Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Landtag




Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen
16/121

16. Wahlperiode


15.09.2016
121. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 15. September 2016







Entschuldigt waren:
Minister Garrelt Duin
(von 10:30 bis 12 Uhr)

Minister Thomas Kutschaty

Minister Franz-Josef Lersch-Mense

Ministerin Sylvia Löhrmann


(ab 18 Uhr)

Minister Johannes Remmel


(ab 16:15 Uhr)

Ministerin Barbara Steffens


(bis 12:30 Uhr)

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans


(ab 17:30 Uhr)
Brigitte Dmoch-Schweren (SPD)

Günter Garbrecht (SPD)

Inge Howe (SPD)

Karl Schultheis (SPD)


Oskar Burkert (CDU)

Hubertus Fehring (CDU)

Christian Haardt (CDU)
(ab 13 Uhr)

Friedhelm Ortgies (CDU)

Ina Scharrenbach (CDU)
(ab 16 Uhr)

Michael-Ezzo Solf (CDU)


(bis 12 Uhr)

Martina Maaßen (GRÜNE)

Karin Schmitt-Promny (GRÜNE)
(von 16 bis 19 Uhr)

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE)


Angela Freimuth (FDP)
(ab 16 Uhr)

Christian Lindner (FDP)


(ab 16 Uhr)

Dirk Wedel (FDP)


Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN)

Birgit Rydlewski (PIRATEN)






Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 121. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben die große Freude, auch heute einem Kollegen zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Herr Dr. Stefan Berger von der Fraktion der CDU feiert seinen Geburtstag hier gemeinsam mit uns.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Herr Kollege Dr. Berger, herzlichen Glückwunsch! Alles Gute und wie immer der Wunsch, dass der Ple-nartag Ihnen wenigstens im Abendbereich noch Möglichkeiten eröffnet, mit der Familie zu feiern.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/12500

erste Lesung

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2016 bis 2020 mit Finanzbericht 2017 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/12501

Und:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2017 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 – GFG 2017)

Gesetzentwurf


der Landesregierung
Drucksache 16/12502

erste Lesung

Zur Einbringung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2017 sowie der Finanzplanung 2016 bis 2020 mit dem Finanzbericht 2017 erteile ich für die Landesregierung Herrn Finanzminister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 70. Geburtstag unseres Landes hat etwas bewirkt, was bei manchen gar nicht mehr möglich schien – den vielen Menschen in und außerhalb von Nordrhein-Westfalen, die zum Landesjubiläum auf dieses gute Fünftel Deutschlands geguckt haben, die Stärken unseres Landes vor Augen zu führen.

Nur zwei Stimmen stellvertretend, ohne lange zu zitieren:

Die Kanzlerin hat beim Festakt zum 70. Landesjubiläum eine Zusammenfassung gegeben, die wohl alles ausdrückt. Sie hat gesagt: „Nordrhein-Westfalen ist einfach ein starkes Stück Deutschland.“

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie hat nicht nur darauf hingewiesen, dass das Land ein starkes Stück Deutschland ist, sondern auch darauf, wie viel Neues entstanden ist, und dass sich die Anstrengungen auszahlen, die wir in den letzten Jahrzehnten unternommen haben.

Ein weiterer Kronzeuge mag Norbert Blüm sein, der beim Festakt der NRW-CDU humorvoll bewegende Worte über unser Land gefunden hat.

In diesen Tagen ist wieder einmal deutlich geworden, Nordrhein-Westfalen ist mit 17,5 Millionen Einwohnern nicht nur um vieles größer als die meisten anderen Bundesländer.

Ein Hinweis: Die acht kleineren Bundesländer, also die Hälfte der Länder, haben 3 Millionen Einwohner weniger als Nordrhein-Westfalen. Das ist oft nicht klar, wenn hier mit absoluten Zahlen argumentiert wird.

Nordrhein-Westfalen ist aber auch viel dichter, es ist bunter, es ist eben anders als alle anderen Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Menschen fühlen sich wohl in dieser einzigartigen Mischung aus Stadt- und Landregionen. Auch darauf hat die Kanzlerin hingewiesen.

Ich selbst – ebenso wie Sie vermutlich – kenne nur wenige, die ihr Land Nordrhein-Westfalen, sei es als alte Heimat oder als neue Heimat, gegen ein anderes Land in Deutschland oder anderswo tauschen möchten.

