahre weiter bearbeitet

und geprüft"

5

.

Bis um 1840 war die Kartoffel,  abgesehen  von



den  degenerativen  Erscheinungen,  eine  relativ

sichere  Kultur.  1842  trat  in  Amerika  plötzlich

die  Phytophthora  (Kraut-  und  Knollenfäule)

epidemisch auf und verbreitete sich rasend, so

dass es zwei Jahre später kein kartoffelbauen-

des  Land  gab,  dass  von  der  Krankheit  ver-

schont  blieb.  Extreme  Hungersnöte  in  ganz

Europa  waren  die  Folge.  In  Deutschland  ver-

ursachte  die  Kartoffelseuche  den  sogenannten

Kohlrüben-  bzw.  Steckrübenwinter.  Die  Kartof-

felernte  des  Jahres  1916  betrug  auf  Grund

fehlender  Düngemittel  und  Arbeitskräfte  sowie

durch  die  Kartoffelseuche  lediglich  50%  des

Vorjahres.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann man

nun mit der systematischen Züchtung von Kar-

toffeln  und  erfuhr  bald  erste  Erfolge  im  Kampf

gegen die Kartoffelkrankheit.

Im  Gegensatz  zu  anderen  Gebieten  Deutsch-

lands  fasste  die  Kartoffelzüchtung  erst  verhält-

nismäßig  spät  in  den  für  die  Erzeugung  hoch-

wertigen  Pflanzgutes  idealen  Lagen  Mecklen-

burgs und Pommerns Fuß. Eng verbunden mit

den  züchterischen  Leistungen  in  der  Ostsee-

Region  sind  die  Namen  H

ERMANN 


L

IENAU


  und

K

ARTZ VON 



K

AMEKE


 auf Streckenthin.

2. Streckenthin - der Wallfahrtsort für

Kartoffelexperten im 20. Jahrhundert

Die  in  Norddeutschland  allgemein  angebaute

“D

ABER


'

sche Kartoffel” verschlechterte sich von

Jahr  zu  Jahr.  Sie  war  sehr  krankheitsanfällig

und  brachte  immer  weniger  Ertrag.  Noch  im-

mer  war  es  nicht  gelungen,  gegen  die  verhee-

rende  Kartoffelkrankheit  ein  Mittel  zu  finden

oder eine resistente Sorte zu züchten.

Zur  Hebung  des  Kartoffelbaus  wurde  1897  in

Streckenthin durch den Rittmeister der Reserve

K

ARTZ  VON 



K

AMEKE


  auf  Streckenthin  (1866-

1942) eine Sortenprüfungsstation eingerichtet.

In Streckenthin gab es für den Kartoffelbau be-

sonders  günstige  Bedingungen  wie  durchlässi-

                                                     

5

  U



EBERSCHÄR

,  K.,  Geschichte  der  Kartoffel-

züchtung  in  Deutschland  zugleich  ein  ge-

schichtlicher  Beitrag  zur  Sortenkunde,  Berlin

1929, S. 55-56.

Samensurium 12/2001

- 23 -



gen  humosen  Sand  und  maritimes  Klima  mit

gleichmäßig feuchten Sommermonaten.

Streckenthin im damaligen hinterpommerschen

Regierungsbezirk  von  Stettin,  gehörte  bereits

1926 zu den größten Saatzuchtwirtschaften der

Welt


6

. Schon bald erkannte man den Wert  der

Region nicht nur für die Sortenprüfung sondern

auch für die ganz gezielte Züchtung neuer Kar-

toffelsorten. Um 1900 wurde mit verschiedenen

neueren  Kartoffelkultursorten  Vergleichsanbau

betrieben. Bereits 1906 wurde die Prüfungssta-

tion  in  eine  Zuchtstation  umgewandelt  und  es

begann  der  eigentliche  Zuchtbetrieb  in  Stre-

ckenthin.

In diesem Jahr übernahm H

ERMANN 


L

IENAU


 die

Leitung  der  Kartoffelzucht  auf  Streckenthin.

L

IENAU


, auch als “Altmeister der Kartoffelzucht”

bezeichnet

7

,  wurde  1872  als  Sohn  eines  Bau-



ern  in  Nettlau  geboren.  Er  erlernte  den  Beruf

des  Gärtners  und  unternahm  bereits  1898  er-

ste  kartoffelzüchterische  Versuche  bei  Graf

A

RNIM



-S

CHLAGENTHIN

 aus Nassenheide

8

.



