Schillers Verbindung von Geschichte und Theater Ein Überblick



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Schillers Verbindung von Geschichte und Theater

  • Ein Überblick

  • Dr. Karl Solibakke

  • 20.04.2005


Historiographische Phase

  • Zeitraum von 1787-1792

  • zwei Motivationen: Stoff und Reputation

  • ist das Intermezzo äußerst erfolgreich gewesen, so stehen die Geschichtswerke doch im Zeichen des Fragmentarischen

  • diese behandeln Übergangsperioden, in denen politische Ordnungssysteme zerfallen und neue Machtkonstellationen zutage treten

  • Interesse Schillers gilt der Anatomie politischen Handelns: Revolte und Krieg, Volkserhebung, Aufstand und Umsturz

  • hierbei läßt sich die Verlaufslogik der Geschichte näher untersuchen, um genau ermessen zu können, inwiefern selbst die Störung ihrer Ordnung einem höheren Zweck gehorcht

    • methatheoretische Verwandlung einer Säkularisierung der Geschichtstheologie in eine Geschichtsmetaphysik – deren Resakralisierung (?)


Allgemeine Ziele des Historienwerks

  • „doppelte Optik“, was die Merkmale historischer Darstellungen anbelangt

    • Quellenkunde auf dem Stand der Forschung
    • Umsetzung in ein evolutionäres Geschichtskonzept
  • Geschichte als Organon bürgerlicher Emanzipation

  • der Geschichtsschreiber soll Lehrer der Menschheit und Mitgestalter der historischen Entwicklung sein: Rückverweis auf die nationalpädagogischen und erzählbetonten Prinzipien von Herodot, Thukydides und Plutarch

  • ausgewogene Relation zwischen Form und Stoff

  • Dialektik von Individuum und Kollektiv in der Bestimmung von Kultur – Konflikt zwischen der prätendierten Freiheit des Ich und dem notwendigen Gang der Geschichte

  • Abstand von der Beschäftigung mit der Zeitgeschichte



Schillers dramatische Bandbreite

  • Das Schauspiel der Seele – Die Räuber

  • Ein republikanisches Schauspiel – Die Verschwörung des Fiesko zu Genua

  • Das bürgerliche Trauerspiel – Kabale und Liebe

  • Vom Charakterdrama zur Tragödie – Don Karlos

  • Vom Geschichtsdrama zur Tragödie – die Wallenstein-Trilogie

  • Die klassische Tragödie – Maria Stuart

  • Eine romantische Tragödie – Die Jungfrau

  • Tragik in Reinform – Die Braut von Messina

  • Das Volksstück – Wilhelm Tell



Frühe dramentheoretische Schriften

  • Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet (1784)

  • Vorreden und Kommentare zu den Theaterstücken (Vorrede zu Don Karlos und Briefe über Don Karlos)

  • Goethe-Rezensionen (Egmont, Iphigenie)

  • Diese Schriften Schillers erscheinen am Ende einer langen Debatte über die moralische (prodesse) und ästhetische (delectare) Legitimation des Theaters in der Aufklärung. Sie fassen die Argumente der Theaterbefürworter zusammen und formulieren so für die deutsche Aufklärung das Schlußwort der „Querelle du théâtre“ (Debatte über das Theater).

    • Lessing, Sulzer und Mercier sind Schillers Quellen
    • Widerlegungen der Kritiken Rousseaus am moralischen Wert des Theaters als gesellschaftliche Sittenverderberin


Bühnenphilosophische Ziele

  • Kulturauftrag des Theaters

  • Theater ist der Ort der sozialen Synthesis, an dem die gemeinsamen Affekte zur Verbrüderung aller Stände und Klassen präfiguriert werden

  • die Affekte bewirken die Selbsterkenntnis des Menschen, der zur Humanität konditioniert und erzogen werden soll

  • für das Theater wird der Rang einer konstitutiven Institution des Gemeinwesens reklamiert, gleich der Religion und dem Recht

  • das Theater bildet den gemeinschaftlichen Kanal einer Menschen- und Volksbildung (Frage nach dem nationalen Kulturverständnis)

  • Organ der Aufklärung und als solches eine Säule des vernunftgeleiteten Staates gleich res publica