Ich stelle diese Anmerkungen an den Anfang meiner Einbringungsrede zum Haushalt 2017, weil ich, ehrlich gesagt, Zahlenvergleiche leid bin, die das Besondere unseres Landes unbewusst oder auch wissentlich ignorieren und ins Negative wenden.

(Beifall von Ingrid Hack [SPD])

Um die Regierung schlecht dastehen zu lassen, nimmt man in Kauf, auch das Land mit seinen Qualitäten schlecht darzustellen. Der übliche Vergleich mit den westdeutschen Flächenländern soll aussehen wie eine aussagefähige objektive Einordnung. Er ist es aber nicht.

In welchem anderen dieser Flächenländer lebt über ein Drittel der Menschen quasi in einem riesigen Stadtstaat mit allen spezifischen Herausforderungen großer Ballungsräume und noch dazu mit einem noch lange nicht abgeschlossenen Strukturwandel?

Größe, Dichte, pulsierende Wirtschaft, Berufspendler erzeugen bei uns in der Tat mehr Staus als in Schleswig-Holstein, im Saarland oder in Thüringen.

Zu den Folgen der Ballung gehört aber auch eine weitaus dichtere Hochschullandschaft, eine Kulturlandschaft, die auch durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft geprägt ist, medizinische Versorgung auf Spitzenniveau, Topkonzert- und Sportereignisse, im Übrigen auch eine bessere Internetversorgung, weil die Stadtregionen eben auch große Vorteile gegenüber Regionen bringen, die weit von Städten entfernt sind.

Die Prägung als Ballungsraum bedeutet aber ohne Zweifel auch mehr soziale Brennpunkte, mehr Anforderungen an Schule, an die Schaffung bezahlbarer Wohnungen, an Polizei und Gerichte und auch deutlich höhere Ausgaben für die Bewältigung des Verkehrsaufkommens als etwa im Allgäu, im Hunsrück oder in der Holsteinischen Schweiz.

Dass die Opposition die deutlich höheren Kosten einer solchen Siedlungsstruktur unter den Tisch zu kehren versucht, mag man unfair finden, aber man erwartet es nicht anders. Dass veritable Wirtschaftsinstitute das ausblenden, wenn sie Nordrhein-Westfalen mit anderen Ländern vergleichen, gibt mir, ehrlich gesagt, mehr zu denken.

Auch die Ballungsrandzonen sind bei uns breiter und in vielem anders als der klassische ländliche Raum in anderen Flächenländern. Der ländliche Raum in Nordrhein-Westfalen wiederum muss sich nicht vor einem Vergleich mit den ländlichen Räumen in den wirklichen Flächenländern verstecken, die solche stadtstaatenähnlichen Strukturen wie wir überhaupt nicht haben.

Die Landesregierung wird alles tun, um die unvergleichliche Mischung und die besonderen Stärken zu erhalten, aber auch die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen. Das ist der Gegenstand einer soliden Haushaltsplanung und nicht pauschales Kürzen auf Teufel komm raus, das am Ende immer die Kleinen trifft und die Weichen für die Zukunft falsch stellt.

Mit dem Kurs der Konsolidierung mit Augenmaß bleibt das klare Bekenntnis zum Haushaltsausgleich ab 2020 verbunden, aber auch die klare Absage an einen Wettlauf unter völlig verschiedenen Voraussetzungen mit anderen Ländern, wer denn die schwarze Null am schnellsten als Trophäe gewinnt. Der Wettlauf um die schwarze Null ohne Rücksicht auf dringend nötige Investitionen ist eben kein Wert an sich und er ist schon gar nicht verantwortungsbewusste Politik angesichts der notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft, nicht nur in unserem Land.

In Zeiten niedrigster Zinsen Prioritäten falsch zu setzen und auf dringend notwendige Investitionen zu verzichten, das, fände ich, wäre wirklich ein Verschieben von Lasten in die Zukunft und auf die folgenden Generationen.

(Beifall von der SPD und Stefan Engstfeld [GRÜNE])

Investitionen in die Zukunft, das sind im Übrigen nicht nur die Ausgaben für Glasfaser, Asphalt und Beton, es sind auch die Ausgaben für Bildung, für die Vereinbarung von Familie und Beruf, für die Sicherheit und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In der Statistik ist das Konsum. Ich finde, das ist ein Anachronismus, den die Opposition immer wieder gern zum Anlass nimmt, die klassische Investitionsquote als alleinigen Indikator für vorsorgende Politik zu propagieren und so zu tun als sei Konsum gleichbedeutend mit verzichtbarem Luxus oder wirkungslosem Verbrauch von Steuergeld.

