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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
versität. Über den Koreakrieg wussten sie nur wenig
aus Erzählungen ihrer Großeltern. Dass dagegen der
akute Konflikt nach dem Untergang eines südkore-
anischen Kriegsschiffs im März 2010 dagegen allen
sehr nahe ging, zeigte sich auch in den eigenen Bil-
dern der Teilnehmer/-innen, die während des Work-
shops entstanden. Die besondere Herausforderung
bestand in diesem Fall darin, die Teilnehmer/-innen
zu ermutigen, eigene Meinungen zu äußern und die
gestellten Aufgaben kreativ, mit eigenständigen
Ideen zu entwickeln und ihre eigene Meinung vor-
zutragen.
„Kunst existiert nicht, es sei denn als angewandte‚,
zitiert Trunk den Pädagogen Karl-Josef Pazzini.
Kunstvermittlung ist für sie Trunk nicht dasselbe
wie Museumspädagogik: Es geht nicht um kunsthis-
torisches Wissen, sondern darum, von den Hinter-
gründen der Teilnehmer/-innen ausgehend Fragen
der Bildproduktion und Bilderpolitiken zu reflektie-
ren. Bewusster Umgang mit Sprache, Ausbildung
von Kritikfähigkeit und die Entwicklung von Kom-
munikation zwischen unterschiedlichen Perspekti-
ven anhand von Kunstwerken zählen für sie zu den
wesentlichen Zielen einer zeitgemäßen Kunstver-
mittlung.
Über die Dix-Ausstellung hinaus ließe sich der An-
satz auch auf Künstler/-innen wie Käthe Kollwitz
oder Günther Uecker erweitern, der mit seiner Ar-
beit „Der geschundene Mensch: 14 befriedete Gerät-
schaften‚ nach eigenen Aussagen auf die „Verlet-
zung des Menschen durch den Menschen‚, genauer
auf die Anwendung von Gewalt gegen Ausländer in
Deutschland reagiert.
16
Interessant erscheinen in
diesem Zusammenhang auch die Collagen von
Hannah Höch oder die Fotografien, Aquarelle und
Druckgrafik von Wols.
17
16
http://www.ifa.de/kunst/ausstellungen-im-ausland/bildende-
kunst/guenther-uecker.html.
17
http://www.ifa.de/kunst/ausstellungen-im-
ausland/sondereinsaetze/wols.html
Krieg und Frieden in der modernen
und zeitgenössischen Kunst
Weniger offenkundig als bei Beckmann und Dix
spielt das Thema Krieg auch in der frühen Moderne
eine entscheidende Rolle. Hatten die Futuristen in
einer heute nur noch schwer nachvollziehbaren bil-
derstürmerischen Kampfansage gegen alles Über-
kommene den Krieg offen verherrlicht, so versam-
melten sich 1916 im
Cabaret Voltaire in Zürich Künst-
ler/-innen aus Deutschland, Frankreich und Rumä-
nien, um die Grammatik einer Rhetorik zu zer-
trümmern, die in Krieg und Untergang geführt hat-
te. „Wir waren alle durch den Krieg über die Grenze
unserer Vaterländer geworfen worden‚, schreibt
Richard Huelsenbeck, und weiter: „Wir waren uns
darüber einig, dass der Krieg von den einzelnen
Regierungen aus den plattesten materialistischen
Kabinettsgründen angezettelt worden war *<+ Wir
hatten alle keinen Sinn für den Mut, der dazu ge-
hört, sich für die Idee einer Nation totschießen zu
lassen, die im besten Fall eine Interessengemein-
schaft von Fellhändlern und Lederschiebern, im
schlechtesten eine kulturelle Vereinigung von Psy-
chopathen ist, die im deutschen “Vaterlande‘, mit
dem Goetheband im Tornister auszogen, um Fran-
zosen und Russen auf Bajonette zu spießen.‚ In den
Worten von Hugo Ball: „Der Dadaist kämpft gegen
die Agonie und den Todestaumel der Zeit.‚
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Ambivalent bleibt das Verhältnis der Dada-
Künstler/-innen zur Abstraktion, wie sie nach dem
Zweiten Weltkrieg die westliche Kunst dominiert.
Huelsenbeck meint 1920: „Anstatt weiter Kunst zu
machen, hat sich Dada einen Gegner gesucht, es
stellt sich in direkten Gegensatz zur abstrakten
Kunst.‚ Ball schreibt 1927 zum Stichwort „Abstrakte
Kunst (für die unentwegt Hans Arp eintritt)‚: „Das
abstrakte Zeitalter ist im Prinzip überwunden.‚
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Aufgrund der Bevorzugung der Abstraktion nach
1945 sind unzählige Werke, de sich während und
nach dem Zweiten Weltkrieg kritisch mit National-
18
Richard Huelsenbeck:
En avant Dada (1920), zit. nach:
Dada. Eine
literarische Dokumentation, hrsg. von Richard Huelsenbeck,
Reinbek 1964, S.111 f.; Hugo Ball:
Die Flucht aus der Zeit (1927), zit.
nach: ebd., S.154.
19
Huelsenbeck, ebd., S.116; Ball, ebd., S.149.