  • als Schule der Moral (praktische Weisheit), der Politik (Wegweiser durch das bürgerliche Leben) und Psychologie (Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele) sei das Theater ein offener Spiegel des gesamten menschlichen Lebens

  • Theater leistet die Einheit von Vernunft und Sinnlichkeit, wenn verborgene Ursachen menschlichen Handelns aufgedeckt werden



Nachkantische Tragödientheorie

  • Schiller verbindet Thesen Kants mit denen Lessings (Hamburgische Dramaturgie) und M. Mendelssohns (Briefe Über die Empfindungen), um eine Definition der Tragödie zu entwickeln: „Die Tragödie wäre demnach dichterische Nachahmung einer zusammenhängenden Reihe von Begebenheiten (einer vollständigen Handlung) welche uns Menschen in einem Zustand des Leidens zeigt, und zur Absicht hat, unser Mitleid zu erregen.“

  • Frage nach dem „Vergnügen des Mitleids“

  • Lust des Zuschauers am Leiden entspringt dem „Zustand seiner vollkommenen Freiheit“ bzw. der „absoluten Selbstthätigkeit“ als Freiheit des Gemüts in seinem sittlichen Handeln

  • „Darstellung der moralischen Selbständigkeit im Leiden“ – Widerstand gegen das Leiden, der als eine übersinnliche, selbständige moralische Kraft im Menschen gilt

  • Begriff der poetischen Realität – nur in der fiktiven Welt der Tragödie kann jener Zustand der ideellen Freiheit gezeigt werden

  • Verteidigung des Vernunftwesens gegen das Sinnenwesen



Don Karlos I

  • Erstfassung 1785

    • erschien aktweise in der Thalia
    • summiert die Tendenzen der Jugendwerke
    • Konzentration auf den Charakter (Karlos bzw. Posa); Interesse am seelischen Geschehen des Helden, das durch gezielte Darstellung von Habitus, Gestik und Bewegung des Protagonisten ausagiert wird
    • Vereinigung des bürgerlichen Familiengemälde mit dem heroischen Aspekt; Hinwendung zum Fürstenhaus und zu einem europäischen Hof im 16. Jahrhundert
    • Erzeugung von Furcht und Mitleid für die Helden
    • Sprachentwicklung – Einsatz des Blankvers
    • sorgfältige Darstellung der Konfliktflächen – Karlos‘ Liebe zu Elisabeth und seine Pflicht als Sohn des Monarchen


Don Karlos II

  • Bauerbacher Entwurf

    • Verwicklung und Lösung der Konflikte werden in ein fünfteiliges Schema eingebettet
    • jedoch sind die politischen Aspekte und die Bedeutung Posas noch nicht ausgereift
  • Bühnenfassung von 1787

    • Aufwertung Posas und seiner Intrige gegen den König
    • Reduktion der thematischen und szenischen Dominanz von Karlos‘ Leidenschaft; sein Pathos erweist sich als tragischer Fehler und erhält somit eine funktionelle Bedeutung
    • Tragödie des Kampfes mit der Leidenschaft
    • Posas Schwärmerei und Karlos Leidenschaft bilden die beiden Pole eines politischen Stückes – Konflikt zwischen dem Individuum und der Idee in einem größeren politischen Zusammenhang


Don Karlos III

  • Schiller experimentiert mit der pyramidalen Strukturierung der klassischen Werke

    • 1. Akt: Explikation der diversen Interessen
      • Karlos, Posa, das Königspaar
    • 2. Akt: Handlungsbeginn mit
      • Karlos‘ Abweisung, die Episode mit Eboli, Domingo und Albas Plan, Posas Zustimmung zum Treffen mit der Königin
    • 3. Akt: Zusammenführung der politischen Gegner und das Gespräch zwischen Posa und dem König
    • 4. Akt: Umkehr der Handlungsrichtung
    • 5. Akt: Markierung der Katastrophe
      • Posa rechtfertigt sich, Philipp kehrt zum Absolutismus zurück und Karlos sublimiert seine Leidenschaft