(Armin Laschet [CDU]: Quatsch!)

Gegen die pauschale Forderung nach Kürzen und Streichen ohne zu sagen, wo, bei gleichzeitig unzähligen Forderungen nach Mehrausgaben an allen möglichen Stellen setzen wir einen verantwortungsvollen Kurs in der Haushaltspolitik. Wir nutzen die gute Einnahmesituation richtig ausbalanciert für beides: für den Abbau der Nettokreditaufnahme auf Null bis 2020 und für Investitionen in die Zukunft unseres Landes Nordrhein-Westfalen.

Der Haushaltsentwurf 2017, den ich Ihnen heute vorlege, ist – das haben auch Vertreter der Opposition schon häufiger gesagt – der letzte Haushalt der laufenden Legislaturperiode. Er ist zugleich der siebte Haushalt dieser Landesregierung mit kontinuierlicher Konsolidierung trotz riesiger, teils schwer kalkulierbarer unvorhergesehener Herausforderungen. Er ist, anders als seit Langem geunkt, eben kein Wahlkampfhaushalt mit teuren Versprechen.

Ganz im Gegenteil, wir gehen den soliden Weg der Haushaltskonsolidierung geradlinig weiter. Das bedeutet vor allem, dass die originären Einnahmen im Landeshaushalt eine höhere Steigerungsrate aufweisen als die Ausgaben. Einer Einnahmensteigerung von 3,7 % steht eine Ausgabensteigerung von 3,3 % gegenüber. Dementsprechend sinkt die Kreditaufnahme weiter.

Wir erwarten eine Zunahme der Steuereinnahmen, als weitaus größte Einnahmeposition, auf 54,6 Milliarden €. Es werden rund 1,9 Milliarden € mehr sein als 2016. Bei den übrigen Einnahmen gehen wir davon aus, dass sie um 600 Millionen € höher ausfallen als in diesem Jahr.

Die Gesamtausgaben steigen moderater. Sie steigen um insgesamt 2,3 Milliarden €, und damit erreichen wir ein Haushaltsvolumen von 72,3 Milliarden €. Die höchsten Veränderungsraten ergeben sich im Bereich des Personals mit 5 % und im Bereich der Investitionen mit 5,8 %.

Wer den Konsolidierungserfolg gern mit dem Hinweis auf steigende Gesamtausgaben infrage stellt, sollte nicht verschweigen, dass Länderhaushalte – anders als der Etat des Bundesfinanzministers – immer auch um die Beträge wachsen, die sie vom Bund in die Kommunen durchreichen. Dazu sage ich ganz offen: Dieses Ausgabenwachstum könnte durchaus noch ein wenig größer sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Wir werden in diesem Jahr bzw. im Jahr 2017 fast 25 Milliarden € in die Stärkung der Kommunen investieren – in absoluten Zahlen wie in Anteilen am Gesamthaushalt mehr als je zuvor. Davon sind 2,4 Milliarden € allein für Flüchtlingsaufgaben; der Kollege Ralf Jäger wir darüber noch detailliert berichten. Mehr als 29 Milliarden € fließen in die Bildung – das sind 40 % des Gesamtetats von 72,3 Milliarden € – und 4,2 Milliarden € in die öffentliche Sicherheit.

Wenn ich auf die sieben Jahre zurückblicke, in denen unterer unserer Verantwortung Haushalte vorgelegt wurden, dann sind 200 Milliarden € in die Bildung geflossen – zum Vergleich: Während der Regierungszeit von CDU und FDP waren es 95 Milliarden € –, 30 Milliarden in Sicherheit und Ordnung – zum Vergleich: 16 Milliarden € in der Zeit von schwarz-gelb – und 15 Milliarden € in den Kitaausbau – damals waren es 6 Milliarden €. Dazu kommen 1 Milliarde € für den Breitbandausbau und eine 1 Milliarde € für die Inklusion.

