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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
Mahnmal zu errichten, sondern vielmehr verschie-
dene Sichtweisen auf Krieg und Erinnerung zu er-
öffnen. Titelmotiv für die Ausstellung wurde eine
Collage von Sam Durant, der die Auswirkungen des
Krieges – Autowracks, Soldaten in Kampfmontur –
vor das Capitol montierte. Lesenswert sind die
Überlegungen von Tony Chakar in einem im Aus-
stellungsführer abgedruckten Text zur Unmöglich-
keit einer Gedenkstätte in einem von der Katastro-
phe geprägten Raum: „Mahnmale und insbesondere
Kriegsmonumente können im Raum und in der Zeit
der Katastrophe schlichtweg nicht existieren, da
Sprache dort versagt, die Bedeutung immer daneben
geht und die Signifikanten immer von außen erhellt
werden.‚
166
http://www.ica.org.uk/13499/Visual-Art/Memorial-
to-the-Iraq-War.html
http://www.kunstaspekte.de/index.php?tid=33012&a
ction=termin
Künstlerische Reaktionen auf den 11.
September 2001
Da zumindest die Initiative Joseph DeLappes zum
Gedenken an die nach heutigen Rechnungen mehr
als 650 000 zivilen Opfer des Irakkriegs in Reaktion
auf den Wettbewerb für eine Gedenkstätte am Ort
der New Yorker „Twin Towers‚ entstand, erscheint
es sinnvoll, diesen Hintergrund, der dem Afghanis-
tan- und Irakkrieg vorausgeht, kurz mit anzuspre-
chen. Mehr als 5000 Einreichungen waren dem 2003
ausgeschriebenen Wettbewerb für eine Gedenkstätte
gefolgt, um die es bis in die jüngste Zeit – neuer-
dings wegen eines in der Nähe geplanten islami-
schen Zentrums – Streit gab. Interessanter als diese
Auseinandersetzungen sind wohl die zahlreichen
Reaktionen von Künstlern/-innen. Eine Website der
Gotham Gazette listet über 40 Museen auf, die Aus-
stellungen zu dem Thema gemacht haben. Dabei
handelt es sich allerdings nicht immer um Kunst-
ausstellungen. „The other truth was that even the
166
Tony Chakar: „Das unmögliche Kriegsmahnmal. Ein Beitrag
zu der Londoner Ausstellung “Memorial to the Iraq War‘‚, in:
springerin 3/2007, S. 50-53,
http://www.springerin.at/dyn/heft.php?id=52&pos=0&textid=0&l
ang=en.
most ordinary people respond to tragedy with art‚,
schreibt der Philosoph Arthur C. Danto zu der von
ihm 2005 kuratierten Ausstellung „The Art of 9/11‚
im Kunstzentrum
apexart in New York.
167
Der
Lower
Manhattan Cultural Council nahm 2006 den fünfjähri-
gen Jahrestag der Anschläge zum Anlass, in seiner
interdisziplinär angelegten Reihe „Cities, Art and
Recovery‚ nicht nur zum Thema 11. September,
sondern darüber hinaus zu Sarajewo, Ruanda oder
den Verwüstungen von New Orleans durch den
Hurrikan Katrina die weitreichendere Frage zu stel-
len: „What Comes After?‚
http://www.gothamgazette.com/rebuilding_nyc/topic
s/culture/museum_exhibitions.shtml#list
http://www.gothamgazette.com/article/arts/20050909
/1/1562
http://www.apexart.org/exhibitions/danto.htm
http://www.lmcc.net/art/recovery/2006/music.html
Weitere lokale Konflikte
Indien / Pakistan
Militärregierungen und Geheimdienste, Terror-
gruppen im Norden, wo sich offenbar lange Zeit
Osama bin Laden unbehelligt aufhielt und die af-
ghanischen Taliban ein Rückzugsgebiet finden, An-
schläge im Inneren des Landes, denen eine Reihe
hoher Politiker zum Opfer fielen, gleichzeitig enge
Verbindungen zu den USA, die das Land als Stütz-
punkt für den Afghanistan-Einsatz nutzen und in
Pakistan selbst Drohnen-Angriffe auf Nord-
Waziristan fliegen, sowie der Grenzkonflikt mit
Indien machen Pakistan zu einem der kompliziertes-
ten, am schwersten zu durchschauenden Konflikt-
gebiete der Welt. Neben dem bereits angedeuteten
globalen Zusammenhang zwischen Islamismus und
„Krieg gegen den Terror‚ liegt eine der Haupt-
Ursachen für viele dieser Konflikte in der Staats-
gründung selbst: Pakistan entstand 1947 durch eine
von überaus heftigen Gewalteskalationen geprägte
Teilung der ehemals britischen Kolonie Indien in
einen muslimischen und einen hinduistischen Staat.
Mehrere hunderttausend Menschen kamen in weni-
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http://www.apexart.org/images/danto/Danto.pdf.