L

IENAU


 galt unter den damaligen Kartoffelzüch-

tern  als  “As”.  Unter  seiner  Leitung  wurden  bis

1912 108 verschiedene Kreuzungen mit insge-

samt 27.000 Kartoffelsämlingen vorgenommen.

Das  Zuchtziel  beinhaltete,  besonders  boden-

ständige,  dem  Küstenklima  und  den  rauhen

nördlichen  Lagen  angepaßte  Sorten  zu  schaf-

fen. 1913 konnten die ersten eigenen Züchtun-

gen  mit  den  Namen  '

Parnassia'

  und  '

Deodora'


der  Kundschaft  präsentiert  werden.  Für  die

Züchtung einer neuen Qualitätssorte werden in

der  Regel  10  Jahre  veranschlagt.  Hier  gelang

der  Erfolg  gleich  beim  ersten  Wurf.  1917  ver-

ließ  L

IENAU


  Streckenthin  und  gründete  mit

S

CHRÖDER



-L

ISCHOW


-V

OGELSANG


  die  Zucht-

stätte Tilliberg in Mecklenburg.



2.1 Das Gut Streckenthin

Die  Stammgüter  der  Familie 

V

.  K


AMEKE

  er-


streckten  sich  damals  über  die  Orte  Thunow,

Streckenthin  und  Geritz  und  umfassten  ca.

1450  ha.  Bis  1913  hat  sich  der  Besitz  nahezu

auf  2150  ha  verdoppelt.  Davon  waren  954  ha

Acker,  765  ha  Wald,  228  ha  Wiesen,  173  ha

Weiden und Moor, 18 ha Garten, 3 ha Wasser

und 9 ha Wege. Die Fruchtfolge der 8 Schläge

lautete 1. Roggen,  2.  Roggen,  3.  Kartoffeln,  4.

Hafer,  5.  Kartoffeln,  6.  Hafer,  7.  ½  Klee,  ½

Blattfrucht, 8. ½ Brache, ½ Gründüngung. 1911

gehörten  zum  Gut  ca.  200  Pferde,  600  Kühe,

850  Schweine,  1600  Schafe.  Weiterhin  gehör-

ten der Familie seit 1901 die  Redliner  Mühlen-

werke mit Kornmühle, Sägewerk, Bautischlerei,

Zementwarenfabrikation und Spiritusbrennerei.

Mühlenwerke Redlin, 1901 (aus D

ADE 

1913)


“Von gleich hoher Bedeutung für die ren-

table  Bewirtschaftung  einer  intensiven

Begüterung ist ihre Ausrüstung mit tüch-

tigen  Menschenkräften  in  leiblicher,  gei-

stiger  und  moralischer  Tauglichkeit.

Diese lebendigen Kräfte sind letzten En-

des  doch  die  Seele  des  ganzen  Betrie-

bes.  Was  nützen  noch  so  gute  maschi-

nelle  Einrichtungen,  wenn  sie  nicht  mit

dem  gehörigen  Verständnis,  nicht  mit

vollem  Arbeitsernste  bedient  werden!

Heutzutage  freilich  kann  der  Betriebs-

inhaber  nicht  mehr  so  nachhaltig  auf

seine  mit  ihm  zum  Ganzen  zusammen-

wirkenden  Arbeiter  Einfluß  nehmen,  wie

dies frühere Zeiten noch gestatteten. Die

ländlichen  Arbeiter  haben  größere  Frei-

heiten  erhalten,  sie  kehren  leider  häufig

dem gesunden ländlichen Heimatsboden

den  Rücken,  um  schließlich  im  Ruße

großstädtischer  Fabrikschlote  Einbuße

an der Lebensfreudigkeit zu erleiden, die

ihre  Seele  bei  Arbeiten  auf  freiem  Felde

und in Waldesfrische erfüllte"

9

.

1902 engagierte sich K



ARTZ  V

. K


AMEKE

 bei der


Elektrifizierung der Provinz Pommern. Das von

ihm  1905  errichtete,  durch  Wasserkraft  betrie-

bene  Redliner  Elektrizitätswerk  war  das  erste

                                                     

6

  B


INSWANGER

,  E.:  Biographie  der  v.  Ka-

meke’schen Kartoffel-Sorten, o. O. 1926, S. 5.

7

  Landwirtschaftliche  Pflanzenzüchtung  in



Deutschland, Bundesverband Deutscher Pflan-

zenzüchter (Hg.), Bonn 1987, S. 256 f.