Wallenstein I

  • Unmittelbarkeit der Wirkung weicht der ästhetischen Erfahrung

    • nicht mehr soll das Gemüt durch Identifikation mit den Figuren und Schicksalen auf der Bühne affiziert, sondern es soll ein komplexes inneres Geschehen präsentiert werden
    • Harmonisierung der Gemütskräfte; Denken und Fühlen werden ineinander geführt
  • Tragödienästhetik: mittels Abwendung von Rührung und Bewunderung soll ein innerer Prozeß erzeugt werden, in dem sich Sympathieerlebnis und Reflexion zu geistig-sinnlicher Selbstbesinnung verbinden

  • Dialektik von Pathos und Erhebung

  • damit erhält das Drama seinen Kunstcharakter zurück; seine Wirkung verläuft nicht mehr über die Identifikation mit dem Stofflichen, sondern durch die tragische Form

  • teleologische Verknüpfung bestimmt die ideelle Zweckmäßigkeit der Handlung



Wallenstein II

  • Form des Stückes

    • am Anfang steht ein Geschichtsdrama, das Distanz zu den leidenschaftlichen Helden des Frühwerks verspricht und Disziplin in der Disponierung des Stoffes verlangt
    • Schiller sieht sich zu Quellenstudien und genauer raum-zeitlicher Präzision veranlaßt
    • dadurch wird deutlich, daß das Geschichtsdrama nicht adäquat ist; eher erweist sich die Tragödie als die Form, die dem Wallenstein-Stoff Konsistenz und Stringenz verleihen soll
    • Ausbau des Stückes zur Trilogie im Jahr 1798


Wallenstein III

  • Wallensteins Lager

    • Expositionsdrama für die Trilogie
    • wichtige Abfolge von Genre-Bildern
    • Einakter mit 11 Auftritten
      • Extensität der politisch-historischen Wirklichkeit
      • politische und strategische Situation wird evoziert
      • das niedere Personal und die entsprechenden Sprachmittel (Knittelverse) bilden eine soziologische Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Krieg und dessen Auswirkung
      • Ausgangsbasis für den Zuhörer: materielle und ideelle Basis Wallensteins werden dokumentiert und kommentiert
      • dem Aufstieg und Fall des Protagonisten wird ein historisch-wirklicher Rahmen zugewiesen


Wallenstein IV

  • Die Piccolomini

    • setzt die Exposition auf der Ebene der Armeechefs fort, wobei erste Schwachpunkte die spätere Unzuverlässigkeit der Armee erkennen lassen
    • fünfaktiges Schauspiel, formal einheitlich konturiert (Verzicht auf inneraktige Schauplatzwechsel)
    • dramatischer Ablauf – Konstellation aus Aktionen, Reaktionen und Zufällen – bleibt durchgängig pragmatisch-kausal, jedoch aus den Ereignissen erschließt sich eine höhere Ordnung, die die Tragödie des „Helden“ im Wallenstein-Stoff erkennen läßt


Wallenstein V

  • Wallensteins Tod

    • Manifestation der tragischen Zweckmäßigkeit
    • Protagonist erliegt seinen Fehleinschätzungen und falschen Hoffnungen
    • Kluft zwischen dem Bewußtsein des Helden und seiner objektiven Situation
    • Leiden am Schicksal, das gegen den Helden arbeitet und ihn in den Tod treibt
    • hierzu dient die komplexe und metaphernreiche Figurenrede, die der Textebene eine ideelle Bezüglichkeit verleiht


Maria Stuart

  • eine geschlossene Tragödie um den Prozeß und die Enthauptung der schottischen Königin durch ihre Kusine, Elisabeth I von England

    • pyramidale Symmetrie der Form
      • 1. und 5. Akt (Maria)
      • 2. und 4. Akt (Elisabeth)
      • 3. Akt (Begegnung beider Königinnen)
    • Verknappung des politischen Moments, da der Ausgang des Prozesses gegen Maria feststeht und die Handlungsmomente von äußeren Ereignissen befreit sind
    • so gewinnt das Stück dramatische Geschlossenheit und atmosphärische Dichte; aus dem Geschichtssujet wird ein ästhetische Zwecke realisierendes Trauerspiel
    • polare Ausdrucksformen in der Figurenkonstellation – Maria stellt Sinnlichkeit, Elisabeth politisches Kalkül dar


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