Gleichzeitig konsolidieren wir. Wir haben in den sieben Haushalten, die wir seit Amtsantritt vorgelegt haben, die Nettoneuverschuldung Schritt um Schritt um mehr als 75 % zurückgeführt. Von jedem ausgegebenen Euro werden noch 2,5 Cent mit Krediten finanziert, bei Beginn der Regierungszeit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen waren es bei jedem ausgegebenen Euro noch 9,4 Cent. Diese 2,5 Cent sind der geringste Sollansatz der letzten Jahrzehnte, der je in diesem Parlament und mit Haushalten vorgelegt wurde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Indem wir den Einnahmenanstieg unter Verzicht auf manche wünschenswerten und viele geforderte Mehrausgaben für die Senkung von Kreditaufnahmen einsetzen, schaffen wir den langsamen Schritt-für-Schritt-Ausgleich, den uns auch das Grundgesetz vorgibt. Im kommenden Jahr veranschlagt die Landesregierung eine Kreditaufnahme von 1,6 Milliarden €, in diesem Jahr sind es noch 1,8 Milliarden €.

Ja, wir haben gegenüber 2010 erhebliche Steuermehreinnahmen – das verschweige ich nicht –, und zwar in einem Umfang von 17,8 Milliarden € im Haushaltsplan 2017 gegenüber 2010. Ja, wir haben auch deutliche geringere Zinsausgaben: 1,8 Milliarden € weniger als im Haushalt 2010.

Wenn wir davon aber nur die Mehrausgaben abziehen, die durch Besoldungs- und Tariferhöhungen entstanden sind – 5,8 Milliarden € – und das, was wir an die Kommunen weitergeben – 10,1 Milliarden € mehr als im Haushalt 2010 –, dann stehen Haushaltsverbesserungen von 19,6 Milliarden € durch Zinsen und Steuermehreinnahmen Mehrausgaben von 15,9 Milliarden € allein nur bei Kommunen und Personal gegenüber.

Wenn ich jetzt dazu noch die rund 3 Milliarden € nehme, die wir allein seit 2014 netto für das Thema „Flüchtlinge, Versorgung, Integration“ ausgeben, hätte insgesamt gerade einmal eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung gestanden, um die Kreditaufnahme von 2010 herunterzufahren. Sie ist aber nicht um eine halbe Milliarde Euro, sondern um 5 Milliarden € heruntergefahren worden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir stünden noch besser da, wenn der Bund gemäß seiner gesamtstaatlichen Verantwortung die Hälfte der Ausgaben tragen würde. Wir könnten die Nettoneuverschuldung dann schon 2017 fast auf die Null bringen.

2017 beteiligt sich der Bund an den flüchtlingsbedingten Ausgaben nach vielen Gesprächen und hartem Ringen am Ende gerade einmal mit 24 %. Die allein auf den Bundeshaushalt fixierte Sichtweise des Bundesfinanzministers, ohne die Bereitschaft auf das gesamtstaatlich Notwendige zu achten, quält allerdings nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen und seine Kommunen, sondern auch die anderen Länder. Das ist ein stetiges Thema in der Finanzministerkonferenz, in der deutlich wird: Wir bekommen für die Aufgabe, die uns die Verfassung zuweist, die aber in der Größe so nie angenommen werden konnte und von keiner Planung abgedeckt werden kann, vom Bund insgesamt zu wenig.

Auch wenn der akute Zuzug von Menschen die vor Gewalt und Verfolgung in unser Land fliehen, gegenwärtig deutlich rückläufig ist, dann bedeutet das nicht, dass die Herausforderungen kleiner werden. Denn die eigentliche Arbeit fängt erst an: Wir sind jetzt gefragt, die Menschen, die bei uns Schutz suchen, zu integrieren, sie auszubilden, Sprachkurse anzubieten, ihnen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und ihnen zu helfen, einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft zu finden. Das nutzt uns allen.

In der Diktion der Haushaltsrechnung ist das aber übrigens fast alles Konsum. Wir werden deshalb auch 2017 mit einem hohen Anteil an Konsumausgaben planen, und zwar in dem Bereich dessen, was wir für Menschen, die bei uns Schutz suchen, ausgeben: rund 4,2 Milliarden €. Genau wie 2016 werden wir an die Kommunen mehr als das Doppelte dessen überweisen, was wir vom Bund bekommen – dann, wenn die mit dem Bund für die Entlastung der Länder vereinbarte Integrationspauschale auch ihrer Bestimmung entsprechend im Landeshaushalt eingesetzt wird. Mit dieser Integrationspauschale kommt der Bund gerade einmal um ein paar Prozent – rund 5 % – Anteil dessen, was das Land bezahlt, mehr nach, als das in den Jahren vorher war.