8

  U


EBERSCHÄR

,  K.:  Geschichte  der  Kartoffel-

züchtung  in  Deutschland  zugleich  ein  ge-

schichtlicher  Beitrag  zur  Sortenkunde,  Berlin

1929, S. 54.

                                                     

9

 D

ADE



, H. G.: Die Landwirtschaft unter Kaiser

Wilhelm II. 1. Bd., Halle 1913, S. 129.

- 24 -

Samensurium 12/2001




östlich  der  Oder  und  produziert  noch  heute

Energie  mit  den  alten  Turbinen  von  AEG  und

Siemens.  1912  errichtete  von  Kameke  eine

Talsperre zur Stromerzeugung.

Brennerei Thunow (aus D

ADE


 1913)

Die größte Bekanntheit hat K

ARTZ VON 

K

AMEKE



allerdings durch sein züchterische Tätigkeit und

seine  Mitarbeit  in  den  unterschiedlichsten

landwirtschaftlichen Gremien zur Kartoffelzucht

erlangt.


So  heißt  es  in  einem  Artikel  zum  60.  Geburts-

tag des Sohnes D

OBIMAR V

. K


AMEKE

,

“Nobles  oblige!  Getreu  dem  edelsten



Wahlspruch  seines  Standes  als  fürsorg-

licher  Gutsherr  zahlreicher  Mitarbeiter

hatte  der  Vater  des  heutigen  Jubilars,

Herr  Kartz  von  Kameke,  zum  Ende  des

vorherigen  Jahrhunderts  mit  der  züchte-

rischen  Verbesserung  mehrerer  Acker-

früchte  begonnen,  um  seiner  Verpflich-

tung  zu  höheren  Leistungen  auch  im

landwirtschaftlichen  Bereich  gerecht  zu

werden"


10

.

2.2 Pflanzenzucht und Saatgutschutz

K

ARTZ VON 



K

AMEKE


 kämpfte entschieden für die

Saatanerkennung  von  Kartoffeln  durch  die

Originalsaatgutkommission.  So  gehörte  er

1915  zu  den  Gründungsmitgliedern  der  Pom-

merschen  Saatzucht  GmbH  (PSG)  und  war  in

den  1920er  Jahren  Gründungsmitglied  und

Vorsitzender  des  “Verband  der  Originalkartof-

felzüchter”  (VOK)

11

.  Ein  Grundgedanke  des



Verbandes  war  der  sogenannte  “Erfinder-

schutz”  für  Kartoffelsorten,  ähnlich  der  Paten-

tierung einer Entdeckung. Die Grundgedanken,

die  zur  Gründung  des  Verbandes  führten,  wa-

ren  Hauptbestandteil  des  1953  erlassenen,

ersten  Saatgutgesetzes  der  Welt.  Weiterhin

war K

AMEKE


 Mitarbeiter im Ausschuß der Saat-

zuchtabteilung der D.L.G., im Vorstand der Ge-

sellschaft  zur  Förderung  Deutscher  Pflanzen-

zucht  (G.F.P.)  und  Vorsitzender  der  Original-

kartoffelzuchtabteilung der G.F.P.

Die  größte  Leistung  K

ARTZ  VON 

K

AMEKE



s  je-

doch 


war 

die 


Zucht 

der 


Kartoffelsorte

'Parnassia'.

Mit  einer  besonders  hohen  Krautfäuleresistenz

und  einer  extremen  Stärkehaltigkeit  ausgestat-

tet nahm diese Sorte später 30% der Kartoffel-

anbaufläche  in  Deutschland  ein.  Die  Zucht-

erfolge 

V

.  K



AMEKE

s  verbreiteten  sich  wie  ein

Lauffeuer in der Fachwelt. Bis 1930 hatten sich

alle  großen  deutschen  Kartoffelzuchtbetriebe

mit  Zuchtstationen  in  Hinterpommern  mit

Streckenthin  als  Mittelpunkt  angesiedelt.  Auf

Grund  der  zahlreichen  Existenzgründungen

wurde  Hinterpommern  somit  zum  Zentrum  der

Pflanzkartoffelzucht für das 3. Reich.

2.3 Vertreibung, Flucht und Neubeginn

Von 1936 bis 1945 war D

OBIMAR V

. K


AMEKE

 der


Leiter der Saatzucht in Streckenthin.