Ich habe auch den Kommunalvertretern an den verschiedensten Stellen immer gesagt, dass wir unterscheiden müssen: Was ist für die Kommunen zu tun? Was reichen wir weiter? Was hat uns der Bund für die Kommunen gegeben – entschieden im Juni dieses Jahres in der Ministerpräsidentenkonferenz? Was hat er, um seinen Anteil viel zu gering, aber etwas zu erhöhen, den Ländern versprochen? Das ist die Integrationspauschale.

4,2 Milliarden € für Flüchtlinge: Das ist eine sehr verkürzte Darstellung, die mancherlei Missverständnis verursachen könnte. Denn der allergrößte Teil dieser Ausgaben gelangt nicht in die Taschen der Zuwanderer, sondern er besteht aus Gehältern für Lehrer, Polizisten, Mitarbeiter der Justiz, aus Mietzahlungen für Unterkünfte und aus Zahlungen für Verpflegung und Versorgung der Menschen.

Das ist ganz nebenbei ein immenses Konjunkturprogramm, das im Übrigen auch Teil der Steuermehreinnahmen ist, die wir in diesem Jahr und im vergangenen Jahr erreicht haben. Manch ein Kritiker der Flüchtlingspolitik ist sich gar nicht bewusst, dass sein Einkommen erheblich von der Flüchtlingshilfe abhängt.

Unabhängig davon werden wir auch in diesem Haushalt 2017 die Zukunft des ganzen Landes im Blick behalten und unsere Anstrengungen in den Kernbereichen unserer Politik weiter vorantreiben. Weit oben auf unserer Prioritätenliste steht wie bereits in den vergangenen Jahren das Thema Bildung. Da investieren wir weiterhin viel Geld und nehmen dafür allein im Jahr 2017 gut 29 Milliarden € in die Hand. Gute Bildung hilft dabei, Wachstumspotenziale zu steigern und Reparaturkosten vor allem im sozialen Bereich zu vermeiden.

Zum Kindergartenjahr 2017/2018 rechnen wir im U3-Bereich mit rund 13.000 zusätzlichen Plätzen. Insgesamt sind es dann rund 190.000 U3-Plätze. Das sind mehr als doppelt so viele Betreuungsplätze, als wir sie 2010 hatten.

Gleiches gilt für die Bereiche der Schul- und Weiterbildung. Die Mehrausgaben belaufen sich im Vergleich zum Vorjahr auf rund 500 Millionen €. Damit werden unter anderem 1.767 zusätzliche Lehrerstellen finanziert, die vor allem für Verbesserungen bei der Inklusion sorgen werden. Dadurch werden 2.550 zusätzliche Plätze bei den offenen Ganztagsschulen im Primarbereich gewonnen.

Zusammen mit der NRW.BANK werden wir ein kommunales Investitionsprogramm „Gute Schule 2020“ auf den Weg bringen. Damit versetzen wir unsere Städte und Gemeinden in die Lage, in den kommenden vier Jahren insgesamt 2 Milliarden € in die Schulinfrastruktur zu investieren.

Ein weiteres Kernanliegen dieser Landesregierung ist die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dafür sind im Haushaltsplan knapp 4,2 Milliarden € vorgesehen. Das sind rund 375 Millionen € mehr als im vergangenen Jahr.

Neben umfangreichen Investitionen in eine verbesserte Ausstattung und Ausrüstung der Polizei geht es auch um die spürbare Anhebung der Polizeistärke. Die soll langfristig 41.000 Stellen betragen.

(Christian Lindner [FDP]: Wie viele Neueinstellungen gibt es? Wie viele sind da?)

Wir werden auch die Finanzverwaltung inklusive ihrer IT-Kapazitäten stärken. Dafür haben wir die Einstellung von 250 Finanzanwärterinnen und Finanzanwärtern genehmigt.

Ein weiterer investiver Schwerpunkt ist die Verbesserung der Infrastruktur. Ein gutes Straßennetz ist ein wichtiger Wohn- und Wirtschaftsfaktor, der einen erheblichen Einfluss auf den Wohlstand und die Lebensqualität in Nordrhein-Westfalen haben wird.