Am  20.  Juli  1944  wurde  D

OBIMAR  VON 

K

AMEKE



von  Russischen  Truppen  in  Gefangenschaft

genommen.  Er  und  seine  Mitarbeiter  hatten

keine Möglichkeit, die wertvolle Kartoffelsamm-

lung  oder  das  Saatgut  zur  weiteren  Zucht  in

Sicherheit  zu  bringen.  Ein  eilig  gepackter

Rucksack  mit  Samen,  der  den  Neuanfang  si-

chern  sollte  ist  auf  der  Flucht  verloren  gegan-

gen.


                                                     

10

 F



RIEBE

, P.: Bedeutung der Pflanzenzucht für

die  Ernährung.,  in:  Der  Kartoffelbau,  21.  Jg.,

Nr. 4, 1970, S. 106.

11

  Deutsches  Familienarchiv,  49/  1972,  Neu-



stadt a.d. Aisch, S. 200.

Samensurium 12/2001

- 25 -



“Durch den Zusammenbruch (1945 d.A.)

war  der  Anteil  seiner  Züchtungen  in

Westdeutschland  auf  0,5%  der  Vermeh-

rungsfläche  zusammengeschrumpft.  Der

gesamte  Zuchtaufbau  aller  im  Handel

befindlichen Sorten, die Zuchtakten, 98,5

%  des  neuen  Zuchtmaterials  und  der

gesamte  Samenbestand  waren  verlo-

ren"

12

.



So  mußte  D

OBIMAR  V

.  K

AMEKE


  als  Hofpächter

in  Schleswig-Holstein  vollständig  von  vorne

anfangen.  Einziger  K

AMEKE


'

scher  Grundbesitz

blieb  das  Moorgut  Kartzfehn  bei  Oldenburg,

welches 1929 noch von K. 

V

. K


AMEKE

 erworben

und kultiviert wurde. Mit seinem Wissen um die

Kartoffelzucht  fand  D  .

V

.  K


AMEKE

  in  Windeby

bei  Eckernförde  ein  Gut  mit  einer  ähnlichen

“Gesundlage”  wie  in  Streckenthin.  Die  in  Hin-

terpommern  zerschlagene  Pflanzkartoffelzucht

und  Produktion  mußte  für  Deutschland  neu

aufgebaut  werden.  Viele  der  ebenfalls  vertrie-

benen  Mitarbeiter  haben  sich  nach  der  Flucht

bei  den 

V

.  K



AMEKE

s  wieder  eingefunden.  An-

fang  der  50er  Jahre  waren  die  ersten  Erfolge

zu  verzeichnen,  und  1957  konnten  die  ersten

zwei Sorten am Markt plaziert werden.

D

OBIMAR  V



.  K

AMEKE


  arbeitete  entschieden  an

der Idee seines Vaters, ein Saatgutgesetz zum

Schutz  von  Pflanzenzüchtungen  zu  erlassen,

weiter.  Am  27.  Juni  1953  wurde  das  Gesetz

über  Sortenschutz  und  Saatgut  von  Kultur-

pflanzen erlassen

13

 und hat noch heute Gültig-



keit.

Schließlich  beschloß  D

OBIMAR  VON 

K

AMEKE



  für

seinen  Sohn  K

ARTZ  VON 

K

AMEKE



:  “Wir  werden

Landwirtschaft  studieren”.  Dies  lag  den  Ambi-

tionen  des  jüngsten  Sprosses  allerdings  fern.

Der Familientradition nicht besonders verpflich-

tet,  wollte  er  lieber  Architektur  studieren.  Aller-

dings einigte man sich schnell auf ein Biologie-

studium.  Mit  einem  anschließenden  Agrarbio-

logiestudium erlangte  Kartz  v.  Kameke  die  Fä-

higkeiten  eines  Züchters  und  übernahm  die

Leitung des Unternehmens.

Heute exportiert die Firma “Sara” in Windeby in

ca. 40 Länder. Gemeinsam mit der SaKa-Ragis

Pflanzenzucht  GbR  halten  sie  ca.  20%  des

deutschen Marktes.

Seit  drei  Jahren  ist  K

ARTZ  V

.  K


AMEKE

  Vorsit-

zender des Bundesverbandes deutscher Pflan-

zenzüchter  mit  Sitz  in  Bonn.  Die  Fortführung

von Ideen, die vor nahezu 100 Jahren geboren

wurden, liegt in seinen Händen.