Bei den Investitionen in den Landesstraßenbau ist die Instandhaltung der Landesstraßen das vorrangige Ziel. Erhaltung von Neubau ist das Motto. Für die Substanzerhaltung des etwa 13.100 km umfassenden Straßennetzes, inklusive der Brücken stehen 118 Millionen € zur Verfügung. Darüber hinaus hat sich der Kollege Mike Groschek auch auf Bundesebene erfolgreich für eine Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt.

(Christian Lindner [FDP]: Aber nicht bei den Grünen!)

Allein aus dem Bedarfsplan für Bundesfernstraßen werden bis 2030 über 13 Milliarden € nach Nordrhein-Westfalen fließen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Davon erhält Nordrhein-Westfalen für die Beseitigung von Staustellen einen Anteil von fast 38 %. Das ist ein richtiger Erfolg bei den vielen 14-, 15-%-Anteilen, die Nordrhein-Westfalen normalerweise an Bundesmitteln erhält. Wir werden uns auch zukünftig dafür einsetzen, dass wir als Drehkreuz Europas angemessen an den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur beteiligt werden.

Wir werden für die Digitalisierung in den nächsten Jahren 2016 bis 2018 350 Millionen € zur Verfügung stellen. Zusätzlich zu diesen Mitteln stehen noch einmal Bundesmittel in gleicher Höhe, EFRE-Mittel und die Erlöse aus Frequenzversteigerungen zur Verfügung, sodass bis zu einer Milliarde € für diese wegweisende Technik bereitstehen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Welche?)

Allein 2017 haben wir im Haushalt Maßnahmen im Umfang von 162 Millionen € vorgesehen. Schon jetzt liegen wir an der Spitze, was den Zugang zu Anschlüssen mit 50 Mbit und mehr betrifft.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zur Steuerpolitik machen, an der Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene aktiv beteiligt ist und die für die Finanzplanung von Ländern und Gemeinden alles andere als unbedeutend ist. Wir sind – das wird selbst die Opposition nicht bestreiten – Vorreiter, wenn es um mehr Steuergerechtigkeit in unserem Land geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es kann aber nicht sein, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne ungehindert in Dumpingsteuerländer verschieben dürfen. Das ist auch deshalb zutiefst ungerecht, weil damit eine eklatante Wettbewerbsverzerrung zulasten der großen Mehrheit unserer Unternehmen verbunden ist, die sich an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen, eben weil sie wissen, dass nur dadurch die Voraussetzungen geschaffen werden, auch in Zukunft Umsatz und Gewinn zu machen, um Beschäftigung anbieten zu können.

Angesichts der riesigen Herausforderungen bei Infrastruktursanierungen, Digitalisierung, Bildung und Sicherheit ist es aber heuchlerisch, den Menschen vorzugaukeln, dass das mit weniger staatlichen Ausgaben zu machen wäre.

Die konjunkturell bedingten Rekordergebnisse sind keine Rekordergebnisse, weil es plötzlich Rekordsteuersätze gibt, sondern das sind Rekordergebnisse, weil es Rekordgewinne der Unternehmen, ein Rekordbeschäftigungsniveau gibt und weil es auch höhere Einkommen gibt als in den vergangenen Jahren.

Das zu einem Anlass für dauerhafte Steuersenkungen zu nehmen, wäre alles andere als eine gute Idee. Das müsste bedeuten, dass wir, wenn die Gewinne wieder sinken und wenn die Beschäftigung wieder abnimmt, anschließend die Steuern erhöhen müssten.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist unglaublich, was Sie da sagen!)

Das ist die Philosophie der FDP.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Herr Lindner, Sie haben noch Gelegenheit, zu reden. Hören Sie einfach erst einmal zu.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Die durchaus wünschenswerte weitere steuerliche Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen – das müsste Sie doch interessieren. Schließlich interessieren Sie sich doch auch für die Entlastung der kleinen Einkommen, Herr Lindner.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist nicht wahr!)

– Herr Optendrenk würde an dieser Stelle sagen: Das war Ironie.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Die durchaus wünschenswerte weitere Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ist auch machbar, und zwar unter zwei Voraussetzungen: erstens, wenn sie klar und unmissverständlich auf die kleinen und mittleren Einkommen beschränkt wird und dabei insbesondere auf die fokussiert wird, die Kinder betreuen und erziehen, und zweitens,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

wenn der damit verbundene Einnahmeausfall solide gegenfinanziert ist. Es kann nicht sein, dass sich Herr Schäuble für Steuergeschenke feiern lässt, von jeder Milliarde Euro Einnahmeverzicht aber rund die Hälfte auf Länder und Kommunalhaushalte entfällt.

(Henning Höne [FDP]: Geschenke!)

Das wären etwa 60 Millionen € weniger für unseren Landeshaushalt und rund 45 Millionen € weniger für die NRW-Kommunen.

(Henning Höne [FDP]: Steuergeschenke!)

– Ja, es geht aber auch nicht darum, wie das häufiger dargestellt wird, dass die Menschen etwas schenken. Es geht hier um Leistung und Gegenleistung, und es geht darum, dass Sie nicht aufhören, Anträge dazu zu stellen, was alles verstärkt und verbessert werden kann, den Menschen aber vorgaukeln, das alles könnten sie mit weniger Geld bekommen. Das ist die FDP-Philosophie, weil Sie wahrscheinlich die Marktkräfte entfesseln.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Die Gegenfinanzierung kann nicht aus den zeitlich beschränkt konjunkturell sprudelnden Einnahmen kommen. Die gehören in die Investitionen. Die Gegenfinanzierung muss aus den seit Jahren verstopften Steuerquellen kommen. Das sind die Steuerquellen von den Starbucks, Apples, Googles und auch deutscher Konzerne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Wer hat das Thema denn aufgemacht? Wer war das? Wir waren das!)

Die machen nämlich mit der Kaufkraft hierzulande Geschäfte, drücken sich aber vor der finanziellen Beteiligung. Deshalb treten wir dafür ein, dass Gewinne nicht mehr durch überhöhte Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen einer Konzernholding in Steueroasen verschoben werden können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Aufgaben werden nicht weniger. Im Gegenteil: Wir erleben bei den Anträgen, die hier immer wieder gestellt werden, und lesen immer wieder in den Zeitungen von Defiziten. Neben den pauschalen, nicht spezifizierten, nicht konkretisierten Aussagen, wo man etwas weniger ausgeben könnte, lese ich immer konkret, wo es fehlt. Das zeigt am Ende auch, wo die Herausforderungen liegen, und die werden nicht kleiner, sie werden größer.

Deswegen erhöhen wir mit diesem Haushalt 2017 auch ganz bewusst die Stellenzahl um 2.661 Stellen in den Bereichen Bildung, Polizei und Justiz. Es ist schon bemerkenswert, dass noch vor einigen Jahren die Forderung gestellt wurde, 14.000, 15.000 Stellen abzubauen, dass in der letzten Zeit aber nur noch zu hören ist, wo in der Polizei, der Schule, der Justiz, der Finanzverwaltung und vielen anderen Bereichen Stellen fehlen, die wieder eingerichtet werden müssen. Interessanterweise betrifft dies Bereiche, in denen mit falscher Rotstiftpolitik vor Jahren noch zu den heutigen Defiziten beigetragen worden ist.

Wir haben das Personal seit 2010 um gut 11.000 Stellen aufgestockt, unter anderem um 1.500 Polizeibeamte, 1.300 Justizbeamte, 6.200 Lehrerinnen und Lehrer. Zusätzlich haben wir auch die Finanzmittel, die zur Ausstattung dazugehören, wenn man Stellen schafft, aufgestockt.

Obwohl wir all diese Anstrengungen unternehmen, setzen wir zugleich den Pfad der Konsolidierung fort, weil wir konjunkturbedingte Mehreinnahmen nutzen und keine Steuersenkung versprechen, die für 5 € mehr in der Tasche sorgen, dafür aber dringend notwendigen Ausgaben die Grundlagen entziehen. Darin – das wissen wir – steht im Übrigen die große Mehrheit der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen hinter uns.

Lassen Sie uns in den Haushaltsberatungen, die jetzt anstehen, in den nächsten Wochen hart, aber fair um den richtigen Weg für unser Land ringen. Aber lassen Sie uns bei allem heraufziehenden Wahlkampfgetöse die Stärken unseres Landes, seine Lebensqualität und die Einsatzbereitschaft der Menschen nicht zerreden. Ich glaube, das hat dieses Land verdient.

Und dazu gehört, dass konsolidiert und investiert wird und dass wir hier nicht zulasten des einen kaputtsparen und die Zukunft dieses Landes verbauen, sondern dass wir Wege dafür ebnen, dass dieses Land sich in seiner wirtschaftlichen Stärke weiterentwickeln kann und den sozialen Zusammenhalt, der uns bekannt gemacht hat, auch behält. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



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