3. Zusammenfassung

K

ARTZ  VON 



K

AMEKE


  ist  es  gelungen,  Anfang

des  20.  Jahrhunderts  in  der  relativ  struktur-

schwachen  Region  Hinterpommern  einen  Weg

aus einer allgemeinen Krise der Landwirtschaft

aufzuzeigen.  Neben  dem  traditionellen  Getrei-

debau  und  der  Viehzucht  war  es 

V

.  K


AMEKE

möglich,  mit  dem  Kartoffelbau  und  der  Kartof-

felzucht  eine  neue  Spezialisierungsrichtung  für

die Agrarproduktion der Zeit zu etablieren. Un-

ter  Hinzuziehung  von  hochqualifiziertem  Fach-

personal und unter Berücksichtigung der neue-

sten  Erkenntnisse  aus  Wissenschaft  und  For-

schung  gelang  somit  auf  Streckenthin  ein  Mo-

dernisierungsprozeß  mit  Modellcharakter  für

das gesamte Deutsche Reich.

Die 

K

AMEKE



-Sorten 

'

Parnassia'



 

(1913),


'

Deodora'


  (1913),  '

Hindenburg'

  (1916)  und

'

Carnea'



 (1938) werden seit dem Frühjahr 2001

im  Mecklenburgischen  Volkskundemuseum-

Freilichtmuseum-Mueß  mit  Erfolg  angebaut.

Entsprechendes  Vermehrungsmaterial  von  10

weiteren  10  K

AMEKE


-Sorten  steht  in  der  Gen-

bank  Außenstelle  Nord  in  Groß  Lüsewitz  zur

Verfügung.

4. Literatur- und Quellenverzeichnis

B

INSWANGER



,  E.:  Biographie  der  v.  Kameke’schen

Kartoffel-Sorten, o. O. 1926

Bundesverband  Deutscher  Pflanzenzüchter  (Hg.):

Landwirtschaftliche  Pflanzenzüchtung  in  Deutsch-

land, Bonn 1987

D

ADE



,  H.  G.:  Die  Landwirtschaft  unter  Kaiser  Wil-

helm II., 1. Bd., Halle 1913

Das  Saatgutgesetz,  Gesetz  über  Sortenschutz  und

Saatgut  von  Kulturpflanzen  vom  27.  Juni  1953,

Hannover 1953

Deutsches  Familienarchiv,  49/  1972,  Neustadt  a.d.

Aisch

F

RIEBE



,  P.:  Bedeutung  der  Pflanzenzucht  für  die

Ernährung.,  in:  Der  Kartoffelbau,  21.  Jg.,  Nr.  4,

1970, S. 105-108

G

RIES



,  W.:  Geschichte  der  Kartoffelzüchtung,  un-

veröffentl.  Hausarbeit  zum  Diplomexamen,  Halle

1955

                                                     



12

 F

RIEBE



, P.: Bedeutung der Pflanzenzucht für

die  Ernährung.,  in:  Der  Kartoffelbau,  21.  Jg.,

Nr. 4, 1970, S. 106.

13

  Das  Saatgutgesetz,  Gesetz  über  Sorten-



schutz und Saatgut von Kulturpflanzen vom 27.

Juni 1953, Hannover 1953.

- 26 -

Samensurium 12/2001




K

OLBE


, W.: Kulturgeschichte der Kartoffel und ande-

rer Knollenfrüchte, Burscheid 1994

K

ÖRBER


-G

ROHNE


,  U.:  Nutzpflanzen  in  Deutschland,

Stuttgart 1994, S. 143

M

AGER


,  F.:  Geschichte  des  Bauerntums  und  der

Bodenkultur im Lande Mecklenburg, Berlin 1955

O

BERSTEIN


,  O

TTO


:  Beitrag  zur  Phylogenie  unserer

Kartoffelsorten, Breslau o.J.

U

EBERSCHÄR



,  K.:  Geschichte  der  Kartoffelzüchtung

in  Deutschland  zugleich  ein  geschichtlicher  Beitrag

zur Sortenkunde, Berlin 1929

Z

IESSOW



,  K.-H.:  Kolumbus’  spätes  Erbe.  -  In:  Rund

um die Knolle, Beiträge zur Geschichte und Zukunft

der Kartoffel 1, Stuttgart 1994

Volker Janke

Obotritenring 55

19053 Schwerin



Samensurium 12/2001

- 27 -

Yüklə 117,04 Kb.

Dostları ilə paylaş:




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə